Urteil : Angabe des Kürzels „BG“ bei der Kundennummer eines Jobcenters ist kein Sozialdatum : aus der RDV 3/2014, Seite 167 bis 169
(Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2013 – L 7 AS 48/13 –)
Durch Verwendung des Zusatzes „BG“ bei Überweisungen von ALG II auf das Bankkonto von Leistungsberechtigten wird das Sozialgeheimnis nicht verletzt. Das Jobcenter darf die Kundennummer zur Identifikation verwenden, ohne dass ein Verstoß gegen den Datenschutz vorliegt.
Sachverhalt:
Der Kläger möchte vom Beklagten, dass dieser Arbeitslosengeld II ohne den Zusatz „BG“ an die Bank des Klägers überweist.
Aus den Gründen:
Rechtsgrundlage für das Unterlassungsbegehren ist das in § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I normierte Sozialgeheimnis, wonach Sozialdaten i.S.v. § 67 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) von Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen. Die Vorschrift gilt auch für den Bereich des SGB II (BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 14), wobei der Beklagte Leistungsträger i.S.d. § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB I ist (BSG, a.a.O., Rz. 15 unter Verweis auf §§ 12, 19a SGB I).
Der Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ist ein Sozialdatum, das unbefugt nicht offenbart werden darf (BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 16). Die Mitteilung des Bezugs von Sozialleistungen ist als Einzelangabe über die persönlichen Verhältnisse einer bestimmten Person eine Übermittlung von Sozialdaten nach § 67 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 SGB X.
Der Überweisungsvermerk enthält eine derartige Information ausdrücklich nicht.
Die Angabe „Bundessagentur für Arbeit“ auf dem Überweisungsvermerk stellt insoweit für sich genommen kein Sozialdatum dar. Überweisungen mit dem Vermerk „Bundesagentur für Arbeit“ erfolgen nicht allein zum Zwecke der Leistungsgewährung, sondern, wie im erstinstanzlichen Verfahren geklärt, auch etwa, um Entgelt an Mitarbeiter der Behörde auszubezahlen. Der Kläger hat demgemäß seinen Klageantrag auf den Vermerk „BG“ beschränkt, aus dem sich nach Ansicht des Klägers für die Bank sein Leistungsbezug ergeben soll.
Aber auch die Kundennummer samt Kürzel „BG“ stellt kein Sozialdatum dar, gegen dessen Offenbarung der Kläger gemäß § 35 SGB I geschützt wäre.
Zwar hat das Bundesverwaltungsgerichts einen Überweisungsvermerk „Sozialleistung“ für unzulässig erklärt (BVerwG, Urteil vom 23.06.1994, 5 C 16/92, vgl. schon BSG, Urteil vom 25.10.1978, 1 RJ 32/78). So liegt der Fall hier gerade aber nicht. Das Wort Sozialleistung oder Alg II wird gerade nicht verwendet. Aus den Buchstaben „BG“ lässt sich nicht erkennen, dass es sich um eine Sozialleistung handelt.
Vielmehr verwendet der Beklagte entsprechend der Vorgabe in § 51a SGB II im Einklang mit dem Gesetz lediglich die Kundennummer zur Identifikation. Ähnlich der Versichertennummer im Rentenrecht (vgl. dazu BSG Urteil vom 21.02.1996, 5 RJ 12/95) hat die vom Beklagten auf dem Überweisungsvermerk verwendete Kundennummer nur Ordnungsfunktion (vgl. BSG, a.a.O., Rz. 11) und dient dabei auch als Identifikationsmerkmal (BSG, a.a.O., vgl. auch BSG Urteil vom 12.05.1982, 7Rar 20/81 zur Stammnummer in der Arbeitslosenversicherung und der Notwendigkeit von zusätzlichen Angaben bei der Überweisung von Arbeitslosengeld im Hinblick auf etwaige Pfändungen, insbesondere Rz. 40).
Nach § 51a SGB II wird jeder Person, die Leistungen nach dem SGB II bezieht, eine Kundennummer, für Bedarfsgemeinschaften eine Kundennummer, zugeteilt. Diese dient nach Satz 2 dieser Vorschrift als Identifikationsmerkmal und den Zwecken nach § 51b Abs. 3 SGB II. Nach § 51b Abs. 3 Nr. 1 SGB II dürfen die vom jeweiligen Jobcenter zugeteilten und der Bundesagentur für Arbeit übermittelten Kundennummern für die zukünftige Gewährung von Leistungen verarbeitet und genutzt werden. Diese Nummern bestehen aus fortlaufenden Zahlen und den Buchstaben „BG“. Die Zahlen enthalten keine erkennbaren Informationen zum einzelnen Leistungsempfänger. Anders als der Kläger meint, ist allein aus dem Kürzel „BG“ nicht sofort offensichtlich, dass damit „Bedarfsgemeinschaft“ i.S.d. SGB II gemeint ist. Andere Bedeutungen liegen viel näher, etwa Berufsgenossenschaft, wie eine Suchanfrage bei Suchmaschinen im Internet ergibt. Die Behauptung des Klägers, aus dem Internet ergäbe sich ohne weiteres, dass „BG“ nur Bedarfsgemeinschaft, noch dazu i.S.d. SGB II, bedeuten könne, lässt sich im Übrigen so nicht verifizieren. Vielmehr spricht schon der Umstand, dass sich die Bedeutung von „BG“ nicht auf den ersten Blick erschließt, sondern Suchanfragen im Internet zur Bedeutungserforschung notwendig sind, dagegen, dass der Beklagte mit „BG“ ein Sozialdatum preisgegeben hätte. Dies gilt umso mehr, als erst bei einer erweiterten Suchanfrage mit „BG“ und „Nummer“ sich im Internet der Hinweis auf Bedarfsgemeinschaften findet.
Im Ergebnis handelt es sich bei der Kundennummer nach § 51a SGB II, die den Zusatz „BG“ enthält, um kein vom Sozialgeheimnis geschütztes Sozialdatum.
Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass der Beklagte durch Verwendung der Kundennummer ein Sozialdatum preisgegeben hat, ist die Unterlassungsklage gleichwohl unbegründet, da der Beklagte ein solches Sozialdatum des Leistungsbezugs nicht unbefugt offenbart hat.
Die Offenbarung, insbesondere Übermittlung, von Sozialdaten ist nach § 35 Abs. 2 SGB I zulässig, wenn sie nach §§ 67 ff SGB X erlaubt ist. Nach § 67d Abs. 1 Satz 1 SGB X ist eine Übermittlung von Daten zulässig, soweit eine Übermittlungsbefugnis nach §§ 68 bis 77 SGB X oder anderen Rechtsvorschriften des SGB vorliegt. Nach § 69 Abs. 1 Nr. 1 SGB X ist eine Übermittlung von Sozialdaten zulässig, soweit sie erforderlich ist für die Erfüllung der Zwecke, für die sie erhoben worden sind oder für die Erfüllung einer gesetzlichen Aufgabe der übermittelnden Stelle nach dem SGB. Dabei bedarf die Datenübermittlung an Dritte, die keine Stelle iS des § 35 SGB I sind, der besonderen Rechtfertigung (BSG Urteil vom 25.01.2012, B 14 AS 65/11 R Rz. 35). Die Bank ist hier ein Dritter i.S. des § 35 SGB I, so dass eine besondere Rechtfertigung notwendig ist.
Ausgehend von diesem Maßstab ist die Preisgabe der Daten auf dem Überweisungsvermerk gerechtfertigt.
Mit der Banküberweisung erfüllt der Beklagte – nachdem der Kläger eine Barauszahlung ausdrücklich abgelehnt hat – eine gesetzliche Aufgabe nach dem SGB II. Nach § 42 Satz 1 SGB II werden Geldleistungen auf das im Leistungsantrag angegebene Konto bei einem Geldinstitut überwiesen, sofern sie nicht gemäß Satz 2 – regelmäßig auf Kosten des Leistungsempfängers – in anderer Weise (insbes. in bar oder per Scheck) übermittelt werden. Der Beklagte darf demnach die Kundennummer bzw. BG-Nummer nach § 51a SGB II für die (zukünftige) Gewährung von Leistungen nutzen, die gemäß § 42 SGB II regelmäßig durch Überweisung erfolgt.