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Aufsatz : Zulässigkeit und Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen durch Dashcams : aus der RDV 3/2014, Seite 136 bis 141

Zwei Fahrzeuge kollidieren mit erheblichem Blechschaden. Die Fahrer sind jeweils alleine unterwegs, Zeugen gibt es keine. Beide Parteien behaupten, der jeweils andere habe unvermittelt die Spur gewechselt. Der Unfallsachverständige vermag den genauen Hergang nicht mehr anhand von Brems- oder Schleifspuren zu rekonstruieren. Eine kleine weitwinklige Kamera auf dem Armaturenbrett (engl. „dash board“) könnte im Prozess Abhilfe schaffen.

Lesezeit 16 Min.

I. Überblick

Nutzern von Internetvideoportalen sind die Zusammenschnitte haarsträubender Verkehrsunfälle schon seit längerem bekannt. Vor allem in Russland scheint sich die kontinuierliche Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens gesteigerter Beliebtheit zu erfreuen (Stichwort: „russian road rage“). Im Folgenden geht es hingegen nicht um die Zurschaustellung der Aufnahmen, sondern um die Sicherung von Beweisen im Verkehrsunfallprozess.

Der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte hat zwischenzeitlich konstatiert, dass der Einsatz von Dashcams gegen Schweizer Datenschutzvorschriften verstoße[1]. Ähnlich äußerte sich die Österreichische Datenschutzbehörde und hat den Betrieb einer solchen Kamera per Bescheid untersagt[2].

Auch in Deutschland begegnen Unfallkameras rechtlichen Bedenken. Nach einem Beschluss des Düsseldorfer Kreises vom 26./27.02.2013 fehle es jedenfalls an einer geeigneten Rechtsgrundlage für den Betrieb von Außenkameras an Taxen[3]. Ein neuerlicher Beschluss vom 25./26.02.2014 bezieht sämtliche an Fahrzeugen befestigten Kameras in dieses Verbot mit ein.[4] Die im Düsseldorfer Kreis vertretenen Datenschutzbehörden gehen pauschal davon aus, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen stets überwögen.

Die Thematik ist inzwischen gerichtskundig. Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) untersagte einem Fahrzeughalter den Betrieb einer On-Board-Kamera, die nach Einschalten der Zündung kontinuierlich Filmaufnahmen fertigte. Die jeweils ältesten Aufnahmen wurden bei Überschreiten der Speicherkapazität überschrieben, durch eine Taste konnten allerdings bestimmte Aufzeichnungen gegen Überschreiben gesichert werden. Der Halter ist der Auffassung, das BDSG sei auf eine solche rein private Tätigkeit nicht anwendbar. Das BayLDA trat dem entgegen, die Aufnahme sämtlicher Fahrzeuge diene keinem berechtigten Interesse und sei zur Beweissicherung nicht erforderlich. Wegen der Untersagungsverfügung klagt der Fahrzeughalter derzeit vor dem Verwaltungsgericht Ansbach[5]. Das Urteil wird Mitte 2014 erwartet.

II. Anwendbarkeit des BDSG

Ob die Verwendung einer Dashcam in den Anwendungsbereich des BDSG fällt, ist umstritten[6]. Die Anwendbarkeit des BDSG setzt nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG voraus, dass die Datenverwendung nicht „ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten“ erfolgt. Es muss also auf den Zweck der Datenverarbeitung bzw. den betroffenen Personenkreis abgestellt werden[7]. Da diese Vorschrift restriktiv auszulegen ist[8], kann sich ein Betreiber jedenfalls dann nicht auf den Anwendungsausschluss berufen, wenn er die Aufzeichnung mit der Zweckbestimmung betreibt, sie im Falle eines Unfalls als Beweismittel vorzulegen. Wenngleich sich bei der Weitergabe an den – nach § 203 StGB, § 43a Abs. 2 BRAO zur Verschwiegenheit verpflichteten – Rechtsanwalt diskutieren ließe, dass der private Bereich nicht verlassen wird, dürfte jedoch spätestens dann das Umfeld der familiären bzw. privaten Tätigkeit verlassen worden sein, wenn die Aufzeichnungen beispielsweise im Rahmen eines Beweisantritts der Gegenseite, dem (gegnerischen) Anwalt beziehungsweise dem Gericht – und angesichts der dortigen Saalöffentlichkeit – unbestimmbaren Dritten zugänglich gemacht werden. Sofern die Aufzeichnungen also mit der Zweckbestimmung angefertigt werden, sie im Falle eines Verkehrsunfalls zu Beweiszwecken gerichtlich zu verwenden, oder sofern sie tatsächlich im Rahmen der Beweisaufnahme in den Prozess eingeführt werden[9], dürften die Erlaubnistatbestände des BDSG Anwendung finden[10].

III. Aufzeichnung nach § 6b BDSG

1. Anwendungsbereich

§ 6b BDSG regelt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen. Hierbei handelt es sich um eine Spezialnorm, die die übrigen BDSG-Erlaubnistatbestände für den Bereich der Videoüberwachung verdrängt und zum Teil strengere Anforderungen formuliert. Die Straße ist öffentlicher Raum[11]. Nach der hier vertretenen Auffassung handelt es sich beim Einsatz von Dashcams jedoch nicht um eine Beobachtung im Sinne des § 6b BDSG.

Eine Beobachtung setzt mithin das optische Erfassen über eine gewisse Dauer voraus, eine punktuelle Aufnahme genügt hierfür nicht[12]. Die Aufnahme während der Fahrt stellt jedoch lediglich eine Serie punktueller Einzelbilder dar. Es ist weitgehend dem Zufall überlassen, wo sich das filmende Fahrzeug im nächsten Augenblick befindet und wessen Fahrzeug gefilmt wird. Datenschutzrechtlich brisante Bewegungsprofile lassen sich durch derartige Stichproben nicht erzeugen. Der Wortlaut deutet bereits an, dass der Gesetzgeber eher an stationäre Kameras gedacht hat, da § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG an prominenter Stelle die Wahrnehmung des Hausrechts in den Vordergrund rückt[13]. Die Bezeichnung als „Einrichtung“ deutet gleichfalls auf eine dauerhaft ortsgebundene Installation hin[14]. Teile der Literatur wollen § 6b BDSG dennoch auf mobile Kameras anwenden, da den Gesetzgebungsmaterialien keine Festlegung auf stationäre Videoanlagen zu entnehmen sei[15]. Tatsächlich bietet die spärliche Gesetzesbegründung[16] jedoch für keine der beiden Ansichten Anhaltspunkte. Gemessen am Wortlaut und der unterschiedlichen Intensität der Grundrechtseingriffe erscheint eine Beschränkung der Vorschrift auf ortsfeste Kameras sachgerecht.[17]

2. Tatbestandsvoraussetzungen

Sollte die Rechtsprechung die Vorschrift nichtsdestotrotz auf Dashcams anwenden wollen, lässt sich der Einsatz jedenfalls mit guten Gründen gemäß § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG rechtfertigen. Der Kamerabetrieb ist zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke gestattet, da die Interessen der Betroffenen nicht überwiegen.

Die Beweissicherung im Falle von Eigentumsdelikten und Schadensersatzansprüchen ist ein klassischer Anwendungsfall für die Kameranutzung[18]. Dabei ist es weitgehend unschädlich, dass auch Unbeteiligte ins Blickfeld der Kamera gelangen. Die Verkehrssituation als solche ist an sich bereits hinreichend gefahrgeneigt. 2,4 Millionen Verkehrsunfälle zählte die Polizei 2011, die gesamten volkswirtschaftlichen Kosten durch Verkehrsunfälle im Jahr 2009 betrugen 31 Milliarden Euro[19]. Der Gesetzgeber hat im StVG spezielle Haftungsregeln erlassen, die die oftmals erdrückende Beweislast im Verkehrsunfallprozess abmildern. Unzulänglichkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung werden über das abstraktere Konzept der Betriebsgefahr ausgeglichen. Der Videobeweis vermag diese Unzulänglichkeiten zu kompensieren.

Die Beweissicherung kann zugleich gerade auch im Interesse aufgenommener Betroffener erfolgen, sei es, dass der Betreiber der Dashcam selbst einen Unfall verursacht oder dass er Zeuge eines Unfalls zwischen Dritten wird. Die pauschale Behauptung, jede Aufnahme verstoße gegen die Interessen Betroffener, ist also unzutreffend.

Doch selbst, wenn Betroffene die Aufzeichnung ablehnen, überwiegt deren Interesse nicht. Straßenverkehrsteilnehmer bewegen sich in der Sozialsphäre, hier ist der Persönlichkeitsrechtschutz am schwächsten ausgeprägt. Die Durchsetzbarkeit von Schadensersatzansprüchen ist demgegenüber als Teil der Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 GG und als Ausfluss des Justizgewährungsanspruches nach den Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 und 103 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützt. Der Personenbezug der Videoaufzeichnungen besteht in aller Regel nur mittelbar über das Autokennzeichen. Alte Auf nahmen werden bei den heute im Handel erhältlichen Geräten regelmäßig überschrieben, wenn der Speicher voll ist. Diese Form der „individuellen Vorratsdatenspeicherung“[20] birgt nicht die Gefahr des staatlichen Zugriffs, da staatliche Stellen gar nicht wissen, wann und durch wen gefilmt wird. Es lässt sich daher leicht argumentieren, dass der Betroffene eine Einschränkung seines informationellen Selbstbestimmungsrechts hinzunehmen hat.

Das Transparenzgebot hindert den Dashcam-Einsatz ebenfalls nicht. Die Kenntlichmachung der Videoerfassung nach § 6b Abs. 2 BDSG ist im Straßenverkehr nicht sinnvoll erreichbar. Sie ist nach allgemeiner Auffassung nicht Vo raussetzung für die Rechtmäßigkeit der Aufzeichnung an sich[21]. Eine Anmeldepflicht nach § 4d Abs. 1 BDSG besteht nicht[22].

Das verfassungsgerichtliche Verbot von verdachtsun – abhängigen Kamerafahrten durch die Polizei[23] kann für private Dashcams nicht als Bewertungsgrundlage herangezogen werden. Im zugrundeliegenden Fall konnte sich die Polizei auf keinerlei gesetzliche Ermächtigungsgrundlage stützen. Das Gericht hat die eventuelle Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts angesprochen, aber nicht inhaltlich geprüft.

Der vom Düsseldorfer Kreis vorgenommene Erstrechtschluss, wenn schon die Polizei keine geeignete Rechtsgrundlage vorweisen könne, so sei der Kameraeinsatz auch Privaten nicht zu gestatten[24], geht letztlich fehl. Die Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten wiegt auf der Rechtsfolgenseite wesentlich schwerer als zivilrechtliche Schadensersatzforderungen. Das zielgerichtete Suchen nach Delinquenten durch staatliche Stellen greift auf der Tatbestandsseite ebenfalls stärker in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen ein als die private Beweissicherung.

Als Zwischenergebnis lässt sich festhalten, dass der Einsatz von Dashcams bereits nach § 6b Abs. 1 Nr. 3 BDSG gerechtfertigt ist.

IV. Aufzeichnung nach § 28 BDSG

Nach der hier vertretenen Auffassung unterfallen Unfallkameras nicht dem § 6b BDSG. Der Kameraeinsatz außerhalb des Anwendungsbereiches dieser Spezialnorm richtet sich nach den allgemeinen Regeln, hier also im Wesentlichen nach § 28 Abs. 1 BDSG[25]. Der Betrieb einer Dashcam lässt sich nach § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BDSG noch einfacher rechtfertigen. Die Beweissicherung ist ein Geschäftszweck im Sinne der Vorschrift. Zugleich bewegen sich die Betroffenen in der Öffentlichkeit. Das Fahrverhalten ist von allen Verkehrsteilnehmern wahrzunehmen; es handelt sich somit um öffentlich zugängliche Daten[26]. Das entgegenstehende Interesse der Betroffenen kann die Aufnahme ausschließen, nach Nr. 3 reicht hierfür jedoch kein einfaches, sondern nur das offensichtliche Überwiegen der Betroffeneninteressen. Wie bereits bei der Auseinandersetzung mit § 6b BDSG gezeigt, überwiegt das Ausschlussinteresse in der besonderen Situation des Straßenverkehrs gerade nicht.

V. Aufzeichnung im Hinblick auf das „Recht am Bild der eigenen Sache“

Grundsätzlich steht der Anfertigung von Videoaufzeichnungen im öffentlichen Verkehrsraum zu nicht gewerblichen Zwecken kein „Recht am Bild der eigenen Sache“ der Eigentümer der aufgezeichneten Kraftfahrzeuge entgegen. Das bloße Fotografieren von öffentlich einsehbaren Sachen Dritter stellt nach ständiger Rechtsprechung[27] und überwiegender Meinung der Literatur[28] keine Einwirkung im Sinne der §§ 903, 1004 BGB dar. Eine andere Wertung ergäbe sich gegebenenfalls bezüglich Aufzeichnungen, die innerhalb privater Verkehrsflächen gefertigt würden, angesichts der dort ggf. zu berücksichtigenden Haus- bzw. Zutrittsrechte[29] (z.B. komplettes Aufzeichnungsverbot in privater Tiefgarage).

VI. Prozessuale Verwertbarkeit von Videoaufzeichnungen

Ein Verbot der Anfertigung von Videoaufzeichnungen im öffentlichen Straßenraum bzw. von Verkehrsteilnehmern resultiert aus dem Kunsturheberrechtsgesetz (KUG) nicht. Lediglich die prozessuale Verwertbarkeit kann durch diese Vorschriften tangiert sein, da sich der Normenkomplex auf die unbefugte „Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung“ von Bildnissen bezieht[30].

Das KUG gilt dabei nicht für Aufnahmen von Fahrzeugen an sich, sondern lediglich dann, wenn Personen in wiedererkennbarer Weise abgebildet werden (etwa Unfallbeteiligte, Passanten, Ersthelfer etc.). Unbeteiligte können im Beweisvideo ohne Probleme unkenntlich gemacht werden, im Ergebnis kommt es also im Rahmen des Bildnisschutzes nurmehr auf die Unfallbeteiligten selber an.

Grundsätzlich ist der Spruchkörper dem Prinzip der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) verpflichtet. Videoaufzeichnungen können daher grundsätzlich im Rahmen der Beweisaufnahme in Augenschein genommen (§§ 144, 371 ZPO) oder zur Grundlage eines Sachverständigengutachtens gemacht werden. Allerdings können im Einzelfall Verwertungsverbote entgegenstehen.

Die §§ 22 ff. KUG taugen jedoch nicht für ein pauschales Verbot von Dashcam-Aufnahmen. Danach dürfen Bildnisse „mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt“ werden, wobei dieser Bildnisschutz auch verstorbene Unfallteilnehmer erfasst[31]. Da eine Ein willigung der abgebildeten Personen in Unkenntnis ihrer Kontaktdaten zumeist nicht eingeholt werden kann und insbesondere vom Prozessgegner nicht zu erwarten ist, kommt es darauf an, ob das Einbringen einer Dash cam-Aufzeichnung in einen Prozess den Tatbestand des „Verbreitens“ oder der „öffentlichen Zurschaustellung“ erfüllt.

1. Tatbestandsvoraussetzungen

Als „Verbreiten“[32] wird jede Art der Weitergabe eines Bildnisses[33] definiert. Im Gegensatz zur „öffentlichen Zurschaustellung“ kommt es auf eine Verbreitung an die Öffentlichkeit nicht an, weshalb auch schon die digitale[34] Weitergabe der Aufzeichnungen an den Prozessanwalt als „Verbreitung“ gewertet werden dürfte[35]. Anders dürfte lediglich die bloße Vorführung der Aufzeichnung in den Räumlichkeiten des Anwalts zu beurteilen sein, wenn die Aufzeichnung zwar betrachtet, aber nicht aus der Hand gegeben wird. In jedem Falle dürfte jedoch die Weitergabe des Beweismittels an das Gericht den Tatbestand des „Verbreitens“ iSd. § 22 KUG erfüllen. Demgegenüber erfüllt das Tatbestandsmerkmal „öffentlich Zurschaustellen“, wer Dritten die Möglichkeit verschafft, das Bildnis wahrzunehmen; es ihnen also sichtbar macht, ohne ihnen die Verfügungsgewalt einzuräumen[36]. Diese Voraussetzungen lägen zumindest in Bezug auf die vor dem Saalpublikum erfolgende Wiedergabe vor.

2. Ausnahmen

iSd. §§ 23, 24 KUG Der Gesetzgeber hat Ausnahmen vom Erfordernis der kunsturheberrechtlichen Einwilligung vorgesehen. Zufällig anwesende Passanten dürften weit überwiegend unter den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 2 KUG zu subsumieren sein, weil diese Personen „nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen“, da sie nicht das wesentliche Hauptmotiv der Aufnahme darstellen[37]. Es ist ferner denkbar, dass es sich bei dem Unfall um ein Ereignis der Zeitgeschichte nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG handelt (z.B. Sandsturm-Ereignis auf A19 vom 8.4.2011).

Die Erlaubnis zur öffentlichen Zurschaustellung im Rahmen der Beweisaufnahme folgt aus § 24 KUG[38]. Für „Zwecke der Rechtspflege“ dürfen von den Behörden Bildnisse ohne Ein willigung des Berechtigten sowie des Abgebildeten oder seiner Angehörigen vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zur Schau gestellt werden. Gerichte sind Behörden im Sinne des § 24 KUG. Das schriftsätzliche Beweisangebot allein erfüllt noch nicht den Tatbestand einer „Verbreitung“. Der darauf ergehende Beweisbeschluss des Gerichts ist von § 24 KUG umfasst.

Will man die Beifügung von Standbildern bzw. eines Datenträgers zur Gerichtsakte als „Verbreitung“ auffassen, so lässt sich diese jedenfalls nach allgemeinen Regeln recht fertigen. Einschränkungen des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung bzw. des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zum Zwecke der Rechtsverteidigung sind anerkannt[39].

Die Möglichkeit der Interessenabwägung zeigt sich in den Notwehrrechten (§§ 32 ff. StGB, §§ 227 BGB), dem Schikaneverbot (§ 226 BGB) und datenschutzspezifisch etwa in § 28 Abs. 6 Nr. 3 BDSG. Nach letzterer Vorschrift darf eine verantwortliche Stelle sogar besondere Arten von personenbezogenen Daten im Sinne des § 3 Abs. 9 BDSG ohne Einwilligung des Betroffenen verwenden, wenn „dies zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung rechtlicher Ansprüche erforderlich ist“.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der zu erwartende Persönlichkeitsrechtseingriff durch die im Gerichtssaal erfolgende Wiedergabe des Beweismittels allenfalls marginal ausfällt[40]. Während der Sitzung – und somit der Beweisaufnahme – ist die Anfertigung von Fotografien unter Androhung eines sitzungspolizeilichen Ordnungsgeldes verboten (§§ 176 ff. GVG). Andererseits steht dem Eingriff in das Recht am eigenen Bild ein Eingriff in das Grundrecht auf Gewährleistung des Eigentums durch eine mögliche Falschaussage des Abgebildeten gegenüber.

Im Rahmen der richterlichen Bewertung ist auch zu berücksichtigen, dass die Heimlichkeit der Dashcam-Aufzeichnung angesichts von verdeckt durchgeführten polizeilichen Abstandsmessungen mittels Zivilfahrzeugen und stationären Verkehrsleitkameras die Persönlichkeitsrechtsverletzung kaum intensiviert. Die aufgezeichnete Person bewegt sich schlichtweg im öffentlichen Raum.

3. Beweiswert

Schließlich stellt sich noch die Frage des Beweiswerts eines als Beweismittel zugelassenen Videos. Die Kameras zeichnen üblicherweise nur einen beschränkten Blickwinkel auf. Sofern das Unfallgeschehen außerhalb des Aufzeichnungsbereichs stattfand, hat das Video unter Umständen lediglich indizielle Wirkung.

Trotzdem können auch Hilfstatsachen prozessentscheidend sein und beispielsweise Rückschluss auf den Wahrheitsgehalt der Aussagen der Streitparteien geben. Darüber hinaus können die Geräte neben dem Bild auch andere Signale der Fahrzeugelektronik aufzeichnen, wie etwa die Nutzung des Fahrtrichtungswechselanzeigers (Blinker). Bestreitet eine Partei die Echtheit der Aufnahme, ist ggf. ein Sachverständiger hinzuzuziehen[41].

Dashcam-Aufzeichnungen vermögen einen wichtigen Beitrag für mehr Sachlichkeit im Verkehrsunfallprozess zu leisten und Mängel des Zeugenbeweises auszugleichen[42].

VII. Fazit

Der Einsatz von Unfallkameras ist in Deutschland sowohl datenschutz- als auch prozessrechtlich möglich. Er muss ebenso gestattet sein wie Rückfahrkameras[43] oder Kamerafahrten von Straßenunterhaltungsbetrieben. Der Beschluss des Düsseldorfer Kreises vom 25./26.02.2014 wird, sofern er zur Grundlage von Ordnungsverfügungen gemacht werden sollte, einer gerichtlichen Überprüfung voraussichtlich nicht standhalten. Beim Betrieb der Kameras ist darauf zu achten,

  • dass nur während des Fahrbetriebs aufgezeichnet wird;
  • dass alte Aufnahmen regelmäßig überschrieben oder gelöscht werden;
  • dass die Videodateien dezentral gespeichert und nicht etwa in der Cloud zusammengeführt und ausgewertet[44] bzw. in persönlichkeitsrechtsverletzender Weise auf Video plattformen hochgeladen werden.

Eine abwartende Haltung, wie sie von Teilen der Literatur propagiert wird[45], ist insoweit nicht geboten. Lediglich bei Fahrten ins Ausland mag dies wegen der dort abweichenden Rechtslage anders aussehen.

Videokameras werden stetig kleiner und billiger. Die aktuelle rechtliche Behandlung von Dashcams besitzt Ausstrahlungswirkung für zukünftige Szenarien. Die heutige Auslegung etwa des § 6b BDSG wird eines Tages auch Aus wirkungen auf Retina-Implantate[46] oder Sehprotesen[47] haben. Mit Blick auf derartige Anwendungen sollten opto-elektronische Geräte nicht zu restriktiv gehandhabt werden.

Michael Atzert

Seit 2011 Assistent der Geschäftsführung der GDD. Innerhalb der datenschutzrechtlichen Organisationsberatung für GDDMitglieder beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Fragestellungen des Datenschutzes im Zusammenhang des Einsatzes von Sozialen Netzwerken sowie sicherer Kommunikation. Im Rahmen des Rechtsreferendariates tätig im Zentralen Referat für Datenschutz der Bundesnetzagentur sowie der Abteilung Recht & Regulierung des TK-Dienstleisters NetCologne.

Dr. Lorenz Franck

Seit 2013 Mitarbeiter der GDD-Geschäftsstelle mit Schwerpunkt Beschäftigten-, Sozial- und Gesundheitsdatenschutz. Zuvor Stationen beim Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit sowie der Staatsanwaltschaft Köln, Abteilung für Computerstrafrecht. Während des juristischen Vorbereitungsdienstes in der Abteilung für Verkehrszivilsachen beim Amtsgericht Köln konnte er die Verbitterung beweisfälliger Parteien im Verkehrsunfallprozess von der Richterbank beobachten.

[1]Http://www.edoeb.admin.ch/datenschutz/00625/00729/01075/index.html?lang=de

[2]Http://www.dsb.gv.at/site/8105/default.aspx

[3] Düsseldorfer Kreis, Beschluss vom 26./27.02.2013, „Videoüberwachung in und an Taxis“.

[4] Düsseldorfer Kreis, Beschluss vom 25./26.02.2014, „Unzulässigkeit von Videoüberwachung aus Fahrzeugen (sog. Dashcams)“.

[5] Kranig, DSB 2013, 244 ff. sowie unveröffentlichte schriftliche Stellungahme des BayLDA vom 25.2.2014.

[6] Dafür Düsseldorfer Kreis, Beschlüsse v. 26./27.02.2013 u. 25./26.02.2014; zweifelnd, aber eher gegen die Anwendung des BDSG Bihari Vass, DAR 2010, 504, 505; gegen die Anwendbarkeit Klann, DAR 2013, 188, 188 wg. geringer Wahrscheinlichkeit eines Beweisantritts.

[7] Dix, in: Simitis (Hrsg.), Bundesdatenschutzgesetz, 7. Aufl. 2011, § 1, Rn. 149 ff.

[8] Vgl. bspw. Dix, in: Simitis a.a.O., § 1, Rn. 148 m.w.N.; Dammann et. al, Online-BDSG-Kommentar unter http://www.bfdi.bund.de/bfdi_wiki/index.php/1_BDSG_Kommentar_Abs._2_Teil_2.

[9] Anders wohl Klann, DAR 2013, 188, 188, der wegen geringer Eingriffsintensität trotz Saalöffentlichkeit weiterhin den Anwendungsausschluss bejaht.

[10] So auch Scholz, in Simitis (Hrsg.), a.a.O., § 6b, Rn. 56 und Schröder, ZD 2014, 40.

[11] Klann, DAR 2013, 188, 189.

[12] Simitis/Scholz, § 6b Rn. 74; Wolff/Brink, § 6b Rn. 33.

[13] So bereits Klann, DAR 2013, 188, 189. Im Ergebnis ebenso Zilkens, DuD 2007, 279 sowie LDI NRW, Achtung Kamera!, Online-Broschüre unter https://www.ldi.nrw.de, Stand 7/2009, S. 2.

[14] Gola/Klug, RDV 2004, 65, 66.

[15] Simitis/Scholz, § 6b Rn. 37; Wolff/Brink, § 6b Rn. 25; Zilkens, DuD 2007, 279, 281.

[16] BT-Drs. 14/4329, S. 38.

[17] Aktivierte Dashcams in geparkten Fahrzeugen unterfallen demgegenüber in vollem Umfang § 6b BDSG. Die verdeckte Videoberwachung von Abstellflächen ist weitgehend durchentschieden, vgl. OLG Karlsruhe, Urt. vom 8.11.2001 – 12 U 180/01 (= NJW 2002, 2799 f.); OLG Düsseldorf, Beschl. vom 5.1.2007 – 3 Wx 199/06 (= NJW 2007, 780 f.).

[18] Simitis/Scholz, § 6b Rn. 81.

[19] Statistisches Bundesamt, Verkehr auf einen Blick, 2013, S. 36. Nach anderer Ansicht fehlt es an der Verhältnismäßigkeit der Dashcams, da jeder Autofahrer statistisch gesehen nur alle acht Jahre in einen Verkehrsunfall verwickelt werde, vgl. ADAC, Fachinformation Datenschutz im Auto, 2009, S. 1; ähnlich Bihari Vass, DAR 2010, 504, 505.

[20] So der ehemalige BfDI Peter Schaar zu Dashcams, Interview von Schwarze, Rhein-Zeitung vom 10.05.2013, online unter http://www.rhein-zeitung.de/nachrichten/netzwelt/news_artikel,-Dashcams-imAuto-Bundesdatenschutzbeauftragter-lehnt-Autokameras-ab-_arid,594675.html.

[21] Gola/Klug, RDV 2004, 65, 73; Kranig, DSB 2013, 244; Klann, DAR 2013, 188, 190. A.A. offenbar Bihari Vass, DAR 2010, 504, 506.

[22] Anders jüngst Bachmeier, DAR 2014, 15, 16 in völliger Verkennung des Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 95/46/EG.

[23] BVerfG, Beschluss vom 11.8.2009 – 2 BvR 941/08, NJW 2009, 3293 f

[24] Düsseldorfer Kreis, Beschluss vom 25./26.02.2014, „Unzulässigkeit von Videoüberwachung aus Fahrzeugen (sog. Dashcams)“.

[25] Gola/Klug, RDV 2004, 65, 71.

[26] Klann, DAR 2013, 188, 189.

[27] Vgl. BGH Urteile v. 9.03.1989 – I ZR 54/87 („Friesenhaus“), v. 17.12.2010 – V ZR 44/10 („Preußische Schlösser und Gärten“); OLG Köln, Urteil v. 25.2.2003 – 15 U 138/02; Beschluss des KG Berlin v. 25.10.2010 bzgl. Google StreetView – 10 W 127/10.

[28] Umfassend dazu: Wanckel, Foto- und Bildrecht, 2. Aufl. 2006, S. 41, Kapitel II. Nr. 1 (Rn. 79 ff.) m.w.N.

[29] Vgl. BGH Urteil v. 1. März 2013 – V ZR 14/12.

[30] Vgl. BGH, Urteil v. 25.4.1995 – VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955, Entscheidungsgründe, Pkt. III, Nr. 1 m.w.N.

[31] Vgl. § 22 Satz 4 KUG.

[32] Dreier/Specht in: Dreier/Schulze, UrhG, 4. Auflg. KUG § 22, Rn. 8-15; Koska in: Hoeren/Nielen, Fotorecht, 1. Auflg. 2004, Rn. 438.

[33] Vgl. Ausführungen unter Pkt. V.

[34] Dreier/Specht, a.a.O., KUG § 22, Rn. 8-15, Pkt. II, 1, Satz 4.

[35] A.A. s. Urteil des VG Meiningen v. 13.03.2013 – Az. 2 K 373/11 Me; Redaktioneller Leitsatz Nr. 4 lt. Website „Recht am Bild“ unter http://bit.ly/1i8uwTz.

[36] Engels, in: Beck’scher Online-Kommentar, Urheberrecht (Stand: 1.9.2013), KUG § 22, Rn. 54; Dreier/Specht, a.a.O., KUG § 22, Rn. 8-15, Pkt. II, 2, Satz 3; Koska, a.a.O., Rn. 438 (S. 292).

[37] Engels, a.a.O., KUG § 23, Rn. 13.

[38] Dreier/Specht, a.a.O., KUG § 24, Rn. 5; Engels, a.a.O., KUG § 24, Rn. 5.

[39] Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.5.1997 – 5 U 82/96, für die heimliche Aufnahme einer Körperverletzung; Klann, a.a.O., S. 188 (191) sowie als „ultima ratio“ im Zivilprozess: BAG, Urteil v. 27. 3. 2003 – 2 AZR 51/02; nicht jedoch zur Anzeige von bloßen Ordnungswidrigkeiten: vgl. AG Bonn, Urteil v. 28.1.2014 – 109 C 228/13.

[40] So auch LG Oldenburg, Urteil v. 22.03.1990 – 5 0 3328/89, zugleich unter Verneinung der „öffentlichen Zurschaustellung“.

[41] Wolf/Schmitz, Legal Tribune Online vom 12.06.2013, http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/dashcams-beweismittel-verkehrsunfaelle/.

[42] Man denke hier nur an das Phänomen des „Knallzeugen“, vgl. Urteil des OLG Celle v. 11.12.2003 – 14 U 112/03 m.w.N.

[43] Zur künftigen Rückfahrkamerapflicht in den USA siehe http://www.heise.de/newsticker/meldung/Pflicht-zu-Rueckfahr-Kameras-in-USAutos-2160999.html

[44] So die Befürchtung von Bachmeier, DAR 2014, 15, 16. Zu intelligenten Kameranetzen siehe Bier/Spiecker gen. Döhmann, CR 2012, 610 ff.; Hornung/Desoi, K&R 2011, 153 ff.; Wrede, ZD 2012, 321 ff.; Roßnagel/Desoi/Hornung, ZD 2012, 459 ff.

[45] Ehmann, Datenschutz-Praxis vom 24.9.2013, online unter http:// www.datenschutz-praxis.de/fachwissen/fachartikel/private-uberwachung-des-strasenverkehrs-zulassig-oder-nicht/; Schröder, ZD 2014, 40, 41.

[46] Siehe etwa http://www.golem.de/news/auge-retina-implantattraeger-sieht-brailleschrift-1211-95886.html.

[47] Siehe http://www.heise.de/tr/artikel/Klickende-Brille-fuer-Blinde2125547.html.