Urteil : Zum Recht auf kostenlose Kopie der juristischen Staatsprüfung : aus der RDV 5/2021, Seite 277 bis 291
(Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Juni 2021 – 16 A 1582/20 –)
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27. April 2020 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 6. November 2018 verpflichtet wird, dem Kläger eine Kopie seiner im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten in Papierform oder einem gängigen elektronischen Format unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die unentgeltliche Zurverfügungstellung einer analogen oder digitalen Kopie seiner im Rahmen der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten.
Der Kläger nahm unter der Kennziffer XXX am zweiten juristischen Staatsexamen im Land Nordrhein-Westfalen teil und legte am 26. September 2018 erfolgreich die mündliche Prüfung ab. Die Bewertung seiner Prüfungsleistungen focht er nicht an. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 beantragte er gegenüber dem Landesjustizprüfungsamt Nordrhein-Westfalen (Landesjustizprüfungsamt) Einsicht in die von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und bat zugleich um Übersendung der entsprechenden Kopien in elektronischer Form oder auf postalischem Wege.
Mit Schreiben vom 19. Oktober 2018 erklärte sich das Landesjustizprüfungsamt gegenüber dem Kläger bereit, die beantragten Kopien (insgesamt 348 Seiten) gegen ein im Voraus zu zahlendes Entgelt i. H. v. 69,70 Euro zu übersenden.
Daraufhin verlangte der Kläger mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 unter Berufung auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (DatenschutzGrundverordnung – DS-GVO -) und auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) eine unentgeltliche Zurverfügungstellung der von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten und der Prüfervermerke in Kopie oder in einem „gängigen elektronischen Format“.
Mit Bescheid vom 6. November 2018, dem Kläger zugestellt am 15. November 2018, lehnte das Landesjustizprüfungsamt diesen Antrag ab. Dem Kläger stehe kein entsprechender Anspruch zu. Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung sei nicht eröffnet. Die in den Klausurbearbeitungen enthaltenen personenbezogenen Daten würden weder ganz noch teilweise automatisiert verarbeitet noch würden sie in einem Dateisystem gespeichert oder sollten derart gespeichert werden.
Der Kläger hat am 17. Dezember 2018 Klage erhoben. Zur Begründung hat er sein Vorbringen aus dem Schreiben vom 25. Oktober 2018 vertieft und weiter ausgeführt: Der Anspruch auf Erteilung der von ihm begehrten unentgeltlichen Auskunft folge aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i. V m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO. Der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO sei eröffnet. Namentlich würden die schriftlichen Prüfungsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung nach der derzeitigen Praxis des Landesjustizprüfungsamtes in einem „Dateisystem“ i. S. d. genannten Vorschrift gespeichert. Nach Erwägungsgrund 15 Satz 3 zur DS-GVO würden nur Akten oder Aktensammlungen sowie ihre Deckblätter, die nicht nach bestimmten Kriterien geordnet sind, nicht in den Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung fallen. Der Begriff des Dateisystems sei durch Art. 4 Nr. 6 DS-GVO als jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten definiert, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sei. Dateisysteme seien Sammlungen personenbezogener Daten, die gleichartig aufgebaut und nach bestimmten Merkmalen zugänglich seien. Die Sortierung nach Personen genüge hierfür. Die sachliche Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung sei auch nicht durch die Bereichsausnahme des Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) DS-GVO (Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt) ausgeschlossen.
Die Prüfungsarbeiten seien ebenso wie die Prüferanmerkungen personenbezogene Daten. Über die Kennziffer erfolge eine Zuordnung der angefertigten Prüfungsarbeiten zu seiner Person. Des Weiteren seien die von ihm angemerkten Prüfungsarbeiten Ausdruck seiner Identität. Der Gerichtshof der Europäischen Union habe in seinem Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 –, Nowak, ausführlich analysiert, inwieweit die Antworten eines Kandidaten in einer schriftlichen Prüfung eines Berufsexamens und die Kommentare des Prüfers zu diesen Antworten personenbezogene Daten darstellten und damit u.a. der datenschutzrechtlichen Auskunftspflicht unterlägen.
Die Voraussetzungen des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO seien vorliegend erfüllt. Dieser sei nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO bei eröffnetem Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung und dem Vorliegen personenbezogener Daten lediglich abhängig vom Antrag bzw. Auskunftsverlangen der betroffenen Person. Er – der Kläger – habe mit seinen zwei Schreiben an den Beklagten Auskunftserteilung bezüglich seiner Prüfungsarbeiten verlangt. Im Übrigen unterliege der Anspruch keinen Voraussetzungen. Die Auskunft habe unentgeltlich zu erfolgen. Nur für weitere Kopien könne nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO ein angemessenes Entgelt verlangt werden. Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO könnten die personenbezogenen Daten auch in einem gängigen elektronischen Format durch den Verantwortlichen bereitgestellt werden; er, der Kläger, habe dies mit Schreiben vom 11. Oktober 2018 ausdrücklich zugelassen durch Übersendung seiner E-Mail-Adresse. Rechte Dritter stünden dem Anspruch nicht gemäß Art. 15 Abs. 4 DS-GVO entgegen. Auch bestehe keine Beschränkung seines Auskunftsrechts durch nationale Regelungen nach Maßgabe des Art. 23 DS-GVO. Es liege insbesondere keine Einschränkung gemäß § 12 Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen (DSG NRW) vor.
Der Kläger hat – schriftsätzlich – beantragt,
- Der Bescheid des Beklagten vom 6. November 2018, Az. LJPA572/18, wird aufgehoben.
- Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger unentgeltlich eine Kopie der von dem Kläger unter der Kennziffer XXX im Rahmen des zweiten juristischen Staatsexamens in Nordrhein-Westfalen angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten in Papierform oder in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung zu stellen.
Der Beklagte hat – schriftsätzlich – beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen: Die sachliche Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung sei hinsichtlich der angefertigten Aufsichtsarbeiten bereits durch die in Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) DS-GVO enthaltene Bereichsausnahme ausgeschlossen. Ungeachtet dessen sei der sachliche Anwendungsbereich der DatenschutzGrundverordnung auch nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO nicht eröffnet. Bei der rein manuellen, analogen Ordnung und Aufbewahrung der schriftlichen Aufsichtsarbeiten, die lediglich über die Kennziffer des Prüflings auffindbar seien, handele es sich nicht um eine nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem „Dateisystem“ gespeichert sei. Dafür sei eine Zuordnung nach mehreren bestimmten „Kriterien“ erforderlich. Die alleinige Vergabe einer Kennziffer als einziges Kriterium, um die analog abgelegten Aufsichtsarbeiten dem jeweiligen Prüfling zuordnen zu können, reiche insofern nicht aus. Darüber hinaus ergebe sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Datenschutz-Grundverordnung, namentlich dem Zweck des Schutzes der Betroffenen von Datenverarbeitungen, dass für die Ordnung und Strukturierung nicht automatisiert verarbeiteter Daten gewisse materielle Aspekte zu fordern seien. Diese würden durch die Ordnung und Aufbewahrung von Aufsichtsarbeiten, die dem Prüfling lediglich über eine Kennziffer zugeordnet werden könnten, allein noch nicht erreicht. Denn bei einer zu weiten Auslegung würden nahezu alle bloß aufbewahrten Dokumente von der Datenschutz-Grundverordnung erfasst, da sich ein singuläres, wie auch immer geartetes Ordnungskriterium für Aktensammlungen stets finden lasse. Das aber würde die von Art. 2 Abs. 1 DS-GVO intendierte Einschränkung des Anwendungsbereichs der Datenschutz-Grundverordnung konterkarieren.
Die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung könnten für den streitgegenständlichen Sachverhalt auch nicht über § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW Anwendung finden. Bezogen auf das Begehren des Klägers, Einsicht in die von ihm angefertigten Aufsichtsarbeiten zu erhalten, enthalte § 23 Abs. 2 Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen (JAG NRW) als spezielle Rechtsvorschrift eine abweichende Regelung. Aufgrund dieser sei eine entsprechende Anwendung der Datenschutz-Grundverordnung über § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW gleichfalls ausgeschlossen. Denn nach § 23 Abs. 2 JAG NRW sei dem jeweiligen Prüfling auf Antrag die Einsicht in seine Prüfungsarbeiten einschließlich der Gutachten der Prüferinnen oder Prüfer lediglich in den Räumen des Landesjustizprüfungsamtes zu gestatten, nicht hingegen durch unentgeltliche Zurverfügungstellung von Kopien. Im Rahmen des spezialgesetzlich durch § 23 Abs. 2 JAG NRW verbürgten Rechts auf Einsichtnahme in die angefertigten Aufsichtsarbeiten sei die Fertigung von Kopien derselben durch das Landesjustizprüfungsamt lediglich gegen Erstattung der anfallenden Auslagen vorgesehen.
Halte man die Datenschutz-Grundverordnung – entgegen den vorstehenden Ausführungen – dennoch für unmittelbar oder entsprechend sachlich anwendbar, habe der Kläger gleichwohl keinen Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie. Denn der geltend gemachte Anspruch werde jedenfalls gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO durch die spezialgesetzliche Regelung des § 23 Abs. 2 JAG NRW i.V.m. den einschlägigen gebührenrechtlichen Regelungen beschränkt. Die in Art. 23 Abs. 1 DS-GVO konkret genannten Interessen, die eine Beschränkung der Rechte und Pflichten aus den Art. 12 bis 22 DS-GVO u.a. durch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen rechtfertigen könnten, seien lediglich Regelbeispiele. Daher könnten auch weitere – in Art. 23 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO nicht ausdrücklich aufgeführte – Interessen eine Beschränkung begründen. Grundgedanke der Vorschrift sei es, für bestimmte Fälle Betroffenenrechte aus der Datenschutz-Grundverordnung durch eine gesetzliche Neuregelung beschränken zu können oder bestehende Beschränkungen aufrecht zu erhalten. Auch der Europäische Gerichtshof habe bereits klargestellt, dass datenschutzrechtliche Auskunftsrechte eines Prüflings hinsichtlich von ihm angefertigter Prüfungsarbeiten auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO durch Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zum Zwecke des Schutzes „sonstiger wichtiger Ziele“ des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaates eingeschränkt werden könnten. Für Prüfungseinrichtungen sei es elementar, dass die Einsicht in die Prüfungsunterlagen strukturiert erfolge. In Anbetracht der hohen Zahl an Prüfungen sei es auch erforderlich, dass das Einsichtsrecht zeitlich durch eine Antragsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung begrenzt werde. Allen Kandidaten kostenlos Kopien ihrer Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten zur Verfügung stellen zu müssen, sei mit den personellen Möglichkeiten des Landesjustizprüfungsamtes nicht zu bewerkstelligen. Zudem sei zu bedenken, dass die mit den unterschiedlichsten Schreibgeräten, häufig mit Füllfederhalter, angefertigten Klausuren nicht zuverlässig rein maschinell kopiert oder gescannt werden könnten. Nach den Erfahrungen des Landesjustizprüfungsamtes seien Kopien von Klausuren oft ohne manuelle Korrektur der Kopier- bzw. Scaneinstellungen kaum lesbar. Zudem müssten die Klausuren entklammert und später wieder geklammert werden. Es sei daher bei Bejahung eines solchen Anspruches damit zu rechnen, dass jedes Jahr ca. 552.000 Seiten (etwa 18.000 Klausuren von ca. 2.300 Kandidaten mit einem durchschnittlichen Umfang von ca. 30 Seiten) zunächst elektronisch erfasst (eingescannt), gespeichert, ausgedruckt und versandt werden müssten. Damit würde nicht nur die Funktionsfähigkeit des Landesjustizprüfungsamtes gefährdet, sondern dies würde zugleich den Zweck der Datenschutz-Grundverordnung „ad absurdum“ führen. Anstatt Daten zu minimieren, würde aus einer derzeit nichtautomatischen analogen Speicherung in einer Papierakte durch das Scannen der Aufsichtsarbeiten eine digital gespeicherte personenbezogene Datenmasse hergestellt werden. Die Beschränkung des Informationsrechts der Prüflinge auf die Einsichtnahme im Landesjustizprüfungsamt sei bei alledem auch verhältnismäßig. Insbesondere würden hierdurch die Rechtsschutzmöglichkeiten der Kandidaten nicht beschnitten. Es stehe ihnen ohne großen Aufwand frei, Fotos ihrer Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten anzufertigen oder sich Kopien durch die Mitarbeiter des Landesjustizprüfungsamtes gegen Auslagenerstattung anfertigen zu lassen.
Die gesetzliche Beschränkung des Auskunftsanspruches durch § 23 Abs. 2 JAG NRW stehe auch mit Art. 23 Abs. 2 DS-GVO in Einklang. § 23 Abs. 2 JAG NRW sei in seiner jetzigen Fassung im Jahr 2003 in das Juristenausbildungsgesetz Nordrhein-Westfalen eingefügt worden, mithin lange vor Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung. Es sei zu berücksichtigen, dass Art. 23 Abs. 2 DS-GVO keine Aussage dazu treffe, wie detailliert die einschränkende Gesetzgebungsmaßnahme i.S.v. Art. 23 Abs. 1 DS-GVO zu sein habe. Der Verordnungsgeber der Datenschutz-Grundverordnung habe insbesondere nicht in den status quo der bestehenden nationalen Rechtsvorschriften eingreifen wollen. Vor diesem Hintergrund sei es nicht zwingend, dass bei jeder beschränkenden nationalen Gesetzgebungsmaßnahme die formellen Vorgaben des Art. 23 Abs. 2 DSGVO in Gänze kumulativ beachtet werden müssten. Dies könne aus dem im Eingangssatz des Art. 23 Abs. 2 DS-GVO enthaltenen Wort „gegebenenfalls“ abgeleitet werden. Das müsse insbesondere bei beschränkenden Vorschriften gelten, die wie § 23 Abs. 2 JAG NRW bei Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung bereits existierten. § 23 Abs. 2 JAG NRW regele die Einsichtsmöglichkeit des Prüflings in seine Prüfungsarbeiten. Die Norm lasse erkennen, dass die Daten zum Zwecke der Durchführung des Prüfungsverfahrens verarbeitet würden. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Einsicht auch die Gutachten der Prüfer umfasse. Ohne diese Begutachtung könne der Zweck der Verarbeitung, die Durchführung des Prüfungsverfahrens mit der Leistungsbeurteilung als elementarem Bestandteil, nicht erfolgen. Mit den Prüfungsarbeiten einschließlich der Gutachten würden auch die Kategorien der personenbezogenen Daten grundsätzlich in der Norm bezeichnet. Der Umfang der vorgenommenen Beschränkung werde dadurch deutlich, dass die Norm genau bezeichne, welche Daten eingesehen werden könnten, wo die Einsicht zu erfolgen habe und welche zeitliche Beschränkung für die Stellung des Antrags auf Einsichtnahme gelte.
Das Verwaltungsgericht hat der Klage mit Urteil vom 27. April 2020 stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Klage sei zulässig, insbesondere als Anfechtungsklage in Kombination mit einer allgemeinen Leistungsklage statthaft. Die Klage sei auch begründet. Dem Kläger stehe der geltend gemachte Anspruch auf Überlassung einer unentgeltlichen Kopie der von ihm in der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten in Papierform oder einem gängigen elektronischen Format zu. Dabei werde offengelassen, ob der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung – wofür Überwiegendes spreche – eröffnet sei. Der Anspruch ergebe sich jedenfalls aus § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO. Nach § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW seien auf Verarbeitungen, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fielen, die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und die Vorschriften des Teils 2 des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen entsprechend anzuwenden, soweit nicht dieser Teil oder andere spezielle Rechtsvorschriften abweichende Regelungen enthielten. Die Voraussetzungen der insoweit jedenfalls entsprechend anzuwendenden Art. 2 Abs. 1, Art. 12 und Art. 15 Abs. 3 DS-GVO seien erfüllt. Die Betroffenenrechte aus der DatenschutzGrundverordnung seien gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO anwendbar, da es sich bei den Klausuren einschließlich der Korrekturen um vom Landesjustizprüfungsamt „nichtautomatisiert verarbeitete“, „personenbezogene“ und in einem „Dateisystem“ gespeicherte Daten des Klägers handele. Der Europäische Gerichtshof habe in der Rechtssache Nowak – noch mit Blick auf Art. 2 Buchstabe a) der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (RL 95/46/EG) ausgeführt, dass die Antworten eines Kandidaten in einer schriftlichen Prüfung und die Kommentare des Prüfers zu diesen Antworten personenbezogene Daten des Prüflings darstellten und damit u.a. der Auskunftspflicht unterlägen. Diese Begriffsbestimmung entspreche im Wesentlichen der Definition in Art. 4 Nr. 1 DS-GVO, der nunmehr Art. 2 Buchstabe a) RL 95/46/EG ersetze.
Unter Verarbeitung sei nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten zu verstehen wie u.a. das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen oder die Speicherung. Nach § 64 Satz 1 JAG NRW seien die schriftlichen Prüfungsarbeiten des juristischen Staatsexamens einschließlich der Gutachten der Prüfer fünf Jahre, die übrigen Prüfungsunterlagen 50 Jahre lang aufzubewahren. Zu diesem Zweck seien die Klausuren – nach Jahrgängen und Kennziffern geordnet – im Landesjustizprüfungsamt archiviert. Dieses Aufbewahren personenbezogener Daten in Papierakten unterfalle dem Begriff der Verarbeitung als Unterfall der Organisation, des Ordnens und auch des Speicherns in einer nicht digitalen Form.
Diese nicht automatisierte Speicherung der personenbezogenen Daten erfolge auch in einem Dateisystem i.S.v. Art. 4 Nr. 6 DS-GVO. Danach sei ein derartiges System jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich seien, unabhängig davon, ob diese Sammlung zentral, dezentral oder nach funktionalen oder geographischen Gesichtspunkten geordnet geführt werde. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass bei der manuellen Verarbeitung die Sammlung bzw. die in ihr enthaltenen Daten nach bestimmten, d. h. zumindest zwei Kriterien zugänglich sein müssten, so seien hier zwei Kriterien, nämlich der Jahrgang und die laufende Nummer im jeweiligen Jahr, für das Aufbewahrungssystem der Klausuren maßgeblich. Dass diese beiden Kriterien zu einer Kennziffer zusammen geführt würden, ändere nichts daran, dass beide Merkmale entscheidend für die Sortierung und das Wiederauffinden der Klausuren jedes einzelnen Prüflings seien.
Der Kläger sei als Verfasser der Klausuren die „betroffene Person“ und damit Anspruchsinhaber. Das Landesjustizprüfungsamt als „Verantwortlicher“ i. S. v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO sei anspruchsverpflichtet.
Inhaltlich umfasse der Anspruch die vom Kläger begehrte Leistung, namentlich die Anfertigung von Fotokopien oder wahlweise einer Datenkopie in einem gängigen elektronischen Format. Das Recht auf eine Kopie ergänze den Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO, wobei beide Rechte selbstständig nebeneinander stünden. Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO umfasse mindestens das Recht auf eine Fotokopie jener Bestandteile einer in Papierform geführten Akte, die personenbezogene Daten des Antragstellers enthalte.
Dem Kläger seien die von ihm begehrten Kopien auch kostenlos zur Verfügung zu stellen. Die erste Kopie sei zwingend unentgeltlich. Dies folge zum einen bereits unmittelbar aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO, wonach (nur) für alle weiteren Kopien ein Entgelt gefordert werden könne. Zum anderen ergebe sich die Unentgeltlichkeit aus Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO, wonach Informationen sowie alle Mitteilungen und Maßnahmen u.a. gemäß Art. 15 DSGVO unentgeltlich zur Verfügung gestellt würden.
Der Anspruch unterliege auch nicht den Ausschlusstatbeständen des Art. 15 Abs. 4 DS-GVO oder des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO oder sei durch Rechtsvorschriften der Union oder Deutschlands i. S. v. Art. 23 DS-GVO beschränkt. Vor allem lasse sich den vom Beklagten maßgeblich in Bezug genommenen § 23 Abs. 2 JAG NRW nicht entnehmen, dass das Recht eines Prüflings mit Blick auf die von ihm angefertigten Klausuren nebst deren Korrektur auf eine bloße Einsichtnahme vor Ort beschränkt und damit zugleich das Recht auf Erhalt einer Kopie ausgeschlossen sei. Weder der Wortlaut des § 23 Abs. 2 JAG NRW spreche davon, dass „nur“ eine Einsichtnahme zulässig wäre, noch sei dem Gesetz an anderer Stelle ein Verbot der Herausgabe von Kopien zu entnehmen. Auch der unterschiedliche Regelungsinhalt der beiden Anspruchsnormen spreche dafür, dass das Einsichtnahmerecht des § 23 Abs. 2 JAG NRW neben dem Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stehe. Das Recht auf Einsichtnahme betreffe die Originalunterlagen, während das Recht auf eine Kopie nur den Zugang zu einer Reproduktion vermittle. Im Übrigen habe das Landesjustizprüfungsamt bisher in der Praxis auf Antrag eines Prüflings Kopien angefertigt und per Post zur Verfügung gestellt. Die vom Beklagten benannten landesrechtlichen gebührenrechtlichen Vorschriften beschränkten ebenfalls nicht die in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO vorgesehene „Unentgeltlichkeit“. Diese bezögen sich nicht spezifisch auf die Anfertigung von Kopien von Examensklausuren. Ließe man diese Vorschriften als Beschränkung des Anspruchs auf eine unentgeltliche Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO genügen, sei der Anspruch in der Konsequenz stets ausgeschlossen. Schon deshalb könne diesen allgemeinen Vorschriften bei unionsrechtskonformer Auslegung keine beschränkende Wirkung im Sinne von Art. 23 DS-GVO in Bezug auf die Unentgeltlichkeit zukommen. Ungeachtet dessen, dass sowohl § 23 Abs. 2 JAG NRW als auch die gebührenrechtlichen Vorschriften in Bezug auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO bereits im Ansatz nicht rechtsbeschränkend seien, seien auch die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 DS-GVO für beschränkende Regelungen nicht gegeben. Insbesondere sei eine Beschränkung auf eine Einsichtnahme vor Ort und die Möglichkeit des Erhalts nur kostenpflichtiger Kopien nicht zum „Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaates“ im Sinne des Art. 23 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO erforderlich. Der Beklagte habe mit dem Verweis auf die drohende Kostenlast sowie die Funktionsfähigkeit des Landesjustizprüfungsamtes kein „wichtiges Ziel des allgemeinen öffentlichen Interesses der Union oder eines Mitgliedstaates“ dargelegt.
Zur Begründung seiner vom Verwaltungsgericht zugelassenen, fristgerecht erhobenen Berufung wiederholt und vertieft der Beklagte sein erstinstanzliches Vorbringen und führt hierzu aus: Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch sei nicht gegeben. Er folge nicht aus § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW i.V.m. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO. Insoweit sei schon der Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung gemäß Art. 2 Abs. 1 DS-GVO nicht eröffnet, da in Bezug auf die Aufbewahrung der korrigierten schriftlichen Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten eine Speicherung in einem Dateisystem fehle. Der Begriffsbestimmung in Art. 4 Nr. 6 DS-GVO und dem Erwägungsgrund 15 Satz 3 sei zu entnehmen, dass hierfür eine nach mehreren Kriterien zugängliche Sammlung personenbezogener Daten erforderlich sei. Die Zugänglichkeit anhand nur eines Kriteriums, wie vorliegend die Zuordnung der in Papierform abgelegten schriftlichen Aufsichtsarbeiten zu einem Prüfling anhand einer Kennziffer, sei nicht ausreichend. Dem stehe auch nicht entgegen, dass sich die im Landesjustizprüfungsamt verwendete Kennziffer aus einer laufenden Nummer und einer Jahreszahl zusammensetze. Hierbei handele es sich nicht um jeweils eigenständige Elemente, die für sich genommen die Zuordnung der Aufsichtsarbeiten zu einem Prüfling ermöglichten.
Selbst wenn man davon ausgehe, dass der sachliche Anwendungsbereich der Datenschutz-Grundverordnung eröffnet sei, stehe einem Anspruch des Klägers auf die von ihm begehrten unentgeltlichen Kopien entgegen, dass der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO diese Leistung nicht beinhalte. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO regele lediglich eine besondere Form der Auskunft aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und könne nicht weitergehen als das Auskunftsrecht nach dieser Vorschrift. Daraus folge, dass nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO lediglich die von Art. 15 Abs. 1 DS-GVO erfassten Daten als Kopie zu dem danach bestehenden Auskunftsanspruch mitzuteilen seien. Dies folge aus dem Sinn und Zweck des Auskunftsrechts aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Dieses solle dem Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO zufolge der betroffenen Person einen Überblick über den Umfang und Inhalt der zu ihr gespeicherten persönlichen Daten verschaffen, um ihr die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung und die Ausübung der weiteren betroffenen Rechte, z.b. auf Löschung oder Einschränkung der Verarbeitung, zu ermöglichen. Ausgehend hiervon sei es nicht erforderlich, die betreffende Person über sämtliche beim Verantwortlichen gespeicherten Schriftstücke oder Dateien zu informieren. Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO sei vielmehr bereits erfüllt, wenn der Verantwortliche dem Betroffenen eine vollständige Übersicht der ihn betreffenden Daten in verständlicher Form zur Verfügung stelle. Dies zugrunde gelegt gewähre das Auskunftsrecht gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO in Bezug auf die in der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten lediglich einen Anspruch auf komprimierte und verständliche Mitteilung über den Namen und die Kennziffer des Prüflings sowie darüber, dass er in der zweiten juristischen Staatsprüfung acht Aufsichtsarbeiten angefertigt und abgegeben habe, über das Datum und den Ort der jeweiligen Bearbeitung, die Namen der Prüfer sowie die Note und die Punktzahl, mit der die einzelnen Aufsichtsarbeiten jeweils bewertet worden seien. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO vermittele keinen Anspruch auf Bereitstellung einer umfassenden Kopie. Dies werde durch eine Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO bestätigt. Schon aus dessen Wortlaut ergebe sich, dass der Verantwortliche eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, zur Verfügung stelle. Damit beziehe sich der Wortlaut auf die „gegenständlichen“ also auf die wesentlichen Informationen, die ein Verantwortlicher über die betroffene Person verarbeite. Der Begriff „Gegenstand“ werde im allgemeinen Sprachgebrauch auch als Synonym für ein Thema oder ein Ziel verstanden. Der Begriff beschreibe also eine abstrakte Betrachtungsebene. Daraus folge, dass mit „gegenständlichen Daten“ nicht sämtliche vorhandenen Daten, sondern nur eine aggregierte Übersicht über diese Daten gemeint sein könne. Zudem spreche Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO von einer einzelnen Kopie und nicht im Plural etwa von „umfassenden Kopien“. Dies mache deutlich, dass der Betroffene seine personenbezogenen Daten in einem einzigen einheitlichen Dokument erhalten solle. Umfangreiche Datensätze ließen sich regelmäßig nicht in einer einzelnen Kopie transparent und leicht verständlich darstellen.
Für eine restriktive Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO spreche auch die Gesetzgebungshistorie der Datenschutz-Grundverordnung. In deren ursprünglichen Entwurf sei durch Beschluss des Europäischen Parlaments vom 12. März 2014 in Art. 15 ein umfassendes Auskunfts- und Herausgaberecht eingefügt worden. In der endgültigen Fassung der Datenschutz-Grundverordnung fehle jedoch ein entsprechender Hinweis auf ein Herausgaberecht. Dementsprechend sei die Überschrift des Art. 15 DS-GVO von „Recht auf Auskunft und Herausgabe“ in „Recht auf Auskunft“ geändert worden. Die Endfassung sei nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zum Auskunftsrecht nach Art. 12 RL 95/46/EG vom 17. Juli 2014 fertiggestellt worden. Dem europäischen Verordnungsgeber sei bei der Schaffung von Art. 15 DS-GVO demnach durchaus bewusst gewesen, dass der Gerichtshof das Auskunftsrecht gerade nicht extensiv ausgelegt und kein gesondertes Recht auf Kopie angenommen habe. Dies zeige, dass der europäische Verordnungsgeber sich bewusst dafür entschieden habe, das Recht auf Kopien nicht auf sämtliche Datensätze zu beziehen, welche personenbezogene Daten über die betroffene Person enthielten.
Auch unter systematischen Gesichtspunkten spreche vieles dafür, dass das Recht auf Kopie lediglich die Kataloginformation i. S. v. Art. 15 Abs. 1 Buchstaben a) bis h) DS-GVO umfasse und betroffene Personen keine weitergehenden Ansprüche hätten. Denn der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO sei vergleichsweise restriktiv gefasst; er sehe nur eine Kopie „der personenbezogenen Daten“ vor und spreche, anders als etwa Art. 28 Abs. 3 Buchstabe g) DS-GVO oder Art. 58 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO, nicht von allen“ personenbezogenen Daten. Dafür, dass Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO nicht zwei voneinander unabhängige, sondern einen einheitlichen Anspruch bildeten, spreche auch, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO keine Anspruchsvoraussetzungen enthalte, sondern lediglich normiere, dass „[d]er Verantwortliche […] eine Kopie […] zur Verfügung [stellt]“.
Ein weiteres systematisches Argument lasse sich aus Art. 20 Abs. 1 DS-GVO herleiten, wonach die betroffene Person das Recht habe, „die sie betreffenden personenbezogenen Daten, die sie einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format zu erhalten.“ Hätte die betroffene Person bereits nach Art 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO einen Anspruch auf Erhalt einer Kopie sämtlicher personenbezogener Daten, liefe Art. 20 Abs. 1 DS-GVO leer und wäre überflüssig.
Schließlich führe auch eine teleologische Betrachtung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO zu keinem abweichenden Ergebnis. Das Recht auf Kopie habe die Zielsetzung, der betroffenen Person eine Überprüfung der sie betreffenden Datenverarbeitungen zu ermöglichen. Hierfür benötige der Betroffene keinen Zugriff auf alle beim Verantwortlichen vorhandenen Daten in Bezug auf seine Person. Zudem wäre die Übermittlung einer derartigen Datenmenge in höchstem Maße unstrukturiert und intransparent und widerspräche dem Grundsatz der Mitteilung in verständlicher Form aus Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DS-GVO. Ferner bestünde bei einem weiten Verständnis von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO die Gefahr, dass der Umfang der Verpflichtung des Verantwortlichen allzu leicht ausufere, was vom europäischen Verordnungsgeber im Sinne einer effektiven und praktischen Handhabung der Datenschutz-Grundverordnung nicht gewollt sein könne. Hierfür spreche auch die Regelung in Art. 15 Abs. 4 DS-GVO.
Eine restriktive Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO sei auch geboten, um zu verhindern, dass der Anspruch auf Herausgabe von Kopien zu datenschutzfremden Zwecken geltend gemacht werde. Dies folge in Bezug auf die Prüfungsarbeiten insbesondere daraus, dass es dem Kläger sowie den übrigen Prüflingen bei der Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO erkennbar nicht darauf ankomme zu überprüfen, ob die korrigierten Aufsichtsarbeiten datenschutzkonform verarbeitet worden seien. Der Berufung auf die genannten Vorschriften liege vielmehr zugrunde, dass die Prüflinge – so auch der Kläger –, ohne sich persönlich in das Landesjustizprüfungsamt begeben zu müssen, Kopien ihrer korrigierten Aufsichtsarbeiten aus Gründen der Bequemlichkeit kostenlos übersandt bekommen wollten, um sich die Korrekturen und Bewertungsbegründungen der Prüfer ansehen und ggf. die Erfolgsaussichten der Erhebung eines Rechtsbehelfs gegen die Prüfungsentscheidungen einschätzen zu können. Hinzu komme, dass die Prüfungsarbeiten und die zugehörigen Prüfergutachten erkennbar keinen hinreichenden „biografischen“ Personenbezug aufwiesen, da sie infolge der Kennziffernvergabe vollständig anonymisiert seien und aus sich heraus keinen Rückschluss auf die Person des Prüflings zuließen. Der Anspruch auf unentgeltliche Übersendung einer Datenkopie scheitere mithin selbstständig tragend auch am Erfordernis eines hinreichenden Personenbezugs.
Im Übrigen sei ein etwaiger Anspruch des Klägers gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO ausgeschlossen, weil sein Antrag ein exzessiver Antrag im Sinne dieser Vorschrift sei. Dies folge schon daraus, dass sich dieser Antrag auf eine unentgeltliche Zurverfügungstellung von 348 Seiten richte. Zudem würden nur datenschutzfremde Zwecke verfolgt. Demzufolge sei er, der Beklagte, berechtigt, für die Anfertigung der in Rede stehenden Kopien gemäß Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe a) DS-GVO ein angemessenes Entgelt zu verlangen.
Ein Anspruch sei auch wegen einer analogen Anwendung des Art. 14 Abs. 5 Buchstaben a) und b) Variante 2 DS-GVO nicht gegeben. Nach diesen Vorschriften sei die Anwendung von Art. 14 Abs. 1 bis 4 DS-GVO ausgeschlossen, soweit die betroffenen Personen bereits über die Informationen verfügten bzw. wenn die Erteilung der Informationen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde. Der Kläger habe bereits über die in Rede stehenden Informationen verfügt, weil er, der Beklagte, ihm ermöglicht habe, Einsicht in die Originale der Prüfungsarbeiten zu nehmen. Zudem würde es einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, dem Kläger Kopien seiner Prüfungsarbeiten nebst Prüfergutachten zur Verfügung stellen zu müssen. Im Falle der Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils sei eine hohe Zahl an Anträgen auf Erstellung kostenloser Kopien zu erwarten. Damit würde für das Landesjustizprüfungsamt ein erheblicher personeller und finanzieller Aufwand einhergehen. Es wäre mit bis zu 15.000 Anträgen auf Anfertigung kostenloser Klausurkopien zu rechnen, die mit der bestehenden personellen Ausstattung des Amtes nicht im Ansatz zu bewältigen seien. Hierzu seien vielmehr bis zu drei zusätzliche Stellen erforderlich, was eine zusätzliche Belastung für den Landeshaushalt nach sich ziehe.
Des Weiteren ergebe sich ein Ausschluss eines etwaigen Anspruchs des Klägers aus § 23 Abs. 2 JAG NRW. Hierbei handele es sich um spezielle Vorschriften i. S. v. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW, die eine abweichende Regelung enthielten. § 23 Abs. 2 JAG NRW stelle gegenüber Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO eine abschließende Regelung dar hinsichtlich der Informations- und Auskunftserteilung in Bezug auf korrigierte schriftliche Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten in der zweiten juristischen Staatsprüfung. Aufgrund dieses abschließenden Regelungscharakters könne entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht davon ausgegangen werden, dass § 23 Abs. 2 JAG NRW und Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nebeneinander in Anspruchskonkurrenz stünden. Der abschließende Regelungscharakter der genannten Vorschrift ergebe sich schon aus der Fristenregelung in § 23 Abs. 2 Satz 3 JAG NRW, wonach der Antrag auf Einsichtnahme binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung bei dem Landesjustizprüfungsamt zu stellen sei. Daraus folge im Umkehrschluss, dass ein Anspruch des Prüflings, Auskunft über den genauen Inhalt der Begründung der Bewertung seiner angefertigten Aufsichtsarbeiten zu erhalten, grundsätzlich ausgeschlossen sei, sofern ein Antrag auf Einsichtnahme nicht innerhalb der hierfür gesetzlich bestimmten Frist von einem Monat gestellt werde. Mit § 23 Abs. 2 Satz 3 JAG NRW verfolge der Gesetzgeber mithin das Ziel, einen umfassenden Rechtsanspruch des Prüflings auf Auskunft und Information mit Blick auf die genaue Bewertungsbegründung nur solange zu gewähren, bis die Prüfungsentscheidung in Bestandskraft erwachsen sei. Insoweit trete auch der Transparenzgedanke zurück, sobald die Prüfungsentscheidung bestandskräftig geworden sei. Ferner solle die genannte Regelung erkennbar die Funktionsfähigkeit des Landesjustizprüfungsamtes absichern, indem sie sicherstelle, dass die personellen und sachlichen Ressourcen der Prüfungsbehörde nicht dauerhaft über Gebühr für Tätigkeiten in Anspruch genommen würden, die in Anbetracht des Eintritts der Bestandskraft der Prüfungsentscheidung zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht mehr notwendig seien. Mit der bereits dargelegten Flut an Auskunftsbegehren könne zudem eine ordnungsgemäße Abwicklung der Prüfungsverfahren nicht mehr sichergestellt werden.
Zudem sei der Umstand, dass der Gesetzgeber die Information des Prüflings über den genauen Inhalt der Begründung der Bewertung seiner Aufsichtsarbeiten ausschließlich und explizit in Gestalt eines vor Ort wahrzunehmenden Einsichtsrechts geregelt habe, Beleg dafür, dass ein Rechtsanspruch auf andere Formen der Kenntniserlangung durch die Prüflinge grundsätzlich ausgeschlossen sein solle. Die zuvor dargelegten Zielsetzungen von § 23 Abs. 2 JAG NRW würden vollständig konterkariert und sinnentleert, würde man diese Regelung nicht als andere spezielle Rechtsvorschrift mit abweichendem Regelungsgehalt i.S.v. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW ansehen.
Angesichts der dargelegten gesetzgeberischen Intention sei § 23 Abs. 2 JAG NRW auch als rechtsbeschränkende Gesetzgebungsmaßnahme i.S.v. Art. 23 DS-GVO zu qualifizieren. Diese Annahme werde durch die höchstrichterliche Finanzrechtsprechung bestätigt. Der Bundesfinanzhof habe entschieden, dass spezialgesetzlich in Prozessordnungen normierte Akteneinsichtsrechte (§ 78 FGO) dem Datenschutzrecht und damit auch dem Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO vorgingen, mithin abschließenden Charakter hätten. Zudem habe der Bundesfinanzhof klargestellt, dass es sich bei dem in § 78 FGO geregelten Akteneinsichtsrecht um eine rechtsbeschränkende Vorschrift i.S.v. Art. 23 Abs. 1 Buchstabe f) DS-GVO handele. § 23 Abs. 2 JAG NRW erfülle auch die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 DS-GVO, und zwar der dortigen Buchstaben c) und d). Die genannten Regelungen aus dem Juristenausbildungsgesetz NRW dienten der öffentlichen Sicherheit. Denn der gesetzliche Auftrag der Sicherstellung und Aufrechterhaltung eines ordnungsgemäßen Prüfungsbetriebes wäre konkret gefährdet, wenn sämtlichen Prüflingen ein zeitlich unbefristetes Recht auf unentgeltliche Übersendung vollständiger Kopien ihrer Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten zustände. Daneben seien auch die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO gegeben, weil das Einsichtnahmerecht nach § 23 Abs. 2 JAG NRW mit der Gewährleistung der Funktionsfähigkeit des Landesjustizprüfungsamtes sowie eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Prüfungsverfahrens unter der damit zugleich verbundenen Wahrung des finanziellen Interesses des Landes Nordrhein-Westfalen dem Schutz sonstiger wichtiger Ziele des allgemeinen öffentlichen Interesses in Deutschland dienten. Die gesetzliche Beschränkung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO durch § 23 Abs. 2 JAG NRW stehe schließlich auch mit den formellen Anforderungen des Art. 23 Abs. 2 DS-GVO in Einklang.
Im Übrigen sei ein etwaiger Anspruch des Klägers auch bereits dadurch erfüllt worden, dass ihm die Möglichkeit eingeräumt worden sei, im Landesjustizprüfungsamt Einsicht in seine Prüfungsarbeiten und die Prüfergutachten zu nehmen und im Zuge dessen Fotografien anzufertigen.
Der Beklagte hat zudem ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) angeregt.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom 27. April 2020 – 20 K 6392/18 – zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger erwidert unter teilweiser Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens auf die Berufungsbegründung im Wesentlichen, dass der Beklagte dem Recht aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO nicht bereits durch die Möglichkeit der Einsichtnahme in die Originale der Prüfungsarbeiten mitsamt Prüfergutachten nachgekommen sei, weil die Einsichtnahme kein Äquivalent zu der Zurverfügungstellung sei. Es fehle bereits an der Vervielfältigungshandlung. Eine analoge Anwendung des Art. 14 Abs. 5 Buchstaben a) und b) Var. 2 DS-GVO scheide aus. Weder verfüge er, der Kläger, über die betreffenden Informationen, noch sei der Anspruch bzw. dessen Erfüllung unverhältnismäßig. Auch eine planwidrige Regelungslücke sei nicht ersichtlich, da der Verordnungsgeber mit Art. 12 Abs. 5 Satz 2 und Art. 15 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 DS-GVO bereits explizite Ausnahmen vorgesehen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
Gründe:
Die zulässige Berufung des Beklagten hat – abgesehen von der Maßgabe, dass er zur unentgeltlichen Übersendung einer Kopie der von dem Kläger unter der Kennziffer 4815/18 im Rahmen des zweiten juristischen Staatsexamens angefertigten Aufsichtsarbeiten mitsamt Prüfergutachten nicht verurteilt, sondern verpflichtet wird – keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig (s. I.) und begründet (s. II.).
I. Statthafte Klageart im Rahmen der zulässigen Klage auf Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Kopie der in der zweiten Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten des Klägers nebst Prüfergutachten ist die Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Zwar erstrebt der Kläger im Ergebnis die Herbeiführung eines tatsächlichen Erfolges durch schlichtes Verwaltungshandeln, namentlich die Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Kopie auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO. Diesem Begehren geht jedoch ein Verwaltungsakt des Beklagten voraus in Form einer Entscheidung über den geltend gemachten datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch.
Vgl. zum Auskunftsrecht nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 –, juris, Rn. 12 m.w.N.; zum Anspruch auf Akteneinsicht und Übermittlung eines Auszuges aus einem Steuerkonto s. OVG Hamburg, Urteil vom 8. Februar 2018 – 3 Bf 107/17 –, juris, Rn. 22.
Ebenso wie der Erteilung einer Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO geht auch der Erteilung einer Kopie nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO eine behördliche (Einzelfall-)Entscheidung mit Außenwirkung voraus, die auf der Grundlage eines gesetzlichen Prüfprogramms (vgl. u.a. Art. 15 Abs. 4 und Art. 12 Abs. 5 DSGVO) zu treffen ist und bei der die Behörde besondere verfahrensrechtliche Vorkehrungen wie Begründungs- oder Anhörungspflichten zu beachten sowie mögliche Ausschluss- und Beschränkungstatbestände zu prüfen hat.
II. Die Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zurverfügungstellung einer unentgeltlichen Kopie seiner in der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten. Der (Versagungs-)Bescheid des Beklagten vom 6. November 2018 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Der Anspruch des Klägers beruht auf Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO i.V.m. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW (s. 1., 2.) und wird nicht durch andere Rechtsvorschriften ausgeschlossen (s. 3.) oder i.S.v. Art. 23 DS-GVO beschränkt (s. 4.). Der Anspruch ist nicht durch Erfüllung erloschen (s. 5.). Dem Beklagten steht in Bezug auf die Erfüllung des Anspruchs ein Wahlrecht zu (s. 6.).
1. Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO i.V.m. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW.
Gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO stellt der Verantwortliche der betroffenen Person eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zur Verfügung, und zwar nach Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO unentgeltlich. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO hier unmittelbar anwendbar sind oder ob der sachliche Anwendungsbereich der DatenschutzGrundverordnung gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchstabe a) DS-GVO nicht eröffnet ist. Dies ist der Fall, wenn die streitgegenständliche Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.
Vgl. zum Anwendungsbereich des Unionsrechts in Bezug auf Art. 51 Abs. 1 GRCh und Art. 19 AEUV EuGH, Urteile vom 10. Juli 2014 – C-198/13 –, juris, Rn. 34 f., und vom 19. November 2019 – C-609/17 u.a., juris, Rn. 46 f.; s. auch BVerwG, Urteil vom 30. Januar 2020 – 10 C 18.19 –, Rn. 42.
Jedenfalls sind Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW entsprechend anzuwenden.
Das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen trifft nach seinem § 1 Abs. 1 die zur Durchführung der Datenschutz-Grundverordnung notwendigen ergänzenden Regelungen. Gemäß § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW, der nach der Überschrift des § 5 Teil der Regelungen zum Anwendungsbereich des Datenschutzgesetzes Nordrhein-Westfalen ist, sind auf Verarbeitungen, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung und die Vorschriften des Teils 2 dieses Gesetzes entsprechend anzuwenden, soweit nicht dieser Teil oder andere spezielle Rechtsvorschriften abweichende Regelungen enthalten.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW sind gegeben. Die vom Kläger in der zweiten juristischen Staatsprüfung angefertigten Aufsichtsarbeiten und die diesbezüglichen Prüfergutachten, auf deren unentgeltliche Kopie der Kläger einen Anspruch hat, sind personenbezogene Daten i. S. d. entsprechend anzuwendenden Art. 4 Nr. 1 DS-GVO (s. a)), die durch das Landesjustizprüfungsamt i.S.v. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO teilweise automatisiert verarbeitet werden (s. b)). Andere Rechtsvorschriften, die eine abweichende Regelung enthalten, sind nicht gegeben (s. c)).
a) Gemäß Art. 4 Nr. 1 DS-GVO sind personenbezogene Daten alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen identifiziert werden kann, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind.
Der Begriff der personenbezogenen Daten ist weit auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 2 Buchstabe a) RL 95/46/EG – der im Wesentlichen inhaltsgleichen Vorgängerregelung zu Art. 4 Nr. 1 DS-GVO – umfasst der Begriff potenziell alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur, z.b. in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen, wenn es sich um Informationen „über“ die in Rede stehende Person handelt. Die letztgenannte Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Information aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks oder ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten Person verknüpft ist.
Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 –, Nowak, juris, Rn. 33 ff.
Dies ist hinsichtlich der in der zweiten juristischen Staatsprüfung von dem Kläger angefertigten Aufsichtsarbeiten und der Prüfergutachten der Fall. Die diesbezügliche zutreffende übereinstimmende Annahme der Beteiligten entspricht der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.
Vgl. auch Schild, in: BeckOK, Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 36. Edition, 1. Mai 2021, Art. 4 Rn. 21a.
Dass der Prüfer den Prüfling im Zeitpunkt der Korrektur und der Bewertung nicht (unmittelbar) identifizieren kann, steht dem nicht entgegen. Ausreichend ist, dass die die Prüfung organisierende Einrichtung, wie hier, im Besitz der notwendigen Informationen ist, die es ihr ermöglichen, den Prüfling unschwer und zweifelsfrei anhand seiner auf der Prüfungsarbeit angebrachten Kennnummer zu identifizieren und ihm seine Antworten zuzuordnen.
Vgl. EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 –, Nowak, juris, Rn. 30 f.
Denn anders als bei der Verarbeitung anonymer Daten kann die betroffene Person auch nach einer Pseudonymisierung – wie vorliegend durch die Zuteilung einer Kennziffer für den Prüfling durch das Landesjustizprüfungsamt (vgl. § 13 Abs. 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 JAG NRW) – unter Hinzuziehung von gesondert auf bewahrten Informationen wieder identifiziert werden (vgl. Art. 4 Nr. 5 DS-GVO und Erwägungsgrund 26 Satz 2 zur DS-GVO).
Vgl. Schwartmann/Mühlenbeck, in: Schwartmann/Jaspers/ Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/ BDSG, 2018, Art. 4 Rn. 10 und 65.
b) Diese personenbezogenen Daten werden durch das i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO verantwortliche Landesjustizprüfungsamt verarbeitet, und zwar teilweise automatisiert i. S. v. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 2 DS-GVO.
Unter die Verarbeitung fällt gemäß Art. 4 Nr. 2 DS-GVO jeder mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung.
Datenverarbeitung ist nach dieser Definition jeder Vorgang, der irgendwie im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten steht. Dies erfasst nicht nur typische Datenverwendungen wie die Speicherung, Übermittlung oder Veränderung der Daten, sondern sämtliche Formen des Umgangs mit personenbezogenen Daten von der Erhebung bis zur endgültigen Speicherung. Dabei ist unerheblich, ob der Vorgang mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführt wird (vgl. Erwägungsgrund 15 Satz 2 zur DS-GVO).
Vgl. Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht, DS-GVO mit BDSG, 2019, Art. 4 Nr. 1 Rn. 10 ff.
Unter Erfassen bzw. Speicherung i. S. d. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO ist dabei das Aufnehmen oder Aufbewahren personenbezogener Daten auf einem Datenträger zum Zwecke ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung zu verstehen. Unter die Organisation personenbezogener Daten ist das Ergebnis des Sammelns und Ordnens von Daten zu fassen, wobei die Organisation in der Regel auf einer systematischen Strukturierung der Sammlung beruht und die Möglichkeit des Auffindens und Auswertens personenbezogener Daten vereinfachen oder verbessern soll. Ordnen – als Unterfall der Organisation – ist diejenige Tätigkeit, die zu einer organisierten Datensammlung führt. Das Ordnen erfolgt in einer Struktur, nach der die personenbezogenen Daten aufbewahrt, wiedergefunden und abgerufen werden können. Speicherung ist der technische Vorgang und Zustand der Aufbewahrung von personenbezogenen Daten zum Zweck ihrer weiteren Verarbeitung oder Nutzung.
Vgl. Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht, DS-GVO mit BDSG, 2019, Art. 4 Nr. 2 Rn. 15 bis 19; Ernst, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 4 Rn. 24 bis 26; Herbst, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 4 Rn. 21 bis 24.
Die Datenverarbeitung erfolgt teilweise automatisiert i.S.v. Art. 2 Abs. 1 DS-GVO, wenn sie durch Informationstechnik zumindest teilweise unterstützt wird und nicht vollständig manuell erfolgt, d. h. wenn auch nur eine Funktion des gesamten Verarbeitungsvorgangs durch Informationstechnik unterstützt wird. Dies ist z.B. gegeben, wenn ein Aktensystem durch einen automatisierten Index erschlossen werden kann.
Vgl. Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht, DS-GVO mit BDSG, 2019, Art. 2 Rn. 14; Kühling/Raab, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 2 Rn. 16.
Dies zugrunde gelegt, erfolgt unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Angaben des Vertreters des Landesjustizprüfungsamts in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hier eine teilweise automatisierte Verarbeitung der streitbefangenen personenbezogenen Daten des Klägers. Danach werden die Klausuren und die Prüfergutachten zwar in Papierform in der jeweiligen Akte des Prüflings, nach Jahrgängen und Kennziffern geordnet, aufbewahrt. Ihr Auffinden und die Zuordnung zu dem jeweiligen Prüfling, hier dem Kläger, sind aber über die elektronische Datenverarbeitung mittels der jeweiligen Kennziffer möglich.
Daher kann der Senat die zwischen den Beteiligten umstrittene Frage offenlassen, ob im Falle einer fehlenden elektronischen Auffindbarkeit der Papierakte des Klägers eine Speicherung seiner personenbezogenen Daten in einem Dateisystem i.S.v. Art. 2 Abs. 1, Art. 4 Nr. 6 DS-GVO vorläge.
Vgl. in diesem Zusammenhang zu der inhaltsgleichen Regelung in Art. 2 Buchstabe c) der – durch § 94 Abs. 1 DS-GVO aufgehobenen – RL 95/46/EG EuGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – C-25/17 –, Zeugen Jehovas, Rn. 56.
c) Abweichende Regelungen i.S.v. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW sind hinsichtlich des Anspruchs des Klägers auf Erhalt einer unentgeltlichen Kopie seiner streitgegenständlichen personenbezogenen Daten nicht gegeben. Weder das Datenschutzgesetz Nordrhein-Westfalen noch andere spezielle Rechtsvorschriften enthalten insoweit abweichende Regelungen.
§ 23 Abs. 2 JAG NRW, der gemäß § 56 Abs. 1 JAG NRW auch für die zweite juristische Staatsprüfung gilt, ist keine spezielle abweichende Rechtsvorschrift i.S.v. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW. Diese Norm, gemäß der dem Prüfling die Einsicht in seine Prüfungsarbeiten einschließlich der Gutachten der Prüferinnen und Prüfer in den Räumen des Justizprüfungsamtes binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung zu gestatten ist, stellt keine bereichsspezifische abschließende Regelung in Bezug auf Auskunftsansprüche zu personenbezogenen Daten in der Juristenausbildung in Nordrhein-Westfalen dar. Insbesondere lässt sich dieser Vorschrift nicht entnehmen, dass das Auskunftsrecht eines Prüflings in Bezug auf die von ihm gefertigten Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten auf die bloße Einsichtnahme vor Ort beschränkt und damit das Recht auf die Erlangung einer unentgeltlichen Kopie ausgeschlossen sein soll.
Für eine gegenteilige Annahme gibt der Wortlaut von § 23 Abs. 2 JAG NRW nichts her, denn er verhält sich zu einer Übermittlung einer unentgeltlichen Datenkopie nicht und lässt auch sonst nicht erkennen, dass die Einsichtnahme die einzig zulässige Art der Kenntnisnahme darstellen soll.
Auch dem Sinn und Zweck des Einsichtnahmerechts nach § 23 Abs. 2 JAG NRW lässt sich ein Anwendungsvorrang gegenüber Art. 15 Abs. 3 Satz 1 und Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO bzw. ein Ausschluss von deren Anwendung nicht entnehmen. § 23 Abs. 2 JAG NRW ist zwar im Grundsatz ebenso wie Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO eine Auskunftsregelung. Er verfolgt jedoch keine datenschutzrechtlichen (Regelungs-)Ziele. Vielmehr soll § 23 Abs. 2 JAG NRW dem Prüfling die Einsichtnahme in seine Prüfungsarbeiten einschließlich der Gutachten der Prüferinnen und Prüfer in den Räumen des Landesjustizprüfungsamtes ermöglichen und dient dabei, wie sich aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt, der Transparenz des Prüfungsverfahrens und – im Vorfeld oder zur Vermeidung eines etwaigen Widerspruchs- oder Klageverfahrens – der Effektivität des Rechtsschutzes.
Vgl. LT-Drs. 13/3197, S. 87.
Dieser Regelungszweck, der auch schon § 15 Abs. 6 JAG NRW a.F. – der Vorgängerregelung des § 23 Abs. 2 JAG NRW – zugrunde lag, vgl. Rehborn/Schulz/Tettinger, Die Juristenausbildung in Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 7. Aufl. 1994, § 15 Rn. 13, munterscheidet sich damit wesentlich von dem Regelungsziel des Rechts aus Art. 15 DS-GVO. Dieses besteht darin, der betroffenen Person die Möglichkeit zu geben, sich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten bewusst zu sein bzw. zu werden und die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung überprüfen zu können (vgl. Erwägungsgründe 7 und 63 zur DS-GVO). Insoweit geht es also – anders als bei § 23 Abs. 2 JAG NRW – um die Transparenz und Rechtmäßigkeitskontrolle der Datenverarbeitung.
Vgl. Dix, in: Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht, DSGVO mit BDSG, 2019, Art. 15 Rn. 1; Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 36. Edition, 1. Mai 2021, Art. 15 Rn. 2; Schwartmann/Klein, in: Schwartmann/Jaspers/Thüsing/Kugelmann, DS-GVO/BDSG, 2018, Art. 15 Rn. 1.
Eine andere Beurteilung in Bezug auf den Regelungscharakter des § 23 Abs. 2 JAG NRW ergibt sich nicht aus der Fristenregelung in dessen Satz 3. Danach ist der Antrag auf Einsichtnahme binnen eines Monats nach Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung beim Landesjustizprüfungsamt zu stellen. Mit dieser Vorschrift wird – an den Regelungszweck des Einsichtnahmerechts anknüpfend – das Ziel verfolgt, dem Prüfling einen umfassenden Rechtsanspruch auf Auskunft und Information nur solange zu gewähren, bis die Prüfungsentscheidung in Bestandskraft erwachsen ist. Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO muss hingegen zur effektiven Verwirklichung der datenschutzrechtlichen Betroffenenrechte während der Dauer der Datenhaltung ausgeübt werden können.
Die Entstehungsgeschichte des § 23 Abs. 2 JAG NRW gibt zwar für die hier in Rede stehende Frage der Spezialität nichts her, da die Norm in ihrer jetzigen Ausgestaltung auf dem Juristenausbildungsgesetz NRW in der Fassung vom 11. März 2003 (GV. NRW. 2003, 135) beruht, während die Datenschutz-Grundverordnung erst seit dem 25. Mai 2018 anwendbar ist. Jedoch lassen sich auch dem aktuellen Gesetzesentwurf der Landesregierung vom 16. April 2021 zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Juristenausbildungsgesetzes Nordrhein-Westfalen (LT-Drs. 17/13357) keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass dem Einsichtsrecht nach § 23 Abs. 2 JAG NRW ein abschließender Charakter gegenüber dem Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO zukommen soll, weil auch er sich zum Verhältnis beider Vorschriften nicht verhält.
Für die Annahme einer abschließenden Regelung in § 23 Abs. 2 JAG NRW spricht auch nicht, dass diese wie Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO im Ergebnis zu einer Vermittlung desselben Informationsinhalts führt. Denn die Vorschriften unterscheiden sich in ihrem Regelungsinhalt. Das Recht aus § 23 Abs. 2 JAG NRW bezieht sich auf eine Einsichtnahme in die Originalunterlagen vor Ort, während das Recht auf eine Kopie Zugang zu einer (kostenlosen) Reproduktion vermittelt. Dass das Landesjustizprüfungsamt nach dem Vortrag des Beklagten bei der Einsichtnahme grundsätzlich auch eine Fertigung von Fotos zulässt bzw. Kopien gegen Entgelt fertigt, führt schon mangels einer entsprechenden gesetzlichen Regelung in § 23 Abs. 2 JAG NRW und mangels Unentgeltlichkeit der Kopien zu keinem anderen Ergebnis.
Ausgehend hiervon sind auch die vom Beklagen für das verlangte Entgelt in Höhe von 69,70 Euro in Bezug genommenen gebührenrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit § 23 Abs. 2 JAG NRW keine speziellen, den Anspruch auf Übermittlung einer unentgeltlichen Kopie verdrängenden Rechtsvorschriften. Die gegenteilige Annahme hätte zur Folge, dass diese allgemeinen gebührenrechtlichen Vorschriften die in Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO vorgesehene Unentgeltlichkeit der ersten Kopie in praktisch allen Verwaltungsbereichen, in denen das Landesgebührenrecht anzuwenden ist, ausschließen. Dies würde die unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 23 Abs. 1 und 2 DS-GVO hinsichtlich nationaler Beschränkungen des Anspruchs auf unentgeltliche Datenkopie (offensichtlich) nicht erfüllen.
2. Der Kläger hat gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO i.V.m. § 5 Abs. 8 Satz 1 DSG NRW einen Anspruch auf unentgeltliche Zurverfügungstellung der von ihm begehrten Kopie sämtlicher personenbezogener Daten, die Gegenstand der Verarbeitung in Form der Aufbewahrung seiner Klausuren des zweiten juristischen Staatsexamens nebst Prüfergutachten sind.
Der Senat geht davon aus, dass Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO den Verantwortlichen verpflichtet, dem Betroffenen alle vorhandenen personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, unentgeltlich als Kopie zur Verfügung zu stellen (sog. extensive Auslegung).
Ebenso Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15 Rn. 6 und 39a; Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 36. Edition, Stand 1. Mai 2021, Art. 15 Rn. 85; Lembke, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Anstellungsverhältnis, NJW 2020, 1841 (1843 ff.); Schulte/ Welge, Der datenschutzrechtliche Kopieanspruch im Arbeitsrecht, NZA 2019, 1110 (1111 f.).
Der gegenteiligen Auffassung, wonach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO lediglich eine besondere Form der Auskunft regele, die sich nur auf die nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erteilenden Auskünfte und Informationen beziehe und daher ihrem Umfang nach nicht weiter als dieses Auskunftsrecht gehen könne, weshalb die betroffene Person nur eine Kopie der Informationen darüber verlangen könne, ob ihre personenbezogenen Daten gespeichert werden und um welche es sich dabei gegebenenfalls handelt und/oder nur eine Auskunft über die in Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a) bis h) DS-GVO genannten Informationen (sog. restriktive Auslegung), vgl. Nds. LAG, Urteil vom 9. Juni 2020 – 9 Sa 608/19 –, juris, Rn. 45; Paal, in: Paal/Pauly, DSGVO, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 33; Franck, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 27; Dausend, Der Auskunftsanspruch in der Unternehmenspraxis, ZD 2019, 103; Wybitul/Brams, Welche Reichweite hat das Recht auf Auskunft und auf eine Kopie nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO?, NZA 2019, 672, folgt der Senat nicht. Diese Auffassung ist schon nicht mit dem der Datenschutz-Grundverordnung zugrundeliegenden, weit gefassten Begriff der personenbezogenen Daten (vgl. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO) in Einklang zu bringen. Zudem sprechen Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht für, sondern gegen eine derartige restriktive Auslegung. Auch der Verordnungshistorie sowie -systematik lassen sich hierfür überzeugende Argumente nicht entnehmen.
Der Wortlaut des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO bietet keinen Anhalt für eine Einschränkung der inhaltlichen Reichweite des Anspruchs. Danach hat der Betroffene einen Anspruch auf „eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“. Aus welchem Grund unter das Tatbestandmerkmal „Gegenstand der Verarbeitung“ nur die Daten zu fassen sein sollten, die den Informationen des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO sowie den Kataloginformationen des Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a) bis h) DS-GVO zu entnehmen sind, erschließt sich nicht. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nimmt gerade keinen Bezug auf diese Informationen, sondern spricht allgemein von den personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, ohne diese weiter einzugrenzen. Damit geht der Wortlaut über die in Art. 15 Abs. 1 DS-GVO genannten Daten und Informationen hinaus. Bei diesen Informationen handelt es sich nämlich gerade nicht um die personenbezogenen Daten selbst, sondern um die Datenverarbeitung betreffende sonstige Informationen.
Vgl. Schulte/Welge, Der datenschutzrechtliche Kopieanspruch im Arbeitsrecht, NZA 2019, 1110 (1111).
So heißt es in Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 DS-GVO, die betroffene Person habe ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende, in den Buchstaben a) bis h) genannte Informationen.
Soweit der Beklagte in Bezug auf die Verwendung des Passus „personenbezogene Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind“ meint, der Begriff „Gegenstand“ sei nach seinem Wortsinn im allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne von „Thema“ bzw. „Ziel“ zu verstehen und beschreibe eine abstrakte Betrachtungsweise, und er ausgehend davon die Auffassung vertritt, dass nicht sämtliche personenbezogenen Daten, sondern nur eine aggregierte Übersicht Gegenstand des Anspruchs nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO sein könne, überzeugt dies nicht. Denn dem Begriff „Gegenstand“ kann nicht ausschließlich die vom Beklagten angenommene Bedeutung beigemessen werden. Er wird vielmehr auch verwendet, um den Inhalt eines bestimmten Prozesses – hier der Datenverarbeitung – zu kennzeichnen. Für ein derartiges Verständnis und damit einhergehend auch für die Annahme, dass sich der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DSGVO auf alle der Verarbeitung unterliegenden personenbezogenen Daten erstreckt, spricht im Übrigen auch die englischsprachige Fassung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Danach bezieht sich das Recht auf „a copy of the personal data undergoing processing“ (eine Kopie der personenbezogenen Daten, die die Verarbeitung durchlaufen).
Vgl. Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15 Rn. 39a.
Ebenso wenig führt die Verwendung des unbestimmten Artikels „eine“ vor dem Wort „Kopie“ zu der Annahme, dass eine – irgendwie geartete – mengenmäßige Reduzierung der begehrten Kopie(n) zu erfolgen hat und eine Zurverfügungstellung umfangreicher Datensätze im Rahmen des Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO ausgeschlossen ist.
A. A. Wybitul/Brams, Welche Reichweite hat das Recht aus Auskunft und auf eine Kopie nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO?, NZA 2019, 672 (676).
Denn mit der Formulierung „eine“ ist kein Zahlwort oder eine quantitative Beschränkung (Singular) gemeint, sondern es handelt sich lediglich um einen unbestimmten Artikel ohne eigenständige Bedeutung, der eine generelle Aussage über etwas trifft, das seiner Art nach bekannt ist. Verdeutlicht wird dieses Verständnis durch einen Vergleich mit der englischen Sprachfassung, in der es nicht „one copy“, sondern „a copy“ heißt. Anders als in der deutschen Sprache besteht dort eine insoweit klarere Abgrenzung zwischen Zahlwort und (unbestimmtem) Artikel.
Auch Sinn und Zweck des Rechts aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO sprechen gegen eine restriktive Auslegung des Anspruchs auf eine Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten. Anlass und Regelungsziel der Datenschutz-Grundverordnung ist der in Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Grundrechtecharta – GRCh -) und in Art. 16 Abs. 1 AEUV gewährleistete Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten (vgl. Art. 1 Abs. 2 DS-GVO und Erwägungsgrund 1 zur DSGVO). Bereits auf der Ebene der Grundrechtecharta ist das Recht jeder Person verankert, Auskunft über die sie betreffenden erhobenen Daten zu erhalten und eine Berichtigung der Daten zu erwirken (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh). Die Betroffenenrechte der Datenschutz-Grundverordnung wurzeln in der Erwägung des europäischen Normgebers, dass der Einzelne grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten bestimmen können muss. Natürliche Personen sollen daher grundsätzlich die Kontrolle über ihre eigenen Daten besitzen (vgl. Erwägungsgrund 7 Satz 2 zur DS-GVO). Zu diesem Zweck räumen Art. 8 Abs. 2 Satz 2 GRCh und Art. 15 Abs. 1 DS-GVO der betroffenen Person ein Auskunftsrecht darüber ein, welche personenbezogenen Daten von Dritten erhoben worden sind. Ziel ist es, dass sich der Betroffene der Verarbeitung bewusst ist und auf dieser Grundlage deren Rechtmäßigkeit überprüfen kann (vgl. Erwägungsgrund 63 Satz 1 zur DGSVO).
Dem lässt sich nicht überzeugend entgegenhalten, dass gerade diese im Satz 1 des Erwägungsgrundes 63 zur DS-GVO zum Ausdruck gebrachte Zielsetzung es nicht erfordere, dem Betroffenen Zugriff auf alle der Verarbeitung unterliegenden personenbezogenen Daten zu ermöglichen.
So aber etwa Wybitul/Baus, Wie weit geht das Recht auf Auskunft und Kopie nach Art. 15 DS-GVO?, CR 2019, 494 (495); Wybitul/Brams, Welche Reichweite hat das Recht auf Auskunft und auf eine Kopie nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO?, NZA 2019, 672 (676); Paal, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 33a.
Denn die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten beinhaltet auch die Prüfung, ob diese Daten inhaltlich zutreffend verarbeitet wurden. Schon hierfür ist aber der Zugang zu den verarbeiteten personenbezogenen Daten selbst erforderlich. Zudem spricht auch der Satz 4 des Erwägungsgrundes 63 zur DS-GVO dafür, dass dem Betroffenen seine personenbezogenen Daten zugänglich gemacht werden sollen. Denn hiernach sollte der Verantwortliche nach Möglichkeit den Fernzugang zu einem sicheren System bereitstellen, der der betroffenen Person direkten Zugang zu ihren personenbezogenen Daten ermöglichen würde.
Nach alldem erweisen sich das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Abs. 3 der Vorschrift als elementare, komplementäre Datenschutzrechte.
Vgl. auch BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 –, juris, Rn. 18: „Zudem stehen das Auskunftsrecht aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und der Anspruch auf Erteilung einer Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der Verarbeitung sind (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO) in einem engen inneren Regelungszusammenhang mit den weiteren Betroffenenrechten des Kapitels III der Datenschutz-Grundverordnung.“
Im Übrigen versetzt erst die Kenntnis darüber, ob, gegebenenfalls in welchem Umfang und wie ein Verantwortlicher personenbezogene Daten verarbeitet, die betroffene Person in die Lage, insoweit weitere Rechte auszuüben. Der Auskunftsanspruch soll für den Betroffenen Transparenz schaffen und ihm das für die Durchsetzung dieses Grundrechts notwendige Wissensfundament an die Hand geben.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 –, juris, Rn. 19; Franck, in: Gola, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 23; Ehmann, in: Ehmann/Selmayr, DS-GVO, 2. Aufl. 2018, Art. 15 Rn. 1.
Der Anspruch ist seiner Natur nach ein Instrument bzw. ein notwendiger Schritt zur Durchsetzung der weiteren Betroffenenrechte wie Berichtigung (Art. 16 DS-GVO), Löschung (Art. 17 DS-GVO) oder Schadensersatz (Art. 82 DS-GVO).
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 –, juris, Rn. 19 m.w.N.; Lembke, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Anstellungsverhältnis, NJW 2020, 1841 (1843).
Dieses Verständnis wird durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur früheren Rechtslage nach Art. 12 Buchstabe a) RL 95/46/EG belegt. Der europäische Verordnungsgeber will mit der Datenschutz-Grundverordnung an die Ziele und Grundsätze der Datenschutzrichtlinie anknüpfen (vgl. Erwägungsgrund 9 zur DS-GVO) und künftig ein unionsweit gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen gewährleisten (vgl. Erwägungsgrund 10 zur DS-GVO). Daher bietet die in der Rechtsprechung vorgenommene Charakterisierung des Auskunftsanspruchs aus Art. 12 Buchstabe a) RL 95/46/EG auch Hinweise auf das Verständnis des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO und des Anspruchs auf Datenkopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. So hat der Europäische Gerichtshof jeweils den instrumentellen Charakter des Auskunftsrechts für das Begehren der betroffenen Person hervorgehoben, von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen die Berichtigung, Löschung oder Sperrung ihrer Daten zu verlangen.
Vgl. zu Art. 15 Abs. 1 DS-GVO die Bezugnahme in BVerwG, Urteil vom 16. September 2020 – 6 C 10.19 –, juris, Rn. 20, auf EuGH, Urteile vom 7. Mai 2009 – C-553/07 –, Rijkeboer, Rn. 49 ff., vom 17. Juli 2014 – C 141/12 –, YS u.a. –, Rn. 44, und vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 –, Nowak, Rn. 57.
Davon ausgehend würde ein enges Verständnis des Rechts auf Datenkopie der Effektivität der Datenschutz-Grundverordnung zuwiderlaufen. Denn im Falle einer Reduzierung des Anspruchs auf die Inhalte des Art. 15 Abs. 1 DS-GVO, namentlich auf die Auskunft darüber, ob personenbezogene Daten verarbeitet werden, um welche es sich dabei handelt und auf die Kataloginformationen des Art. 15 Abs. 1 Buchstabe a) bis h) DSGVO, würde dem Betroffenen nicht der Informationsstand vermittelt, den er zur effektiven Ausübung seiner Rechte nach Art. 16 bis 21 DS-GVO benötigt.
Der Annahme eines eigenständigen, alle der Verarbeitung unterliegenden personenbezogenen Daten umfassenden Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO lässt sich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass in diesem Fall der Regelung in Art. 20 DS-GVO keine eigenständige Bedeutung mehr zukomme und sie damit leer liefe.
Art. 20 Abs. 1 DS-GVO gewährt dem Betroffenen unter den dort genannten Voraussetzungen u.a. einen Anspruch auf Herausgabe der ihn betreffenden personenbezogenen Daten, die er einem Verantwortlichen bereitgestellt hat, in einem strukturierten, gängigen und maschinenlesbaren Format. Dieser Anspruch richtet sich auf die Herausgabe eines Formats, dass die sofortige Weiterverarbeitung ermöglicht.
Vgl. Dix, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, DS-GVO mit BDSG, 2019, Art. 20 Rn. 11; Bäcker, in: Kühling/ Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 15 Rn. 39a.
Der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO umfasst hingegen nur die Zurverfügungstellung einer Kopie. Daneben ist unter den Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO (auch) die Zurverfügungstellung der Daten in einem gängigen elektronischen Format möglich. Diesen Anforderungen würde z.b. eine Übermittlung in Form eines pdf-Dokumentes genügen. Demgegenüber würde diese Übertragungsform den Pflichten aus Art. 20 Abs. 1 DS-GVO nicht gerecht, weil sie keine – sofortige – Weiterverarbeitung ermöglicht.
Art. 20 Abs. 1 Buchstabe b) DS-GVO setzt zudem voraus, dass die Verarbeitung mithilfe automatisierter Verfahren erfolgt. Er ist auch nicht auf die Erstellung einer Kopie, sondern auf die Herausgabe der Daten selbst gerichtet.
Auch dass die Datenschutz-Grundverordnung in anderen Vorschriften – wie dem vom Beklagten angeführten Art. 28 Abs. 3 Buchstabe g) DS-GVO – den Begriff „alle Daten“ enthält, führt nicht dazu, dass der EU-Verordnungsgeber mit der in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO gewählten Formulierung (eine Kopie „der“ personenbezogenen Daten) lediglich bestimmte Daten erfasst wissen wollte. Ungeachtet der Frage, ob Art. 28 DS-GVO nicht schon aufgrund seiner systematischen Stellung im Kapitel IV. (Verantwortlicher und Auftragsverarbeiter), Abschnitt 1. (Allgemeine Pflichten) ungeeignet ist, der Auslegung des Betroffenenrechts aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO zu dienen, lässt allein die Verwendung des Adverbs „alle“ in Art. 28 Abs. 3 Buchstabe g) DS-GVO keinen gesicherten Rückschluss darauf zu, dass die Verwendung von „der“ in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO bedeuten soll, dass diese Vorschrift nur für bestimmte personenbezogene Daten gelten soll.
Insoweit a. A. Wybitul/Baus, Wie weit geht das Recht auf Auskunft und Kopie nach Art. 15 DS-GVO?, CR 2019, 494 (495).
Entsprechendes gilt auch für den vom Beklagten angeführten Art. 58 Abs. 1 Buchstabe e) DS-GVO.
Schließlich gebietet auch die Verordnungshistorie keine restriktive Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Denn diese ist für die Interpretation unergiebig. Insbesondere lassen sich der Entstehungsgeschichte der Datenschutz-Grundverordnung keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Verordnungsgeber bei der Schaffung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO von dem Ziel getragen war, das Recht auf eine unentgeltliche Kopie auf die nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO zu erteilenden Auskünfte und/oder Informationen zu beschränken.
Gegenteiliges lässt sich nicht aus der Änderung der Überschrift des Art. 15 DS-GVO während des Normsetzungsverfahrens herleiten. Dass die endgültige Fassung dieser Überschrift nicht mehr den Begriff „Herausgaberecht“ enthält, bedeutet nicht, dass der Verordnungsgeber sich bewusst gegen einen Anspruch auf Herausgabe einer Datenkopie entschieden hätte.
Zwar wurde Art. 15 DS-GVO in der Legislativen Entschließung des Europäischen Parlaments vom 12. März 2014 (P7_TAPROV(2014)0212) – in Kenntnis des Vorschlags der Europäischen Kommission vom 25. Januar 2012 (COM(2012)0011), in dem Art. 15 weder eine Überschrift trug noch irgendeine Form eines Herausgaberechts beinhaltete – mit „Recht der betroffenen Person auf Auskunft und auf Herausgabe der Daten“ betitelt (vgl. dortige Abänderung 111), während Art. 15 DGSVO in seiner ab dem 25. Mai 2018 geltenden Fassung nun (nur) mit „Auskunftsrecht der betroffenen Person“ überschrieben ist. Allerdings enthielt Art. 15 DS-GVO in der Fassung der Legislativen Entschließung vom 12. März 2014 (noch) kein dem Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO entsprechendes Recht auf Datenkopie, sondern beinhaltete in Art. 15 Abs. 2a noch das – nunmehr eigenständig in Art. 20 DS-GVO verankerte – Recht auf Datenübertragbarkeit. Gegen die Annahme, dass der Änderungshistorie der Überschrift des Art. 15 DS-GVO maßgebliches Gewicht für die Ermittlung des Umfangs des Inhalts des Rechts aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO zukommt, spricht zudem, dass Art. 20 DS-GVO in seiner jetzigen Fassung ebenfalls nicht mit „Herausgaberecht“ o. ä. betitelt ist, sondern die Überschrift „Recht auf Datenübertragbarkeit“ trägt, obwohl es sich dabei um einen Anspruch auf Heraus- und Weitergabe von Daten handelt.
Vgl. dazu Dausend, Der Auskunftsanspruch in der Unternehmenspraxis, ZD 2019, 103 (106).
Ebenso wenig ausschlaggebend für die Auslegung des Inhalts des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 17. Juli 2014 – C-141/12 u.a. –, YS u.a., zu Art. 12 Buchstabe a) RL 95/46/EG. Soweit insbesondere die Vertreter der restriktiven Auslegung davon ausgehen, dass der europäische Verordnungsgeber in Reaktion auf diese Entscheidung kein gesondertes Recht auf Kopien habe schaffen wollen, sondern sich bewusst dazu entschieden habe, das Recht auf Kopien nicht auf sämtliche personenbezogene Daten zu beziehen, überzeugt dies bereits deshalb nicht, weil sich der Europäische Gerichtshof in dieser Entscheidung zum Umfang des Auskunftsrechts nach Art. 12 Buchstabe a) RL 95/46/EG verhalten hat, welcher ein Recht auf Herausgabe einer Datenkopie i.S.d. Art. 15 Abs. 3 DS-GVO (noch) nicht enthielt. Nur insoweit hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass es zur Wahrung des Auskunftsrechts aus Art. 12 Buchstabe a) RL 95/46/EG und aus Art. 8 GRCh genüge, dass der Antragsteller eine vollständige Übersicht sämtlicher ihn betreffender personenbezogener Daten, die Gegenstand der Verarbeitung seien, in verständlicher Form erhalte, d. h. in einer Form, die es ihm ermögliche, von diesen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig seien und der Richtlinie gemäß verarbeitet würden, so dass er gegebenenfalls die ihm in der Richtlinie verliehenen Rechte ausüben könne. Soweit das mit dem Auskunftsrecht angestrebte Ziel durch eine andere Form der Mitteilung vollständig erreicht werden könne, stehe der betroffenen Person weder aus Art. 12 Buchstabe a) RL 95/46/EG noch aus Art. 8 Abs. 2 GRCh das Recht zu, eine Kopie des Dokuments oder der Originaldatei, in der diese Daten enthalten seien, zu erhalten. Damit die betroffene Person keinen Zugang zu anderen Informationen als den sie betreffenden personenbezogenen Daten erhalte, könne sie eine Kopie des Dokuments oder der Originaldatei erhalten, in denen diese anderen Informationen unkenntlich gemacht worden seien.
Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – C 141/12 u.a. –,YS u.a., Rn. 58 und 60.
Es lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür finden, dass sich der europäische Verordnungsgeber in Reaktion auf dieses EuGH-Urteil bei seiner abschließenden Entscheidung im Hinblick auf die Regelung in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO bewusst dafür entschieden hat, das Recht auf Kopie nicht auf sämtliche personenbezogene Daten zu beziehen. Insoweit ließe sich ebenso anführen, dass der Verordnungsgeber im Gegenteil bewusst in Reaktion auf die höchstrichterliche Entscheidung ein uneingeschränktes Recht auf Datenkopie in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO geschaffen hat. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass der Gerichtshof in dem Urteil ausgeführt hat, dass zur Wahrung des Auskunftsrechts eine vollständige Übersicht der Daten in verständlicher Form (nur) dann genügt, wenn diese es der betroffenen Person ermöglicht, von diesen Daten Kenntnis zu erlangen und zu prüfen, ob sie richtig sind und der Richtlinie gemäß verarbeitet werden, so dass er gegebenenfalls die ihm verliehenen Rechte ausüben kann.
Vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – C 141/12 u.a. –, YS u.a., Rn. 57 und 59.
Auch die weiteren von dem Beklagten gegen eine extensive Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO angeführten Argumente verfangen nicht. Soweit er geltend macht, dass sich die Übermittlung einer – wie vom Kläger beantragten – Datenmenge als in höchstem Maße unstrukturiert und intransparent erweise und damit dem aus Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO folgenden Grundsatz der Mitteilung in verständlicher Form widerspreche, überzeugt dies schon vor dem Hintergrund nicht, dass es sich bei Art. 12 Abs. 1 DS-GVO entsprechend seinem Wortlaut und seiner systematischen Stellung im Kapitel III. schon ausweislich dessen Überschrift („Rechte der betroffenen Person“) um eine Schutzvorschrift für den Betroffenen handelt, und nicht ersichtlich ist, weshalb sich daraus eine Beschränkung von Betroffenenrechten ableiten lassen sollte. Darüber hinaus vermag der Senat vorliegend auch nicht zu erkennen, inwieweit es sich bei den vom Kläger angefertigten Examensklausuren nebst Prüfergutachten um eine unstrukturierte und intransparente Datenmenge handeln sollte.
Ebenso wenig ist eine restriktive Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO geboten, um zu verhindern, dass der Anspruch auf Herausgabe einer Kopie zu datenschutzfremden Zwecken geltend gemacht wird. Unabhängig davon, wie ein „datenschutzfremder Zweck“ genau zu definieren und gegebenenfalls festzustellen ist, scheidet ein solcher in Bezug auf die – vom Beklagten angeführte – Durchführung eines etwaigen prüfungsrechtlichen Verfahrens hinsichtlich des Klägers schon deshalb aus, weil die Bewertung seiner Examensklausuren von ihm nicht angegriffen worden, sondern bestandskräftig geworden ist.
Auch die Befürchtung einer möglichen „Ausuferung“ des Umfangs des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO vermag nicht zu überzeugen. Denn dass der Auskunftsanspruch die Bearbeitung einer großen Datenmenge erfordern kann, hat der EU-Verordnungsgeber gesehen. Insoweit ist in Erwägungsgrund 63 Satz 7 zur DS-GVO ausgeführt, dass der Verantwortliche, sollte er eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeiten, verlangen können sollte, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht. Zudem kann nach Art. 12 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO insoweit die einmonatige Informationsfrist um weitere zwei Monate verlängert werden, wenn dies unter Berücksichtigung der Komplexität und der Anzahl von Anträgen erforderlich ist.
Durch das in Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO verankerte Recht auf Datenkopie ergibt sich auch kein Widerspruch zum Grundsatz der Datenminimierung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Buchstabe c) DSGVO). Dieser Grundsatz betrifft die Datenverarbeitung und ist, bezogen auf das Ausmaß der Daten, ein Ausfluss des Grundsatzes der Erforderlichkeit. Durch die hier in Rede stehende Erstellung der Kopien werden allerdings keine neuen Daten verarbeitet, sondern es wird lediglich eine Vervielfältigung bzw. Verdoppelung vorhandener Daten vorgenommen. Die Kopie wird aber dem – zu schützenden – Betroffenen auf seinen Antrag zur Verfügung gestellt, ohne dass sie beim Verantwortlichen verbleiben muss bzw. soll. Schließlich spricht auch Art. 15 Abs. 4 DS-GVO nicht für eine restriktive Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Nach dieser Vorschrift darf das Recht auf Erhalt einer Kopie die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Diese Regelung ist ein einzelfallbezogener Beschränkungstatbestand. Bereits deshalb kann sie nicht für eine einschränkende Auslegung des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO herangezogen werden.
3. Der Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO auf eine unentgeltliche Kopie seiner Aufsichtsarbeiten aus dem zweiten Staatsexamen nebst Prüfergutachten ist auch nicht ausgeschlossen. Er greift weder in die Rechte und Freiheiten anderer Personen nach Art. 15 Abs. 4 DS-GVO ein (s. a)), noch handelt es sich um einem exzessiven Antrag i.S.v. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO (s. b)). Ein Ausschluss folgt auch nicht aus einer analogen Anwendung des Art. 14 Abs. 5 Buchstaben a) oder b) DS-GVO (s. c)).
a) Der Anspruch des Klägers ist nicht durch Art. 15 Abs. 4 DS-GVO begrenzt bzw. ausgeschlossen. Danach darf das Recht auf Erhalt einer Kopie gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen. Ausweislich des Erwägungsgrundes 63 Satz 5 zur DS-GVO sind unter Rechte und Freiheiten vor allem Geschäftsgeheimnisse sowie Rechte des geistigen Eigentums (insbesondere das Urheberrecht an Software) zu verstehen.
Vgl. Dix, in: Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht, DSGVO mit BDSG, 2019, Art. 15 Rn. 34; Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht Wolff/Brink, 36. Edition, Stand 1. Mai 2021, Art. 15 Rn. 96.
Insbesondere der Umstand, dass auch die Korrekturen der Prüfer und deren Gutachten herausgegeben werden, steht dem Anspruch des Klägers nicht entgegen. Denn diese werden von vornherein mit der Maßgabe erstellt, dass sie auf Antrag dem Prüfling zugänglich gemacht werden. Dem Prüfer steht schon deshalb kein Recht auf Geheimhaltung seiner Bewertung zu, vgl. auch EuGH, Urteil vom 20. Dezember 2017 – C-434/16 –, Nowak, juris, Rn. 42 bis 44, welche nach Art. 19 Abs. 4 GG einer Überprüfung zugänglich sein muss, die wiederum die vorherige Kenntnisnahme durch den Prüfling erfordert.
b) Dem Anspruch auf eine unentgeltliche Kopie steht auch nicht Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO entgegen. Danach kann der Verantwortliche bei offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufiger Wiederholung – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person entweder ein angemessenes Entgelt verlangen (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe a) DS-GVO) oder sich weigern, aufgrund des Antrags tätig zu werden (Art. 12 Abs. 5 Satz 2 Buchstabe b) DS-GVO). Nach Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DS-GVO hat der Verantwortliche den Nachweis für den offenkundig unbegründeten oder exzessiven Charakter des Antrags zu erbringen.
Ein Fall des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO ist nicht gegeben, geschweige denn vom Beklagten nachgewiesen.
Die Geltendmachung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO durch den Kläger erweist sich nicht als offenkundig unbegründet, wie sich schon aus dem stattgebenden Urteil des Verwaltungsgerichts ergibt. Vgl. in diesem Zusammenhang auch Dix, in: Simitis/Hornung/ Spieker, Datenschutzrecht, DS-GVO mit BDSG, 2019, Art. 12 Rn. 32; Heckmann/Pasche, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Aufl. 2018, Art. 12 Rn. 43; Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 65.
Dass der Antrag des Klägers exzessiv ist, lässt sich nicht feststellen. Etwas anderes ist auch nicht deshalb anzunehmen, weil sich der Antrag auf eine Kopie von 348 Seiten (Kopie von acht Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten, die im Durchschnitt in Summe 43,5 Seiten aufweisen) richtet. Ein Antrag stellt sich nicht allein aufgrund eines hohen Bearbeitungsaufwandes als exzessiv dar. Erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Antragstellers, das z.b. in der schikanösen Geltendmachung eines Betroffenenrechts mit dem Ziel, den Verantwortlichen zu schädigen, begründet sein kann.
Vgl. Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 37; Paal/Hennemann, in: Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 3. Aufl. 2021, Art. 12 Rn. 66; Quaas, in: BeckOK Datenschutzrecht Wolff/Brink, 36. Edition Stand 1. Mai 2021, Art. 12 Rn. 43 f.
Der Senat geht schon nicht davon aus, dass die Erfüllung des Anspruchs des Klägers einen unverhältnismäßig hohen Bearbeitungsaufwand erfordert. Seine Geltendmachung verursacht für den Beklagten keine im konkreten Einzelfall entstehenden Nachteile, die außer Verhältnis zu der Bedeutung des Anspruchs für den Kläger stehen. Der streitgegenständliche Antrag umfasst – wie festgestellt – 348 zu kopierende Seiten. Der Aufwand, diese Seiten der Akte des Klägers zu entnehmen, gegebenenfalls zu entklammern, zu kopieren bzw. zu digitalisieren und dem Kläger zu übermitteln, stellt sich nicht als übermäßige Belastung dar. Aufgrund des durch die Anträge vom 11. und 25. Oktober 2018 deutlich präzisierten und leicht zu erfassenden Begehrens des Klägers ist der Beklagte weder gehalten, zunächst im Einzelnen zu prüfen, worauf sich das Begehren bezieht, noch welche Daten des Klägers in welchen Dateisystemen enthalten sind. Zudem muss bezüglich der Klausuren und Prüfergutachten auch nicht umfangreich ermittelt werden, ob diese Datensätze gegebenenfalls schutzwürdige Informationen über (weitere) andere Personen enthalten. Im Gegenteil spricht vorliegend einiges dafür, dass ein Herausfiltern und Zusammenstellen einzelner Daten aus der Akte des Klägers – wie es der Beklagte wohl als zweckentsprechender ansähe – zu einer größeren Belastung des Landesjustizprüfungsamtes führen würde.
Das Auskunftsersuchen des Klägers unterscheidet sich im Übrigen erheblich von anderen – z.b. in der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit entschiedenen – Rechtsstreitigkeiten, in denen auf der Grundlage eines unsubstantiierten Vorbringens nach personenbezogenen Daten des Betroffenen in sämtlichen Servern, Datenbanken, Web-Anwendungen, E-Mail-Postfächern, Verzeichnisstrukturen, Speichermedien, Smartphones, Notebooks und diversen anderen Endgeräten des Verantwortlichen nebst aller Vorgesetzten und Kollegen zu suchen war.
Vgl. z.b. ArbG Düsseldorf, Urteil vom 5. März 2020 – 9 Ca 6557/18 –, juris, Rn. 92.
Soweit der Beklagte eine große Anzahl von Anträgen nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO durch ehemalige sowie zukünftige Prüfungsabsolventen befürchtet (potenziell ca. 2.500 Anträge des aktuell laufenden Prüfungsjahres und ca. 12.500 Anträge der vergangenen fünf Prüfungsjahre) und dadurch einen erhöhten Personalaufwand (Erfordernis der Schaffung von bis zu drei zusätzlichen Stellen), eine drohenden Kostenlast sowie eine Gefährdung des Ablaufs des Prüfungsverfahrens erwartet, fehlt diesem Vorbringen bereits der für die Feststellung eines missbräuchlichen Verhaltens des Klägers erforderliche Einzelfallbezug.
Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Kläger den Antrag in rechtsmissbräuchlicher oder schikanöser Art und Weise, namentlich mit dem Ziel, den Verantwortlichen zu schädigen, geltend macht. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten kann grundsätzlich nicht allein mit den Konsequenzen, die typischerweise bei der Ausübung des Rechts aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO eintreten, begründet werden. Derartige Folgen können u.a. je nach Art, Dauer und Intensität der Beziehung zwischen dem von der Datenverarbeitung betroffenen Auskunftsbegehrenden und dem Verantwortlichen ganz erhebliche Datenmengen, die in Kopie zu übersenden sind, und damit ein erheblicher Verwaltungsaufwand sein.
Vgl. Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht Wolff/ Brink, 36. Edition, Stand 1. Mai 2021, Art. 15 Rn. 85.
Der Senat lässt offen, ob der Ausnahmetatbestand des Art. 12 Abs. 5 Satz 2 DS-GVO auch Fälle umfasst, in denen der Betroffene mit der Ausübung des Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO allein oder ganz überwiegend datenschutzfremde Zwecke verfolgt.
Vgl. dazu Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht Wolff/ Brink, 36. Edition, Stand 1. Mai 2021, Art. 15 Rn. 85; Lembke, Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch im Anstellungsverhältnis, NJW 2020, 1841 (1843 ff.); zur rechtsmissbräuchlichen Antragstellung im Informationsfreiheitsrecht s. BVerwG, Urteil vom 24. November 2020 – 10 C 12.19 –, juris, Rn. 10 ff.
Denn dafür, dass der Kläger sachwidrige Ziele verfolgt, fehlt es an belastbaren Anhaltspunkten, die überdies einen Nachweis nach Art. 12 Abs. 5 Satz 3 DS-GVO erfordern würden. Derartige Indizien lassen sich nicht daraus herleiten, dass der Kläger durch die Übermittlung einer Kopie den Inhalt der Aufsichtsarbeiten und Prüfergutachten im Prinzip auch mit Blick auf ein prüfungsrechtliches Verfahren zur Kenntnis nehmen kann. Denn Letzteres ist nur eine Konsequenz dessen, dass der Anspruch auf Kopie aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO und das Einsichtnahmerecht nach § 23 Abs. 2 JAG NRW im Grundsatz dieselben Daten umfassen und nebeneinander geltend gemacht werden können. Zudem scheidet ein prüfungsrechtliches Verfahren des Klägers schon deshalb aus, weil die Bewertung seiner Examensklausuren bestandskräftig geworden ist (s. 2.).
c) Der Anspruch ist auch nicht durch Art. 14 Abs. 5 Buchstabe b) Alt. 2 DS-GVO in analoger Anwendung ausgeschlossen. Diese Vorschrift, wonach die Absätze 1 bis 4 des Art. 14 DS-GVO keine Anwendung finden, wenn und soweit die Erteilung dieser Informationen einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern würde, ist im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht entsprechend anwendbar. Es ist schon nicht ersichtlich, dass diesbezüglich eine planwidrige Regelungslücke besteht. Dagegen spricht bereits, dass Art. 15 DS-GVO der Regelung des Art. 14 DS-GVO unmittelbar nachfolgt, mit der der Verordnungsgeber deutlich gemacht hat, dass er in bestimmten Fällen das Risiko eines unverhältnismäßigen Aufwandes und die hieraus resultierende Belastung für den Verantwortlichen gesehen hat.
Vgl. auch Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, 60. EG August 2020, Art. 15 DS-GVO Rn. 129; Dix, in: Simitis/Hornung/Spieker, Datenschutzrecht, DS-GVO mit BDSG, 2019, Art. 15 Rn. 36; Schulte/Welge, Der datenschutzrechtliche Kopieanspruch im Arbeitsrecht, NZA 2019, 1110 (1114).
Es dürfte auch keine vergleichbare Interessenlage vorliegen, da Art. 14 DS-GVO Fälle betrifft, in denen derartig viele Personen zu informieren wären, dass dies einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeuten würde. Anders als bei Art. 15 DS-GVO ist insofern nicht die Bereitstellung der Information als solche aufwendig. Vielmehr ergibt sich die Unverhältnismäßigkeit des Aufwandes aus der schwer überschaubaren, großen Anzahl zu informierender Personen.
Vgl. Schulte/Welge, Der datenschutzrechtliche Kopieanspruch im Arbeitsrecht, NZA 2019, 1110 (1114).
Bereits aus den genannten Gründen kommt auch eine analoge Anwendung des Art. 14 Abs. 5 Buchstabe a) DS-GVO im Rahmen des Art. 15 DS-GVO nicht in Betracht. Zudem ist nicht erkennbar, dass der Kläger im Sinne dieser Vorschrift über die begehrten Informationen bereits verfügt. Die vom Beklagten insoweit angebotene Einsichtnahme in die Aufsichtsarbeiten nebst Prüfergutachten im Landesjustizprüfungsamt und/oder die kostenpflichtige Fertigung einer Kopie erfüllt den Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht.
4. Dem Anspruch des Klägers aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO steht auch keine beschränkende Regelung entgegen. Eine derartige Beschränkung ergibt sich weder aus § 12 DSG NRW (s. a)) noch aus anderen, vorliegend allein in Betracht kommenden nationalen Regelungen i.S.v. Art. 23 DS-GVO (s. b)).
a) Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 DSG NRW kann der Verantwortliche, soweit er große Mengen von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, bei einem Auskunftsersuchen verlangen, dass diese Person präzisiert, auf welche Informationen und welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht. Ungeachtet der Frage, ob es sich bei den vom Landesjustizprüfungsamt verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers überhaupt um große Informationsmengen handelt, hat der Kläger – wie bereits ausgeführt – in Einklang mit § 12 Abs. 1 Satz 2 DSG NRW sein Begehren präzise geltend gemacht.
Der Zurverfügungstellung der begehrten Kopie steht auch nicht § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DSG NRW entgegen. Gemäß dieser Vorschrift kann die Auskunftserteilung abgelehnt werden, soweit und solange die Auskunft die öffentliche Sicherheit gefährden oder sonst dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde.
Voraussetzung ist demnach, dass die Bekanntgabe des Inhalts der Auskunft selbst zu der Annahme einer Gefährdung im vorgenannten Sinn führt. Dafür sprechen neben dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 DSG NRW („die Auskunft“) auch systematische Erwägungen. Denn wenn bereits § 12 Abs. 1 DSG NRW dem Erhalt der behördlichen Funktionsfähigkeit im Sinne eines Ausuferungsschutzes zu dienen bestimmt ist, vgl. LT-Drs. 17/1981, S. 140, ist nicht anzunehmen, dass auch die Tatbestände des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 DSG NRW insoweit (nur) denselben Regelungszweck verfolgen und lediglich – ebenso wie § 12 Abs. 1 DSG NRW – auf eine Gefährdung der genannten Schutzgüter durch einen sehr hohen Bearbeitungsaufwand, z.B. wegen besonders großer Datenmengen, abzielen.
b) Eine Beschränkung des klägerischen Anspruchs folgt auch nicht aus anderen nationalen Regelungen i. S. v. Art. 23 DS-GVO. Nach Art. 23 Abs. 1 DS-GVO können u.a. die Rechte aus Art. 15 DS-GVO durch Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten im Wege von Gesetzgebungsmaßnahmen beschränkt werden, sofern eine solche Beschränkung den Wesensgehalt der Grundrechte und Grundfreiheiten achtet und in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme darstellt. Zudem muss die Gesetzgebungsmaßnahme eines der in den Buchstaben a) bis j) genannten Ziele sicherstellen. Darüber hinaus muss jede solche Gesetzgebungsmaßnahme gemäß Art. 23 Abs. 2 DS-GVO insbesondere gegebenenfalls spezifische Vorschriften enthalten zumindest in Bezug auf die in den dortigen Buchstaben a) bis h) genannten Anforderungen.
Der auch in diesem Zusammenhang zu prüfende § 23 Abs. 2 JAG NRW ist keine das Recht aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO beschränkende mitgliedstaatliche Rechtsvorschrift i. S. v. Art. 23 Abs. 1 DS-GVO.
Wie bereits ausgeführt, kommt § 23 Abs. 2 JAG NRW in Bezug auf den Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO kein beschränkender Charakter zu (s. II. 1. c)). Die aus diesen Vorschriften resultierenden Ansprüche stehen vielmehr nebeneinander.
Auch die vom Beklagten für das verlangte Entgelt i.H.v. 69,70 Euro in Bezug genommenen gebührenrechtlichen Vorschriften in Verbindung mit § 23 Abs. 2 JAG NRW sind aus den ebenfalls unter II. 1. c) dargelegten Gründen keine den Anspruch auf Übermittlung einer unentgeltlichen Kopie beschränkenden Rechtsvorschriften i. S. v. Art. 23 DS-GVO.
Vor diesem Hintergrund braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob insoweit die Voraussetzungen des Art. 23 Abs. 1 DSGVO vorlägen und ob bzw. inwieweit die formellen Anforderungen des Art. 23 Abs. 2 DS-GVO erfüllt wären.
5. Der Anspruch des Klägers auf Zurverfügungstellung einer (ersten) unentgeltlichen Kopie ist nicht durch Erfüllung erloschen.
Eine Erfüllung ergibt sich vorliegend insbesondere nicht aus Art. 15 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO. Danach kann der Verantwortliche für alle weiteren (über die erste Kopie hinausgehenden) Kopien, die die betroffene Person beantragt, ein angemessenes Entgelt auf der Grundlage der Verwaltungskosten verlangen.
Bei der vom Kläger beantragten Kopie seiner Aufsichtsarbeiten und der Prüfergutachten handelt es sich nicht um eine weitere Kopie in diesem Sinne. Dem Kläger kann diesbezüglich nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass er mit einer Geltendmachung des Anspruchs aus § 23 Abs. 2 JAG NRW und der damit einhergehenden Option, Fotos von den Klausuren und Prüfergutachten zu fertigen bzw. sich eine entgeltliche Kopie anfertigen zu lassen, bereits über eine „erste“ (kostenfreie) Kopie verfügt. Ungeachtet dessen, dass er diese Möglichkeit bisher nicht wahrgenommen hat, ist ihm damit keine Datenkopie i.S.v. Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO zur Verfügung gestellt bzw. angeboten worden. Denn mit einer Fotografie oder kostenpflichtigen Kopie durch das Landesjustizprüfungsamt könnte dem Kläger zwar Kenntnis von dem Inhalt der Daten vermittelt werden. Dies stellt sich allerdings vor dem Hintergrund, dass die beiden Informationsansprüche – wie festgestellt (s. II. 1. c)) – unterschiedliche Ziele verfolgen und das Einsichtnahmerecht kein Äquivalent zur Datenkopie ist, als unerheblich dar und führt nicht dazu, dass der Anspruch aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO erfüllt ist.
Eine Erfüllung folgt auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung des Art. 14 Abs. 5 Buchstabe a) DS-GVO, wonach die Absätze 1 bis 4 des Art. 14 DS-GVO keine Anwendung finden, wenn und soweit die betroffene Person bereits über die Information verfügt. Diese Ausnahmeregelung ist, wie dargelegt (s. II. 3. c)), im Rahmen des Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO nicht analog anwendbar.
6. Hinsichtlich der nach alledem (noch) gebotenen Erfüllung des dem Kläger zustehenden Anspruchs aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1, Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DS-GVO hat der Beklagte die Wahl, ob er dem Kläger die unentgeltliche Kopie in Papierform oder ob er ihm die Daten in einem gängigen elektronischen Format zur Verfügung stellt. Wenn, wie vorliegend, kein elektronischer Antrag gestellt ist, der den Verantwortlichen gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 3 DS-GVO regelmäßig zu einer elektronischen Zurverfügungstellung verpflichten würde, besteht nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 DS-GVO grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum des Verantwortlichen, in welcher Form er die Informationen bzw. Auskünfte bereitstellt.
Vgl. Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS-GVO, BDSG 3. Aufl. 2020, Art. 12 Rn. 16 und Art. 15 Rn. 44a; Schmidt-Wudy, in: BeckOK Datenschutzrecht, Wolff/Brink, 36. Edition 2021, Art. 15 Rn. 83.
Dies zugrunde gelegt, sieht sich der Senat nicht veranlasst, gemäß der Anregung des Beklagten eine Vorabentscheidung des EuGH nach Art. 267 AEUV u.a. in Bezug auf die Auslegung von Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO einzuholen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Sätze 1 und 2 und § 709 Satz 2 ZPO.
IV. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Von grundsätzlicher Bedeutung ist insbesondere der Umfang des Rechts aus Art. 15 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO. Die primär- und sekundärrechtlichen Vorschriften des Unionsrechts gehören zum revisiblen Bundesrecht i.S.v. § 137 Abs. 1 VwGO auch dann, wenn sie nur über einen landesrechtlichen Anwendungsbefehl entscheidungserheblich sind.
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2020 – 5 B 5.20 –, juris, Rn. 14.