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Urteil : Anmerkung zu SächsOVG, Urteil v. 9.9.2014, 2 A 44.14 und OVG NW, Beschluss v. 19.11.2014, 6 A 1896.13 : aus der RDV 4/2015, Seite 200 bis 201

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1. Einer der wesentlichen Grundsätze des Datenschutzrechts ist das Prinzip der Zweckbindung. Leider wird diesem Grundsatz, nicht selten gerade bei einer Zweckänderung innerhalb derselben Behörde, nicht immer ausreichend Rechnung getragen.

2. Das Urteil des Sächsischen OVG vom 9. September 2014 ist dafür ein Beispiel:

a) Ein Beamter der Bundespolizei sollte mit einer Tätigkeit betraut werden, für die eine Sicherheitsüberprüfung gem. § 8 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes des Bundes (SÜG) erforderlich ist. Im Rahmen dieser Sicherheitsüberprüfung ergaben sich Hinweise auf eine frühere Tätigkeit des Beamten für den Staatssicherheitsdienst der DDR, die der Dienststelle zum Zeitpunkt der Ernennungen zum Beamten auf Probe und auf Lebenszeit in dieser Form nicht bekannt waren. Die Dienststelle nahm „nach Anhörung und mit Einverständnis“ des Beamten Einblick in die Unterlagen des Geheimschutzbeauftragten, also anscheinend in die Sicherheitsakte gem. § 18 SÜG. Das Bundesministerium des Innern kam auf Grund der im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung angefallenen Erkenntnisse des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) als zuständige Oberste Bundesbehörde zu dem Ergebnis, dass der Beamte seinen Dienstherren über die Tätigkeit als inoffizieller Mitarbeiter des MfS arglistig getäuscht habe und nahm die Beamtenernennungen auf Probe und auf Lebenszeit wegen arglistiger Täuschung gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG zurück.

b) Die beamtenrechtliche Frage, ob die Voraussetzungen des § 14 BBG vorlagen, soll hier offen bleiben. Vielmehr wird nur geprüft, ob die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gewonnenen Erkenntnisse überhaupt zu diesem Zweck genutzt werden durften. Das OVG kommt zutreffend zu dem Ergebnis, dass § 21 Abs. 1 SÜG einschlägig ist. Zu eng ist es allerdings, dass das Gericht allein § 21 Abs. 1 Satz 1 SÜG prüft. Vielmehr ist auch § 21 Abs. 1 Satz 3 SÜG zu beachten: Danach darf die zuständige Stelle (in der Regel die Beschäftigungs-Dienststelle) die gespeicherten personenbezogenen Daten für Zwecke der disziplinarrechtlichen Verfolgung sowie dienst- oder arbeitsrechtlicher Maßnahmen (nur) nutzen und übermitteln, wenn dies zur Gewährleistung des Verschlusssachenschutzes erforderlich ist. Dem Verschlusssachenschutz ist im vorliegenden Fall damit ausreichend Rechnung getragen, dass der Beamte künftig keinen Zugang zu Verschlusssachen mehr enthält; sofern die bisherige Tätigkeit deshalb nicht mehr ausgeübt werden konnte, war er umzusetzen oder ggf. zu versetzen. Dabei hatte die Personalverwaltung das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung als für sie verbindlich ihren Personalentscheidungen zugrundezulegen; vgl. LAG Köln, Urteil v. 12. November 2007, 2 Sa 904/07, Juris. Daher war die Nutzung der im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung gewonnenen Erkenntnisse zur Begründung der Rücknahme der beamtenrechtlichen Ernennungen nicht zulässig, weil nicht das zum Verschlusssachenschutz erforderliche Mittel. Dieses Ergebnis entspricht auch dem Sinn des § 21 Abs. 1 SÜG. Er soll dem Umstand Rechnung tragen, dass im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung Daten anfallen, die der Dienststelle im Rahmen der allgemeinen Personalbearbeitung nicht bekannt geworden wären. Nachdem im Rahmen des Verfahrens zur Ernennung zum Beamten entsprechende Anfragen gestellt worden waren, bestand aus Sicht der Personalverwaltung kein Anlass, eine erneute Anfrage zu stellen; ohne die Sicherheitsüberprüfung wären die neuen Erkenntnisse daher nicht bekannt geworden.

c) Nicht nachzuvollziehen ist die Erwägung des OVG, da die fraglichen Erklärungen des Beamten und dessen Ernennungen vor In-Kraft-Treten des SÜG erfolgt seien, sei fraglich, ob § 21 SÜG anwendbar sei. Die Sicherheitsüberprüfung, auf deren Akte zurückgegriffen wird, war unter der Geltung des SÜG erfolgt. Daher darf eine Nutzung der dabei erhobenen Daten auch nur unter dessen Beachtung erfolgen. Der Rückgriff auf die Rechtsprechung, die sich mit dem „Schlussstrich“ der Nutzung der Erkenntnisse des BStU nach der Änderung des StUG befasst haben, ist nicht überzeugend. Dort geht es darum, ob eine nachträgliche Einschränkung der Nutzung des BStU auch für AltFälle gilt; bei der Frage der Anwendbarkeit der Zweckbindungsregelungen des SÜG dagegen um Beschränkungen der Nutzung angefallener Daten. Eine Nutzung beim Staat angefallener Daten für alle Zwecke ist verfassungsrechtlich unzulässig und darf im Übrigen nur auf Grund einer gesetzlichen Grundlage erfolgen. Diese liegt, wie soeben ausgeführt, gerade nicht vor.

d) Die Zustimmung des Beamten im Hinblick auf die Einsicht in die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung angefallenen Unterlagen BStU rechtfertigt nicht die Nutzung der im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung angefallen Daten für personalrechtliche Zwecke. Nach dem Tatbestand des Urteils bezog sich die Einwilligung auf den Einblick in die Unterlagen des Geheimschutzbeauftragten, die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung angefallen waren. Der Beamte dürfte diese allein auf das Sicherheitsüberprüfungsverfahren bezogen haben. Nur so durfte die Dienststelle als Erklärungsempfänger diese auch verstehen. Es ist lebensfremd anzunehmen, dass der Beamte auf den Schutz des § 21 Abs. 1 SÜG verzichtet und einer umfassenden Nutzung der Daten auch für Zwecke der Personalverwaltung zustimmt und damit eine Rücknahme der Beamtenernennung riskiert. Selbst wenn die Einwilligung insoweit so allgemein abgefasst war, dass sie auch die Nutzung für die Durchführung von Personalmaßnahmen erfasst, wurde sie – wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hatte – eingeholt, umdiese Erkenntnisse unter Umgehung des § 21 SÜG umfassend nutzen zu können. Dann stellt sich die Frage, ob diese Einwilligung wirksam war. Eine Einwilligung setzt gem. § 4a BDSG eine entsprechende Belehrung voraus. Deren Vorliegen erscheint aus den soeben genannten Gründen – der Beamte wird kaum sehenden Auges seine Entlassung riskieren – fraglich. Im Falle einer unzutreffenden Belehrung war die Einwilligung nicht wirksam; die auf ihrer Grundlage gewonnenen Erkenntnisse durften nicht für Zwecke der Personalverwaltung genutzt werden. Wegen der engen Zweckbindung in § 21 SÜG durften im Übrigen die angefallenen Erkenntnisse von vornherein nicht dazu genutzt werden, die Zustimmung zu einer Anfrage bei dem BStU einzuholen; die diesbezüglichen Erwägungen des OVG zu einem „rechtmäßigen Alternativverhalten“ sind daher nicht überzeugend.

e) Im Übrigen hat die Beklagte auch die von ihr zitierte Entscheidung des BVerwG – Beschluss v. 6. August 2004, 2 B 68.04, Buchholz 236.1 § 47 SG Nr. 4 – zu Unrecht darauf reduziert, ob die Kenntnis des Geheimschutzbeauftragten die Ausschlussfrist von 6 Monaten beginnen lässt. Das BVerwG hat aber ausgeführt:

„Deshalb wäre es sogar unzulässig, wenn der Dienstherr das im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung nach Maßgabe des § 14 Abs. 1 Satz 2 SÜG etwa dennoch erlangte Wissen davon, dass ein Soldat seine Ernennung seinerzeit durch arglistige Täuschung herbeigeführt hat, dazu nutzt, den Soldaten nach § 46 Abs. 2 SG zu entlassen. Aus der Unverwertbarkeit des so erlangten Wissens von der bei der Einstellung begangenen Täuschung für eine Entscheidung nach § 46 Abs. 2 SG folgt, dass auch die Frist, innerhalb derer diese Entscheidung zu treffen ist, durch die Kenntniserlangung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 SÜG nicht in Gang gesetzt wird.“

Der Beschluss bestätigt vielmehr ausdrücklich, dass die im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung angefallenen Daten nicht für die Rücknahme der beamtenrechtlichen Ernennungen herangezogen werden dürfen.

3. Nicht unbedenklich ist auch der Beschluss des OVG NW v. 19. November 2014, 6 A 1896/13:

Der Beamte auf Widerruf hatte im Rahmen des Einstellungsverfahrens wahrheitswidrig erklärt, dass gegen ihn in den letzten drei Jahren keine Strafverfahren anhängig gewesen waren; im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung waren diese aber bekannt geworden. Das OVG hat dem Dienstherren zugebilligt, er habe zu Recht aus diesen wahrheitswidrigen Angaben den Schluss gezogen, dass eine vertrauenswürdige Zusammenarbeit mit dem Beamten nicht möglich sei. Zwar erfolgte die Ernennung zum Beamten auf Widerruf ausdrücklich „vorbehaltlich eines beanstandungsfreien Ergebnisses der durchzuführenden Sicherheitsüberprüfung“. Diese Formulierung erfasst zunächst den Fall, dass ein Sicherheitsrisiko vorliegt, das der Betrauung mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit entgegensteht. Hinzu kommt bei dieser weiten Formulierung zwar auch ein Ergebnis ohne Feststellung eines Sicherheitsrisikos, aber der Einschränkung, dass der Beamte mit bestimmten Funktionen nicht betraut werden darf. Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung ergibt sich aus dem Urteil zwar nicht. Da der Beamte später aber in der vorgesehenen Tätigkeit verwendet wurde, ist allerdings davon auszugehen, dass aus sicherheitsrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen seine Zuverlässigkeit bestanden. Von diesem Wortlaut nicht erfasst ist es – so aber die Personalverwaltung –, dass bereits die Tatsache, dass eine sicherheitserhebliche Erkenntnis nicht zu einer sicherheitsrechtlich bedingten Einschränkung führte, ausreicht. Unabhängig davon gilt aber auch hier das oben Ausgeführte: Gem. § 22 SÜG NW (der insoweit inhaltlich § 21 SÜG entspricht und vom Senat nicht geprüft wird), durfte der Personalverwaltung nur mitgeteilt werden, ob die Betrauung des Beamten mit einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit in Betracht kommt oder nicht. Dagegen durften die dabei gewonnenen Erkenntnisse – hier die Tatsache, dass der Beamte die früheren und inzwischen abgeschlossenen Strafverfahren verschwiegen hat – nicht mitgeteilt und für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis herangezogen werden. Diese eingeschränkte Nutzungsmöglichkeit trifft – vgl. insoweit den zitierten Beschluss des BVerwG v. 6. August 2004 – auch den Dienststellenleiter. Dieser muss sein Wissen aus der Sicherheitsüberprüfung bei Personalmaßnahmen ausblenden. Dies entspricht nicht nur den Regeln zur Zweckbindung, sondern ergibt sich auch aus dem strengen Grundsatz der Trennung von Personalverwaltung und dem für die Durchführung der Sicherheitsüberprüfung zuständigen Bereich; vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 SÜG und – für den hier behandelten Fall – § 4 Abs. 2 SÜG NW. Wenn aus Sicht der Personalverwaltung – verständlicherweise – für die Frage der Ernennung zum Beamten auf Widerruf frühere Strafverfahren von Bedeutung waren, hätte sie selbst entsprechende Anfragen stellen müssen und erst danach die Sicherheitsüberprüfung einleiten dürfen.

(Dr. Bernd Eicholt)