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Aufsatz : Die Datenschutz-Grundverordnung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts : aus der RDV 1/2024, Seite 16-20

Der nachfolgende Beitrag wirft einen Blick auf die Befassung des Bundesgerichtshofs sowie – soweit Berührungspunkte bestehen – des Bundesarbeitsgerichts mit Fragen der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) und knüpft an RDV 2023, S. 17 (Heft 1) an.

Lesezeit 13 Min.

I. Auskunft und Kopie

1. Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs[1] hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden:[2] Art. 12 Abs. 5 sowie Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DS-GVO sind dahin auszulegen, dass die Verpflichtung des Verantwortlichen, der betroffenen Person unentgeltlich eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen, auch dann gilt, wenn der betreffende Antrag mit einem anderen als den in S. 1 des 63. Erwägungsgrundes der Verordnung genannten Zwecken begründet wird.

Art. 23 Abs. 1 Buchst. i) DS-GVO ist dahin auszulegen, dass eine nationale Regelung, die vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung erlassen wurde, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fallen kann. Eine solche Möglichkeit erlaubt es jedoch nicht, eine nationale Regelung zu erlassen, die der betroffenen Person zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen des Verantwortlichen die Kosten für eine erste Kopie ihrer personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung durch den Verantwortlichen sind, auferlegt.

Art.  15 Abs.  3 S.  1 DS-GVO ist dahin auszulegen, dass im Rahmen eines Arzt-Patienten-Verhältnisses das Recht auf Erhalt einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind, umfasst, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten überlassen wird. Dieses Recht setzt voraus, eine vollständige Kopie der Dokumente zu erhalten, die sich in der Patientenakte befinden und unter anderem diese Daten enthalten, wenn die Zurverfügungstellung einer solchen Kopie erforderlich ist, um der betroffenen Person die Überprüfung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Daten zu ermöglichen und die Verständlichkeit der Daten zu gewährleisten. In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie bspw. Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befunde der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst.

2. Der Kläger unterhält Krankheitskostenversicherungen bei der Beklagten für sich sowie für seine Ehefrau. Die Beklagte informierte den Kläger über Beitragserhöhungen. Der Kläger hält die Beitragserhöhungen für unrechtmäßig. Er forderte die Beklagte zur Rückzahlung überzahlter Beiträge und Erstattung daraus gezogener Nutzungen sowie zur Auskunft über weitere Beitragserhöhungen ab dem Jahr 2013 auf. Die Beklagte überließ dem Kläger nur die Unterlagen für die Jahre ab 2017. Der Kläger verlangt Auskunft über alle Beitragsanpassungen, die die Beklagte in dem Versicherungsvertrag in den Jahren 2013 bis 2016 vorgenommen hat; insoweit hat er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, Unterlagen zur Verfügung zu stellen, in denen mindestens die Höhe der Beitragserhöhungen unter Benennung der jeweiligen Tarife, die dem Kläger übermittelten Anschreiben und Nachträge zum Versicherungsschein und die dem Kläger übermittelten Begründungen sowie Beiblätter enthalten sind.

Der Anspruch lässt sich (auch) nicht aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DS-GVO herleiten.[3] Ein Anspruch auf eine Abschrift der gesamten Begründungsschreiben samt Anlagen – worauf der klägerische Antrag abzielt – folgt nicht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Weder bei den Anschreiben selbst noch bei den beigefügten Anlagen (Beiblätter, Nachträge zum Versicherungsschein) handelt es sich jeweils in ihrer Gesamtheit um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers. Gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person („betroffene Person“) beziehen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der Begriff weit zu verstehen. Er ist nicht auf sensible oder private Informationen beschränkt, sondern umfasst potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist. Nach diesen Grundsätzen sind Schreiben der betroffenen Person an den Verantwortlichen ihrem gesamten Inhalt nach als personenbezogene Daten einzustufen, da die personenbezogene Information bereits darin besteht, dass die betroffene Person sich dem Schreiben gemäß geäußert hat, umgekehrt aber – wie hier maßgeblich – Schreiben des Verantwortlichen an die betroffene Person nur insoweit, als sie Informationen über die betroffene Person nach den oben genannten Kriterien enthalten. Dementsprechend sind auch nur die personenbezogenen Daten eines Versicherungsscheins nicht kategorisch vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO ausgeschlossen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, soweit dieser zur Vorgängerregelung des Art. 4 Nr. 1 DS-GVO entschieden hat, dass es sich bei den in der Entwurfsschrift wiedergegebenen Daten über denjenigen, der einen Aufenthaltstitel beantragt, und den Daten, die gegebenenfalls in dieser – in der Entwurfsschrift enthaltenen – rechtlichen Analyse wiedergegeben sind, um personenbezogene Daten handelt, nicht aber bei der Analyse als solcher. Daraus folgt, dass es sich keinesfalls bei den gesamten Begründungsschreiben samt Anlagen um personenbezogene Daten des Versicherungsnehmers handelt. Vielmehr enthalten die einzelnen Teile (Anschreiben, Beiblatt, Nachtrag zum Versicherungsschein) jeweils einzelne personenbezogene Daten sowohl des Versicherungsnehmers als auch von dessen Ehefrau. Eine dahingehende Beschränkung seines geltend gemachten Anspruchs und seines Antrages hat der Kläger indessen nicht vorgenommen.

Nach Art. 15 Abs. 3 DS-GVO stellt der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung. Nach teilweise vertretener Ansicht stellt Art.  15 Abs.  3 S.  1 DS-GVO eine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, nach welcher der betroffenen Person vom Verantwortlichen grundsätzlich sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten in der bei ihm vorliegenden „Rohfassung“ als Kopie zu übermitteln sind. Nach der Gegenansicht ergibt sich aus Art. 15 Abs. 3 DS-GVO zwar ein Anspruch auf eine Kopie der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu beauskunftenden Daten, aber grundsätzlich kein Anspruch auf Herausgabe von Kopien bestimmter Dokumente. Das Recht auf Kopie könne vielmehr auch durch Überlassung einer – gegebenenfalls strukturierten – Zusammenfassung der verarbeiteten Daten erfüllt werden. Art.  15 Abs.  3 S.  1 DS-GVO regele lediglich eine besondere Form der nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erteilenden Auskunft. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nunmehr entschieden, dass Art. 15 Abs. 1 DS-GVO den Gegenstand und den Anwendungsbereich des Auskunftsrechts festlege, Art.  15 Abs.  3 DS-GVO die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der Verpflichtung. Daher könne Art. 15 DS-GVO nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 S. 1 ein anderes Recht als das in seinem Abs. 1 vorgesehene gewähre. Der Begriff „Kopie“ beziehe sich nicht auf ein Dokument als solches, sondern auf die personenbezogenen Daten, die es enthalte. Die Kopie müsse daher alle personenbezogenen Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung seien. Die Reproduktion von Auszügen aus Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken könne sich dann als unerlässlich erweisen, wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich sei, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten. Demzufolge kann der Kläger auch aus Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 DS-GVO keinen Anspruch auf Ausfolgung einer Kopie der Begründungsschreiben samt Anlagen herleiten. Die vom Gerichtshof der Europäischen Union in der vorgenannten Entscheidung eröffnete Ausnahme greift vorliegend nicht. Denn der Kläger hat weder dazu vorgetragen noch ist sonst ersichtlich, dass die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten, sodass ausnahmsweise die Übermittlung einer Kopie des jeweiligen vollständigen Begründungsschreibens samt Anlagen nötig wäre. Dahinstehen kann nach alledem, inwieweit der Kläger – etwa im Hinblick auf Art. 12 Abs. 5 S. 2 Buchst. b) DS-GVO und ErwG 63 S. 1 zur DS-GVO – mit seinem Anspruch ausgeschlossen wäre, weil er datenschutzfremde Zwecke verfolgt.

II. Unterlassung und Schadensersatz

Der Kläger befand sich bei der beklagten Privatbank in einem Bewerbungsprozess, der über ein Online-Portal stattfand. Im Zuge dessen versandte eine Mitarbeiterin der Beklagten über den Messenger-Dienst des Portals eine nur für den Kläger bestimmte Nachricht auch an eine dritte, nicht am Bewerbungsprozess beteiligte Person. Die Nachricht hatte den folgenden Inhalt: „Lieber Herr [Kläger], ich hoffe es geht Ihnen gut! Unser Leiter – Herr […] – findet ihr Händler Profil sehr interessant. Jedoch können wir Ihre Gehaltsvorstellungen nicht erfüllen. Er kann 80k + variable Vergütung anbieten. Wäre das unter diesen Gesichtspunkten weiterhin für Sie interessant? Ich freue mich von Ihnen zu hören und wünsche Ihnen einen guten Start in den Dienstag. Viele Grüße, […]“. Der Dritte, der mit dem Kläger vor einiger Zeit in derselben Holding gearbeitet hatte und ihn deshalb kannte, leitete die Nachricht an den Kläger weiter und fragte, ob es sich um eine Nachricht für den Kläger handele und ob dieser auf Stellensuche sei. Dazu hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen vorgelegt:[4]

1. a) Ist Art. 17 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, ein Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten zusteht, wenn sie vom Verantwortlichen keine Löschung der Daten verlangt?

b) Kann sich ein solcher Unterlassungsanspruch (auch) aus Art.  18 DS-GVO oder einer sonstigen Bestimmung der DS-GVO ergeben?

2. Falls Fragen 1a) und/oder 1b) bejaht werden:

a) Besteht der unionsrechtliche Unterlassungsanspruch nur dann, wenn künftig weitere Beeinträchtigungen der sich aus der DS-GVO ergebenden Rechte der betroffenen Person zu besorgen sind (Wiederholungsgefahr)?

b) Wird das Bestehen der Wiederholungsgefahr gegebenenfalls aufgrund des bereits vorliegenden Verstoßes gegen die DS-GVO vermutet?

3. Falls Fragen 1a) und 1b) verneint werden:

Sind Art. 84 i.V.m. Art. 79 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass sie es dem nationalen Richter erlauben, der betroffenen Person, deren personenbezogene Daten von dem Verantwortlichen unrechtmäßig durch Weiterleitung offengelegt wurden, neben dem Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens nach Art. 82 DS-GVO und den sich aus Art. 17 und Art. 18 DS-GVO ergebenden Ansprüchen einen Anspruch gegen den Verantwortlichen auf Unterlassung einer erneuten unrechtmäßigen Weiterleitung dieser Daten nach den Bestimmungen des nationalen Rechts zuzusprechen?

4. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass für die Annahme eines immateriellen Schadens im Sinne die ser Bestimmung bloße negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge und Angst, die an sich Teil des allgemeinen Lebensrisikos und oft des täglichen Erlebens sind, genügen? Oder ist für die Annahme eines Schadens ein über diese Gefühle hinausgehender Nachteil für die betroffene natürliche Person erforderlich?

5. Ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen oder Auftragsverarbeiters bzw. seiner Mitarbeiter ein relevantes Kriterium darstellt?

6. Falls Fragen 1a), 1b) oder 3 bejaht werden: Ist Art.  82 Abs.  1 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens als anspruchsmindernd berücksichtigt werden kann, dass der betroffenen Person neben dem Anspruch auf Schadensersatz ein Unterlassungsanspruch zusteht?

III. Bewertungsportale

Bestätigt und weitergeführt worden ist die Rechtsprechung zu Internet-Arztsuch- und Bewertungsportalen.[5] Danach ist die Datenschutz-Grundverordnung anwendbar.[6] Der Anwendbarkeit des Art.  17 DS-GVO steht nicht Art.  38 Abs.  1 BayDSG in Verbindung mit Art. 85 Abs. 2 DS-GVO (sogenanntes „Medienprivileg“) entgegen. Ob ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. d) DS-GVO besteht, hängt von der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f) DS-GVO ab. Mit der Datenverarbeitung werden sowohl eigene berechtigte Interessen als auch berechtigte Interessen der Nutzer des Portals wahrgenommen. Die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten der Ärzte ist zur Verwirklichung der berechtigten Interessen des Portalbetreibers und der Portalnutzer erforderlich. Ob hinsichtlich der beanstandeten Verhaltensweisen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Arztes die mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen überwiegen, hängt von der erforderlichen Abwägung der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen ab.

IV. Internetsuchdienst

Nachdem der Gerichtshof der Europäischen Union über die Vorlage des Bundesgerichtshofs entschieden hat[7] , ist das Urteil im Revisionsverfahren ergangen.[8] Begehrt ein Betroffener von dem Betreiber einer Internet-Suchmaschine wegen der (behaupteten) Unrichtigkeit eines gelisteten Inhalts dessen Auslistung, obliegt ihm grundsätzlich der Nachweis, dass die in diesem Inhalt enthaltenen Informationen offensichtlich unrichtig sind oder dass zumindest ein für diesen gesamten Inhalt nicht unbedeutender Teil dieser Informationen offensichtlich unrichtig ist. Dabei hat der Betroffene die Nachweise beizubringen, die unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls von ihm vernünftigerweise verlangt werden können, um diese offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. Der Betroffene ist insoweit nicht verpflichtet, bereits im Vorfeld seines Auslistungsantrags eine gerichtliche Entscheidung gegen den Inhalteanbieter zu erwirken. Vom Betreiber einer Internet-Suchmaschine angezeigte Vorschaubilder einer natürlichen Person sind immer dann zu löschen, wenn dem Auslistungsantrag hinsichtlich des ursprünglichen Kontextes der gelisteten Bilder stattzugeben ist. Im Übrigen ist die Rechtmäßigkeit der Anzeige von Bildern durch die Bildersuche einer Suchmaschine eigenständig zu beurteilen. Dem Informationswert der Fotos ist dann unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann, Rechnung zu tragen.

V. Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis und Kündigung

Die Frage, ob die Gerichte für Arbeitssachen erhebliches Prozessvorbringen der Parteien und ggf. deren Beweisantritte bei ihrer Entscheidungsfindung berücksichtigen dürfen bzw. müssen, beantwortet sich nach Inkrafttreten der DS-GVO nach deren Vorschriften. Die DS-GVO regelt die Zulässigkeit von Datenverarbeitungen auch im Verfahren vor den nationalen Zivilgerichten.[9] Ein Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot kommt – gerade auch im Geltungsbereich der DS-GVO – nur in Betracht, wenn die Nichtberücksichtigung von Vorbringen oder eines Beweismittels wegen einer durch Unionsrecht oder Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Rechtsposition des Arbeitnehmers zwingend geboten ist. Dies ist bei einer von ihm vorsätzlich begangenen Pflichtverletzung, die von einer offenen Überwachungsmaßnahme erfasst wurde, regelmäßig nicht der Fall.

VI. Wettbewerbsrecht

Der Kläger betreibt eine Apotheke. Der Beklagte ist ebenfalls Apotheker. Er ist Inhaber einer Versandhandelserlaubnis und vertreibt sein Sortiment auch im Internet. Darüber hinaus handelte der Beklagte sein Sortiment, das apothekenpflichtige Medikamente einschließt, im Jahr 2017 über die Internet-Verkaufsplattform „Amazon-Marketplace“. Der Kläger beanstandet den Vertrieb apothekenpflichtiger Medikamente über Amazon als unlauter unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs wegen Verstoßes gegen gesetzliche Anforderungen an die Einholung einer datenschutzrechtlichen Einwilligung des Kunden.

Dazu hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen vorgelegt:[10]

  1. Stehen die Regelungen in Kapitel VIII der DS-GVO nationalen Regelungen entgegen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DS-GVO gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen?
  2. Sind die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art.  9 Abs.  1 DS-GVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 DS-RL?

VII. Grundbuch

Der von einer rechtmäßig zustande gekommenen Zwangseintragung in dem Grundbuch, hat der Betroffene nach deren Löschung keinen Anspruch auf Umschreibung des Grundbuchblattes aus Art.  17 Abs.  1 Buchst. a) DS-GVO.[11] Denn die Speicherung und Verarbeitung personenbezogener Daten im Grundbuch ist nach der Gesetzesbegründung gemäß dem Ausschlusstatbestand des Art. 17 Abs. 3 Buchst. b) DS-GVO zu der Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse erforderlich und geht dem Geheimhaltungsinteresse des von der Grundbucheintragung Betroffenen vor. Eine endgültige Entfernung von Altdaten aus dem Grundbuch würde einer in dem öffentlichen Interesse liegenden funktionierenden und verlässlichen Registerführung zuwiderlaufen; Publizität und Richtigkeitsgewähr wären eingeschränkt. Die gelöschten Eintragungen müssen einschränkungslos, also auch nach Wegfall des Anlasses für die Vornahme der Zwangseintragung und dem Ablauf einer bestimmten – ohnehin nicht allgemein festlegbaren – Frist, aus dem Grundbuch erkennbar sein. Die von der Betroffenen begehrte Umschreibung der Grundbuchblätter sieht die Norm als Rechtsfolge ohnehin nicht vor.

VIII. Fazit

Im vorangegangenen Beitrag lautete das Fazit, dass die Warmlaufphase mit ersten Entscheidungen zu Fragen der Datenschutz-Grundverordnung bereits vorbei ist. Denn nicht nur der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht, sondern auch die Gerichte anderer Mitgliedstaaten befinden sich über Vorabentscheidungsverfahren mittlerweile in einem intensiven Dialog mit dem Gerichtshof der Europäischen Union. Da sich dieser Dialog ständig erweitert und auch beschleunigt, fällt es mitunter nicht leicht, alle relevanten Verfahren – auch in anderen Mitgliedstaaten – zu identifizieren und im Blick zu behalten.

Dr. Peter Allgayer ist Richter am Bundesgerichtshof

[1] Vgl. RDV 2023, 17 f.

[2] EuGH, Urt. v. 26.10.2023 – C-307/22.

[3] BGH, Urt. v. 27.09.2023 – IV ZR 177/22.

[4] BGH, Beschl. v. 26.09.2023 – VI ZR 97/22.

[5] Vgl. RDV 2023, 17 (19 f.).

[6] BGH, Urt. v. 13.12.2022 – VI ZR 54/21; – VI ZR 60/21.

[7] Vgl. RDV 2023, 17 (20).

[8] BGH, Urt. v. 23.05.2023 – VI ZR 476/18; Beschl. v. 10.10.2023 – VI ZR 476/18 (Antrag auf Berichtigung des Tenors und Anhörungsrüge).

[9] BAG, Urt. v. 29.06.2023 – 2 AZR 296/22; – 2 AZR 297/22; – 2 AZR 299/22.

[10] BGH, Beschl. v. 12.01.2023 – I ZR 223/19.

[11] BGH, Beschl. v. 21.09.2023 – V ZB 17/22.