Urteil : Zum Auskunftsanspruch gegenüber einer Bank : aus der RDV 5/2020, Seite 279 bis 280
(Amtsgericht Bonn, Urteil vom 30. Juli 2020 – 118 C 315/19 –)
- Ein Bankkunde hat gem. Art. 15 DS-GVO gegen die Bank einen Anspruch auf Datenauskunft, der sich auch auf die Bankbewegungen zu seinem Girokonto erstreckt.
- Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen.
- Unter die Vorschrift fallen damit sowohl im Kontext verwendete persönliche Informationen wie Identifikationsmerkmale (z.B. Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (z.B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile), als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstigen Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt.
- Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer identifizierten oder identifizierbaren Person liefern, weisen einen Personenbezug auf.
- Der Auskunftsanspruch erfasst in Ansehung dieser Grundsätze mehr als nur die „Stammdaten“.
- Dieser extensiven Ansicht zufolge sind daher z.B. einem Arbeitnehmer alle elektronisch verarbeiteten Arbeitszeitnachweise, Entgeltunterlagen, Lohnkonten sowie den Arbeitnehmer betreffende E-Mails zu übermitteln, sofern und soweit keine Rechte Dritter betroffen sind.
- Unter Ansehung dieser extensiven Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten erscheint es gerechtfertigt, auch Kontobewegungen auf einem Bankkonto als vom Auskunftsanspruch erfasst anzusehen.
- Soweit die Bank einwendet, dass der Kunde diese Daten bereits durch die Kontoauszüge erlangt hätte, der er über das Online-Banking abrufen konnte, führt dieser Einwand nicht zum Erlöschen der Datenauskunftsanspruchs i.S.v. § 362 Abs. 1 BGB. Denn das Zurverfügungstellen über das Online-Portal erfolgte nicht in Ansehung eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs, sondern zur Erfüllung der Bank aus dem Zahlungsdienstleistungsvertrag, laufend Auszüge und periodische Rechnungsabschlüsse zu erteilen.
- Zwar besteht Sinn und Zweck des Datenauskunftsanspruchs gem. dem Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO zunächst darin, die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zu ermöglichen. Gleichwohl begründet die Verfolgung eines darüber hinausgehenden bzw. anders gelagerten Zwecks (z.B. die Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens) noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. Nichts anderes kann daher gelten, wenn der Betroffene die Datenauskunft benötigen, um seine Position gegenüber Dritten zu stärken.
- Der Streitwert einer Datenauskunft ist mit 5.000,00 EUR zu bemessen.
(Leitsätze des Einsenders)
Sachverhalt:
Die Parteien streiten um den Umfang eines Auskunftsanspruchs nach Art. 15 DS-GVO. Der Kläger war in den Jahren 2015 bis 2019 Kunde der Beklagten und unterhielt bei ihr unter der Kundenstammnummer unter anderem ein Pfändungsschutzkonto, welches als Online-Konto geführt wurde.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.12.2018 nahm der vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers mit der Beklagten Kontakt auf und bat um eine vollständige Datenauskunft gem. Art. 15 DS-GVO. Mit Schreiben vom 05.02.2019 teilte die Beklagte dem Kläger sodann zunächst die sogenannten Stammdaten (Name, Meldeanschrift, Geburtsdatum, Geburtsort, Familienstand, Staatsangehörigkeit, Geschlecht, Angaben zum Personalausweis und Kontaktdaten des Bankkunden) mitsamt den aktuell gültigen Datenschutzhinweisen und einer aktuellen Produktübersicht mit und bat den Kläger um Präzisierung seines Auskunftsverlangens. Dies entspricht der üblichen Vorgehensweise der Beklagten im Hinblick auf die Bearbeitung von Auskunftsansprüchen. Aufgrund des großen Umfangs der bei der Beklagten anfallenden Datenverarbeitung wendet diese ein zweistufiges Verfahren dergestalt an, dass zunächst lediglich die sogenannten Stammdaten mitgeteilt werden und erst nach Präzisierung des Auskunftsbegehrens des Antragstellers weitergehende Informationen mitgeteilt werden.
Da der Kläger die zwischenzeitlich erteilte weitere Datenauskunft nach wie vor für unvollständig hält – es fehlen nach seiner Ansicht Auskünfte über Bankbewegungen, die auf dem Konto stattgefunden haben – beantragt er nunmehr sinngemäß, die Beklagte zu verurteilen, ihm Auskunft über sämtliche Bankbewegungen, die auf dem Konto mit der Kundenstammnummer erfolgt sind, zu erteilen. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie meint der Anspruch des Klägers sei durch Erfüllung bereits vollständig erloschen. lm Hinblick auf die nun noch streitgegenständliche Auskunft über Bankbewegungen, die auf dem Girokonto stattgefunden haben, sei das Auskunftsbegehren auch rechtsmissbräuchlich, da der vom Kläger dargelegte Anlass der Geltendmachung des Auskunftsanspruchs, nämlich die Vorbereitung und Durchführung von Rechtsstreitigkeiten mit Dritten, dem Datenschutzrecht fremd sei. Darüber hinaus sei der Auskunftsanspruch bezüglich der Kontobewegungen bereits erfüllt worden, da dem Kläger monatlich Kontoauszüge zur Verfügung gestellt worden seien. Das klägerische Konto sei bei der Beklagten als Online-Konto geführt worden. Selbst wenn der Kläger die entsprechenden Kontoauszüge in seinem Online-Postfach nicht abgerufen hätte, erfolge nach 50 Kalendertagen automatisch die Zusendung des jeweiligen Kontoauszuges per Post. Da im System der Beklagten nicht vermerkt sei, dass bezüglich des Klägers ein solcher Zwangsversand erfolgt sei, sei davon auszugehen, dass der Kläger die entsprechenden Kontoauszüge bereits abgerufen habe.
Aus den Gründen:
Die zulässige Klage ist begründet. Dem Kläger steht im Hinblick auf die nun noch streitgegenständlichen Bankbewegungen auf dem Konto ein Auskunftsanspruch gemäß Art, 15 Abs.1 DS-GVO zu. Nach Art. 15 DS-GVO hat jede betroffene Person, nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO also jede durch personenbezogene Daten identifizierbare oder identifizierte Person, das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie u.a. ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten. Der Begriff der „personenbezogenen Daten“ nach Art. 4 DS-GVO ist weit gefasst und umfasst nach der Legaldefinition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO alle Informationen, die sich auf eine identifizierbare natürliche Person beziehen. Unter die Vorschrift fallen damit sowohl im Kontext verwendete persönliche Informationen wie ldentifikationsmerkmale (Name, Anschrift und Geburtsdatum), äußere Merkmale (wie Geschlecht, Augenfarbe, Größe und Gewicht) oder innere Zustände (z.B. Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile), als auch sachliche Informationen wie etwa Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, Kommunikations- und Vertragsbeziehungen und alle sonstigen Beziehungen der betroffenen Person zu Dritten und ihrer Umwelt (Klar/Kühling, in: Kühling/ Buchner, DS-GVO/BDSG, Art. 4 DS-GVO Rn. 8; Ernst, in: Paal/ Pauly, DS-GVO/BDSG, 2. Auflage 2018, Art, 4 Rn. 14). Auch solche Aussagen, die eine subjektive und/oder objektive Einschätzung zu einer identifizierten oder identifizierbaren Person liefern, weisen einen Personenbezug auf (Kühling, in: Kühling/ Buchnei, a,a.O., Art. 4 DS-GVO Rn. 10 m.w.N.; Ernst, in: Paal/ Pauly, aaO, Art. 4 Rn. 14). Der Auskunftsanspruch umfasst in Artsehung dieser Grundsätze daher mehr als nur die Stammdaten (OLG Köln Urt. v. 26.7.2019 – 20 U 75118, BeckRS 2019, 16261 Rn. 60-62, beck-online).
Dieser extensiven Ansicht zufolge sind daher z.B. einem Arbeitnehmer alle elektronisch verarbeiteten Arbeitszeitnachweise, Entgeltunterlagen, Lohnkonten sowie den Arbeitnehmer betreffende E-Mails zu übermitteln, sofern und soweit keine Rechte Dritter betroffen sind (Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 30. Edition, Stand: 01.11.2019, Art. 15 DS-GVO, Rn. 85).
Unter Anwendung dieser extensiven Auslegung des Begriffs der personenbezogenen Daten erscheint es gerechtfertigt, auch die hier streitgegenständliche Kontobewegungen als vom Auskunftsanspruch erfasst anzusehen. Diese stellen sachliche lnformationen im Hinblick auf die Eigentums- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen dar.
Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Soweit die Beklagte diesbezüglich einwendet, der Kläger habe über das Online-Banking bereits Kenntnis der Bankbewegungen über die ihm zur Verfügung gestellten Kontoauszüge erlangt, kann sie hiermit nicht gehört werden, denn die Zurverfügungstellung über das Online-Portal erfolgte damals nicht in Ansehung eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruches, sondern in Erfüllung der im Rahmen des zwischen den Parteien geschlossenen Zahlungsdienstevertrages bestehenden Verpflichtung der Beklagten, laufende Auszüge und periodische Rechnungsabschlüsse zu erteilen (vgl. BGH NJW 1985, 2699).
Das Auskunftsbegehren des Klägers ist auch nicht rechtsmissbräuchlich. Der Beklagten ist zuzugeben, dass ureigenster Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs die Rechtmäßigkeitskontrolle im Hinblick auf die Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist (vgl. Erwägungsgrund 63 der Verordnung (EU)20161679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 5/46/EG). Gleichwohl begründet die Verfolgung eines darüber hinaus gehenden bzw. anders gelagerten Zwecks noch nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs. So wird von der Rechtsprechung einem Kläger erlaubt, ihn betreffende Daten zur Vorbereitung eines Gerichtsverfahrens vom Beklagten heraus zu verlangen (vgl. hierzu LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018 – 17 Sa 11/18, BeckOK DatenschuER/Schmidt-Wudy, 32. Ed. 1.5.2020, DS-GVO Art. 15 Rn. 52.2). Nichts anderes kann aber gelten, wenn – wie hier – der Kläger die Informationen benötigt, um seine Position gegenüber Dritten zu stärken.
(Mitgeteilt von Rechtsanwalt Konstantin Mertsiotis, Brühl)