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Aufsatz : Datenschutzrecht im Fluss : aus der RDV 1/2015, Seite 3 bis 10

Lesezeit 27 Min.
Porträt Dr. Georg Wronka

Die Zeit, in der die nationalen Gesetzgeber nach ihren eigenen Vorstellungen und unabhängig vom europäischen Umfeld Datenschutzrecht verbindlich festschreiben konnten, ist lange vorbei. Mehr und mehr bestimmen europarechtliche Vorgaben die Ausgestaltung der Normen und schränken die Handlungsräume der Mitgliedstaaten ein. So wird sich demnächst eine EU-Datenschutz-Grundverordnung schlichtweg über das BDSG und andere bereichsspezifische Gesetze stülpen und der Praxis neue Auslegungs- und Anwendungsprobleme bescheren. Sie gesellen sich zu den Fragen, die bereits heute komplizierte und intransparente Gesetzesformeln wie § 28 Abs. 3 BDSG aufwerfen oder neue Vorhaben wie die datenschutzspezifische Novellierung des UKlaG auslösen. Inwieweit sich Gesetzesänderungen als wirklich notwendig erweisen, ob sie praktikabel sind und ob sie immer auch einem fairen Interessenausgleich Rechnung tragen, bleibt ein fortwährender Prüfauftrag an den Gesetzgeber auch über den jüngst vorgelegten Evaluierungsbericht der Bundesregierung hinaus.

I. Vorbemerkung

Für nationale gesetzgeberische Aktivitäten auf dem Gebiet des Datenschutzes bietet es sich momentan an, zunächst die Verhandlungen über die Schaffung der EU-Datenschutz-Grundverordnung abzuwarten. Für den Beschäftigtendatenschutz hat die Bundesregierung dies jedenfalls so entschieden[1]. Andererseits ist sie gleichwohl tätig geworden, wobei zwei ihrer Aktivitäten in einem gewissen Zusammenhang stehen. Es geht einmal um die gesetzlich vorgesehene Evaluierung der 2009 in das BDSG eingefügten Vorschriften zur Ergänzung der §§ 28 und 29 BDSG um weitere Regelungen zum Kundendaten- bzw. Verbraucherschutz und zum anderen um die Erweiterung der Befugnisse von Verbänden zur Führung von Verbandsklagen bei Verstößen gegen datenschutzrechtliche Vorschriften.

II. Die Evaluierung des § 28 BDSG

Nach dem Auftrag des § 48 S. 1 Nr. 2 BDSG hatte die Bundesregierung bis zum 31. Dezember 2014 dem Bundestag über die Auswirkungen der im Jahre 2009 erfolgten Änderung[2] der §§ 28 und 29 BDSG[3] zu berichten und – sofern sich aus dem Bericht gesetzgeberische Maßnahmen empfehlen – hierzu Vorschläge zu unterbreiten. Der Bericht wurde dem Bundestag am 30.12.2014 zugeleitet. Darin stellte sie fest, dass das „Ziel der zweiten BDSG-Novelle grundsätzlich erreicht wurde“ und im übrigen die EU-Datenschutz-Grundverordnung abzuwarten sei[4].

Nach § 28 Absatz 3 Satz 1 BDSG ist die Verarbeitung oder Nutzung personenbezogener Daten für Zwecke des Adresshandels oder der Werbung prinzipiell zulässig, wenn der Betroffene eingewilligt hat. Dieser Grundsatz wird aber durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen. Die zunächst bekundete Absicht, im Rahmen der Novelle II[5] einen generell geltenden Einwilligungsvorbehalt einzuführen, wurde nicht umgesetzt. Die Ausnahmeregelungen sind dadurch geboten, dass auch die werbliche Betätigung der Wirtschaft verfassungsrechtlichen Schutz (u.a. gemäß Art. 2 Abs. 1, 5; 12; 14 GG) genießt[6] und die diesbezügliche Verwendung personenbezogener Daten eine existentielle Voraussetzung für das Funktionieren der Gesamtwirtschaft ist[7].

Die eine Verarbeitung von personenbezogenen Daten zu Werbezwecken ohne Einwilligung gestattenden Erlaubnisregelungen sind andererseits so „undurchsichtig“, dass die Bestimmungen auch nach dem Versuch einer schließlich im Jahr 2013 vorgelegten Kommentierung der zahlreichen Streitfragen durch die Aufsichtsbehörden[8] nach wie vor eine hoch komplexe Regelung darstellen, die dem Anwender das Werbegeschäft nicht gerade erleichtert. Sie haben die Literatur ungemein bereichert[9] und zugleich die Praxis mit erheblichen Risiken belastet. Neben drastischer Kritik[10] gibt es vereinzelt aber auch positive Stimmen, die die derzeitige Regelung im Vergleich zu dem kommenden EU-Recht noch als das geringere Übel betrachten[11].

III. § 28 Abs. 3 BDSG als deutscher Sonderweg

§ 28 Abs. 3 BDSG, der eine Sonderregelung für die Datenverarbeitung zu Werbezwecken vorsieht, ist als lex specialis in den Katalog der Erlaubnisalternativen des Art. 7 der DSRL nicht einzuordnen und lässt sich auch aus Art. 5, der den Mitgliedstaaten einen engen Durchführungsfreiraum einräumt, nicht herleiten. Zumindest nachdem der EuGH[12] die Auffassung vertritt, dass der der EU-DatSchRl zugrunde liegende Gedanke der Vollharmonisierung jeglicher einzelstaatlicher Abweichung, sei es im Sinn einer Verschärfung, sei es im Sinn einer Absenkung des mit ihr für alle Mitgliedstaaten verbindlich festgeschriebenen Datenschutzniveaus entgegensteht, ist es nicht verwunderlich, dass die Europarechtskonformität von § 28 Abs. 3 BDSG in Zweifel gezogen wird[13]. Schließlich wurden die sehr viel allgemeineren Vorgaben der Richtlinie durch erhebliche Einschränkungen für die Werbewirtschaft umgesetzt – der Gesetzesbegründung zufolge zur Stärkung der Rechtsstellung der Betroffenen[14].

IV. Werbung nach der EU-DS-Grundverordnung (GVO)

Im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen über die Schaffung einer EU-DS-GVO stellt sich die Frage nach dem Fortbestand der deutschen Regelung nach Verabschiedung der Verordnung. Der Kommissionsvorschlag gestattet die Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten in Art. 6 Ziff. 1 Buchst. f (entsprechend § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BDSG) im Rahmen einer Interessenabwägung. Das Europäische Parlament berücksichtigt ebenfalls die eine Datenweitergabe rechtfertigenden Interessen Dritter und bringt dies in einem Positionspapier wie folgt zum Ausdruck: „Die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des für die Verarbeitung Verantwortlichen – oder, im Fall der Weitergabe, der berechtigten Interessen eines Dritten, an den die Daten weitergegeben wurden –, die die berechtigten Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrem Verhältnis zu dem für die Verarbeitung Verantwortlichen beruhen, erfüllen, erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen…“.

Damit ist auch der Zulässigkeitsrahmen für Verarbeitungen zu Zwecken des Direktmarketing bestimmt, da eine weitere, der Regelung des § 28 Abs. 3 BDSG entsprechende Norm nicht vorgesehen ist. Neben im konkreten Fall entgegenstehenden schutzwürdigen Interessen ist allein weitere Voraussetzung für die Gestattung, dass der Betroffene nicht von seinem ihm jederzeit zustehenden Widerspruchsrecht Gebrauch macht bzw. gemacht hat (Art. 19 Ziff. 2).

Die vom Parlament in den Kommissionsvorschlag eingefügte Nr. 39b der Erwägungsgründe macht die grundsätzliche Erlaubnis der Nutzung personenbezogener Daten von Kunden und Interessenten für Werbezwecke per Post deutlich: „Sofern die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen, sollte die Vermutung gelten, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktvermarktung für eigene oder ähnliche Waren und Dienstleistungen oder zum Zwecke der Direktvermarktung auf dem Postweg für die berechtigten Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder, im Fall der Weitergabe, für die berechtigten Interessen des Dritten, an den die Daten weitergegeben wurden, durchgeführt wird und die berechtigten Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrem Verhältnis zu dem für die Verarbeitung Verantwortlichen beruhen, erfüllt werden, wenn gut sichtbare Informationen über das Widerspruchsrecht und die Quelle der personenbezogenen Daten angegeben werden. Die Verarbeitung von Angaben über Geschäftskontakte sollten im Allgemeinen so betrachtet werden, dass sie für die berechtigten Interessen des für die Datenverarbeitung Verantwortlichen oder, im Fall der Weitergabe, für die berechtigten Interessen des Dritten, an den die Daten weitergegeben wurden, durchgeführt wird und die berechtigten Erwartungen der betroffenen Person, die auf ihrem Verhältnis zu dem für die Verarbeitung Verantwortlichen beruhen, erfüllt werden. Dies sollte auch für die Verarbeitung personenbezogener Daten gelten, die die betroffene Person offenkundig veröffentlicht hat…“

Mit dieser Regelung dürfte die schwer verständliche und nach wie vor strittig ausgelegte BDSG-Norm wohl hinfällig werden. Als Folge vermuten und befürchten Eckhardt/Kramer[15]dann unterschiedliche nationale Interpretationen, so dass zulasten der Werbungtreibenden und auch für die Werbeempfänger unter dem Aspekt der Rechtssicherheit ein erheblicher Rückschritt eintreten könnte.

V. Einwilligung als Erlaubnistatbestand

1. Zweifelsfragen

Nach derzeitigem deutschen Recht ist, wie gesagt, die Einwilligung der Grundtatbestand, der die Werbung-spezifische Datenverarbeitung und -nutzung legitimiert.

Die Anforderungen an eine wirksame Einwilligung regeln zunächst §§ 4a, 28 Absatz 3a BDSG[16]. Danach ist der Inhalt der Einwilligung, wenn sie in anderer Form als der Schriftform erteilt wird, dem Betroffenen von der verantwortlichen Stelle schriftlich zu bestätigen. Im Falle einer elektronisch erklärten Einwilligung ist die Einwilligung zu protokollieren, und der Betroffene muss diese jederzeit abrufen und widerrufen können. Der Betroffene soll so in die Lage versetzt werden zu kontrollieren, ob die verantwortliche Stelle die Einwilligung korrekt protokolliert hat[17].

§ 28 Absatz 3a Satz 2 BDSG sieht des Weiteren vor, dass eine Einwilligung, die zusammen mit anderen Erklärungen schriftlich erteilt werden soll, in drucktechnisch deutlicher Gestaltung besonders hervorzuheben ist; eine entsprechende Regelung findet sich in § 4 Abs. 1 S. 4 BDSG.

Die Einwilligung als eine von mehreren Erlaubnisalternativen ist in inhaltlicher Hinsicht zweifellos richtlinienkonform konzipiert (vgl. Art. 2 Buchst. h DRL), bleibt aber angesichts der zu erfüllenden und in der Praxis immer wieder verfehlten rechtlichen Anforderungen i.d.R. nur ultima ratio. Falls ein werbendes Unternehmen sich auf die Einwilligung als Zulässigkeitstatbestand stützen will, sieht es sich vor allem mit folgenden Fragen konfrontiert:

  • Ist dem Betroffenen der Inhalt seiner Einverständniserklärung in vollem Umfang bewusst, ist die betreffende Klausel also eindeutig und sozusagen selbsterklärend formuliert, oder wird er vom Unternehmen wenigstens auf sonstige Weise entsprechend ausreichend informiert?
  • Beim Massengeschäft Direktwerbung werden Einwilligungserklärungen in aller Regel über vorformulierte Klauseln (z.B. auf Bestellformularen, in Couponanzeigen, bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen), die den Charakter von AGB besitzen, eingeholt. Entsprechen Sie dem Transparenzpostulat des § 307 BGB? – Welche formalen Kriterien sind bei Einwilligungen zu beachten, die nicht schriftlich, sondern auf sonstige Weise erteilt werden? Genügt die Übergabe einer Visitenkarte?[18] Wie erfolgt die Dokumentation einer mündlich erklärten Einwilligung?
  • Ist der Betroffene auf Grund seines Alters in der Lage, eine rechtswirksame Erklärung abzugeben? Nach dem OLG Hamm[19] darf eine Krankenkasse nach §§ 8 Abs. 1, 3 und 4 Nr. 2 UWG bei Gewinnspielen auch keine persönlichen Daten von minderjährigen Verbrauchern über 15 Jahren erheben, um diese u.a. telefonisch, per E-Mail oder brieflich als Kunden bewerben zu können. Die Einwilligung des Jugendlichen genügt nicht.
  • Wann verliert die Einwilligung ihre Wirksamkeit? Einwilligungen sind grundsätzlich frei widerrufbar. Eine Einwilligung muss binnen angemessener Frist[20] auch genutzt werden, weil sie sonst ihre Gültigkeit verliert.

2. Beispiele „missglückter“ Einwilligungserklärungen

Die Gerichte haben sich wiederholt mit standardisierten Einwilligungsklauseln befasst und festgestellt, dass sie nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. Im Wesentlichen betraf ihre Kritik die Unvereinbarkeit einer Klausel mit den AGB-Vorschriften, namentlich § 307 BGB, Mängel in der inhaltlichen und formalen Ausgestaltung der Erklärung im Hinblick auf § 4a Abs. 1 BDSG sowie die mangelhafte Differenzierung zwischen datenschutzrechtlichem und wettbewerbsrechtlichem Einverständnis.

Eine kleine Auswahl von als rechtswidrig und deshalb unwirksam beurteilten Klauseln soll eine Vorstellung von den „Fallstricken“ vermitteln, in die sich ein Unternehmen bei der Formulierung von Standardklauseln verwickeln kann, wobei anzumerken ist, dass die gerichtliche Überprüfung der Klauseln durchweg im Wege einer Verbandsklage erfolgte.

Beispiel 1:[21] „Mit meiner Unterschrift erkläre ich mich einverstanden, dass die von mir oben angegebenen Daten sowie die Rabattdaten (Waren/Dienstleistungen, Preis, Rabattbetrag, Ort und Datum des Vorgangs) für an mich gerichtete Werbung (z.B. Informationen über Sonderangebote, Rabattaktionen) per Post und mittels ggf. von mir beantragter Services (SMS oder E-Mail-Newsletter) sowie zu Zwecken der Marktforschung ausschließlich von der L. … GmbH und den Partnerunternehmen gemäß Nummer 2 der beiliegenden Hinweise zum Datenschutz gespeichert und genutzt werden….

( ) Hier ankreuzen, falls die Einwilligung nicht erteilt wird.“

Die Klausel ist unwirksam, weil ein Verstoß gegen § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB vorliegt. Dieser wird u.a. damit begründet, dass die Einwilligungserklärung in elektronische Werbung gem. § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG gesondert mit einer „opt-in“- Erklärung zum Ausdruck gebracht werden muss.

Beispiel 2[22]: „Ich bin widerruflich damit einverstanden, dass der Anbieter meine Kontaktdaten (Post-, E-Mail-Adresse sowie Fax- und Rufnummer) zur Beratung und Werbung ausschließlich für eigene Zwecke nutzt und mir auf diesem Weg aktuelle Produktinformationen bzw. Newsletter zukommen lässt. Meine Einwilligung kann ich jederzeit zurückziehen.“

Die Klausel fand sich in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftragsformulars eines Telekommunikationsanbieters. Sie wurde wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 BGB für unwirksam erklärt, da ihre Aufnahme in den Kontext der Allgemeinen Geschäftsbedingungen weder dem Erfordernis der besonderen Hervorhebung (§ 4a Abs. 1 Satz 4 BDSG) entsprach noch bzgl. der Telefon-/Fax- und elektronischen Werbung zu einer ausdrücklich darauf abstellenden Abgabe der Einwilligungserklärung (§ 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG) führte.

Beispiel 3[23]: „…Tel. (z.B. zur Gewinnbenachrichtigung u. für weitere interessante telef. Angebote …“

Die Klausel ist unwirksam, weil das Gericht einen Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 BGB annahm. Begründet wurde dies u.a. damit, dass der Anruf zur Gewinnbenachrichtigung nicht der Einwilligung bedarf und sowohl unklar bleibt, welchen Inhalt die vorgesehene Werbung hat, als auch, wer zu Anrufen berechtigt werden soll.

Beispiel 4[24]: „Ja, ich bin damit einverstanden, dass ich telefonisch/per E-Mails/SMS (…) über interessante Angebote – auch durch Dritte und Partnerunternehmen – informiert werde.“

Angenommen wurde die Unwirksamkeit wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB. Dieser resultiert daraus, dass nicht ersichtlich wird, welche Waren und/ oder Dienstleistungen von welchen Unternehmen angeboten werden dürfen.

Beispiel 5[25]: „Ich bin auch damit einverstanden, dass … meine Daten für Zwecke der Werbung, Marktforschung und Beratung nutzt und selbst oder durch Dritte verarbeitet und dass mir schriftlich, telefonisch und per E-Mail weitere interessante Angebote unterbreitet werden.“

Die Unwirksamkeit resultiert aus einem Verstoß gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 BGB. Er besteht darin, dass für den Adressaten (hier: Teilnehmer eines Preisausschreibens) nicht deutlich wird, mit welchen Angeboten von welchen Unternehmen er rechnen muss[26]. Für die Entscheidung spielte es keine Rolle mehr, dass auch die erforderliche separate Erteilung der Einwilligung in Telefon und E-Mail-Werbung fehlte.

Beanstandet werden aber auch die gebotenen Hinweise auf die jederzeitige Widerspruchsmöglichkeit gegen ohne Einwilligung zulässige werbliche briefliche Ansprache.

Beispiel 6:[27] „Die X-GmbH darf Sie zum Zwecke der Beratung, Werbung und Marktforschung zu eigenen Produkten postalisch oder per E-Mail kontaktieren, sofern Sie nicht gegenüber der XGmbH widersprechen.“

Die Formulierung wurde als nicht ausreichend verständlich und transparent bewertet, weil sie geeignet sei, den Kunden über seine Widerspruchsrecht im Unklaren zu lassen. Es genüge nicht, den Kunden bei Erhebung der Rufnummer, Anschrift und E-Mail-Adresse über sein Widerspruchsrecht hinsichtlich der Datennutzung zu belehren. Vielmehr müsse er deutlich darauf hingewiesen werden, dass er jederzeit, also auch zu einem späteren Zeitpunkt, der Versendung weiterer Nachrichten widersprechen könne.

3. Die Einwilligung als Allgemeine Geschäftsbedingung

Die Wirksamkeit von Einwilligungen hängt nicht davon ab, dass sie im Rahmen von vorformulierten Erklärungen abgegeben werden. Diese Erklärungen unterliegen aber als allgemeine Geschäftsbedingungen der Kontrolle nach §§ 305 ff BGB[28] Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach § 305 Abs. 1 BGB Vertragsbedingungen, d.h. Erklärungen des Verwenders, die den Vertragsinhalt regeln. Es muss sich um eine verbindlich gewollte Erklärung handeln, in der Abgrenzung zu bloß unverbindlichen Bitten oder Empfehlungen, werbenden Aussagen sowie Hinweisen ohne eigenständigen Regelungsgehalt[29].

„Eine Vertragsbedingung liegt vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es sollte damit der Inhalt eines vertrag – lichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden“[30]Das gilt ausnahmsweise auch bei einseitigen Rechtsgeschäften, wie bei der Veranstaltung eines Preisausschreibens oder eines Gewinnspiels (Auslobung gem. §§ 651, 657 BGB), da mit der Einwilligungserklärungen für Werbeanrufe in die Rechtsposition Dritter eingegriffen wird[31].

VI. Verbandsklagen als neues Schwert des Datenschutzes?

1. Die derzeitige Rechtslage

Bereits derzeit können nicht nur Betroffene, sondern auch Verbände und Organisationen, die den Verbraucher- und Wettbewerbsschutz als Aufgabe haben, ggf. klageweise gegen verantwortliche Stellen vorgehen, wenn diese datenschutzrechtliche Bestimmungen gegenüber Verbrauchern verletzen. Die Rechtsgrundlagen hierfür finden sich im BGB (für betroffene Verbraucher) sowie (für Wettbewerber und Verbände) im „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ (UWG) und dem Gesetz über „Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen“ (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG)[32].

Der verbandsspezifische Anspruch ist darauf gerichtet, bestimmte Handlungen zu unterlassen (§§ 1, 2 Abs. 1 UKlaG; § 8 Abs. 1 UWG) und ggf. auch in ihren Folgen zu beseitigen (§ 8 Abs. 1 UWG). Die zu unterlassenden Handlungen können mittelbar und unmittelbar Datenschutzbezug haben. Der Datenschutz ist von dem Unterlassungsanspruch jedenfalls dann berührt, wenn die beanstandete wettbewerbsrechtliche bzw. gegen Verbraucherrechte gerichtete geschäftliche Handlung gleichzeitig mit dem BDSG unvereinbar ist. Das gilt etwa, wenn BDSG-Einwilligungen (§ 4a BDSG) als allgemeine Geschäftsbedingungen verfasst sind und der insoweit bestehenden Überprüfungsbefugnis eines Verbands vor Gericht nicht standhalten.

Eindeutig gegen das UWG (§ 7 Abs. 2) und gleichzeitig das BDSG wird verstoßen, wenn Verbraucher ohne vorherige Einwilligung telefonisch werblich angesprochen werden[33]. Hier kann die Unterlassung der Cold Calls einerseits von Verbraucherschutzverbänden zivilrechtlich[34] und andererseits von der Datenschutzaufsichtsbehörde[35] durch Festsetzung eines Zwangsgelds durchgesetzt werden. Auch die Verstöße gegen das Einwilligungserfordernis der § 7 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 und Abs. 3 UWG können nicht nur von Mitbewerbern, sondern auch klagebefugten Verbänden verfolgt werden[36], ohne dass diese in Prozessstandschaft für den betroffenen Verbraucher handeln müssen[37].

Besonderheit des Klagerechts ist nämlich, dass es keinen Auftrag des betroffenen Verbrauchers voraussetzt. Der Verband macht vielmehr eigene Ansprüche geltend und kann daher auch ohne oder gegen den Wunsch von Betroffenen tätig werden[38]. Die gerügte Handlung muss jedoch Kollektivinteressen von Verbrauchern berühren. Das ist nur der Fall, wenn der Verstoß in seinem Gewicht und seiner Bedeutung über den Einzelfall hinausreicht und eine generelle Klärung geboten erscheinen lässt. Unzulässig ist daher in jedem Falle, wenn das Vorgehen nur dazu dient, einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten zu erzielen (§ 8 Abs. 4 UWG).

2. Die Klagebefugnis

2.1. Der betroffene Verbraucher

Während Mitbewerber, Verbände und IHK’s Wettbewerbsverstöße gem. §§ 8, 9 UWG verfolgen können, ist dies dem einzelnen Verbraucher nach Wettbewerbsrecht nicht möglich.

Verbrauchern und „sonstigen Marktteilnehmern“, die von unlauteren Wettbewerbshandlungen betroffen sind, räumen das UWG oder das UKlaG nämlich keine Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche ein. Ihren Rechtsschutz müssen sie aus anderen Rechtsquellen ableiten; z.B. kann die Unterlassung von Datenschutzverletzungen auf §§ 1004 Abs. 1 S. 2; 823 Abs. 1 und/oder 2 BGB gestützt werden. Geltend gemacht werden kann ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht[39] oder das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb[40].

Um diese Schutzlücke zu schließen, aber auch um etwa Klagen bei Rechtsverletzungen zu bündeln oder zu moderieren, sehen das UWG (§ 8 Abs. 3 Nr. 2–4) und das UKlaG eine Klagebefugnis bzw. Anspruchsdurchsetzungsbefugnis für rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen oder sogenannte qualifizierte Einrichtungen (i.S. von §§ 3, 4 UKlaG) vor.

2.2. Organisationen der Wirtschaft

Im Bereich der Wirtschaft existieren Organisationen, die keine spezifischen (Fach-)Verbandsinteressen verfolgen, sondern allgemein die Bekämpfung unlauterer Geschäftspraktiken zur Aufgabe haben. Die größte Institution dieser Art ist die „Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs“, kurz: „Wettbewerbszentrale“, ein gemeinnütziger Verein mit über 2000 Verbänden und Unternehmen als Mitgliedern[41].

Die Klagebefugnis von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen ist daran gebunden, dass ihnen eine ausreichende Anzahl selbst klagebefugter Mitbewerber angehört. Mittelbare Verbandszugehörigkeit genügt und liegt vor, wenn dem klagenden Verband solche Verbände als Mitglieder angehören, die ihrerseits eine hinreichende Anzahl selbst klageberechtigter Mitbewerber als Mitglied haben. Die Verbandsklagebefugnis ist wie die der Mitbewerber auf wesentliche Wettbewerbsverstöße beschränkt.

2.3. Verbraucherschutzorganisationen

Verbraucherorganisationen sind zur Wahrung von Verbraucherinteressen klagebefugt, wenn sie als sog. „qualifizierte Einrichtungen“ die Voraussetzungen für die Eintragung in die beim Bundesamt für Justiz bzw. der Kommission der Europäischen Union geführte Liste erfüllen. Hierfür erforderlich ist, dass sie bestimmten Anforderungen an Satzung, Größe und Organisation gerecht werden. Bei Verbraucherverbänden, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, wird die Erfüllung dieser Voraussetzungen unterstellt. Klagebefugt sind insoweit beispielsweise der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), die Verbraucherzentralen der Länder und ca. 50 weitere Verbraucherschutzorganisationen.

2.4. Industrie- und Handelskammern etc.

Kammern, insbesondere Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Rechtsanwalts- und Ärztekammern etc. sind ebenfalls befugt, Abmahnungen auszusprechen und Unterlassungsklagen geltend zu machen (§ 8 Abs. 3 Nr. 4 UWG, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr.3 UKlaG).

3. Umfang der Aktivitäten

3.1. Wettbewerbsorganisationen Die von der Wirtschaft getragene Wettbewerbszentrale hat die ihr umfassend für das gesamte Bundesgebiet zustehenden Klagebefugnisse[42] umfangreich genutzt. Im Jahr 2013 wurden mehr als 700 Gerichtsverfahren durchgeführt[43]. Nach intern eingeholter Auskunft bei der Geschäftsführung der Organisation wurden 2013 insgesamt 151 Abmahnungen im Zusammenhang mit AGB-Klauseln ausgesprochen, und zwar 118 Abmahnungen betreffend § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. AGB-Recht und 34 Abmahnungen wegen Verletzung von AGB-Recht über das UKlaG.

Datenschutzverstöße wurden jedoch lediglich zweimal aufgegriffen. In einem der Fälle ging es um eine intransparente Datenschutzklausel im Hinblick auf die Erhebung und Nutzung personenbezogener Daten (§ 307 BGB). Bei dem anderen Fall handelte es um eine fehlende Belehrung, der weiteren Verarbeitung und Nutzung der erhobenen personenbezogenen Daten widersprechen zu können (§ 4 Nr. 11 UWG iVm. § 28 Abs. 4 Satz 2 BDSG).

Über die Abmahn- und Klagetätigkeit der „qualifizierten Einrichtungen“ sind detaillierte Informationen nur schwer zu erlangen. Folgende Daten vermitteln jedenfalls einen Eindruck von den entsprechenden Aktivitäten:

3.2 Verbraucherschutzorganisationen

Die Verbraucherzentralen und ihre Dachorganisation, der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), führen jährlich rund 1.000 Verfahren durch[44]. Der VZBV selbst verzeichnet in dieser Zeit rund 300 Abmahnungen und 100 Klagen, wobei allerdings die verfolgten Rechtsverstöße nicht näher beschrieben werden.

Zurückblickend haben die Verbraucherschutzorganisationen jedenfalls bisher nur in sehr geringem Umfang Datenschutzverstöße durch Unternehmen verfolgt, wenngleich sie vor großen Namen nicht zurückschrecken[45]. Durchweg bildeten AGB, die vorformulierte standardisierte Einwilligungsklauseln zum Gegenstand hatten, Anlass für Abmahnungen und Unterlassungsklagen.

4. Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts

4.1. Bedarf erweiterter Klagemöglichkeit

Der Bundesminister für Justiz und Verbraucher hatte im Sommer 2014 den Verbänden einen Gesetzesentwurf zur Stellungnahme vorgelegt, mit dem die Befugnisse von Verbraucherschutzverbänden im Bereich der Bekämpfung von Datenschutzverstößen geklärt bzw. erweitert werden sollen.

Zwar sollen grundsätzlich alle bislang schon klagebefugten Stellen in die Lage versetzt werden, Datenschutzverstöße zu verfolgen, nicht also nur Verbraucherschutzinstitutionen. Im Allgemeinen Teil der Begründung bei der Gesetzesfolgeneinschätzung (Abschnitt V 6) wird aber verdeutlicht, dass mit der Novelle „insbesondere Verbraucherverbände“ die Möglichkeit erhalten sollen, durch Abmahnungen oder Unterlassungsklagen gegen Verletzungen von Verbraucher betreffender datenschutzrechtlicher Vorschriften vorzugehen. Die so betonte Stoßrichtung des Entwurfs ist kaum anders zu verstehen, als dass die Verbraucherorganisationen durch die Gesetzesinitiative ermuntert werden sollen, von den ihnen durch sie eingeräumten Abmahn- und Klagemöglichkeiten auch Gebrauch zu machen – oder anders ausgedrückt: Das BMJV erwartet gerade von ihnen ein entsprechendes Tätigwerden.

Die hierzu ergangenen, jeweils auch im Internet abrufbaren Stellungnahmen der Verbände fallen teilweise generell ablehnend (z.B. BITKOM, DGRI, ecVH, Bankenverband), teilweise bedingt zustimmend (RA-Kammer, Richterbund) aus. Die negativen Stimmen rügen u.a., dass unterschiedliche Schutzziele des Daten- und Verbraucherschutzes vermischt werden bzw. höchstpersönliche Ansprüche ggf. gegen den Willen des Betroffenen durchgesetzt werden könnten[46] und dass zudem gegen geltendes und zukünftiges Europarecht verstoßen würde. Weitere Argumente sind die befürchtete Rechtsunsicherheit bei einer zweiten Kontrollinstanz neben den Aufsichtsbehörden und Benachteiligung deutscher Unternehmen im internationalen Wettbewerb.

Kerngehalt der geplanten Gesetzesnovelle ist es, die bislang in der Rechtsprechung[47] strittig behandelte Frage, ob Bestimmungen des BDSG insgesamt oder teilweise auch verbraucherschützende Funktion haben und damit zu den Verbraucherschutzgesetzen i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG bzw. § 2 Abs. 2 UKlaG zählen, zumindest für das UKlaG im letzteren Sinne zu entscheiden.

Die geplante Ergänzung von § 2 Abs. 2 UKlaG um eine zusätzliche Ziffer 11 erweitert den Katalog der Rechtsvorschriften, die als Verbraucherschutzgesetze anzusehen sind und deren Verletzung den anspruchsberechtigten Organisationen Ansprüche auf Unterlassung und Widerruf gewährt (§ 3 UKlaG), um solche, die dem Verbraucherdatenschutz dienen. Den Verbraucherschutzorganisationen (aber auch den Wirtschaftsverbänden und Kammern) soll die Möglichkeit eröffnet werden, in weiterem Umfang als bisher gegen die Verletzung von die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Verbrauchern regelnden datenschutzrechtlichen Vorschriften vorgehen zu können. Der Kontrolle unterliegt damit der Umgang mit Daten, die den Betroffenen im konkreten Fall in seiner Rolle als Verbraucher betreffen.

Der BMJV hat den Bedenken der Verbände und der Aufsichtsbehörden zum Teil Rechnung getragen und einen „entschärften“ Text vorgelegt, der am 4. Februar 2015 vom Bundeskabinett verabschiedet wurde. Das Klagerecht wird auf typische, den Verbraucher betreffende „Risikobereiche“ beschränkt.

Der vom Bundeskabinett beschlossene Text sieht vor, dass mit Abmahnung und Unterlassungsklage gegen Verletzung solcher Vorschriften vorgegangen werden kann,“ welche die Zulässigkeit regeln

a) der Erhebung personenbezogener Daten eines Verbrauchers durch einen Unternehmer oder

b) die Verarbeitung oder der Nutzung personenbezogener Daten, die über einen Verbraucher erhoben wurden, durch einen Unternehmer, wenn die Daten zu Zwecken

  • der Werbung, der Markt- und Meinungsforschung
  • der Betreibens einer Auskunftei
  • des Erstellens von Persönlichkeits- und Nutzungsprofilen
  •  des Adresshandels
  • des sonstigen Datenhandels

oder zu vergleichbaren kommerziellen Zwecken erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.“

Sodann wird in einem nachfolgenden Satz deutlich gemacht, dass eine Datenerhebung, Datenverarbeitung oder Datennutzung im zuvor genannten Sinne nicht vorliegt, wenn personenbezogene Daten eines Verbrauchers von einem Unternehmer ausschließlich für die Begründung, Durchführung oder Beendigung eines rechtsgeschäftlichen oder rechtsgeschäftsähnlichen Schuldverhältnis mit dem Verbraucher erhoben, verarbeitet oder genutzt werden.

Zudem soll vermieden werden, dass die Unternehmen mit unterschiedlichen Rechtsauffassungen von Aufsichtsbehörden und Verbraucherschutzorganisationen konfrontiert werden und sich gegen Maßnahmen parallel einmal vor den Verwaltungsund zum anderen vor den Zivilgerichten wehren müssen. Demgemäß sieht ein neuer § 12a UKlaG in Verfahren, die einen Verstoß gegen die bei den genannten Verarbeitungszecken geltende Datenschutzregelungen zum Inhalt haben, die Anhörung der Datenschutzaufsichtsbehörde vor.[48] Eine Ausnahme gilt, wenn über einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

Das Wettbewerbsrecht zu nutzen, um auch auf diesem Wege Datenschutzpositionen durchzusetzen, ist offensichtlich auch Ziel der Aufsichtsbehörden.

Hinzuweisen ist insoweit auch auf eine Stellungnahme des HambBfDI zur Anhörung der Monopolkommission zur Vorbereitung eines Sondergutachtens zum Wettbewerb auf digitalen Märkten gemäß § 44 GBW, in der er dafür eintritt, Verstöße gegen Datenschutzregeln einem Wettbewerbsverstoß gesetzlich gleichzusetzen, weil Bezüge zwischen Datenschutz und Wettbewerbsrecht wesentlich weiter gingen, als die uneinheitliche und in sich widersprüchliche Rechtsprechung dies nahelege. Damit wären in Zukunft auch alle Wettbewerber in der Lage, Datenschutzverstöße über das UWG im Wege des wettbewerblichen Unterlassungsanspruchs geltend zu machen, eine Ausweitung der Marktmacht über Datenschutzverstöße zu verhindern und somit zum Vollzug der Datenschutzregelungen zugunsten der Datensouveränität des Individuums beizutragen[49].

4.2. Bewertung der angesprochenen Vorschriften

Die erweiterte Klagebefugnis für Verbraucherorganisationen wird ohne Zweifel entsprechende zusätzliche Abmahn- und Klageaktivitäten dieser Einrichtungen auslösen. Zwar betont der VZBV als Spitzenorganisation der Verbraucherinstitutionen in seiner Stellungnahme, dass kein Anlass für die Befürchtung einer massenhaften Zunahme von Abmahnungen und Klagen bestehe, und verweist zur Begründung auf die begrenzten personellen Ressourcen (Seite 17). Dieser beschwichtigende Hinweis steht allerdings in Widerspruch zur Einschätzung des Deutschen Richterbundes. In seiner Stellungnahme vom August 2014 (Nr. 14/14) heißt es einleitend:

„Allerdings ist abzusehen, dass die Neuregelung zu einer nicht unerheblichen Mehrbelastung für die Gerichte führen wird, was einen entsprechenden Mehrbedarf an Personal und Ausstattung nach sich zieht.“

Die Annahme, dass die Verbraucherverbände angesichts der angekündigten Aufgabenzuweisung mit Hilfe öffentlicher Mittel auch personell aufrüsten werden, ist wohl nicht von der Hand zu weisen.

4.3. Die Verbandsklage nach der EU-DS-GVO

Auch der von der EU-Kommission vorgelegte Entwurf der EU-DS-GVO sieht die Möglichkeit einer Verbandsklage vor, die im Vorschlag des Parlaments beibehalten wurde (Art 76). Danach können Organisationen und Verbände, die im öffentlichen Interesse handeln und die nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründet sind (Art. 73 Abs. 2), im Namen der betroffenen Person mit deren Einwilligung Beschwerde bei einer Aufsichtsbehörde oder einen gerichtlichen Rechtsbehelf einlegen, wenn sie von der betroffenen Person dazu beauftragt werden, oder unabhängig von der Beschwerde einer betroffenen Person eine eigene Beschwerde zu erheben, wenn ihrer Ansicht nach Vorschriften dieser Verordnung verletzt wurden.

Zu den hier privilegierten Einrichtungen zählen auch die Verbraucherschutzorganisationen, wobei jedoch gegenüber dem Klagerecht nach dem UWG bzw. UKlaG der gerichtliche Rechtsschutz im Namen des einzelnen Verbrauchers nachgesucht werden muss. Art. 76 Abs. 1 setzt für das Klagerecht voraus, dass der Verband im Namen einer oder mehrerer betroffener Personen tätig wird.

Ein echtes Verbandsklagerecht gilt für das Beschwerderecht bei der Aufsichtsbehörde. Hier kann der Verband unabhängig von der Beschwerde einer betroffenen Person tätig werden. Ein Klagerecht gegen die Entscheidung der Behörde steht dem Verband nicht zu, es sei denn, er verfolgt eine Betroffenenbeschwerde.

Fraglich ist, ob mit dieser Regelung der Verordnung künftig abweichend geregelte nationale Verbandsklagerechte gegen Datenschutzverstöße noch fortgelten können.

VII. Fazit

§ 28 Abs. 3 BDSG ist und bleibt sicherlich noch geraume Zeit ein Tummelplatz für Datenschutzrechts-Exegeten. Für den verpflichteten Anwender ist dies wenig erfreulich, weil er sich dem erheblichen Risiko einer Fehleinschätzung seiner DV-Operationen und ihrer Folgen ausgesetzt sieht. Inwieweit mehr Transparenz und Rechtssicherheit durch die künftige EU-Datenschutz-Grundverordnung geschaffen werden, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist dem Evaluierungsbericht der Bundesregierung vom 30. Dezemebr 2014 zu entnehmen, dass vorher keine Änderungen der jetzigen Rechtslage beabsichtigt sind. Versucht ein Datenverarbeiter, die Rechtfertigung seiner Datenverarbeitungsprozesse mit Hilfe einer standardisierten Einwilligung zu erreichen, bedarf er kräftiger sachkundiger Unterstützung, um die Erklärung – wenigstens einigermaßen – gerichtsfest auszugestalten. In Kürze wird ein Daten verarbeitendes Unternehmen zudem damit rechnen müssen, ganz generell seine Datenverarbeitung vor Verbänden, insbesondere Verbraucherschutzorganisationen, rechtfertigen zu müssen, wenn die geplante Novelle des UKlaG Gesetzeskraft erlangt.

Prof. Peter Gola

Mitherausgeber und federführender Schriftleiter der Fachzeitschrift RDV sowie Ehrenvorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit (GDD) e.V., Bonn

Dr. Georg Wronka

Rechtsanwalt, beratende und gutachterliche Tätigkeit auf dem Gebiet des Datenschutz- und Wettbewerbsrechts; betrieblicher Datenschutzbeauftragter.

[1] Vgl. Gola, Beschäftigtendatenschutzgesetz – Quo vadis?, RDV 2014, 1.

[2] BGBl. I, S. 2814 vom 14.8. 2009 (Novelle II).

[3] Für die zweckmäßigerweise Einbeziehung der §§ 28a und § 28 b vgl. Ehmann in Simitis (Hrsg.), BDSG, 8. Aufl., § 48, Rn. 3.

[4] BT-Drucksache 18/3707, S. 15.

[5] Vgl. Fn. 2; Thüsing, Beschäftigtendatenschutz als Persönlichkeitsrechtschutz im Arbeitsverhältnis, RDV 2014, 117.

[6] Vgl. Köhler, UWG, Einl., Rn. 145; Tettinger, in: Sachs, Grundgesetz, Art. 12 Rn. 54 ff; BVerfG, NJW 2002, 3091 zum grundsätzlich auch Ärzten zustehenden Werberecht.

[7] Ehmann, in: Simitis (Hrsg.), Fn. 3, § 29 Rn. 2 f. m.w.N.

[8] Anwendungshinweise der Datenschutzaufsichtsbehörden zur Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten für werbliche Zwecke (Stand Dez. 2013), RDV 2014, 48.

[9] Vgl. nur Hanloser, Neuer Rechtsrahmen für das Direktmarketing, DB 2009, 663; Meltzian, Die Neuregelung des Listenprivilegs, DB 2009, 2643; Roßnagel/Jandt, Rechtskonformes Direktmarketing, MMR 2011, 86; Wronka, BDSG Novelle II und Direktwerbung, ein kritisches Verhältnis, RDV 2009, 247.

[10] Wedde, in: DKWW, BDSG, 4. Aufl., § 28 Rn. 6 formuliert wie folgt: „Die Vorschrift ist aufgrund ihres Umfangs und zahlreicher Verweise für normale Nutzer praktisch unlesbar und in ihren normativen Zusammenhängen nur schwer verständlich; noch drastischer Bergmann/Möhrle/Herb, BDSG § 28 Rn. 1, die von „gesetzgeberischer Zumutung“ sprechen.

[11] Vgl. von Eckhardt/Kramer/Mester, Auswirkungen der geplanten EU-DSGVO auf den deutschen Datenschutz, DuD 2013, 623 (626), die die Regelungen insoweit noch als differenzierend und ausgewogen bewerten.

[12] RDV 2012, 22

[13] Z.B. Drewes, Werbliche Nutzung von Daten. Die Implosion der BDSGNovelle und Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung, ZD 2012, 115 (117 f.).

[14] BT-Drucksache 16/12011, S. 16; zur Kritik vgl. Wronka, BDSG-Novelle II und Direktwerbung. Ein kritisches Verhältnis, RDV 2009, 247

[15] EU-DS-GVO – Diskussionspunkte aus der Praxis, DuD 2013, 287 (290).

[16] Zum Verhältnis von § 4a Abs. 1 Satz 3 zu § 28 Abs. 3a BDSG vgl. die Zusammenstellung der gegensätzlichen Auffassungen bei Plath, in: Plath, BDSG, § 28 Rn. 155 ff.

[17] Gesetzesbegründung: BT-Drs. 16/12011, S. 33.

[18] Bejahend Aufsichtsbehörden (Fn. 8), Ziff. 4.1 bei ausführlich geäußerten Wunsch nach Kontaktaufnahme; verneinend LG Baden-Baden, Urteil vom 18. 1. 2012 – 5 O 100/11 –, wenn es an der Bestimmtheit der zu bewerbenden Produkte und des Werbemediums fehlt.

[19] RDV 2013, 91.

[20] LG München, Urteil vom 08.04.2010 – 17 HK O 138/10 (nach 19 Monaten); LG Berlin, Beschluss vom 02.07.2004 – 15 O 653/03 (nach 24 Monaten).

[21] BGH, NJW 2008, 3055 (Kläger war der Bundesverband der Verbraucherzentralen).

[22] OLG Hamm, MMR 2011, 539 (Klägerin des Verfahrens war die Wettbewerbszentrale).

[23] OLG Hamburg, Urteil vom 04.03.2009 – 5 U 62/08 (Kläger des Verfahrens war ein Verbraucherverband).

[24] OLG Köln, MMR 2010, 39 (Klägerin war eine Verbraucherschutzorganisation).

[25] LG Berlin, Urteil vom 18.11.2009 – 4 O 89/09 (Kläger war der Verbraucherzentrale Bundesverband).

[26] Bei Erlaubnissen zur E-Mail-Werbung müssen ggf. mehrere Werbeberechtigte im Einwilligungstext namentlich benannt sein: OLG Koblenz, Urteil vom 23.03.2014 – 9 U 1116/17 –; LG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2013 – 33 O 95/13 –.

[27] OLG Koblenz, Urteil vom 26.03.2014 – 9 U 1116/17 – (Kläger ist der Wettbewerbsschutzverein der Wirtschaft).

[28] BGH, RDV 2013, 251 (Einwilligung in Werbeanrufe; Klägerin war die Berl. Verbraucherzentrale).

[29] So u.a. BGH, NJW 2009, 1327 (Kläger war der Bundesverband der Verbraucherzentralen).

[30] BGH, NJW 2000, 2677.

[31] BGH, Fn. 28.

[32] Europarechtliche Grundlage ist u.a. die Richtlinie 2009/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.04.2009 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen. Mit der rechtlichen Aufwertung der Grundrechtecharta (Art. 6 Abs. 2 EUV) werden durch Art. 38 EuGRCh die Forderungen nach einem hohen Verbraucherschutzniveau und insbesondere einem effektiven Rechtsschutz verstärkt (Art. 47 EuGRCh; Art. 19 EUV).

[33] Vgl. Anwendungshinweise der Datenschutzaufsichtsbehörden (Fn. 8) Ziff. 11 (RDV 2014, 43).

[34] BGH, RDV 2013, 251 (Klägerin war die Verbraucherzentrale).

[35] VG Berlin, ZD 2014, 541.

[36] BGH, MMR 2014, 112.

[37] Zur diesbezüglichen aus der EU-Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation gezogenen Folgerung vgl. Köhler, Verbandsklagen gegen unerbetene Telefon-, Fax- und E-Mail-Werbung. Was sagt das Unionsrecht?, WRP 2012, 1319.

[38] Vgl. Schulz, Datenschutz als überindividuelles Interesse?, ZD 2014, 510.

[39] Z.B. OLG Frankfurt, RDV 2014, 166

[40] Z.B. BGH, RDV 2014, 36 (hier unverlangte Empfehlungs-E-Mails).

[41] Vgl. Näheres bei Köhler, in: Baumbach/Köhler/Bornkamm, UWG Einleitung, Rn. 2.29

[42] BGH, GRUR 1995, 122.

[43] S. 95 des im Mai 2014 vorgestellten Geschäftsberichts für das Jahr 2013.

[44] Siehe den im Juni 2014 für den Zeitraum 2013/14 vorgelegten Jahresbericht (S. 5).

[45] Vgl. die vom Bundesverbraucherverband aktuell geführten Klagen gegen Apple (LG Berlin, ZD 2013, 451), Google (LG Berlin, MMR 2014, 563) oder Facebook (KG ZD 2014, 412).

[46] Vgl. hierzu Schulz, Datenschutz als überindividuelles Interesse? ZD 2014, 510.

[47] Pro u.a,: OLG Köln, NJW 2014, 1820; OLG Hamburg, RDV 2013, 260; OLG Stuttgart, MMR 2007, 437; KG Berlin, ZD 2014, 412; OLG Karlsruhe, RDV 2012, 305. Contra: OLG München, RDV 2012, 149; OLG Frankfurt, MMR 2005, 669; OLG Dresden v. 26.03.2013 – 14 U 1776/12 –; ferner Galetzka, Datenschutz und unlauteter Wettbewerb, K&R 2015, 77.

[48] Vgl. Stellungnahme der GDD und des BvD, BvD-News 3/2014 S. 11 (17).

[49]Https://www.datenschutz-hamburg.de/uploads/media/Monopolkommission_Stellungnahme_des_HmbBfDI.pdf.