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Urteil : Videoüberwachung und Ausübung ausschließlich persönlicher und familiärer Tätigkeiten : aus der RDV 1/2015, Seite 29 bis 30

(Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 11. Dezember 2014 – C-212/13–)

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Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr ist dahin auszulegen, dass der Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht, keine Datenverarbeitung darstellt, die im Sinne dieser Bestimmung zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.

Aus den Gründen:

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass der Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht, eine Datenverarbeitung darstellt, die im Sinne dieser Bestimmung zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.

Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 95/46 gilt diese „für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einer Datei gespeichert sind oder gespeichert werden sollen“.

Der in dieser Bestimmung verwendete Begriff der personenbezogenen Daten bezieht sich nach der Definition in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46 auf „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person“. Als bestimmbar wird eine Person angesehen, „die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung … zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen … Identität sind“.

Das von einer Kamera aufgezeichnete Bild einer Person fällt daher unter den Begriff der personenbezogenen Daten im Sinne von Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 95/46, sofern es die Identifikation der betroffenen Person ermöglicht.

Der Begriff der Verarbeitung personenbezogener Daten wird in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 95/46 definiert als „ [jeder] … Vorgang oder jede Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Speichern, … die Aufbewahrung“.

Wie sich u.a. aus den Erwägungsgründen 15 und 16 der Richtlinie 95/46 ergibt, fällt die Videoüberwachung grundsätzlich in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, sofern es sich dabei um eine automatisierte Verarbeitung handelt.

Eine Überwachung – wie im Ausgangsverfahren – mittels einer Videoaufzeichnung von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung, der Festplatte, stellt eine automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richt linie 95/46 dar.

Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob eine solche Verarbeitung in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nicht dennoch vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sei, soweit sie „zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie vorgenommen werde.

Wie sich aus Art. 1 und dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 ergibt, zielt diese darauf ab, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundfreiheiten und Grundrechte natürlicher Personen, insbesondere ihrer Privatsphäre, bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (vgl. Urteil Google Spain und Google, C-131/12, EU:C:2014:317, Rn. 66).

Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Schutz des in Art. 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union garantierten Grundrechts auf Privatleben, dass sich die Ausnahmen und Einschränkungen in Bezug auf den Schutz der personenbezogenen Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (vgl. Urteile IPI, C-473/12, EU:C:2013:715, Rn. 39, und Digital Rights Ireland u. a., C-293/12 und C-594/12, EU:C:2014:238, Rn. 52).

Da die Bestimmungen der Richtlinie 95/46, soweit sie Verarbeitungen personenbezogener Daten betreffen, die zu Beeinträchtigungen der Grundfreiheiten und insbesondere des Rechts auf Achtung des Privatlebens führen können, im Licht der Grundrechte auszulegen sind, die in der Charta verankert sind (vgl. Urteil Google Spain und Google, EU:C:2014:317, Rn. 68), ist die in Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme eng auszulegen.

Eine solche enge Auslegung findet auch im Wortlaut dieser Bestimmung selbst eine Stütze, der vom Anwendungsbereich der Richtlinie 95/46 die Datenverarbeitung ausnimmt, die zur Ausübung von Tätigkeiten vorgenommen wird, bei denen es nicht ausreicht, dass sie persönlicher oder familiärer Art sind, sondern sie müssen „ausschließlich“ persönlicher oder familiärer Art sein.

So stellen nach dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 95/46 für Privatpersonen der Schriftverkehr und die Führung von Anschriftenverzeichnissen „ausschließlich persönliche oder familiäre Tätigkeiten“ dar, obwohl sie nebenbei das Privatleben anderer Personen betreffen oder betreffen können.

Soweit sich eine Videoüberwachung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende auch nur teilweise auf den öffentlichen Raum erstreckt und dadurch auf einen Bereich außerhalb der privaten Sphäre desjenigen gerichtet ist, der die Daten auf diese Weise verarbeitet, kann sie nicht als eine ausschließlich „persönliche oder familiäre“ Tätigkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 angesehen werden.

Zugleich ermöglicht die Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 95/46, gegebenenfalls die berechtigten Interessen des für die Verarbeitung Verantwortlichen, insbesondere auf der Grundlage von Art. 7 Buchst. f, Art. 11 Abs. 2 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. d und g dieser Richtlinie, zu berücksichtigen, worunter u.a. – wie im Ausgangsverfahren – der Schutz des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens des für die Verarbeitung Verantwortlichen und seiner Familie fällt.

Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 2 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 95/46 dahin auszulegen ist, dass der Betrieb eines von einer natürlichen Person an ihrem Einfamilienhaus zum Zweck des Schutzes des Eigentums, der Gesundheit und des Lebens der Besitzer des Hauses angebrachten Kamerasystems, das Videos von Personen auf einer kontinuierlichen Speichervorrichtung wie einer Festplatte aufzeichnet und dabei auch den öffentlichen Raum überwacht, keine Datenverarbeitung darstellt, die im Sinne dieser Bestimmung zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird.