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Urteil : Zur Darlegungs- und Beweislast für den Schadenersatzanspruch nach Art. 82 DS‑GVO : aus der RDV 4/2024, Seite 243 bis 244

(BGH, Urteil vom 12. Dezember 2023 – VI ZR 277/22 –)

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Der Kläger muss die negativen Folgen, die der Verstoß gegen die DS-GVO für ihn hatte, zumindest benennen und gff. auch nachweisen.

(nicht amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen:

a) [Der Senat] hat sich […] mit dem Vorbringen befasst, das Berufungsgericht sei von einer zu hohen Schwelle in Bezug auf die Darlegungslast bei immateriellen Schäden nach Art.  82 DS-GVO ausgegangen, ohne sich mit dem diesbezüglichen Meinungsstreit sowie den beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hierzu anhängigen Vorabentscheidungsverfahren auseinanderzusetzen und das Berufungsverfahren gegebenenfalls auszusetzen. Die Klagepartei hat insoweit die Zulassungsgründe der Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs sowie der Rechtsfortbildung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, der Senat müsse gegebenenfalls selbst die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen oder das Verfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs in anderen Vorabentscheidungsverfahren aussetzen.

Der Senat hat das Urt. des EuGH v. 04.05.2023 – C-300/21 abgewartet und in seine Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde einbezogen. Nach dem genannten Urteil ist Art.  82 Abs.  1 DS-GVO dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, sondern dass darüber hinaus der Eintritt eines Schadens erforderlich ist (VersR 2023, 920 Rn. 31 ff., 42). Weiter hat der EuGH ausgeführt, dass Art. 82 Abs. 1 DS-GVO einer nationalen Regelung oder Praxis entgegensteht, die den Ersatz eines immateriellen Schadens im Sinne dieser Bestimmung davon abhängig macht, dass der der betroffenen Person entstandene Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (a.a.O. Rn. 51). Allerdings hat der Gerichtshof auch erklärt (a.a.O. Rn. 50), dass die Ablehnung einer Erheblichkeitsschwelle nicht bedeutet, dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, der für sie negative Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen.

Auch wenn damit noch nicht alle Fragen geklärt sind, wie etwa die Frage, ob negative Gefühle, wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorgen und Ängste, bereits einen immateriellen Schaden im Sinne der Norm darstellen (vgl. Senat, Vorlagebeschluss vom 26.09.2023 – VI ZR 97/22, juris), so steht doch inzwischen fest, dass der Betroffene, der Ersatz des immateriellen Schadens verlangt, jedenfalls geltend machen (und ggf. nachweisen) muss, dass der Verstoß gegen die DS-GVO negative Folgen für ihn gehabt hat, die einen immateriellen Schaden darstellen könnten. Diese negativen Folgen muss er also zumindest benennen, wie dies etwa der Kläger in dem dem Vorlagebeschluss des Senats vom 26.09.2023 – VI ZR 97/22 zugrunde liegenden Verfahren getan hat (juris Rn. 5, 33).

Nach diesem Maßstab war es zulassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Vortrag der Klägerin zu negativen Folgen, die einen immateriellen Schaden darstellen könnten, in den von ihm insoweit erwähnten Schriftsatz vom 23.02.022 oder in den Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vom 25.02.2022 nicht gesehen hat. Die Klägerin hat ihre Klageerweiterung auf Schadenersatz „in angemessener Höhe, jedoch nicht unter 50.000 €“, im Schriftsatz vom 23.02.2022 der Sache nach mit materiellen – wirtschaftlichen – Nachteilen begründet, die mit entsprechenden wirtschaftlichen Vorteilen für die Beklagten korrespondiert haben sollen und die sie mangels Kenntnis der Mails, die auf dem streitgegenständlichen E-Mail-Account eingegangen seien, nicht beziffern könne. Negative Folgen, die eventuell einen (vom EuGH noch nicht näher definierten) immateriellen Schaden begründen könnten, enthält weder der Schriftsatz vom 23.02.2022 noch sind sie aus dem Sitzungsprotokoll vom 25.02.2022 ersichtlich; jedenfalls hat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass und an welcher Stelle diesbezüglicher Vortrag gehalten und vom Berufungsgericht übergangen worden sein soll. Der Vortrag zu negativen Folgen immaterieller Art erst in der Nichtzulassungsbeschwerdebegründung (S. 25 f.) vermochte eine Gehörsverletzung seitens des Berufungsgerichts nicht zu begründen.