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Editorial : Facebook-Verfassung : aus der RDV 1/2015, Seite 1 bis 2

Lesezeit 2 Min.

Die deutsche Verfassung hat gut 22000 Worte. Die Facebook-Verfassung von Januar 2015 besteht aus einer Vielzahl von Texten. Sie verbergen sich zu einem großen Teil hinter Deep-Links. Es gibt die Daten(verwendungs)richtlinie (2725 Wörter), die Erklärung über Rechte und Pflichten (3678 Wörter) mit zahlreichen Unterdokumenten, etwa der Richtlinie für Promotions (1259 Wörter). Zudem muss man die Cookies-Richtlinie kennen (2941 Wörter). Daneben gelten die Facebook-Gemeinschaftsstandards, als eine Art Hausrecht des Dienstes. Da heißt es in den Regeln zu Identität und Privatsphäre: „Auf Facebook vernetzen sich die Menschen mit ihren wirklichen Namen und Identitäten. Wir fordern dich auf, das Veröffentlichen von persönlichen Informationen anderer ohne deren Zustimmung zu unterlassen. Sich als eine andere Person auszugeben, eine falsche Präsenz für eine Organisation bzw. mehrere Konten zu erstellen untergräbt die Gemeinschaft und verstößt gegen die Bedingungen von Facebook.“ Das ist zum einen eine Aufforderung zu einem Verstoß gegen § 13 Abs. 6 S. 1 TMG, wonach der Diensteanbieter eine Nutzung von Telemedien unter Pseudonym zu ermöglichen hat. Zugleich verstößt die Regel gegen die Pflicht aus § 13 Abs. 6 S. 2 TMG, wonach auf die Möglichkeit zur pseudonymisierten Nutzung des Dienstes hinzuweisen ist. Selbst der Appell nur persönliche Informationen, etwa Ablichtungen Dritter, nur mit deren (nachträglicher) Zustimmung – erforderlich wäre eine vorherige Einwilligung – zu verwenden, klingt wie Hohn. Wie stellt sich Facebook denn beim Posten von Partyfotos & Co. eine rechtswirksame Zustimmung vor?

Facebook wird künftig Standortdaten für mehr personalisierte Nachrichten nutzen. Werbung soll noch stärker personalisiert werden. Bislang erreicht sie 89 Prozent der jeweiligen Zielgruppe. Es sollen künftig auch Drittwebseiten und -Apps ausgewertet werden und ein „Kauf-Button“ eingeführt werden, so dass die Nutzer direkt über ihr Facebook-Konto bestellen können. Daneben – so hört man – sollen auch Daten von WhatsApp und Instagram ausgewertet werden.

Wer so intensiv fremde Daten nutzt, der muss zumindest die Änderung der Nutzungsbedingungen rechtskonform ermöglichen. Ein Vorbehalt vertraglicher Änderungen ist wirksam, wenn er so transparent formuliert ist, dass Nutzer bei Vertragsschluss vorhersehen können, unter welchen Umständen sie mit einer Umgestaltung oder Ergänzung rechnen müssen. Auch die neuen Nutzungsbedingungen konkretisieren weder Anlass noch Umfang etwaiger Änderungen annähernd. Man kann sie nur kommentieren und mit der weiteren Nutzung akzeptieren.

Wer seinen Nutzern im Kernbereich der Nutzungsbedingungen so viele Worte anbietet, wie eine halbe Verfassung sie enthält, der kann nicht davon ausgehen, dass sie gelesen oder gar verstanden werden. Das alles mit Worten wie Richtlinie oder Standard zu belegen, ist frech. Schließlich gaukelt das Beamtendeutsch vor, es werde schon alles seine Ordnung haben. Weil der Bürger mit Richtlinien vieles macht, außer sie zu lesen, sollte Facebook in den AGB wie sonst üblich auf den kleinkindtauglichen, eingleisigen und alternativlosen „Facebooksprech“ nach dem Vorbild von Freund, Like & Co umsteigen. Statt „Datenschutzverwendungsrichtlinie“ könnte die Überschrift lauten: „Was wir alles mit deinen Daten anfangen und warum du ein wenig gesunde Paranoia entwickeln solltest.“ Dann verstünde man wenigstens worum es geht, wenn man den Dienst nutzt.

Rolf Schwartmann

Porträt Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln, Mitherausgeber der Fachzeitschrift RDV sowie Vorstandsvorsitzender der GDD e.V., Bonn