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Bericht : Werbung und Adresshandel : aus der RDV 4/2014, Seite 224 bis 225

Archiv RDV
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Ethnomarketing

Eine Auswertung von Namen nach ethnischer und rassischer Herkunft oder Religionszugehörigkeit der Betroffenen für Werbezwecke ist unzulässig. Das Verbot darf nicht durch begriffliche Verschleierung umgangen werden.

Unter der Überschrift „Ethnomarketing“ offerierte ein in der Datenanalyse und im Adresshandel tätiges Unternehmen personenbezogene Daten zur ethnischen Herkunft von über 15 Millionen in Deutschland lebenden Konsumenten. Interessenten konnten außerdem ihren vorhandenen Kundendatenbestand im Hinblick auf die wahrscheinliche ethnische Zugehörigkeit des jeweiligen Kunden analysieren lassen. Das Unternehmen warb damit, es könne sowohl für jeden Straßenabschnitt Deutschlands als auch auf Personenebene Wahrscheinlichkeiten der Zugehörigkeit zu den folgenden „Kulturkreisen“ ausweisen: deutsch – italienisch – türkisch – griechisch – spanisch – Balkan – osteuropäisch – nordasiatisch – afrikanisch (südlich der Sahara) – außereuropäisch-islamisch – süd-/ost-/südostasiatisch (Indien/Vietnam) – sonstige (Benelux, Frankreich, Großbritannien, Nordeuropa, USA, Kanada) – Spätaussiedler aus der früheren Sowjetunion. Die Zuordnung einer Person erfolge aufgrund einer Vor- und Nachnamenanalyse und eines Abgleichs mit amtlichen Informationen zur Anzahl der Ausländer. „Wer …weiß, wo die unterschiedlichen ethnischen Gruppen wohnen, ist klar im Vorteil!“ lautete die Werbebotschaft, und weiter hieß es, „Erkenntnisse aus der Analyse können sofort vertrieblich nutzbar gemacht werden, zum Beispiel für Postwurfsendungen oder zur Selektion kulturkreisbezogener Zielgruppenadressen…“.

Im Laufe des datenschutzrechtlichen Überprüfungsverfahrens bestritt das Unternehmen, eine Zuordnung nach ethnischen, rassischen oder religiösen Kriterien vorzunehmen, sondern lediglich nach „Kulturkreisen“, die es wechselnd auch als „Sprachkreise“ oder „Sprach- und Kulturräume“ bezeichnete. Die Zuordnung außereuropäisch-islamischer Kulturkreis wollte das Unternehmen in „außereuropäisch-arabischstämmiger Sprachraum“ ändern.

Die angebotene Dienstleistung war rechtswidrig. Das Bundesdatenschutzgesetz erlaubt die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung bestimmter sensitiver Daten wie Angaben über die rassische und ethnische Herkunft oder religiöse Überzeugungen nur sehr eingeschränkt (§§ 3 Abs. 9, 28 Abs. 6 bis 9 BDSG).

Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte als Aufsichtsbehörde für den Datenschutz im nicht öffentlichen Bereich vor einigen Jahren zugestanden, dass bei einer Auswertung von Namen nach Sprachzugehörigkeit für Werbezwecke der Schutzbereich des § 3 Abs. 9 nicht berührt sei, solange die ausgewählten Personen nicht eindeutig einer Ethnie zugeordnet werden können. In der Regel ist mit einer Sprachzuordnung keine Zuordnung zur ethnischen Herkunft verknüpft. Der Begriff „ethnische Herkunft“ ist im ethnologischen Sprachgebrauch durch mehrere Merkmale definiert: Bestimmend sind Religion, Sprache, Abstammung, Herkunft aus oder Ansässigkeit in einer bestimmten geografischen Region, Teilhabe am sozialen Zusammenhang der ethnischen Gruppe, Selbstdefinition als Mitglied der ethnischen Gruppe, Praktizieren der gemeinsam geteilten Kultur der ethnischen Gruppe oder Wissen um diese Kultur. Da die Sprache bei der Bestimmung der ethnischen Herkunft nur ein Element ist, lässt sich aus ihr allein nicht auf die ethnische Herkunft der Person schließen.

Das Angebot beschränkte sich jedoch – entgegen der Meinung des Unternehmens – nicht auf eine Zuordnung zu einem Sprachraum. Es gibt weder einen osteuropäisch-nordasiatischen, afrikanischen (südlich der Sahara) noch einen süd-/ost-/südostasiatischen Sprachraum. Ein osteuropäisch-nordasiatischer Raum würde von Polnisch im Westen bis Jakutisch im Nordosten reichen. Allein in Russland gibt es schätzungsweise 100 Sprachfamilien. Wenn man sich nicht auf die beiden Sprachräume frankophon und anglophon beschränkt, gibt es in Afrika (südlich der Sahara) ca. 2000 Sprachen. Wenig einleuchtend ist auch die Kategorisierung süd-/ost-/südasiatischer Sprachraum mit Sprachen wie z.B. Hindi, Taglog, Koreanisch, Thai, Vietnamesisch, Japanisch oder Chinesisch.

Die als Sprach- oder Kulturkreiszuordnung bezeichnete Kategorisierung vermittelte vielmehr den Eindruck einer verdeckten Klassifizierung nach ethnischen und rassischen Kriterien: Slawen, Eurasier, Mongolenvölker, Asiaten, Schwarzafrikaner. Bezeichnenderweise schlug das Unternehmen daher auch die Kategorie arabischstämmiger (Araber) Sprachraum vor. Dass es sich bei „islamisch“ um eine Zuordnung zu einer Religion handelte, war offensichtlich. Das Unternehmen verarbeitete mithin sensitive Daten gem. § 3 Abs. 9 BDSG.

Der Gesetzgeber hat die Verarbeitung der in § 3 Abs. 9 aufgezählten Datenarten an besonders restriktive Anforderungen geknüpft. Diese Beschränkungen dürfen nicht dadurch umgangen werden, dass die Datenarten in andere Datenarten umdefiniert werden, um so dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 9 zu entgehen. Das geschieht, wenn Ethnie und Rasse definitorisch im Begriff Kulturraum, der sich wiederum durch beliebige räumliche Beschränkung oder Erweiterung auf eine Ethnie oder Rasse reduzieren lässt, versteckt werden. Ein Kulturkreis (Kulturraum) kann, muss aber keineswegs weiträumig sein. Der Begriff kann einen globalen (westlicher oder östlicher Kulturkreis), aber auch seinen sehr regionalen Bezug haben (hessischer Kulturraum). Die Bezeichnung Ethnomarketing, mit dem das Unternehmen warb, war durchaus eine adäquate Beschreibung der mit dem Produkt verbundenen Intention, nämlich Werbung, die auf eine nach ethnischen und/oder rassischen Merkmalen definierte Gruppe ausgerichtet ist, zu ermöglichen.

Die Zuordnung erfolgte ohne Wissen und Einwilligung der Betroffenen. Da die Anforderungen des § 28 Abs. 6 bis 9 BDSG nicht erfüllt waren, war sie rechtswidrig. Das Unternehmen hat die Werbung für das Produkt aus seiner Webseite entfernt.

(Hess LfD, 42. TB (2013), 4.4)