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Kurzbeitrag : Aus den aktuellen Berichten der Aufsichtsbehörden (30): Umgang mit dem Internet : aus der RDV 3/2017, Seite 132 bis 134

Ausgewählt und kommentiert von Prof. Peter Gola, Königswinter*

Lesezeit 9 Min.

Medienprivileg im Internet

Der zum 3. 3. 2017 vorgelegte 7. TB (2015/2016) des BayLDA erörtert auf Grund mehrfacher Beschwerden, inwieweit im öffentlich zugänglichen Bereich des Internets erfolgende Veröffentlichungen von einem Betroffenen hinzunehmen sind (Ziff. 7.3), wobei die die Bandbreite an Telemediendiensten, in denen es zu solchen Veröffentlichungen kommt, vielfältig war.

So schreiben sich Personen auf eigener Homepage oder in Blogs ihren Frust über Mitmenschen und negative Erfahrungen mit Behörden oder kommunalen Mandatsträgern von der Seele und wollen die ganze Welt an ihrem Schicksal teilhaben lassen. Bürgerinitiativen wollen via Internet die Öffentlichkeit gezielt auf bestimmte Anliegen aufmerksam machen und prangern nicht selten in diesem Zusammenhang das Verhalten einzelner namentlich genannter Personen an.

Aus datenschutzrechtlicher Sicht stellte sich für das BayLDA in jedem Einzelfall die Frage, ob der konkrete Telemediendienst für sich das sog. „Medienprivileg“ des § 41 Abs. 1 BDSG beanspruchen kann, mit der Folge, dass er dann von den Bestimmungen des BDSG weitgehend freigestellt ist, das LDA als Aufsichtsbehörde nicht mehr zuständig wäre und betroffene Personen die Frage einer vermeintlichen Beeinträchtigung ihres Persönlichkeitsrechts zivilrechtlich klären lassen müssten. Eindeutig zu klären, ob der für den Telemediendienst Verantwortliche als „Unternehmen und Hilfsunternehmen der Presse“ anzusehen ist oder er einer „journalistisch-redaktionellen Tätigkeit“ nachkommt, stieß ggf. auf Schwierigkeiten. Eine Rückfrage beim Deutschen Presserat, der ebenfalls in seiner täglichen Arbeit mit diesen Fragen zu kämpfen hat, bestätigte dies. Da eine pauschale Antwort nicht möglich ist, bedurfte jeder Einzelfall einer gesonderten Betrachtung.

Unstrittig war dabei, dass ein Diensteanbieter u.a. nicht dadurch zu einem Presseunternehmen wird, dass er sich selbst ohne weiteren Nachweis als Journalist, Redakteur usw. bezeichnet. Ferner kann auch die schlichte Veröffentlichung von behördlichem Schriftverkehr nicht als journalistisch-redaktionelle Tätigkeit gesehen werden. Andernfalls könnte sich letztlich jeder Verein, jedes Unternehmen und jede Privatperson, die über eine eigene Homepage die Öffentlichkeit über die eigenen Aktivitäten und Erfahrungen informiert, auf das Medienprivileg berufen. Nötig sind zumindest „formale“ Indizien, wie beispielsweise der Besitz eines Presseausweises oder die Mitgliedschaft in einem Presseverband, die für den Status eines „Journalisten“ sprechen.

Ferner muss die Aufbereitung des Internetauftritts ein Mindestmaß an journalistisch-redaktioneller Bearbeitung aufweisen.

In einem Gerichtsverfahren, bei dem das LDA beteiligt war, hat beispielsweise das Bundesverwaltungsgericht (Beschluss v. 29. 10. 2015 – 1 B 32.15) festgestellt, dass es für die Annahme eines Presseunternehmens nicht genügt, „wenn der Vorstand einer Wählervereinigung seine allerdings von der Meinungsäußerungsfreiheit geschützten Beiträge zur Unterrichtung der Öffentlichkeit und zur öffentlichen Auseinandersetzung auf der Website veröffentlicht. Denn es fehlt insoweit an einer eigenständigen, vom sonstigen Handeln des Vorstandes abgegrenzten, autonomen redaktionellen Stelle innerhalb des Vereins, die diese Informationsbearbeitung zu einer Verarbeitung „allein“ bzw. „ausschließlich“ zu eigenen journalistischen Zwecken werden lassen könnte. Das Berufungsgericht nimmt zu Recht an, dass das sog. Medienprivileg kein allgemeines Meinungsprivileg enthält. (…) Insbesondere folgt aus dem Umstand, dass journalistische Tätigkeiten nicht Medienunternehmen vorbehalten sind, nicht, dass jegliche Verbreitung von Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit „allein zu journalistischen Zwecken“ erfolgt.“

Somit wird es auch künftig nur Einzelfallentscheidungen zu Fragen der Anwendbarkeit des „Medienprivilegs“ geben können.

Veröffentlichung von Fotos im Internet

Als Dauerbrenner bezeichnet das LDA auch die ähnlich gelagerte Problematik der uneingewilligten Veröffentlichungen von Fotos im Internet (7. TB, Ziff. 7.7). Das LDA erinnert daran, dass das Veröffentlichen von Fotos von Personen im Internet grundsätzlich der Einwilligung der abgebildeten Personen bedarf. Einschlägige Rechtsvorschriften sind die §§ 22 und 23 Kunsturheberrechtsgesetz (KUG). Ausnahmen von diesem Grundsatz werden in § 23 KUG geregelt. Danach dürfen ohne Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden

  • Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte,
  • Bilder, auf denen die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen,
  • Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben oder
  • Bildnisse, die nicht auf Bestellung angefertigt sind, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient.

Abzuwägen bleibt dabei jeweils, ob nicht ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten verletzt wird.

An zwei konkreten Beschwerden wird sodann verdeutlicht, wo im Einzelfall die Schwierigkeiten bei der Anwendung dieser Vorschriften liegen können: Im ersten Fall wurde auf der Homepage einer Arztpraxis mit einem Foto das aus fünf Personen bestehende Praxisteam vorgestellt. Von einer Person, die zum Zeitpunkt der Eingabe bereits seit längerer Zeit nicht mehr in dieser Arztpraxis tätig war, wurde eine Löschung des Fotos gefordert. Der Fall war nach Ansicht des LDA in seiner rechtlichen Bewertung eindeutig. Die Aufnahme und die Veröffentlichung des Fotos bedurften einer Einwilligung der fotografierten Personen, da ein Ausnahmetatbestand des § 23 KUG nicht einschlägig war. Das LDA ging dann offensichtlich davon aus, dass die Einwilligung mit der Teilnahme an der Fotoaktion erklärt wurde, da das Team der Arztpraxis sich offensichtlich der Tatsache, dass ein Foto angefertigt wird und wohl auch des Zwecks, nämlich einer Veröffentlichung auf der Homepage der Arztpraxis, bewusst gewesen war. Nachdem eine der Personen nach dem Ausscheiden aus der Praxis ihre Einwilligung widerrufen hat, war das besagte Foto zu löschen bzw. zu überarbeiten (vgl. hierzu aber auch BAG, Urt. v. 19.02.2015 – 8 AZR 1011/13). Dieser Forderung des LDA kam der Arzt nach, indem er das Bild durch eine aktualisierte Fotografie seines Teams ersetzte.

Im anderen Fall war ein Bild Gegenstand einer Beschwerde, das ebenfalls fünf Personen zeigte. Der Beschwerdeführer, der im Rahmen eines Jugend-Fußballturniers als Schiedsrichter fungiert hatte, fand sich auf der Homepage eines der teilnehmenden Vereine wieder, die neben zwei Sponsoren des stattgefundenen Fußballturniers das Schiedsrichtergespann zeigte. Während der Eingabeführer nicht in die Richtung des Fotografen blickt, ist es offensichtlich, dass die vier weiteren Personen in die Kamera blicken und sich zumindest des Fotografiertwerdens bewusst sind. Das LDA erkannte hier einen „Grenzfall“, da für Fotos von einer öffentlichen Sportveranstaltung grundsätzlich die Ausnahme des § 23 Abs. 1 Nr. 3 KUG („Bilder von Versammlungen) herangezogen werden kann.

Mit der Veröffentlichung der Daten Dritter auf privaten Internetseiten befasste sich auch der LfD Bremen in seinem im März vorgelegten Bericht (39. TB, 2016, Ziff. 11.2). Der LfD weist zunächst darauf hin, dass es zur Veröffentlichung von personenbezogenen Daten auf privaten Internetseiten, also zum Beispiel von Namen, persönlichen Daten und auch ganzen Dokumenten, entweder der Einwilligung der Personen, auf die sich die Daten beziehen, oder einer Rechtsvorschrift bedarf, die eine Veröffentlichung im Internet erlaubt oder anordnet. Solche Rechtsvorschriften finden sich in den Datenschutzgesetzen, sind aber immer an Bedingungen geknüpft, die zur Veröffentlichung erfüllt sein müssen. Häufig ist als Bedingung eine positive Abwägung zwischen den Rechten und Interessen der beziehungsweise des Verantwortlichen und der oder des Betroffenen erforderlich.

In einigen Fällen, in denen personenbezogene Daten auf privaten Internetseiten veröffentlicht wurden, war kein überwiegendes Interesse der Verantwortlichen festzustellen. Auch lagen keine Einwilligungen zur Veröffentlichung vor. Die Verantwortlichen verwiesen auf Nachfrage und teils aufgrund der Aufforderung zur Löschung der Daten zum Teil – nach Auffassung des LfD unzutreffend – darauf, dass die Veröffentlichungen durch das Medienprivileg und durch die Meinungsäußerungsfreiheit erlaubt würden.

Nach einem Urteil des BGH vom 23.06.2009 (VI ZR 196/08) kann das Medienprivileg zwar auch auf die Veröffentlichung von Internetseiten Anwendung finden, da es nicht nur für Druckerzeugnisse gelte, sondern für die „Presse“ im verfassungsrechtlichen Sinn, also auch für die „elektronische Presse“. Dies gelte allerdings lediglich, wenn die Veröffentlichung unter den Pressebegriff des Grundgesetzes falle. Internetseiten, zum Beispiel Weblogs und Microblogging-Angebote, könnten hierunter fallen, wenn es sich um professionelle journalistisch-redaktionell gestaltete Angebote handelt, wenn also das jeweilige Angebot den Eindruck vermittelt, dass Tatsachen umfassend recherchiert und dabei verschiedene Informationsquellen genutzt werden, das Angebot einen gewissen Grad an organisatorischer Verfestigung aufweist, die Kontinuität gewährleistet und Informationen ausgewählt, gewichtet und für den Nutzer aufgearbeitet werden. Diese Angebote seien dabei in ein besonderes Regelwerk von Rechten und Pflichten, den Pressekodex, eingebunden. Die aufgrund der Eingaben untersuchten Internetseiten genügten diesen Anforderungen nicht.

Auch die Meinungsäußerungsfreiheit rechtfertigt die Veröffentlichung personenbezogener Daten nur im Ausnahmefall. Das Grundrecht auf Meinungsäußerung ist nicht schrankenlos gewährt. Nach dem genannten Urteil des Bundesgerichtshofs muss eine Person gegenüber denjenigen, die unter Berufung auf die Meinungsäußerungsfreiheit ihre personenbezogenen Daten veröffentlichen, zwar grundsätzlich Einschränkungen ihres Rechts auf informationelle Selbstbestimmung hinnehmen. Dies gelte aber nur, wenn und soweit solche Beschränkungen von hinreichenden Gründen des Gemeinwohls oder überwiegenden Rechtsinteressen Dritter getragen würden und bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze des Zumutbaren noch gewahrt sei.

In den vom LfD bearbeiteten Fällen überwogen das Rechtsinteresse und die die Veröffentlichung rechtfertigenden Gründe Dritter nicht. Eine Veröffentlichung im Internet bedeute nämlich, dass die Daten einer weltweiten Öffentlichkeit für den Betroffenen unkontrollierbar zur Verfügung gestellt werden und auch durch Suchmaschinen zugänglich sind. Es handele sich deshalb um intensive Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht. Zur Schilderung des jeweiligen Sachverhalts auf den Internetseiten hätte jeweils auch eine anonymisierte Darstellung genügt. In den fraglichen Fällen wurden die personenbezogenen Daten auf den privaten Internetseiten gelöscht oder die Veröffentlichungen derartig durch technische Maßnahmen eingeschränkt, dass die Daten nur noch von Mitgliedern des persönlichen oder familiären Bereichs abgerufen werden können.

Das Haushaltsprivileg

Mit dem letztgenannten Hinweis gibt der LfD zumindest einen Hinweis darauf, dass Veröffentlichungen im Internet auch deshalb nicht den Regelungen das BDSG oder DS-GVO unterliegen können, weil sie unter das sog. Haushaltsprivileg des § BDSG bzw. des Art. 2 Abs. 2 lit. c DS-GVO fallen. Das BDSG bzw. die Verordnung gilt danach nicht für Verarbeitungen, die von einer natürlichen Person zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten und somit ohne Bezug zu einer beruflichen oder wirtschaftlichen Tätigkeit vorgenommen werden. Zu dem typisch persönlich familiären Bereich gehören Freizeit, Urlaub, privater Konsum oder Sport. Nach ErwGr. 18 können zu solchen „freien“ Verarbeitungen auch Onlineaktivitäten und die Nutzung sozialer Netze zählen. Letzteres kann aber nur gelten, wenn der Kreis der Empfänger auf einen engen Familien- und Freundeskreis beschränkt ist.

Veröffentlichung des Wählerverzeichnisses für Betriebsratswahlen im Intranet

Für die Betriebsratswahlen veröffentlichte der Wahlvorstand eines Klinikverbundes das Wählerverzeichnis mit den Daten der insgesamt über 600 Beschäftigten im Intranet des Konzerns. Das Wählerverzeichnis enthielt die Angaben Vorname, Name, Funktion und Geschäftsbereich. Neben den Beschäftigten der vier Standorte des Klinikverbunds konnten auch Beschäftigte anderer Betriebe und Unternehmen, die das Intranet ebenfalls nutzen, Zugang zu den Beschäftigtendaten erhalten. Auch konnten die Wählerlisten beliebig geladen und verschickt beziehungsweise an Dritte übermittelt werden. Der LfD Bremen (39. TB, 2016 Ziff. 12.3) hat diese Verfahren beanstandet. Die Argumente des Wahlvorstands, er habe das Wählerverzeichnis im Intranet veröffentlicht, weil viele Beschäftigte, die an der Betriebsratswahl teilnehmen könnten, an verschiedenen Standorten arbeiten und so ohne weiteres prüfen könnten, ob sie in das Wählerverzeichnis eingetragen sind, überzeugte ihn nicht.

Der LfD machte geltend, dass sich die Betriebsratswahl nur auf die Beschäftigten des Klinikverbunds erstrecke, nicht jedoch auf die Beschäftigten der übrigen Gesellschaften, die das Intranet ebenfalls nutzen. Insoweit handelte es sich um eine unzulässige Datenübermittlung an Dritte. Hinzuweisen ist insoweit noch darauf, dass die Publikation des Wählerverzeichnisses im Betrieb eine Rechtsgrundlage in § 2 Abs. 4 Wahlordnung hat. Die Regelung erstreckt sich nicht nur auf eine Veröffentlichung durch Aushang, sondern erlaubt auch auf die Nutzung im Betrieb vorhandener Informations- und Kommunikationstechnik zur Veröffentlichung des Verzeichnisses „im Betrieb“.

* Der Autor ist Ehrenvorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V., Bonn.