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Urteil : Zum Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung nach Ende de Arbeitsverhältnisses : aus der RDV 1/2017, Seite 41 bis 42

(Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 19. Juli 2016 – 1 Sa 37/16 –)

Archiv RDV
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Dem Anspruch auf Entfernung zu Unrecht erteilter Abmahnungen fehlt regelmäßig das erforderliche Leistungsinteresse (Rechtsschutzbedürfnis), wenn das Arbeitsverhältnis zwischenzeitlich beendet wurde.

(Nicht amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt:

Die Parteien streiten über die Ansprüche des Klägers auf Entfernung von drei Abmahnungen aus seiner Personalakte.

Der Kläger war ab dem 01.05.2007 bei der Beklagten beschäftigt. § 21 des schriftlichen Arbeitsvertrags lautet:

                            „§ 21 Untersuchung der gesundheitlichen Eignung

Der Mitarbeiter erklärt sich bereit, sich auf Verlangen der Arbeitgeberin ärztlich untersuchen zu lassen. Die hierdurch anfallenden Kosten trägt die Arbeitgeberin. Der Mitarbeiter entbindet den untersuchenden Arzt insofern von der ärztlichen Schweigepflicht, als das Untersuchungsergebnis Einfluss auf die Erfüllung der arbeitsvertraglich vorausgesetzten Einsatzfähigkeit des Mitarbeiters haben kann“.

Am 16.12.2014 genehmigte die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 10. bis 28.08.2015 Urlaub. Aufgabe des Klägers war ab September 2014, für die Produktionsstätte der Beklagten in B. eine neue CNC-Fräse zu erwerben und in Betrieb zu nehmen.

Am 04.05.2015 erklärte der Geschäftsführer der Beklagten sinngemäß, wegen Verzögerungen bei den Arbeiten zur Vorbereitung der Installation der Fräse könne der Urlaub bestimmter Mitarbeiter – darunter der Kläger als Verantwortlicher – in Gefahr sein.

Am 06.05.2015 sprach der Kläger dann mit dem Geschäftsführer und danach der Geschäftsführerin der Beklagten über die Frage der Urlaubsgewährung. Er bat um eine schriftliche Bestätigung dahingehend, dass ihm der Urlaub genehmigt sei. Der weitere Inhalt dieser Gespräche ist streitig.

Ab dem 07.05.2015 meldete sich der Kläger unter Vorlage ordnungsgemäß ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bei der Beklagten arbeitsunfähig. Mit Schreiben vom 07.05.2015 lud die Beklagte den Kläger zu einer Vorstellung beim Betriebsarzt zur Feststellung der gesundheitlichen Eignung für die übernommene Arbeitsaufgabe für den 08.05.2015 ein. Der Kläger lehnte die Untersuchung unter Hinweis auf seine Arbeitsunfähigkeit und einen fehlenden berechtigten Anlass ab. Mit Schreiben vom 21.05.2015 erteilte die Beklagte dem Kläger aufgrund dieser Ablehnung unter Hinweis auf § 21 des Arbeitsvertrags eine Abmahnung.

Am 22.05.2015 bestätigte der von der Beklagten eingeschaltete medizinische Dienst der Krankenkasse die vom Hausarzt festgestellte Arbeitsunfähigkeit.

Am 10.06.2015 sollte sich der Kläger auf Veranlassung der Beklagten zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung bei der C. GmbH einfinden. Unter Vorlage eines in M. ausgestellten ärztlichen Attests seines Hausarztes vom 09.06.2015 teilte der Kläger mit, er könne diese Termin nicht wahrnehmen. Mit Schreiben vom 30.07.2015 erteilte ihm die Beklagte wegen dieses Sachverhalts eine weitere Abmahnung. Schließlich erteilte die Beklagte dem Kläger am 07.08.2015 eine dritte Abmahnung, weil er sich am 05.08.2015 nicht zur ärztlichen Untersuchung eingefunden habe.

In erster Instanz hat der Kläger – soweit für das Berufungsverfahren von Interesse – die Entfernung der drei Abmahnungen aus der Personalakte verlangt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage hinsichtlich der hier in Rede stehenden Streitgegenstände in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Abmahnungen seien unwirksam. Es fehle an einer Rechtsgrundlage für die Anordnung der betriebsärztlichen Untersuchung. § 21 des Arbeitsvertrags sei unwirksam, da er den Kläger unangemessen benachteilige. Die Klausel regele eine voraussetzungslose, jederzeitige Untersuchungspflicht unter teilweiser Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht und greife damit unzulässig in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ein.

Gegen das am 04.01.2016 zugestellte Teil-Urteil hat die Beklagte am 25.01.2016 Berufung eingelegt und diese am 04.03.2016 begründet.

Zur Begründung ihrer Berufung führt sie aus:

Die Abmahnungen seien berechtigt. § 21 des Arbeitsvertrags sei im Hinblick auf die einschlägige Rechtsprechung dahin auszulegen, dass die Untersuchungspflicht nach § 21 „bei gegebener Veranlassung“ bestehe. Auch zeige § 21 S. 3, dass eine Untersuchung nur möglich sein solle, wenn Zweifel daran bestünden, dass der Mitarbeiter seinen vertraglichen Pflichten nachkommen könne. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sei die Klage auch insoweit unzulässig geworden.

Der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert: Wegen der zwischenzeitlichen Erfüllung der Zahlungsansprüche fehle der Berufung teilweise das Rechtsschutzbedürfnis. Trotz zwischenzeitlicher Beendigung des Arbeitsverhältnisses fehle seiner Klage auf Entfernung der Abmahnungen nach einem neueren Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht das Leistungsinteresse.

Aus den Gründen:

B. Die Berufung ist begründet, soweit die Beklagte die Abweisung der Anträge auf Entfernung der Abmahnungen vom 21.05., 30.07. und 07.08.2015 begehrt.

I. Die Anträge auf Entfernung der Abmahnungen vom 21.05., 30.07. und 07.08.2015 sind unzulässig. Es fehlt das erforderliche Leistungsinteresse (Rechtsschutzbedürfnis), da das Arbeitsverhältnis der Parteien zwischenzeitlich beendet ist.

1. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.09.1994 (5 AZR 632/93) steht dem Arbeitnehmer nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Regelfall ein Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte nicht mehr zu. Etwas anderes kann dann gelten, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Abmahnung dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann (Rn 23). Ein entsprechendes Interesse wird nicht dadurch begründet, dass der Arbeitgeber sich bei der Erteilung des Endzeugnisses von den Abmahnungen leiten lässt. Denn der Arbeitnehmer kann sein Interesse daran, insgesamt nicht falsch beurteilt zu werden, in einem Zeugnisrechtsstreit durchsetzen (BAG, a.a.O., Rn 25).

Der Kläger hat sich auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 16.11.2010 (9 AZR 573/09) berufen, in der ein nachvertraglicher Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsicht in seine Personalakte unter Hinweis auf die Pflicht des Arbeitgebers, keine unrichtigen Daten über den Arbeitnehmer aufzubewahren, begründet wird. Der Arbeitnehmer könne seine Rechte auf Beseitigung oder Korrektur unrichtiger Daten in seiner Personalakte nur geltend machen, wenn er von deren Inhalt bereits Kenntnis habe (BAG, a.a.O., Rn 42).

Hieraus ist der Schluss gezogen worden, damit habe sich die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 14.11.1994 erledigt (so etwa LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18.07.2011 – 10 Ta 1325/11 –; KR-Fischermeier, 10. Aufl., § 626 BGB, Rn 283).

2. Demgegenüber hat der zuständige zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts in einer Entscheidung vom 19.04.2012 (2 AZR 233/11) an seiner Rechtsprechung aus dem Jahre 1994 uneingeschränkt festgehalten und ausdrücklich ausgeführt, nach beendetem Arbeitsverhältnis könne ein Anspruch auf Entfernung von Abmahnungen nur ausnahmsweise gegeben sein, wenn objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, eine Abmahnung könne dem Arbeitnehmer auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden (a.a.O., Rn 51).

3. Das Berufungsgericht folgt dem fachlich zuständigen zweiten Senat und hält ebenfalls eine Klage auf Entfernung von Abmahnungen im beendeten Arbeitsverhältnis für regelmäßig unzulässig, da hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis nicht besteht. Anders als der Kläger und die von ihm zitierte Rechtsprechung und Literatur meint, hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 16.11.2010 allein zum Anspruch des Arbeitnehmers auf Einsichtnahme in eine Personalakte nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Stellung genommen. Mit der Entscheidung ist dem Kläger kein Recht auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte zugesprochen worden. Das Bundesarbeitsgericht hat nur festgestellt, dass Voraussetzung für einen solchen Anspruch der Einblick in die Personalakte ist. Zum hier in Rede stehenden Entfernungsanspruch verhält sich diese Entscheidung nicht. Insoweit verbleibt es dabei, dass der Kläger ein Leistungsinteresse darlegen muss. Es ist also vorzutragen, dass objektive Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Abmahnung ihm auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses schaden kann.

4. Hierfür gibt es keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat hierzu auch nichts dargelegt. Die Beklagte ist weder berechtigt, noch verpflichtet, die Personalakte an andere Arbeitgeber weiterzuleiten. Die – potenziell unrichtigen – Eintragungen in der Personalakte sind auch nicht mehr zur Kenntnisnahme durch betriebsinterne Mitarbeiter bestimmt.