Urteil : Parlamentarische Anfragen und Sozialdatenschutz (Ls) : aus der RDV 2/2016, Seite 101
(Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 25. Januar 2016 – LVG 6/15 –)
- Die Landesregierung kann sich gegenüber ihrer Pflicht zur Beantwortung parlamentarischer Fragen nach Art. 53 Abs. 1 und 2 LVerf nur insoweit auf den Schutz von Sozialdaten nach §§ 67 ff. SGB X berufen, als die Beantwortung einen konkreten Rückschluss auf personenbezogene Daten oder auf Geschäftsgeheimnisse zuließe.
- Der Vorrang des bundesrechtlich geregelten Datenschutzrechts vor der Landesverfassung lässt das parlamentarische Informationsrecht nur insoweit zurücktreten, als das Bundesrecht die Übermittlung der geschützten Daten grundsätzlich verbietet und eine Rechtfertigung durch das parlamentarische Informationsrecht ausschließt.
- Bei der Beantwortung parlamentarischer Fragen, die sich auf Sozialdaten in ihrem Verantwortungsbereich richten, wird die Landesregierung nicht in ihrer Funktion als Stelle im Sinne des § 35 SGB I tätig, sondern in ihrer originären verfassungsrechtlichen Funktion als parlamentarisch verantwortliche Regierung.
- Um die Erfüllung der Antwortpflicht nach Art. 53 Abs. 1 und 2 LVerf unter Berufung auf den Datenschutz verfassungsgemäß verweigern zu können, muss die Landesregierung zunächst den rechtlichen Rahmen des Datenschutzrechts prüfen und dann ggf. eine fehlerfreie Abwägung durchführen. Die maßgeblichen datenschutzrechtlichen Beurteilungen hat sie dem Parlament nach Art. 53 Abs. 4 S. 2 LVerf vollständig darzulegen.
- Um die Erfüllung der Antwortpflicht unter Berufung auf einen übermäßigen Verwaltungsaufwand verfassungsgemäß verweigern zu können, muss die Landesregierung gemäß Art. 53 Abs. 4 S. 2 LVerf darlegen, worin genau der Verwaltungsaufwand besteht und inwiefern er die Funktionsfähigkeit der Regierung oder Verwaltung beeinträchtigt. Hierbei muss sich die Landesregierung mit den Möglichkeiten zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand auseinandersetzen. Sofern sie sich auf Kosten bezieht, muss sie diese beziffern.