DA+

Urteil : Video eines Bordellbesuchs im Internet als „Druckmittel“ : aus der RDV 4/2014, Seite 215 bis 216

(Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 15. Januar 2014 – 5 U 1243/13 –)

Archiv RDV
Lesezeit 3 Min.
  1. Bringt ein Gast den weiteren Betrieb eines Bordells durch Werfen von Stinkbomben zum Erliegen, was den Bordellbetreiber veranlasst, zur Identitätsklärung die Videoaufzeichnung der Tat im Internet zu veröffentlichen, muss dies beendet werden, sobald die Personalien des Täters feststehen.
  2. Ein unter Fortdauer der Veröffentlichung erwirktes notarielles Schuldanerkenntnis, den pauschaliert geschätzten Betriebsschaden zu ersetzen, ist anfechtbar, wenn es unter der Drohung zustande gekommen ist, die Veröffentlichung erst nach einem derartigen Zahlungsversprechen zu beenden. Eine derartige Drohung kann auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden.

Sachverhalt:

Die Beklagte vermietet in einem in Gebäude Zimmer an Prostituierte. Dort warf der Kläger am 12.01. und 25.01.2013 Stinkbomben. Es gelang der Beklagten, ihn zu identifizieren, nachdem sie in ihrer Videoüberwachungsanlage gespeicherte Fotos seiner Person ins Internet gestellt hatte.

Der Versuch, den Kläger am 27.01.2013 in seiner Wohnung zur Rede zu stellen, schlug fehl. Danach kam es am 28.01.2013 zu notariellen Termin, bei dem der Kläger im Hinblick auf die durch sein Verhalten entstandenen Schäden ein auf 12.000 € nebst Zinsen lautendes Schuldanerkenntnis gegenüber der Beklagten unterzeichnete und sich deswegen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein Vermögen unterwarf. Die Beklagte versprach in derselben Urkunde, die Fotos des Klägers aus dem Internet herauszunehmen und alle über den Kläger gespeicherten Daten unter Verschluss zu halten. Des Weiteren sollten die gegen ihn gestellten Strafanträge zurückgezogen werden, sobald er seine Zahlungszusage erfüllt hatte.

Im vorliegenden Rechtsstreit hat der Kläger beantragt, die Vollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären. Das Schuldanerkenntnis stehe in keinem Verhältnis zu dem angerichteten Schaden und sei wucherisch. Unabhängig davon habe er es rechtswirksam angefochten, da er unter Druck gesetzt worden sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen: Der Kläger habe ein deklaratorisches Anerkenntnis abgegeben, das ihm den Einwand, betraglich überfordert worden zu sein, abschneide. Er sei auch nicht in verwerflicher Weise bedroht worden. Das greift der Kläger mit der Berufung an.

Aus den Gründen:

Der angefochtene Titel hat keinen Bestand, so dass eine Zwangsvollstreckung daraus unzulässig ist (§§ 794 Abs. 1 Nr. 5, 795 S. 1, 767 Abs. 1 ZPO) und seine vollstreckbare Ausfertigung an den Kläger herausgeben werden muss (§ 371 BGB analog).…

Das streitigev deklaratorischen Anerkenntnis wurde durch unzulässig ausgeübten Zwang veranlasst. Dieser Zwang ging von der – möglicherweise nicht wörtlichen aber nach den Umständen zumindest konkludent vermittelteten Ankündigung der Beklagten aus, die laufende Veröffentlichung der Fotos des Klägers erst dann zu beenden, wenn dieser die notarielle Verpflichtungserklärung abgab. Ein entsprechender Zusammenhang wird aus dem Urkundstext selbst deutlich, demzufolge die Herausnahme der Fotos aus dem Internet als Gegenleistung zum Schuldanerkenntnis des Klägers ausgestaltet wurde. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Beklagte zum Ausdruck gebracht hätte, auch ohnedies – nämlich im Sinne einer eigenständigen, von jeder Verknüpfung mit dem Verhalten des Klägers freien Vorleistung – zu einem solchen Schritt bereit zu sein .… Indem die Beklagte die notarielle Zahlungszusage des Klägers durch den Hinweis auf die ansonsten fortdauernde Publikation der Fotos herbeiführte, übte sie eine widerrechtliche Drohung aus, weil die Veröffentlichung gegen das Gesetz verstieß und unabhängig von jedwedem Entgegen kommen des Klägers hätte beendet werden müssen (vgl. Ellen berger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 123 Rn. 16). Die Publikation war gemäß § 22 KunstUrhG verboten und damit ohne weiteres zu unterlassen. Die Vorschrift gestattet die Verbreitung und öffentliche Zurschaustellung von Bildnissen einer Person nur mit deren Erlaubnis, an der es im vorliegenden Fall fehlte.

c) Es bedarf keiner Auseinandersetzung mit der Auffassung des Landgerichts, die Beklagte habe ein legitimes Interesse daran gehabt, „denjenigen ausfindig“ zu machen, „der die Stinkbomben im Bordell zerplatzen ließ“, „nicht zuletzt, um weitere Anschläge zu vermeiden“. Selbst wenn man darin – was aus der Sicht des Senats freilich eher fern liegt – primär einen Rechtfertigungsgrund gemäß § 227 BGB oder § 34 StGB (zu dessen Anwendung im Zivilrecht vgl. Ellenberger in Palandt, BGB, 73. Aufl., § 227 Rn. 10) sähe, war für einen solchen Rechtfertigungsgrund jedenfalls kein Raum mehr, nachdem die Beklagte die Identität des Klägers ermittelt hatte und dessen Urheberschaft feststand. Diese Situation war bei der Errichtung der notariellen Urkunde längst eingetreten.