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Urteil : Zur erforderlichen Bestimmtheit der Auskunfts- und Klageanträge im Kontext des Art. 15 DS‑GVO : aus der RDV 6/2023, Seite 386-390

(OLG Köln, Urteil vom 10. August 2023 – 15 U 184/22 –)

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Relevanz für die Praxis

Die vorliegende Entscheidung beschäftigt sich v.a. mit den prozessualen Anforderungen an ein Auskunftsbegehren nach Art. 15 DS-GVO.

Sie liefert wichtige Anhaltspunkte für die in der Praxis nicht seltenen Fälle der „scheibchenweisen“ Erfüllung von Auskunftsansprüchen. Im Ergebnis soll es, auch bei teilweiser Erfüllung des Auskunftsbegehrens möglich bleiben, weiterhin pauschal Auskunft einzuklagen, ohne dass ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot droht.

Des Weiteren setzt sich die Entscheidung mit der Annahme des BAG auseinander, wonach ein Antrag nach Art.  15 Abs.  3 DS-GVO erkennen lassen müsse, von welchen Daten konkret eine Kopie verlangt werde. Verfüge der Betroffene hierfür nicht über genügend Informationen, müsse zunächst im Wege der Stufenklage Auskunft verlangt werden, um auf dieser Grundlage dann einen Antrag auf Überlassung der Kopien zu stellen. Das OLG Köln lehnt diese Sichtweise mit Blick auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH zur Kopie ab. Hiernach ist Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DS-GVO als einheitliches Recht zu betrachten. Dieses einheitliche Recht muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten einheitlich geltend gemacht werden können.

  1. Ein auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO gestützter Klageantrag auf Erteilung einer vollständigen Datenauskunft genügt dem Bestimmtheitsgebot des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch dann, wenn die Auskunft teilweise bereits gewährt wurde. Eine Spezifizierung der noch nicht beauskunfteten Daten im Klageantrag ist ebenso wenig erforderlich, wie umgekehrt die Bezeichnung der bereits erteilten Auskünfte, um einen exakten „Restbestand“ an offenen Positionen konkret zu benennen. In den Fällen einer nur „scheibchenweisen“ Erfüllung von Auskunftsansprüchen ist es daher möglich, den noch nicht erfüllten Teil mehr oder weniger pauschal weiter einzuklagen.
  2. Aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes (Art.  79 Abs. 1 DS-GVO) dürfen an die Abfassung von (Datenauskunfts-)Klageanträgen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Da der Anspruchsteller häufig erst durch sein Auskunftsbegehren diejenigen Informationen erlangen möchte, die ihm eine genaue Bezeichnung seiner vom Anspruchsgegner verarbeiteten personenbezogenen Daten ermöglichen, kann die Angabe solcher Informationen nicht Voraussetzung für die prozessuale Durchsetzung des Anspruchs sein.
  3. Art. 15 DS-GVO gewährt einen einheitlichen Auskunftsanspruch und kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 S. 1 ein anderes Recht als das in Abs. 1 vorgesehene gewährt. Dieser einheitliche Anspruch muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten einheitlich geltend gemacht werden können. Hiernach ist insbesondere auch kein Raum mehr für die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, ein auf Überlassung einer Datenkopie gemäß Art. 15 Abs. 3 DS-GVO gerichteter Antrag müsse erkennen lassen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde, und dass ein Anspruchsteller, der zu einer genaueren Bezeichnung außerstande sei, deswegen gehalten wäre, im Wege der Stufenklage zunächst eine Auskunft darüber zu verlangen, welche personenbezogenen Daten der Anspruchsgegner verarbeite, um auf dieser Grundlage sodann einen Antrag auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden Daten stellen zu können.
  4. Es stellt keinen Fall einer rechtsmissbräuchlichen oder exzessiven Rechtsverfolgung i.S.v. Art. 12 Abs. 5 S. 2 lit. b) DS-GVO dar, eine vollständige Datenauskunft weiterhin zu fordern, auch wenn die mit dieser Rechtewahrnehmung zusammenfallende Schadensersatzforderung in die Hauptsache nicht weiterverfolgt wird.

(Leitsätze von RA Dr. Martin Riemer)

Aus den Gründen:

a) Der Auskunftsantrag ist zulässig. Entgegen dem Landgericht bestehen keine Bestimmtheitsbedenken (§  253 Abs.  2 Nr.  2 ZPO) an der ursprünglichen, offen gefassten Antragstellung aus der Klageschrift […], die Beklagte zu verurteilen, „der Klägerin gem. Art. 15 i.V.m. Art. 4 Nr. 1 und 6 DS-GVO eine vollständige Datenauskunft – über die Behandlungsdokumentation Anl. 31 zum Schriftsatz vom 21.11.2019 hinaus – zu erteilen“, an den daran dann anschließenden verschiedenen Teilerledigungserklärungen und/oder an dem wiederum auch eher offen gefassten Hilfsantrag.

aa) Ein Klageantrag ist hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§  308 Abs.  1 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt. Welche Anforderungen an die Konkretisierung des Streitgegenstands in einem Klageantrag zu stellen sind, hängt jedoch auch von den Besonderheiten des anzuwendenden materiellen Rechts und den Umständen des Einzelfalls ab. Die Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags sind danach in Abwägung des zu schützenden Interesses des Beklagten, sich gegen die Klage erschöpfend verteidigen zu können, sowie seines Interesses an Rechtsklarheit und Rechtssicherheit hinsichtlich der Entscheidungswirkungen mit dem ebenfalls schutzwürdigen Interesse des Klägers an einem wirksamen Rechtsschutz festzulegen (vgl. BGH v. 13.10.2015 – VI ZR 271/14, NJW 2016, 1094 Rn. 19 m.w.N.).

bb) Gemessen an diesen Grundsätzen genügt es in den Fällen der Geltendmachung eines Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DS-GVO aber – insofern mit den Erwägungen des Landgerichts beim Hilfsantrag – grundsätzlich, wenn der Klageantrag dem Wortlaut der Vorschrift entsprechend auf Erteilung einer vollständigen Auskunft über die vom Beklagten verarbeiteten personenbezogenen Daten des Klägers gerichtet ist; eine Spezifizierung dieser Daten ist grundsätzlich nicht erforderlich (zutreffend König, CR 2019, 295, 296 [= juris Rn. 9-11]; offenlassend noch BGH v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, juris Rn. 32; BAG v. 16.12.2021 – 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 27). Denn aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes muss es einen Weg geben, den aus Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 DS-GVO folgenden Anspruch auch prozessual durchzusetzen. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Anspruchsteller durch sein Auskunftsbegehren erst die Informationen erlangen will, die ihm eine genaue Bezeichnung seiner vom Anspruchsgegner verarbeiteten personenbezogenen Daten ermöglichen (vgl. BAG v. 16.12.2021 – 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 26). Die Angabe solcher Informationen kann deshalb nicht Voraussetzung für die prozessuale Durchsetzung des Anspruchs sein. Dass in Fällen, in denen der Verantwortliche eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeitet, der Verantwortliche mit Blick auf den letzten Satz des Erwägungsgrundes 63 der DS-GVO verlangen kann, dass die betroffene Person präzisiert, auf welche Informationen oder welche Verarbeitungsvorgänge sich ihr Auskunftsersuchen bezieht, kann hier dahinstehen. Dies betrifft ohnehin eher nicht die prozessuale Frage der hinreichenden Bestimmtheit des Antrags. Die Klägerseite hat zudem schon auf S. 12 der Klageschrift […] unter Bezug auf die vorgerichtlichen Auskunftsbegehren und auch im weiteren gerichtlichen Verfahren […] durchaus hinreichend deutlich gemacht, worum es hier im Übrigen noch gehen soll.

cc) Der hinreichenden Bestimmtheit des Klageantrags stand und steht es schließlich nicht entgegen, dass die Klägerin ihn zunächst auf eine Datenauskunft „über die Behandlungsdokumentation Anl. 31 zum Schriftsatz vom 21.11.2019 hinaus“ beschränkt hat (vgl. auch BGH v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, a.a.O. Rn. 31, 32 zu ähnlichem Verweis auf Anlagen im dortigen Antrag) bzw. später Teilerledigungserklärungen unter Verweis auf bestimmte Schriftsätze abgegeben hat. Zum einen könnte man solche – zu den Akten gereichte – Anlagen und/oder Schriftsätze mit einem gerichtlichen Titel verbinden und somit etwaige Bestimmtheitsbedenken bei einer Auslegung des Titels im Ansatz vermeiden. Letztlich ist das aber – weswegen der Senat hier in Auslegung des Klagebegehrens auch ganz offen tenoriert hat – nicht erforderlich, weil – wie auch sonst bei noch teilweise „unerledigten“ im Sinne von noch nicht vollständig erfüllten – Auskunftsansprüchen einfach offen zur geschuldeten Auskunft (quasi als geschuldetem „Enderfolg“) verurteilt werden kann. Die Beschränkung im ursprünglichen Antrag bzw. der Verweis auf Teilerledigungen trägt nämlich ohnehin ersichtlich nur dem Umstand Rechnung, dass die Beklagte bereits gewisse Auskünfte erteilt hat; mit der Beschränkung ist nur klargestellt, dass die Beklagte die bereits erteilten Auskünfte nach Auffassung der Klägerin nicht mehr wiederholen muss, diese die Auskunft ansonsten aber (zu Recht) als unvollständig ansieht und deswegen eine „vollständige“ Auskunft im Übrigen auch weiterhin einklagt. Wie der Senat auch im Urteil vom heutigen Tage zu 15 U 78/22 (zur Veröffentlichung bestimmt) ausgeführt hat, ist eine Beschränkung durch Verweis auf bereits erteilte Teilauskünfte vor bzw. während des Verfahrens und/ oder sonstige Klarstellungen prozessual nicht zwingend in Antrag und Tenor aufzunehmen, weil man mit dem oben Gesagten einfach einen weit gefassten Antrag in Anlehnung an den Gesetzeswortlaut stellen mag und alles andere dann nur – wie auch sonst – eine Frage des Erfüllungseinwands (§ 362 Abs. 1 BGB) im gerichtlichen Verfahren bzw. bei entsprechender Titulierung später im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO ist. Es ist einem Kläger nach Auffassung des Senats bei Auskunftsbegehren – wie hier – jedenfalls nicht zuzumuten, die bereits erteilten Auskünfte im Einzelnen in den Klageantrag aufzunehmen und einen exakten „Restbestand“ an offenen Positionen konkret zu benennen. Erforderlich ist nur – dazu sogleich – im Rahmen der Begründetheit der Klage, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung tatsächlich noch keine vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB feststellbar ist. Ist das nicht der Fall, kann entsprechend offen verurteilt werden. Der Senat verkennt dabei ausdrücklich nicht, dass es für die gerichtliche Handhabung u.U. einfacher und klarer wäre, wenn der eine Auskunft begehrende Kläger anfangs etwa eine Vielzahl ganz konkreter Punkte in sein Auskunftsbegehren aufnehmen und im Laufe des Rechtsstreits bei Erklärungen des Beklagten nur zu einigen Punkten jeweils Teilerledigungserklärungen abgeben würde und das Gericht über die verbleibenden offenen Punkte dann streitig durchentscheiden und ggf. diese einzeln tenorieren könnte. Es darf aber schon mit Blick auf Art. 79 Abs. 1 DS-GVO die Durchsetzung von Auskunftsbegehren nicht ohne Not erschwert werden. Das gilt umso mehr, als man auch bei anderen Auskunftsbegehren bei der Antragstellung oft eher kulant verfährt und Zweifelsfragen im §  888 ZPOVerfahren klärt. In – praktisch nicht seltenen – Fällen einer nur „scheibchenweisen“ Erfüllung von Auskunftsansprüchen i.S.d. Art.  15 DS-GVO muss es daher im Grundsatz möglich sein, die Auskunft – genauer: den noch nicht erfüllten Teil – mehr oder weniger pauschal weiter einzuklagen bzw. zu tenorieren, wobei eine Erledigungserklärung „im Übrigen“ dann oft eher nur mitgedacht oder bei Bedarf ausdrücklich erklärt werden mag, letztlich aber allenfalls auf Kostenebene relevant werden kann bzw. bei einseitig gebliebener Erledigungserklärung allenfalls dann, wenn streitig wäre, ob eine beauskunftete bestimmte Position überhaupt materiell vom Auskunftsanspruch erfasst war. Derartige Fragen stellen sich hier aber nicht und alles Gewollte wird vom – insofern letztlich – identischen Haupt- bzw. Hilfsantrag erfasst. Gegen eine ansonsten zu weitgehende „Präzisierungspflicht“ streitet im Übrigen ein Umkehrschluss aus § 34 Abs. 4 BDSG, welcher nur für öffentliche Stellen eine genauere Konkretisierung vorsieht (für Gegenschluss daher auch BeckOKDatenschutzR/Schmidt-Wudy, Art. 15 Rn. 47).

dd) Der streitgegenständliche Antrag erfasst – dies entgegen dem Landgericht – auch ohne eine klarstellende Formulierung in Antrag/Tenor (wie im Fall des BGH v. 15.06.2021 – VI ZR 576/19, juris: „Datenauskunft durch Überlassen in Kopie – hilfsweise in Textform“) und/oder eine Bezugnahme auf Art.  15 Abs.  3 DS-GVO ausdrücklich auch das Recht auf Kopie. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vom 04.05.2023 – C-487/21, EuZW 2023, 575 – legt Art. 15 Abs. 3 DS-GVO nämlich nur die praktischen Modalitäten für die Erfüllung der aus Art. 15 Abs. 1 DS-GVO folgenden Auskunftspflicht fest. Art. 15 DS-GVO kann deshalb gerade nicht so ausgelegt werden, dass er in seinem Abs. 3 S. 1 ein anderes Recht als das in Abs. 1 vorgesehene gewährt (vgl. EuGH, a.a.O., Rn. 31 f.). Nach dieser Entscheidung ist insbesondere auch kein Raum mehr für die Annahme des Bundesarbeitsgerichts, ein auf Überlassung einer Datenkopie gemäß Art.  15 Abs.  3 DS-GVO gerichteter Antrag müsse erkennen lassen, von welchen personenbezogenen Daten eine Kopie verlangt werde, und ein Anspruchsteller, der zu einer genaueren Bezeichnung außerstande sei, sei deswegen gehalten, im Wege der Stufenklage zunächst eine Auskunft darüber zu verlangen, welche personenbezogenen Daten der Anspruchsgegner verarbeite, um auf dieser Grundlage sodann einen Antrag auf Überlassung einer Kopie der sich aus der Auskunft ergebenden Daten stellen zu können (Urt. v. 16.12.2021 – 2 AZR 235/21, NJW 2022, 960 Rn. 33; v. 27.04.2021 – 2 AZR 342/20, NJW 2021, 2379 Rn. 20 f.; kritisch dazu bereits Lembke/Fischels, NZA 2022, 513, 519 f.; vgl. auch Senat v. 17.11.2022 – 15 U 159/21, n.v.). Art.  15 DS-GVO enthält vielmehr nach der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einen einheitlichen Auskunftsanspruch. Die Klägerin hatte sich zudem auch bereits erstinstanzlich auf ihr Recht auf Überlassung einer Kopie berufen (siehe u.a. Schriftsatz vom 29.05.2022, Bl. 450 d.A.). Dieser einheitliche Anspruch muss grundsätzlich ohne eine Spezifizierung der personenbezogenen Daten – wie hier – einheitlich geltend gemacht werden können. Da der Anspruch auf eine unvertretbare Handlung gerichtet ist, ist er nach § 888 ZPO zu vollstrecken (vgl. Lembke/Fischels, NZA 2022, 513, 520). Erteilt ein zur Auskunftserteilung verurteilter Schuldner (weitere) Auskünfte und stellt dem Gläubiger Datenkopien zur Verfügung, muss gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren geprüft werden, ob der titulierte Auskunftsanspruch dadurch dann endgültig erfüllt worden ist. Daraus möglicherweise resultierende Schwierigkeiten sind keine datenschutzrechtliche Besonderheit, sondern können in ähnlicher Form auch bei anderen Auskunftsansprüchen auftreten.

b) Entgegen dem Landgericht ist der Auskunftsanspruch der Klägerin – hat die Beklagte zu 1) im Verfahrensverlauf immerhin auch erkannt, dass der Anspruch aus Art. 15 Abs. 1 und 3 DS-GVO über eine Übergabe von Behandlungsunterlagen hinausreicht (vgl. dazu auch Senat v. 10.08.2023 – 15 U 149/22, zur Veröffentlichung bestimmt) – bis zuletzt noch nicht vollständig erfüllt.

aa) Soweit das Landgericht bei Art.  15 Abs.  1 DS-GVO zwischen einer angeblich nur eingeklagten Auskunft über die „personenbezogenen Daten“ der Klägerin einerseits und Ansprüchen auf sonstige „Informationen“ anderseits differenziert hat, ist dies dem Klagebegehren zwar nicht gerecht geworden. Die eingeklagte „vollständige“ Datenauskunft erfasste richtigerweise die gesamte von Gesetzes wegen geschuldete „Auskunft über diese personenbezogenen Daten und auf folgende Informationen“ im Sinne der Norm. Indes hat die Beklagte zu 1) diesen Anspruch in den insofern streitigen Punkten im Verfahrensverlauf jedenfalls erfüllt […].

bb) Auf weitere Angaben zur Korrespondenz der Beklagten zu 1) mit ihren Anwälten hat die Klägerseite verzichtet (S. 3 des Schriftsatzes v. 14.06.2022, Bl. 469d.A.); auch insofern kann man keine weitergehenden Auskunftsansprüche mehr verfolgen.

cc) Erfüllt sind – anderes macht die Klägerseite auch nicht geltend – auch der Auskunftsanspruch zu den „Verwaltungsdaten“ im Bereich der Krankenhausverwaltung und der Abrechnung, dies mit Schriftsatz v. 01.08.2022 nebst Anlagen (Bl. 625 ff. d.A.).

dd) Nicht erfüllt ist hingegen das Auskunftsbegehren – dies entgegen den Ausführungen des Landgerichts – zu der (internen) Korrespondenz der Beklagten zu 1) mit dem Haftpflichtversicherer; dies auch mit Blick auf Art.  15 Abs.  3 DS-GVO. Hier genügen die in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht abgegebenen Erklärungen – entgegen dem Landgericht – nicht schon für die Annahme einer „Vollständigkeitserklärung“ i.S.d. Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu Art. 15 Abs. 1 DS-GVO. Denn die Beklagte zu 1) ist bis zuletzt erkennbar von der unrichtigen Auffassung ausgegangen, man müsse zu solchen Unterlagen nichts beauskunften, müsse erst recht keine Kopien herausgeben und es greife jedenfalls insgesamt Art. 15 Abs. 4 DS-GVO ein (vgl. etwa S. 1 ff, des Schriftsatzes v. 14.04.2022, Bl. 379 ff. d.A., S. 1 f. des Schriftsatzes v. 23.05.2022, Bl. 427 f. d.A., S. 2 des Schriftsatzes v. 08.06.2022, Bl. 463 d.A.). Nach Maßgabe der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes v. 04.05.2023 – C-487/21, EuZW 2023, 575 Rn. 41 ff. ist ggfs. auch eine Reproduktion von Auszügen aus (auch internen) Dokumenten oder gar von ganzen Dokumenten oder auch von Auszügen aus Datenbanken, die u.a. personenbezogene Daten enthalten, die Gegenstand der Verarbeitung sind, zu überlassen, wenn sich dies als „unerlässlich“ erweist, so wenn die Kontextualisierung der verarbeiteten Daten erforderlich ist, um ihre Verständlichkeit zu gewährleisten. Mit Blick auf Art.  15 Abs. 4 DS-GVO sind im Fall eines etwaigen Konflikts zwischen der Ausübung des Rechts auf vollständige und umfassende Auskunft über die personenbezogenen Daten zum einen und den Rechten oder Freiheiten anderer Personen zum anderen die fraglichen Rechtspositionen klar gegeneinander abzuwägen; nach Möglichkeit sind Modalitäten der Übermittlung der personenbezogenen Daten zu wählen, die die Rechte oder Freiheiten anderer Personen nicht verletzen, wobei diese Erwägungen andererseits nicht dazu führen dürfen, dass der betroffenen Person jegliche Auskunft verweigert wird. Die Form und die Modalitäten der Auskunftserteilung und insbesondere die Frage, ob die Beklagte der Klägerin auch Auszüge aus den fraglichen Dokumenten oder gar ganze Dokumente übermitteln muss (vgl. dazu EuGH a.a.O.), bedürfen derzeit keiner Klärung. Denn bislang fehlt es – wie ausgeführt – an jeglichen prüfbaren Angaben der Beklagten zu 1) zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der fraglichen Korrespondenz. Soweit nur mitgeteilt wird, dass sich in den internen Unterlagen jedenfalls im Ergebnis keine Verarbeitung anderer personenbezogener Daten finde als in den bereits beauskunfteten Unterlagen selbst, genügt dies nicht. Es wäre insbesondere – in Arzthaftungsprozessen nicht ausgeschlossen – zumindest auch noch deutlich zu machen, dass man hier keinerlei weitere Informationen/Unterlagen mit personenbezogenen Daten der Klägerin bei der internen Aufarbeitung des angeblichen Haftungsfalles bzw. in der Korrespondenz mit dem Haftpflichtversicherer verarbeitet hat (z.B. ergänzende Informationen durch weitere Befragung der behandelnden Ärzte oder sonstigen Personals in Detailfragen, andere medizinische Unterlagen aus der Station, medizinische Daten, weitere Röntgenbilder oder Laborbefunde etc.), die über die – zur Verfügung gestellte – Behandlungsakte ggf. noch hinausreichen. Dazu fehlen bis zuletzt ausreichend klare Angaben.

ee) Ebenfalls unerfüllt geblieben ist das – von Anfang an deutliche – Begehren zur Beauskunftung einer etwaigen Verarbeitung personenbezogener Daten in etwaigen Telefon-, Besprechungs- und Bearbeitungsnotizen zum Schadensfall. Auch dazu vermag der Senat keine „Vollständigkeitserklärung“ zu erkennen.

[…]

d) Die von der Klägerin mit einer eigenen Berufung nicht angegriffene Abweisung der Arzthaftungsklage macht das vom Streithelfer weiterverfolgte Auskunftsbegehren schließlich im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung allein noch nicht rechtsmissbräuchlich („exzessiv“) i.S.d. Art.  12 Abs.  5 S. 2 lit.  b) DS-GVO. Ungeachtet der Frage, dass auch die Verfolgung arzthaftungsrechtlicher (und damit „datenschutzfremder“) Zwecke allein ein solches Ersuchen nicht zu Fall gebracht haben dürfte (Generalanwalt, Schlussantrag v. 20.04.2023 – C-307/22, BeckRS 2023, 7659; offen BGH v. 29.03.2022 – VI ZR 1352/20, ZD 2022, 497), dient vorliegend – wie der Streithelfer im Termin auch betont hat – die Beauskunftung auch nach endgültiger Abweisung der Haftungsansprüche zumindest auch noch der Befriedigung etwaiger anderer datenschutzrechtlicher Belange der Klägerin, die jedenfalls nicht gehindert wäre, mit etwaigen Auskünften noch Ansprüche aus Art. 16 ff. DS-GVO zu verfolgen oder aufsichtsbehördliche Maßnahmen anzuregen, sollte nach Auskunftserteilung dazu Anlass bestehen. Unzumutbare Belastungen der Beklagten zu 1) andererseits sind bis zuletzt nicht ausreichend konkret eingewandt und streiten in der Abwägung daher auch nicht zu deren Gunsten.

Zur Vertiefung:

Peisker, Die Kopie nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO – Gedanken zur EuGH-Entscheidung in der Rs. C-487/21 = RDV 3/2023

Allgayer, Die Datenschutz-Grundverordnung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts = RDV 1/2023

Nowak/Bornholdt, Zum Recht auf Kopie und zur rechtlichen Weite eines Anspruchs gemäß Art.  15 Abs.  3 der DatenschutzGrundverordnung = RDV 4/2020

[Urteil] Reichweite des Rechts auf Kopie aus Art.  15 Abs.  3 S. 1 DS-GVO = RDV 4/2023

[Urteil] Zur Reichweite des Auskunftsanspruchs nach Art.  15 Abs. 1 DS-GVO = RDV 4/2021

[Urteil] Zum Recht auf kostenlose Kopie der juristischen Staatsprüfung = RDV 5/2021