Editorial : Beschäftigtendatenschutz als Persönlichkeitsschutz im Arbeitsverhältnis : aus der RDV 3/2014, Seite 117 bis 118
Das Thema ist aktueller denn je: Der Datenschutz, auch am Arbeitsplatz, steht auf der Agenda von Schwarz/ Rot. Im Koalitionsvertrag heißt es freilich recht deutungsoffen: „Beschäftigtendatenschutz gesetzlich regeln: Die Verhandlungen zur Europäischen Datenschutzgrundverordnung verfolgen wir mit dem Ziel, unser nationales Datenschutzniveau – auch bei der grenzüberschreitenden Datenverarbeitung – zu erhalten und über das Europäische Niveau hinausgehende Standards zu ermöglichen. Sollte mit einem Abschluss der Verhandlungen über die Europäische Datenschutzgrundverordnung nicht in angemessener Zeit gerechnet werden können, wollen wir hiernach eine nationale Regelung zum Beschäftigtendatenschutz schaffen“. Bei aller Unsicherheit künftiger Entwicklung ist es gut und richtig, dass das Thema gesetzgeberisch wieder auf der Tagungsordnung ist. Datenschutz ist Persönlichkeitsschutz, und als solcher ist er ernst zu nehmen.
Person und Persönlichkeit haben eine gemeinsame etymologische Wurzel: personare. Das Durchtönen durch die Maske hindurch, die der Schauspieler der Antike zum besseren Ausdruck des durch ihn verkörperten Charakters trug. Es ist ein plastisches, einfach vermittelbares Bild: Die Individualität des Einzelnen hinter aller Fassade macht die Person aus, der mitunter verborgene Kern, der sich dem Blick des Gegenübers entzieht.
Erst der unverstellte, maskenlose Blick erfasst die Person; wer diesen Blick verhindert, schützt seine Person vor dem Zugriff anderer. Denn Wissen um den anderen bedeutet stets auch Teilhabe am anderen. Die Wahrnehmung durch Dritte verändert die Person, ist kein Akt neutralen Erkennens, sondern performativer Gestaltung. Die Person formt und entwickelt sich nicht aus sich selber heraus, sondern im Dialog mit dem anderen; sie ist nicht statisch autonom, sondern dynamisch reflexiv. Wir steigen niemals in denselben Fluss, und sind in der Zeit auch nicht unveränderte Person. No man is an island, und auch die Person kann nur erfasst und verstanden werden in dem sozialen Beziehungsgeflecht, zu dem sie fähig ist, und das sie gebildet hat. Dieser Prozess ist ein anderer, je nachdem, wie weit die Person dem anderen offenbart wurde. In Offenheit und Vertrauen wächst eine Beziehung anders als in Anonymität und Skepsis. Wissen um den anderen bedeutet Zuordnung zum anderen. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“. Das biblische Wort ist übertragbar. Je mehr über den anderen offenbar wird, desto mehr ist seine Freiheit eingeschränkt. Wissen über den anderen ermöglicht den Kontakt, fehlendes Wissen beschränkt ihn.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Doch sind die Anwendungsfälle andere und ungleich mehr geworden als ehedem. Um diese neuen Herausforderungen zu meistern, um wirksam Schutz gegen informationelle Fremdbestimmung zu sein, muss der rechtliche Rahmen immer wieder an die sich wandelnde Wirklichkeit angepasst werden, muss die betriebliche Praxis immer wieder sich vergewissern, ob sie mit den gesetzlichen Vorgaben in Übereinstimmung steht. Ein Aggiornamento ist kontinuierlich erforderlich, damit sich das Recht nicht den Zeiten entfremdet, in seiner Starrheit geeignetes Instrument nur für Probleme ist, die zwischenzeitlich längst gelöst, aber unwirksames Schild gegen Gefahren, die neu entstanden sind. Herr Keuner – so geht die bekannte Geschichte Brechts – erschrak, als man ihm sagte, er habe sich all die Jahre nicht geändert. Dem Beschäftigtendatenschutz sollte das nicht geschehen.
Gregor Thüsing
Prof. Gregor Thüsing ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherung der Universität Bonn.