DA+

Urteil : Löschung von Einträgen in der Datenbank einer Kreditauskunftei II : aus der RDV 5/2023 Seite 328 bis 329

(OLG Brandenburg, Urteil vom 3. Juli 2023 – 1 U 8/22 –)

Archiv RDV
Lesezeit 5 Min.
  1. Die Speicherung eines Negativeintrags zu einer Forderung in der Datenbank einer Kreditauskunftei ist grundsätzlich gemäß Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 lit. f) DS‑GVO zulässig. Das berechtigte Interesse der Kreditauskunftei an der Verarbeitung der Daten ergibt sich aus dem Interesse der Kreditwirtschaft an der Zurverfügungstellung von bonitätsrelevanten Daten und überwiegt das Interesse des Betroffenen an einer Löschung.
  2. Die in § 3 Abs. 1 InsBekV vorgesehene Löschungsfrist von sechs Monaten für Daten aus einem Insolvenzverfahren ist nicht auf Negativeinträge in der Datenbank einer Kreditauskunftei anwendbar.

(Nicht amtliche Leitsätze)

Aus den Gründen:

Das Landgericht hat zu Recht Ansprüche des Klägers auf Löschung der streitgegenständlichen Einträge aus Art. 17 Abs. 1 DS-GVO verneint. Als Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Löschung des Eintrags kommt ausschließlich Art. 17 Abs. 1 DS-GVO in Betracht, da für das unionsweit abschließend geregelte und vereinheitlichte Datenschutzrecht ein Anwendungsvorrang gilt (vgl. BVerfG, NJW 2020, 314 Rn. 34, 41; OLG Frankfurt, GRUR 2023, 904 Rn. 50). Danach setzt ein Anspruch auf Löschung entweder eine von Anfang an unrechtmäßige oder eine erst später durch Zeitablauf unrechtmäßig gewordene Verarbeitung von Daten voraus, Art. 17 Abs. 1 d) DS-GVO (vgl. zur Abgrenzung zu Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO: OLG Köln, ZD 2022, 233 Rn. 14). Die Übermittlung der Daten an die Beklagte war zunächst jedenfalls nach Art.  6 Abs.  1 f) DS-GVO rechtmäßig, da sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich war und dies die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Klägers überwog. Unter den Begriff der berechtigten Interessen im Sinne dieser Vorschrift sind nach Maßgabe des Erwägungsgrunds Nr. 47 die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhenden vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person zu verstehen, wobei es sich grundsätzlich um jedes rechtliche, wirtschaftliche oder ideelle Interesse handeln kann (OLG München, GRUR-RR 2019, 137 Rn. 30; OVG Lüneburg, ZD 2021, 222 Rn. 15; Sydow/Marsch/Reimer, DS-GVO, BDSG, 3. Aufl., Art. 6 DS-GVO Rn. 75). Das berechtigte Interesse der Beklagten an der Verarbeitung der streitgegenständlichen Daten ergibt sich aus dem Interesse der Kreditwirtschaft an der Zurverfügungstellung von bonitätsrelevanten Daten, um andere Unternehmen vor wirtschaftlichen Schäden und potenzielle Kreditnehmer vor Überschuldung zu schützen. Die Erteilung von zutreffenden Bonitätsauskünften ist für das Funktionieren der Wirtschaft von erheblicher Bedeutung. Angaben einer Wirtschaftsauskunftei, die geeignet sind, etwaige Kreditgeber zu einer sorgfältigen Bonitätsprüfung zu veranlassen, sind für das Kreditgewerbe erforderlich und vom Betroffenen grundsätzlich hinzunehmen. Eine Abwägung der widerstreitenden Grundrechte wird in solchen Fällen in der Regel zu Gunsten einer Zulässigkeit der Bonitätsauskunft ausgehen (BGH, MMR 2011, 409 Rn. 21; OLG Naumburg, ZD 2021, 432 Rn. 27). Diese Funktion von Wirtschaftsauskunfteien ist letztlich auch die Grundlage der Regelung des § 31 BDSG, zu dem im Entwurf des DatenschutzAnpassungs- und -Umsetzungsgesetzes EU vom 24. Februar 2017 ausgeführt wird, dass die Regelungen zu Auskunfteien und Scoring dem Schutz des Wirtschaftsverkehrs dienen und für Betroffene und für die Wirtschaft eine überragende Bedeutung besitzen. Verbraucher vor Überschuldung zu schützen, liegt sowohl im Interesse der Verbraucher selbst, als auch der Wirtschaft. Die Mitteilung der Kreditwürdigkeit und die Erteilung von Bonitätsauskünften bilden das Fundament des deutschen Kreditwesens und damit auch der Funktionsfähigkeit der Wirtschaft (BT-Drs. 18/11325, Seite 101).

Aus den durch das Landgericht zutreffend ausgeführten Gründen ist darüber hinaus auch die fortdauernde Speicherung der Daten rechtmäßig. Die DS-GVO enthält für die Dauer einer Speicherung von personenbezogenen Daten keine konkreten Regelungen, sondern knüpft die Rechtmäßigkeit der weiteren Verarbeitung allein an das Kriterium der Notwendigkeit und damit an eine Abwägung im Einzelfall. Hierzu wird in Erwägungsgrund Nr. 39 bestimmt, dass die Speicherfrist für personenbezogene Daten auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt bleiben und der Verantwortliche – insbesondere in Massengeschäften wie dem der Beklagten – Fristen für ihre Löschung oder regelmäßige Überprüfung vorsehen soll. Dabei bietet Art. 40 Abs. 2 DS-GVO Branchenverbänden die Möglichkeit, Anwendungsfelder mit den zuständigen Datenschutzaufsichtsbehörden durch zumindest für sie und die Aufsichtsbehörden verbindliche Verhaltensregeln zu konkretisieren. Das ist für die Beklagte durch den vom Verband der Wirtschaftsauskunfteien e.V. herausgegebenen Code of Conduct, den „Verhaltensregeln für die Prüf- und Löschfristen von personenbezogenen Daten durch die deutschen Wirtschaftsauskunfteien vom 25. Mai 2018“ im Sinne einer Selbstverpflichtung der Mitglieder geschehen, die gemäß Art.  40 Abs.  5, 55 Abs.  1 DS-GVO in Verbindung mit § 40 Abs. 1 BDSG von der zuständigen Datenschutzbehörde des Landes NRW genehmigt worden sind. […]

Entgegen der Auffassung des Klägers begegnet die DreiJahres-Frist des Code of Conduct keinen grundsätzlichen Bedenken. Insbesondere sind die der Aussetzungsentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 28. März 2023 (BGH, NZI 2023, 586) und den Schlussanträgen des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs vom 16. März 2023 (NZI 2023, 399) zugrunde liegenden Erwägungen zu einer vorzeitigen Löschung von Einträgen über Restschuldbefreiungen nach §§ 286, 287a Abs. 1 S. 1 InsO nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar. Für die Eintragung einer Restschuldbefreiung ist in § 3 Abs. 1 S. 1 InsBekV ausdrücklich vorgesehen, dass diese spätestens sechs Monate nach der Aufhebung oder Rechtskraft der Einstellung des Insolvenzverfahrens aus dem Insolvenzregister, aus dem die Beklagte ihre Informationen bezieht, gelöscht wird. Dementsprechend beziehen sich auch die Ausführungen des Generalanwalts beim Europäischen Gerichtshof ausdrücklich auf diese Konstellation, in der eine Information aus einem öffentlichen Register entnommen wird und dementsprechend auch den für dieses Register durch den Verordnungsgeber ausdrücklich geregelten Speicherfristen unterliegen soll.

Da eine dem § 3 InsBekV vergleichbare Regelung für Negativeinträge wie den hier streitgegenständlichen fehlt, ist die Angemessenheit der Drei-Jahres-Frist des Code of Conduct unter Berücksichtigung der Abwägung der gegenläufigen Interessen nach Maßgabe des Erwägungsgrunds Nr. 39 der DS-GVO zu beurteilen. Neben dem Umstand, dass die Beklagte sich auf nach den Vorgaben des Art. 40 Abs. 2 DS-GVO erstellte und durch die zuständige Aufsichtsbehörde genehmigte Verhaltensregeln bezieht, ist auch zu berücksichtigen, dass sie nur gegenüber ihren Vertragspartnern und auch diesen gegenüber erst bei einem berechtigten Interesse Auskünfte erteilt, also wenn eines dieser Vertragsunternehmen gegenüber dem Kläger mit einer Dienstleistung oder einer Lieferung in Vorleistung geht und damit ein wirtschaftliches Risiko trägt. […]