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Editorial : Auskunft auch über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse? : aus der RDV 6/2023, Seite 347

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Der EuGH hat den Auskunftsanspruch durch mehre Entscheidungen in diesem Jahr sehr weit ausgelegt. Die betroffene Person kann wählen, ob ihr Informationen über bestimmte Empfänger, gegenüber denen diese Daten offengelegt wurden oder noch offengelegt werden, oder Informationen über die Kategorien von Empfängern bereitgestellt werden, so der EuGH am 12.01.2023 (C-154/21). Empfänger sind dabei auch Dienstleister der Auftragsverarbeitung.

In der Entscheidung vom 04.05.2023 (C-487/21) legt der EuGH Art.  15 Abs.  3 S. 1 DS-GVO dahingehend aus, dass das Recht, vom für die Verarbeitung Verantwortlichen eine Kopie der personenbezogenen Daten zu erhalten, bedeutet, dass der betroffenen Person eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten zur Verfügung zu stellen ist. Diese bedürfe keines gesonderten Antrags.

Können und dürfen sich interessierte Kreise oder sogar Konkurrenten über den so weiten Auskunftsanspruch einen genauen Überblick über ausgelagerten Geschäftsprozesse und die Geschäftsverbindungen eines Unternehmens verschaffen?

Geht man nach der Rechtsprechung des EuGH ist dies möglich. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs ist nach Auffassung des Generalanwalts am 20.04.2023 (C 307/22) offensichtlich kein Hindernis, wenn er in seinem Schlussantrag dem EuGH vorschlägt, dass der Verantwortliche verpflichtet ist, der betroffenen Person eine Kopie zur Verfügung zu stellen, und zwar auch dann, wenn die betroffene Person die Kopie für einen datenschutzfremden Zweck beantragt.

Eine vom Bundesinnenministerium in einem Referentenentwurf vorgeschlagenen Regelung soll das Recht auf Auskunft nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO bei Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen des Verantwortlichen oder eines Dritten begrenzen. Diese Regelung ist zu begrüßen. Zwar stellt sich die Frage, ob eine auf Art. 23 DS-GVO gestützte Beschränkung des Auskunftsrechts europarechtskonform ist. Art. 15 Abs. 4 DS-GVO normiert lediglich, dass das Recht auf Erhalt einer „Kopie“ nach Art. 15 Abs. 3 die Rechte und Freiheiten anderer Personen nicht beeinträchtigen darf. Eine generelle Beschränkung des Auskunftsrechts, wenn Rechte und Freiheiten anderer Personen beeinträchtigt würden, ist nicht vorgesehen.

Jedoch wird man den Auskunftsanspruch in praktischer Konkordanz mit den anderen Rechten der Europäischen Grundrechte Charta auslegen müssen (vgl. auch OLG Karlsruhe, Urt. v. 26.05.2023 – 10 U 24/22). Insbesondere die in Art. 16 garantierte unternehmerische Freiheit und das Eigentumsrecht nach Art. 17 müssen mit dem in Art. 8 geregelten Auskunftsanspruch in Einklang gebracht werden. Dabei werden in aller Regel Daten mit Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen des Verantwortlichen oder eines Dritten den Auskunftsanspruch begrenzen.

Diesem Verständnis des Auskunftsanspruchs im Sinne des geplanten § 34 Abs. 1 BDSG entspricht schließlich auch Erwägungsgrund 4 S. 2 DS-GVO, in dem es heißt: „Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden.“

Andreas Jaspers ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V.