Aufsatz : Anwendungsbereich des Telekommunikationsdatenschutzes und seine Auswirkungen : aus der RDV 1/2023 Seite 29 bis 35
Der im zweiten Teil des Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) spezialgesetzliche Datenschutz für Telekommunikation enthält von der DS-GVO abweichende Regelungen. Aus rechtlicher Sicht hervortretend ist insbesondere das Fehlen einer Zulässigkeit der Verarbeitung aufgrund einer Interessenabwägung, die Aufsicht durch den BfDI und die BNetzA sowie das geringere Bußgeld. Rechtlich herausfordernd ist das Zusammenspiel mit dem TKG bspw. für die Meldung von „Datenpannen“. In der Praxis zeigt sich Relevanz auch bei der privaten TK-Nutzung durch Beschäftigte oder Online-Conferencing-Tools. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs hat daher grundlegende Bedeutung.
I. Einführung
Der Datenschutz in der Telekommunikation war bis zum 01.12.2021 in §§ 91-107 TKG-alt und das Fernmeldegeheimnis in §§ 88-90 TKG-alt geregelt. Im Zuge der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes durch das Telekommunikationsmodernisierungsgesetz wurden die Regelungen zum Datenschutz in das TTDSG ausgelagert. Die mit dem Datenschutz in Zusammenhang stehenden Regelungen über die Öffentliche Sicherheit, insbesondere die Regelungen über die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten sowie die Sicherheit, sind hingegen im TKG verblieben (§§ 165 ff. TKG, §§ 109 f. TKG-alt). Ebenso sind die auch für die Anwendung der Bestimmungen des Telekommunikationsdatenschutzes wesentlichen Begriffsbestimmungen in § 3 TKG enthalten, welche gemäß § 2 Abs. 1 TTDSG für den Telekommunikationsdatenschutz im TTDSG zur Anwendung kommen.
Die Regelungen über den Telekommunikationsdatenschutz dienen der Umsetzung der Richtlinie über elektronische Kommunikation 2002/58/EG (EK-DSRL).[1] Deren Vorgaben sind neben dem TTDSG auch in § 7 UWG (Art. 13 EK-DSRL) und § 25 TTDSG (Art. 5 Abs. 3 EK-DSRL in der Fassung der Richtlinie 2009/136/EG) umgesetzt worden. Die EK-DSRL wird auch als ePrivacy-Richtlinie bezeichnet. Während das Telekommunikationsrecht durch den Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (EKEK)[2] modernisiert wurde, blieb der Telekommunikationsdatenschutz unverändert geregelt durch die EK-DSRL 2002/58/EG. Die Modernisierung soll(te) durch die sog. ePrivacy-Verordnung erfolgen, die jedoch seit 2017 – bis zum Zeitpunkt der Drucklegung diese Beitrags – nicht über das Entwurfsstadium hinaus gekommen ist.
II. Anwendungsbereich
Die zentrale Regelung für den Anwendungsbereich der Regelungen über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre (3. Teil des TTDSG) ist der in die Regelung über das Fernmeldegeheimnis eingebettete § 3 Abs. 2 S. 1. § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 4 TTDSG benennt als Verpflichtete: 1. „Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken“, 2. „Anbieter von ganz oder teilweise geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken“, 3. „Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze“ und 4. „Betreiber von Telekommunikationsanlagen, mit denen geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbracht werden“.
Nach § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG sind diese zwar alle zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet, die Unterscheidung zwischen den Nummern des § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG ist aber neben der Frage nach dem Verhältnis zur DS-GVO (siehe hierzu Ziffer III) auch wegen der unterschiedlichen Bezugnahmen auf diese Regelung relevant. Die weiteren Regelungen zum Telekommunikationsdatenschutz im TKG nehmen entweder insgesamt auf § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG Bezug wie bspw. § 9 Abs. 1 TTDSG („Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Verpflichtete …“) oder auf einzelne Nummern des § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG Bezug wie bspw. § 10 Abs. 1 TTDSG („… nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 Verpflichtete …“).
1. Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienste (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG)
§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG nimmt „Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten sowie natürliche und juristische Personen, die an der Erbringung solcher Dienste mitwirken,“ in die Pflicht.
„Anbieter von Telekommunikationsdiensten“ ist nach § 3 Nr. 1 TKG i.V.m. § 2 Abs. 1 TTDSG „jeder, der Telekommunikationsdienste erbringt“. Als „öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste“ gelten nach § 3 Nr. 44 TKG einem „unbestimmten Personenkreis zur Verfügung stehende Telekommunikationsdienste“.
Der Begriff „Telekommunikationsdienste“ ist in § 3 Nr. 61 TKG legal definiert. Durch die Erweiterung der Definition des Telekommunikationsdienstes um interpersonelle Telekommunikationsdienste ist die weitergehende Einbeziehung sog. Over The Top-Dienste in das nationale Telekommunikationsrecht erfolgt.[3] Die Einbeziehung der OTT in das TKG und damit auch in den TTDSG war aber nicht durch Aspekte des Datenschutzes sondern durch telekommunikationsregulatorische Bedürfnisse getrieben.[4] Entscheidend für den Begriff Over-The-Top (OTT) ist, dass der Anbieter dieses Dienstes nicht auch Betreiber der hierfür genutzten Telekommunikationsinfrastruktur ist.[5] Die Erweiterung im Zuge der TKG-Novelle 2021 bezieht sich jedoch nur auf OTT-I-Dienste, sodass auch nur diese durch das TTDSG zusätzlich erfasst sind.[6] Sog. OTT-I-Dienste ermöglichen die Individual- und Gruppenkommunikation unter Einsatz des Internet-Protocols allein über das offene Internet in Gestalt von Sprache, Bildern, Videos und sonstigen Daten, umfassen jedoch in Abgrenzung zu sog. OTT-II-Diensten keine inhaltlichen Angebote.[7]
Aufgrund der Definition „interpersonelle Telekommunikationsdienste“ in § 3 Nr. 61 TKG fällt die Kommunikation zwischen einer natürlichen Person und einer Maschine (z.B. Sprachassistenten) nicht unter den Begriff des interpersonellen Telekommunikationsdienstes.[8] Nach dem Referentenentwurf zum Telekommunikationsmodernisierungsgesetz ist das interaktive Element des Informationsaustauschs dadurch gekennzeichnet, dass der Empfänger der Information in technischer Hinsicht die Möglichkeit zu einer Antwort hat; sodass Dienste wie der lineare Rundfunk, Websites, soziale Netzwerke, aber auch die Maschine-Maschine-Kommunikation vom Anwendungsbereich des interpersonellen Telekommunikationsdienstes ausgeschlossen sind.[9]
Auch nicht um einen interpersonellen Telekommunikationsdienst soll es sich handeln, wenn die interpersonelle und interaktive Kommunikationseinrichtung nur eine untergeordnete, unbedeutende und mit einem anderen Dienst verbundene reine Nebenfunktion einnimmt, die aus objektiv technischen Gründen nicht ohne den Hauptdienst genutzt werden kann, und sofern seine Integration nicht dazu dient, die Anwendbarkeit der Vorschriften für Telekommunikationsdienste zu umgehen.[10] Vor diesem Hintergrund ist die Einordnung von Chat-Funktionen in Computerspielen als interpersoneller Kommunikationsdienst umstritten.[11]
Mit Blick auf seine historische Entwicklung seit dem TKG 1996 wird der Begriff Öffentlichkeit im Sinne des § 3 Nr. 2 TTDSG dann zu bejahen sein, wenn der Anbieter seinen Telekommunikationsdienst jedem beliebigen Nutzer anbietet und nicht nur exklusiv einem Personenkreis, der von der Allgemeinheit durch individualisierende Merkmale abgegrenzt werden kann.[12] Beispielsweise ist dieses Merkmal nicht erfüllt, wenn ein Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die private Nutzung der Telekommunikationsdienste gestattet, da ein Anstellungsverhältnis nicht nur begründet wird, um den Telekommunikationsdienst nutzen zu können.
Die Diskussion um die Erfassung sog. OTT-I-Dienste als Telekommunikationsdienst im Sinne des TKG wurde in erster Linie aus telekommunikationsregulatorischer Sicht geführt,[13] wohingegen nicht hinterfragt wurde, ob diese nicht ohnehin bereits zuvor zur Beachtung des Fernmeldegeheimnisses nach §§ 88 ff. TKG-alt und des Datenschutzes nach §§ 91 ff. TKG-alt verpflichtet waren,[14] weil diese nicht auf Telekommunikationsdienste im Sinne des § 3 Nr. 24 TKG-alt sondern das geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG-alt abstellten (hierzu nachfolgend).[15]
2. Geschäftsmäßig angebotene Telekommunikationsdienste (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG)
Das TKG-alt stellte für den persönlichen Anwendungsbereich des Telekommunikationsgeheimnisses in §§ 88 ff. TKG-alt und des Telekommunikationsdatenschutzes und §§ 91 ff. TKG-alt allein auf das „geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten“ ab.[16] § 206 StGB knüpft den strafrechtlichen Schutz des Fernmeldegeheimnisses weiterhin allein hieran an.
Die Anknüpfung des Telekommunikationsgeheimnisses und des Telekommunikationsdatenschutzes wird im nationalen Recht seit dem TKG 1998 tradiert.[17] Eine Grundlage in den EU-rechtlichen Vorgaben zum Telekommunikationsrecht hat diese Begrifflichkeit jedenfalls seit der EK-DSRL 2002/58/ EG aus dem Jahr 2002 nicht mehr. Gleichwohl hat und konnte der deutsche Gesetzgeber daran festhalten, weil ihm die Umsetzung der EU-Richtlinien den Spielraum ließ. Die Begrifflichkeit wurde im TKG-alt auch ausschließlich für das Telekommunikationsgeheimnis und den Telekommunikationsdatenschutz verwendet und hatte im TKG-alt im Übrigen keine Relevanz. Seit der TKG-Novelle 2021 wird diese Formulierung im TKG eigentlich nicht mehr verwendet[18], weshalb § 3 TKG hierfür keine Definition mehr enthält. Im geleakten Referentenentwurf zum TTDSG zeichnete sich ab, dass auch im TTDSG nicht mehr auf diese Formulierung maßgeblich abgestellt werden sollte. Im Regierungsentwurf war und im TTDSG ist diese Formulierung jedoch fortgeführt worden.
Der Entwurfsbegründung zum TTDSG ist zu entnehmen, dass mit dem TTDSG auch das bisherige Begriffsverständnis des TKG-alt fortgeführt werden soll, was mit der Pflicht zur Gewährung des grundrechtlichen Schutzes des Fernmeldegeheimnisses begründet wurde.[19]
Dementsprechend ist für die Auslegung auf die Begriffsbestimmung des § 3 Nr. 10 TKG-alt zurückzugreifen, wonach es sich um „das nachhaltige Angebot von Telekommunikation für Dritte mit oder ohne Gewinnerzielungsabsicht“ handeln muss. Wie diese Definition zeigt, ist für die Auslegung des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG der Begriff „Telekommunikationsdienst“ im Sinne des § 3 Nr. 61 TKG nicht relevant. „Telekommunikation“ ist nach § 3 Nr. 59 TKG „der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen“.
Das den Anwendungsbereich prägende Merkmal der Drittbezogenheit („für Dritte“) ist bei einem Angebot, das an eine andere – natürliche oder juristische – Person gerichtet ist, gegeben.[20] Diese Voraussetzung ist auch bei der privaten Nutzung von Telekommunikation im Beschäftigungsverhältnis zu bejahen, wenngleich diese Bewertung umstritten ist.[21]
Hierin zeigt sich der wesentliche Unterschied zwischen § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG, welcher den Anwendungsbereich auf „öffentlich zugängliche“ Dienste beschränkt, während für § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG die Drittbezogenheit genügt. Obgleich die Formulierung „öffentlich zugänglich“ des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG vermeintlich auf einen weiten Anwendungsbereich schließen lässt, ist dieser enger als die Drittbezogenheit des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG. Der Unterschied wird an dem Beispiel der privaten Telekommunikationsnutzung im Beschäftigungsverhältnis (siehe Ziffer II. 1 einerseits und Ziffer II. 2. andererseits).
3. Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3)
Ein „Telekommunikationsnetz“ ist nach § 3 Nr. 65 TKG „die Gesamtheit von Übertragungssystemen, ungeachtet dessen, ob sie auf einer permanenten Infrastruktur oder zentralen Verwaltungskapazität basieren, und gegebenenfalls Vermittlungs- und Leitwegeinrichtungen sowie anderweitigen Ressourcen, einschließlich der nicht aktiven Netzbestandteile, die die Übertragung von Signalen über Kabel, Funk, optische und andere elektromagnetische Einrichtungen ermöglichen, einschließlich Satellitennetzen, festen, leitungs- und paketvermittelten Netzen, einschließlich des Internets, und mobilen Netzen, Stromleitungssystemen, soweit sie zur Signalübertragung genutzt werden, Netzen für Hör- und Fernsehfunk sowie Kabelfernsehnetzen, unabhängig von der Art der übertragenen Information“. Betreiber ist nach § 3 Nr. 7 TKG ein Unternehmen, das ein öffentliches Telekommunikationsnetz oder eine zugehörige Einrichtung bereitstellt oder zur Bereitstellung hiervon befugt ist. Im Rahmen des TKG-alt waren diese durch das Mitwirken (siehe Ziffer II. 6.) erfasst.
4. Betreiber von Telekommunikationsanlagen, mit denen geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbracht werden (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 4)
Die Betreiber von Telekommunikationsanlagen, mit denen geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbracht werden, waren im geleakten Referentenentwurf ebensowenig enthalten wie § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG. Im Rahmen des TKG-alt waren diese durch das Mitwirken (siehe Ziffer II. 6.) erfasst. „Telekommunikationsanlagen“ sind nach § 3 Nr. 60 TKG „technische Einrichtungen, Systeme oder Server, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale oder Daten im Rahmen der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können“. Die weiteren Begrifflichkeiten wurden bereits vorstehend erläutert.
5. Anbieter-Nutzer-Verhältnis
Für die Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses und der Telekommunikationsdatenschutzbestimmungen genügt es jedoch nicht allein, dass der Handelnde einen durch das TTDSG erfassten in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 TTDSG genannten Dienste erbringt, sondern die betroffene Person muss auch der an der Telekommunikation Beteiligte im Sinne des Fernmeldegeheimnisses oder der Endnutzer[22] bzw. Nutzer[23] des Dienstes sein. Wenn ein „klassisches Telekommunikationsunternehmen“ auch eine Internetpräsenz unterhält, dann ist es in Bezug auf den Nutzer dieser Internetpräsenz eben nicht Telekommunikationsanbieter im Sinne des § 3 Abs. 1 S. 1 TTDSG sondern ein Anbieter eines Telemediendienstes im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 TTDSG i.V.m. § 1 TMG.
Ebenso ist ein Unternehmen, dass seinen Mitarbeiter die Möglichkeit von Online-Videokonferenzen zu beruflichen Zwecken eröffnet, nicht allein deshalb ein nach § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG Verpflichteter, weil Videokonferensysteme nun als OTT ein Telekommunikationsdienst sein können. Er war bisher und ist auch kein nach § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG Verpflichteter, wenn er seinen Mitarbeitern zu ausschließlich beruflichen Zwecken die Möglichkeit von Telefonkonferenzen ermöglicht hat. Denn entscheidend ist, ob die Merkmale des § 3 Abs. 2 S. 1 TTDSG erfüllt sind und der Mitarbeiter ein Nutzer ist.
Wenngleich in diesem Beitrag aufgrund anderer Themensetzung die Einordnung von Online-Videokonferenzsystemen nicht abschließend beantwortet werden kann, so soll er doch deutlich machen, dass die Einordnung eine grundlegende Prüfung des Anwendungsbereichs erfordert und nicht allein das Abstellen auf den Dienst genügt.
6. Mitwirkende (§ 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 TTDSG)
Durch § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 TTDSG sind die am jeweiligen Dienst Mitwirkenden ebenfalls originär und eigenständig zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses und zum Telekommunikationsdatenschutz verpflichtet. Weder das TTDSG noch das TKG definieren jedoch den Begriff.
Im TKG-alt war deren Einbindung insofern sinnvoll, als hierunter die Betreiber der Telekommunikationsnetze und -anlagen gefasst werden konnten, und dadurch in die Schutzpflicht einbezogen waren. Dies konnte vor allem auch sinnvoll sein, weil diese nicht zwingend als Auftragsverarbeiter eingebunden sein mussten. Dieser Anwendungsbereich ist jedoch aufgrund deren expliziter Verpflichtung in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 und Nr. 4 TTDSG obsolet.[24]
Die Bestimmung muss daher aus dem Regelungskomplex ausgelegt werden. Begriffslogisch muss es sich um solche Akteure handeln, die solche Dienste selbst nicht erbringen, womit beispielsweise externe Hilfspersonen oder auch dem Anbieter zuzuordnende Erfüllungsgehilfen erfasst sein sollen.[25] Die Schutzpflicht wird damit auf diejenigen erstreckt, die eine Einwirkungsmöglichkeit auf den Schutz des Fernmeldegeheimnisses haben.[26] Damit sind die Erfüllungsgehilfen und auch die Mitarbeiter des Verpflichteten erfasst.
Die Regelung scheint jedoch in Konflikt zur Auftragsverarbeitung zu stehen. Denn im Rahmen der Auftragsverarbeitung ist der eingebundene Erfüllungsgehilfe nicht originär sondern „abgeleitet“ vom Auftraggeber verpflichtet. Insofern scheint die eigenständige Pflichtenstellung nach § 3 TTDSG in Konflikt zur Weisungsgebundenheit des Art. 28 DSGVO zu stehen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass ein solcher Konflikt der DS-GVO nicht grundsätzlich fremd ist, da sie in Art. 32 DS-GVO gleichermaßen den Verantwortlichen als auch den Auftragsverarbeiter in die Pflicht nimmt.
Letztlich ist die Erfassung von Mitwirkenden nach der hier vertretenen Auffassung eine mit Art. 95 DS-GVO nicht vereinbare Gestaltung und wird damit durch die DS-GVO verdrängt.[27] Denn Mitwirkende werden durch Art. 3 Abs. 1 der EK-DSRL 2002/58/EG nicht erfasst. Das wird durch ErwGr. 20 der EK-DSRL 2002/58/EG bestätigt.[28]
III. Verhältnis zur DS-GVO (Art. 95 DS-GVO)
In ihrem Anwendungsbereich geht die DS-GVO den nationalen Bestimmungen des Datenschutzes vor (Anwendungsvorrang).[29] Sie gilt ausweislich ErwGr. 15 DS-GVO technikneutral.[30] Die Kollision nationaler gesetzlicher Regelungen zur Umsetzung der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG regelt Art. 95 DS-GVO.
Nach Art. 95 DS-GVO werden natürlichen oder juristischen Personen „in Bezug auf die Verarbeitung in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste in öffentlichen Kommunikationsnetzen in der Union keine zusätzlichen Pflichten“ durch die DS-GVO auferlegt, „soweit sie besonderen in der ePrivacy-Richtlinie festgelegten Pflichten unterliegen, die dasselbe Ziel verfolgen“.
Der persönliche Anwendungsbereich in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG ist nicht auf öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste beschränkt.[31]Art. 95 DS-GVO erlegt jedoch nur natürlichen oder juristischen Personen „in Bezug auf die Verarbeitung in Verbindung mit der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste in öffentlichen Kommunikationsnetzen in der Union keine zusätzlichen Pflichten auf“. Dennoch wurde die Regelung in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 in das TTDSG – anders noch als im geleakten Referententwurf vorgesehen – eingefügt, was für den Regierungsentwurf mit der Pflicht zum Schutz nach Art. 10 GG begründet wurde. Jedoch sind auch die einfachgesetzlichen Regelungen zum Schutz des grundrechtlich geschützten Fernmeldegeheimnis nicht per se dem Anwendungsvorrang der DS-GVO entzogen.[32] Denn inhaltlich sind die Regelungen zum Fernmeldegeheimnis im TKG auch mit dem Schutz personenbezogener Daten befasst.[33]
Das spricht dafür, dass der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG nicht zur Anwendung der Regelungen des TTDSG führt, sondern die Regelungen der DS-GVO zur Anwendung kommen. Bis zur höchstrichterlichen Klärung des Verhältnisses des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG zur DS-GVO und der EU-GRCh im Lichte des Art. 10 GG (oder einer Überarbeitung des TTDSG) wird dies ein wesentlicher Diskussionspunkt des TTDSG bleiben.
Die nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG Verpflichteten haben jedoch in Bezug auf die Daten juristischer Personen, welche im Umfang des § 1 Abs. 2 TTDSG[34] durch das TTDSG geschützt sind, die Datenschutzbestimmungen des TTDSG anzuwenden. Denn insoweit kann es mangels personenbezogener Daten nicht zum Anwendungsvorrang der DS-GVO kommen (Art. 2 Abs. 1 DS-GVO).
IV. Telekommunikationsgeheimnis und Telekommunikationsdatenschutz
Für den sachlichen Anwendungsbereich der Regelungen über den Datenschutz und den Schutz der Privatsphäre (3. Teil des TTDSG) kommt es – anders als bei der DS-GVO – nicht allein darauf an, dass personenbezogene Daten[35] verarbeitet werden.
1. Telekommunikationsgeheimnis
Dem Schutz des Fernmeldegeheimnisses unterliegen der Inhalt der Telekommunikation und ihre näheren Umstände, insbesondere die Tatsache, ob jemand an einem Telekommunikationsvorgang beteiligt ist oder war (§ 3 Abs. 1 TTDSG). „Telekommunikation“ ist nach Legaldefinition in § 3 Nr. 59 TKG i.V.m. § 2 Abs. 1 TTDSG „der technische Vorgang des Aussendens, Übermittelns und Empfangens von Signalen mittels Telekommunikationsanlagen“. Telekommunikationsanlagen sind nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 60 TKG i.V.m. § 2 Abs. 1 TTDSG „technische Einrichtungen, Systeme oder Server, die als Nachrichten identifizierbare elektromagnetische oder optische Signale oder Daten im Rahmen der Erbringung eines Telekommunikationsdienstes senden, übertragen, vermitteln, empfangen, steuern oder kontrollieren können.“ Für das Ende des Schutzes durch das Fernmeldegeheimnis hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 02.03.2006 erstmals zwei Kriterien herausgearbeitet und danach in ständiger Rechtsprechung bestätigt: Der Schutz des Fernmeldegeheimnisses endet (1.) erst nach Abschluss des Kommunikationsvorgangs (2.) im Herrschaftsbereich des Kommunikationsteilnehmers in einer Weise, die ihm das Löschen der Kommunikationsinhalte und -verkehrsdaten ermöglicht. [36]
Bestandsdaten[37] sind nicht durch Art. 10 GG[38] und nicht durch die Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation 2002/58/EG als Bestandteil des Telekommunikationsinhalts oder der näheren Umstände der Telekommunikation geschützt.[39] Sie sind – anders als noch in § 95 TKG-alt – auch nicht durch den Telekommunikationsdatenschutz und damit auch nicht durch das TTDSG erfasst, sodass sich deren Verarbeitung allein nach der DS-GVO richtet.
2. Telekommunikationsdatenschutz und Schutz der Privatsphäre
Die Datenschutzbestimmungen der §§ 9 ff. TTDSG erfassen nicht generell personenbezogene Daten. Der Anwendungsbereich ist gegenüber der DS-GVO insofern enger als sie regelungsspezifisch die personenbezogenen Daten definieren (bspw. Verkehrsdaten, Standortdaten).
Der Telekommunikationsdatenschutz ist im TTDSG jedoch nicht abschließend geregelt. Die Regelungen über technische und organisatorische Schutzmaßnahmen (§§ 165 ff., insbesondere § 165 Abs. 1 TKG) und die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten (§ 3 Nr. 71 TKG, § 169 TKG) sind im TKG enthalten.
3. § 25 TTDSG
Das TTDSG enthält auch in seinem 3. Teil (Telemedien, Endeinrichtungen) Regelungen zur Telekommunikation. Die Regelung in § 25 TTDSG hat ihre Grundlage ebenfalls in der EK-DSRL 2002/58/EG wie die Regelungen über den Telekommunikationsdatenschutz. Der Schutz der Privatsphäre bei Endeinrichtungen – zuweilen auch auf das Verständnis als „Cookie-Regelung“ zu Unrecht beschränkt – ist dennoch nicht im 2. Teil des TTDSG, welcher die Telekommunikation regelt, enthalten sondern im 3. Teil des TTDSG. § 25 TTDSG setzt Art. 5 Abs. 3 EK-DSRL 2002/58/EG um, welcher durch die Richtlinie 2009/136/EG von einer Opt-Out-Regelung in eine Opt-In-Regelung geändert wurde.[40]
§ 25 TTDSG ist nicht dienstespezifisch gestaltet, sondern verpflichtet jeden, der Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers speichert oder auf Informationen, die bereits in der Endeinrichtung gespeichert sind, zugreift[41] – also insoweit auch die nach § 3 Abs. 2 TTDSG Verpflichteten.
Dementsprechend enthält § 25 TTDSG in Abs. 2 Nr. 1 auch telekommunikationsspezifische Ausnahmen von dem Einwilligungserfordernis, was aufgrund der Regelung im 3. Teil und nicht im 2. Teil des TTDSG zuweilen übersehen wird: „wenn der alleinige Zweck der Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der alleinige Zweck des Zugriffs auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen die Durchführung der Übertragung einer Nachricht über ein öffentliches Telekommunikationsnetz ist“.
V. Auswirkungen des Anwendungsbereichs – ein Überblick
Der Anwendungsbereich des TTDSG wirkt sich einerseits durch seine Erweiterung und andererseits durch den nicht mit der DS-GVO, insbesondere Art. 95 DS-GVO, und EK-DSRL 2002/58/EG harmonisierten Anwendungsbereich aus.
1. Ergänzende Anwendung der Regelungen des TKG
Wie bereits angesprochen, ist der Telekommunikationsdatenschutz im TTDSG nicht abschließend geregelt. Die Regelungen über technische und organisatorische Schutzmaßnahmen (§§ 165 ff., insbesondere § 165 Abs. 1 TKG) und die Verletzung des Schutzes personenbezogener Daten (§ 3 Nr. 71 TKG, § 169 TKG) knüpfen jedoch an Erbringen von Telekommunikationsdiensten bzw. von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten an. Das hat zur Konsequenz, dass für die nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 3 TTDSG Verpflichteten stimmig Regelungen im TKG enthalten sind, wohingegen für die nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 TTDSG im TKG keine Spezialregelungen enthalten sind, sodass insoweit die DS-GVO, insbesondere Artt. 32, 33, 34 DS-GVO, zur Anwendung kommen.
Auch hierin zeigt sich, dass bei der Umsetzung des TKG die unionsrechtlichen Vorgaben umgesetzt wurden, welche ein „geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdiensten“ nicht kennen. Wesentlich ist diese unterschiedliche Einordnung auch im Rahmen von Sanktionsverfahren, da der Bußgeldrahmen des TTDSG/TKG signifikant geringer ist als der des Art. 83 DS-GVO. Auch dies spricht dafür, dass § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG ein nicht stimmiger Fremdkörper ist.
2. Private Nutzung von Telekommunikation im Unternehmen
Die private Nutzung von Telekommunikation im Unternehmen durch Beschäftigte wird formal durch das TTDSG erfasst wegen § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG. Denn privat nutzende Mitarbeiter sind zwar Dritte (siehe oben zu § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG), aber begründen keine öffentliche Zugänglichkeit (siehe oben zu § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG). Der Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG wird jedoch wiederum – nach der hier vertretenen Auffassung – durch die DS-GVO verdrängt, sodass insoweit dennoch die DS-GVO zur Anwendung kommt.
Im Zuge der Novellierung des TKG und der Einführung des TTDSG wurde § 206 StGB nicht geändert, welcher weiterhin an das geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten im Sinne des § 3 Nr. 10 TKG-alt anknüpft.
Dementsprechend besteht ein Auslegungsrisiko. § 206 StGB schützt einfachgesetzliche das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GG. Wenn davon ausgegangen wird, dass auch der Schutz des Art. 10 GG von der DS-GVO nicht unberührt bleibt, lässt sich argumentieren, dass § 206 StGB entsprechend den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz richtlinienkonform ausgelegt werden muss. Eine gerichtliche Klärung steht aus.
3. Anwendung der Regelungen über die öffentliche Sicherheit des TKG (TK-Überwachung, Vorratsdatenspeicherung & Co.)
Nach dem TKG-alt hatte die Bejahung des persönlichen Anwendungsbereichs des Fernmeldegeheimnisses und des Telekommunikationsdatenschutzes keine Auswirkungen auf die Anwendung weiterer Bestimmungen des TKG, weil diese weiteren Regelungen nicht an das „geschäftsmäßige Erbringen von Telekommunikationsdiensten“ anknüpften. Dementsprechend hat auch die Bejahung des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG keine weiteren Auswirkungen auf die Anwendung weiterer Bestimmungen des TKG.[42]
Werden hingegen die Voraussetzungen in § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG bejaht, dann kommen aufgrund desselben Anwendungsbereichs auch eine Reihe von Regelungen der Öffentlichen Sicherheit des TKG auf diesen Datenverarbeiter zur Anwendung: § 164 TKG (Notruf), Sicherheitsbeauftragter und Sicherheitskonzept (§ 166 TKG), Mitteilung eines Sicherheitsvorfalls (§ 168 TKG), Daten- und Informationssicherheit (§ 169 TKG), Umsetzung von Überwachungsmaßnahmen, Erteilung von Auskünften (§ 170 Abs. 2 TKG), Daten für Auskunftsersuchen der Sicherheitsbehörden (§ 172 TKG), Manuelles Auskunftsverfahren (§ 174 TKG) und – wenngleich gegen EU-Recht verstoßend – Pflichten zur Speicherung von Verkehrsdaten (§§ 175, 176 TKG).[43]
Hier mag man auch die Frage stellen, ob die scheinbar einfache Lösung der Herausforderung zu internetbasierten Videokonferenz-Online-Anwendungen (siehe nachfolgend) diese weiteren Herausforderungen aufwiegt.
4. Internetbasierte Videokonferenz-Online-Anwendungen
Hat die Erfassung von internetbasierten VideokonferenzOnline-Anwendungen als OTT-I und der damit verbundenen Erfassung durch das TKG und das TTDSG die Herausforderungen der Einbindung als Auftragsverarbeiter und des Drittlandtransfers gelöst? Man hört es so. Zweifel bleiben, die im Rahmen dieses Beitrags nicht abschließend gelöst werden können, aber der Beitrag die Grundlage für deren Bewertung legen kann.
Die „Handreichung Videokonferenzsysteme – Hinweise zur praktischen Nutzung“ der Datenschutzaufsichtsbehörde Baden-Württemberg (Stand: Dezember 2021) sowie die „Orientierungshilfe Videokonferenzsysteme – Stand: 23.10.2020“ der DSK adressieren diese Fragestellung nicht.
Internetbasierte Videokonferenz-Online-Anwendungen als OTT-I sind Telekommunikationsdienste.[44] Entscheidend ist jedoch die Frage nach dem Anbieter-Nutzer-Verhältnis im Sinne des TTDSG. Denn nur in diesem kommt das TTDSG zur Anwendung und wird die DS-GVO verdrängen. Diese ist sicherlich dann gegeben, wenn alle Beteiligten im konkreten Einzelfall der Nutzung jeweils eigenes Nutzverhältnis zum Anbieter der internetbasierten Videokonferenz-Online-Anwendung haben wie bei der Nutzung von klassischer Telekommunikation.
Eine solche Konstellation kann bspw. gegeben sein, wenn ein Unternehmen für seine Kunden über einen MessengerDienst (bspw. WhatsApp), der nun als OTT-I-Dienst auch ein Telekommunikationsdienst ist, erreichbar ist. Das Unternehmen und die Kunden unterhalten jeweils ein eigenständiges Anbieter-Nutzer-Verhältnis zum Anbieter des MessengerDienstes, der nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG verpflichtet ist.
Auch beim Einsatz von internetbasierten VideokonferenzOnline-Anwendungen muss es also darauf ankommen, wer als Anbieter des öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienstes gegenüber den Nutzern auftritt und es kann für die Anwendung des TTDSG und der damit scheinbaren Befreiung von den eingangs angesprochenen Anforderungen nicht nur darauf ankommen, dass überhaupt ein öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienst in Gestalt einer internetbasierten Videokonferenz-Online-Anwendung genutzt wird. Wenn eine der an der Telekommunikation teilnehmenden Parteien nicht ebenfalls nur Nutzer sondern Anbieter im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG ist, sondern die internetbasierte Videokonferenz-Online-Anwendung auf Vorleistungsebene bei einem Anbieter „eingekauft“ und an die anderen Teilnehmer bereitstellt („weiterverkauft“), dann bleiben die Herausforderungen in Gestaltung der Auftragsverarbeitung und dem Drittlandtransfer in Bezug auf die „eingekaufte“ Vorleistung wohl bestehen. Soweit argumentiert würde, dass sich die Themen (Auftragsverarbeitung usw.) nicht stellen, weil die Vorleister selbst durch § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 oder Nr. 4 TTDSG erfasst seien, dann müsste deren Anwendungsbereich konkret geprüft und die Frage der Verdrängung durch die DS-GVO (siehe oben) geprüft werden.
Daran schließt sich die Frage an, auf was es für diese Bewertung ankommt: die objektive Tatsachen- und Vertragslage oder die Sicht der anderen Nutzer? Muss ein Online-Seminar-Anbieter dann zukünftig darauf hinweisen, dass nicht er der Anbieter der für das Seminar genutzten internetbasierten Videokonferenz-Online-Anwendung ist, sondern alle Seminar-Teilnehmer ebenso wie der Seminar-Anbieter ein von einer Drittpartei erbrachten öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst nutzen? Die weitere für § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 TTDSG entscheidende Frage ist, ob der Dienst öffentlich zugänglich ist. Auch das wird in der jeweiligen Nutzungskonstellation zu hinterfragen sein.
Wenn hingegen auf § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG abgestellt wird, stellt sich zwar ebenfalls die Frage nach der Stellung des Erbringers, aber das Erfordernis der öffentlichen Zugänglichkeit entfällt und es genügt die Drittbezogenheit. Allerdings kann § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 TTDSG neben der DS-GVO nicht zur Anwendung kommen (siehe oben Ziffer III).
Die weiteren (Neben-)Funktionen der internetbasierten Videokonferenz-Online-Anwendung müssen dabei dann ebenfalls (gesondert) bewertet werden.
Wie eingangs angesprochen, lässt sich die Einordnung der internetbasierten Videokonferenz-Online-Anwendungen nicht ohne die Beleuchtung des Anwendungsbereichs des Telekommunikationsgeheimnisses und des Telekommunikationsdatenschutzes bewerten, aber andererseits kann der Beitrag diese Frage nicht final beantworten, sodass es bei Überlegungen an dieser Stelle bleiben muss.
VI. Fazit
Der Anwendungsbereich des Telekommunikationsgeheimnisses und des Telekommunikationsdatenschutzes ist auf den ersten Blick möglicherweise klarer, als in der konkreten Anwendung. Gerade im Detail steckt der Teufel.
Dr. Jens Eckhardt Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht sowie Datenschutz-Auditor (TÜV) und Compliance-Officer (TÜV)
[1] Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.07.2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation).
[2] Richtlinie 2018/1972/(EU) des Europäische Parlaments und des Rates v. 11.12.2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, ABl. 2018 L 321, 36. Hierzu: Scherer/Heinickel, MMR 2017, 71 ff.
[3] Vgl. Moench: Neue Begriffsbestimmung für regulierte Telekommunikationsdienste, NVwZ 2021, 1652 ff.; Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 54 ff.; HK-TTDSG/Assion, 1. Aufl. 2022, TTDSG, § 3, Rn. 80 ff.
[4] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 54
[5] Instruktiv: Grünwald/Nüßing, MMR 2016, 91 ff.; vertiefend: Schwartmann/ Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 44 ff.
[6] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 57; sog. OTT-0-Dienste waren bereits vor der Novelle erfasst (Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, a.a.O.).
[7] Siehe: https://berec.europa.eu/eng/document_register/subject_matter/berec/reports/5751-berec-report-on-ott-services“ (Link mit Stand: 15.12.2022). Ausführlich: Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 47 ff.; HK-TTDSG/Assion, 1. Aufl. 2022, TTDSG, § 3, Rn. 80 ff
[8] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 59.
[9] Referentenentwurf zum Telekommunikationsmodernisierungsgesetz v. 14.12.2020, S. 270.
[10] Referentenentwurf zum Telekommunikationsmodernisierungsgesetz v. 14.12.2020, S. 270.
[11] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 62.
[12] Ausführlich: Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 36 ff. unter anderem unter Verweis auf: Geppert/Schütz/Eckhardt, 4. Aufl. 2013, TKG, § 110, Rn. 13 ff.; Geppert/Schütz/Schütz, 4. Aufl. 2013, TKG, § 6, 43 ff.; zur historischen Entwicklung und wechselhaften Auslegung Geppert/Schütz/ Schütz, 4. Aufl. 2013, TKG, § 6 Rn. 43 ff.; Eckhardt, in: Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl. 2006, S. 65 ff
[13] Vgl. EuGH, MMR 2019, 517 ff; EuGH, MMR 2019, 514 ff
[14] Vgl. EuGH, MMR 2019, 517 ff; EuGH, MMR 2019, 514 ff.
[15] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 66.
[16] Spindler/Schuster/Eckhardt, 4. Aufl. 2019, TKG, § 88, Rn. 1; ausführlich zum Gesamtkontext einschließlich der historischen Bezüge: Eckhardt, in: Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl. 2006, S. 1447 ff.; Schwartmann/ Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 70.
[17] Eckhardt, in: Heun, Handbuch Telekommunikationsrecht, 2. Aufl. 2006, S. 63 ff., 1479 f.
[18] Der Vollständigkeit halber: Allein in § 174 Abs. 6 TKG wird diese Wendung als „verirrtes historisches Überbleibsel“ noch verwendet. Die Pflicht § 174 Abs. 6 S. 1 TKG gilt dem Wortlaut nach nur für geschäftsmäßige Telekommunikationsdienste und entsprach damit bis zur TKG-Novelle 2021 dem Adressatenkreis des § 174 Abs. 1. Es erscheint als redaktioneller Fehler, dass die Formulierung des Abs. 6 S. 1 nicht an die des Abs. 1 angepasst wurde.
[19] BT-Drs. 19/2744, Seite 34; ausführlich: Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 29 ff
[20] Geppert/Schütz/Bock, 4. Aufl. 2013, TKG, § 88, Rn. 24; Spindler/Schuster/Eckhardt, 4. Aufl. 2019, TKG, § 88, Rn. 30 ff.
[21] Ausführlich: Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 77 ff.
[22] § 3 Nr. 13 TKG i.V.m. § 2 Abs. 1 TTDSG: „Endnutzer“ ein Nutzer, der weder öffentliche Telekommunikationsnetze betreibt noch öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste erbringt“.
[23] § 3 Nr. 41 TKG i.V.m. § 2 Abs. 1 TTDSG: „„Nutzer“ jede natürliche oder juristische Person, die einen öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdienst für private oder geschäftliche Zwecke in Anspruch nimmt oder beantragt“.
[24] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 68.
[25] Geppert/Schütz/Schütz, 4. Aufl. 2013, TKG, § 3 Rn. 15.
[26] Spindler/Schuster/Eckhardt, 4. Aufl. 2019, TKG, § 88 Rn. 34
[27] Kiparski CR 2021, 482, 484; vgl. Schwartmann, Ausschussdrucksache 19(9)1043, S 10; Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 69.
[28] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 69.
[29] Spindler/Schuster/Eckhardt, 4. Aufl. 2019, TKG, § 91, Rn. 4.
[30] Eckhardt, in: Rüpke/v. Lewinski/Eckhardt, Datenschutzrecht, 2018, S. 383.
[31] Rossnagel/Geminn/Richter, DS-GVO, 2017, S. 280; Eckhardt, in: Rüpke/v. Lewinski/Eckhardt, Datenschutzrecht, 2018, S. 404 f.
[32] Vgl. Mauntz/Dürig/Durner, GG, Art. 10 Rn. 204 ff.; Eckhardt, in: Rüpke/v. Lewinski/Eckhardt, Datenschutzrecht, 2018, S. 404 f.; Schwartmann/Jaspers/ Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 4 f.
[33] Eckhardt, in: Rüpke/v. Lewinski/Eckhardt, Datenschutzrecht, 2018, S. 404 f.; Rossnagel/Geminn/Richter, DS-GVO, 2017, S. 279 unter Bezugnahme auf Beck TKG-Komm/Bock, TKG, § 88 Rn. 11; Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 4 f.
[34] „Dem Fernmeldegeheimnis unterliegende Einzelangaben über Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren juristischen Person oder Personengesellschaft, die mit der Fähigkeit ausgestattet ist, Rechte zu erwerben oder Verbindlichkeiten einzugehen, stehen den personenbezogenen Daten gleich.“ (§ 1 Abs. 2 TTDSG).
[35] Zum Personenbezug weiterführend: Eckhardt, DuD 2021, 107 ff. m. w. N.; BfDI, Positionspapier zur Anonymisierung unter der DS-GVO unter besonderer Berücksichtigung der TK-Branche, Stand: 29.06.2020; Schwartmann/Jaspers/ Eckhardt/Eckhardt/Lepperhoff, TTDSG, § 19, Rn. 48.
[36] BVerfG, MMR 2006, 217 ff.; Eckhardt, DuD 2006, 365 (366); vertiefend: Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Eckhardt, TTDSG, § 3, Rn. 16 ff.
[37] § 3 Nr. 6 TKG i.V.m. § 2 Abs. 1 TTDSG: „Daten eines Endnutzers, die erforderlich sind für die Begründung, inhaltliche Ausgestaltung, Änderung oder Beendigung eines Vertragsverhältnisses über Telekommunikationsdienste“
[38] BVerfG, Beschl. v. 24.01.2012 – 1 BvR 1299/05; ausführlich zu dieser Entscheidung in Kontext der Bewertung der Telekommunikations-Bestandsdatenauskunft nach §§ 111, 112, 113 TKG-alt: Geppert/Schütz, Beck TKG-Komm/Eckhardt, §§ 111, Rn. 3 f., 112, Rn. 4 ff., 113, Rn. 6 ff
[39] Arndt/Fetzer/Scherer/Graulich/Klesczewski, TKG, § 88, Rn. 14; Beck TKG/Bock, § 88, Rn. 14.
[40] Grundlegend: Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Schwartmann/Reif/Burkhardt, TTDSG, § 25, Rn. 1 ff.; zur Rechtslage vor der Änderung: Eckhardt, Datenschutzerklärungen und Hinweise auf Cookies, ITRB 2005, 46 ff.
[41] Schwartmann/Jaspers/Eckhardt/Schwartmann/Reif/Burkhardt, TTDSG, § 25, Rn. 30.
[42] Der Vollständigkeit halber: Allein in § 174 Abs. 6 TKG wird diese Wendung als „verirrtes historisches Überbleibsel“ noch verwendet. Die Pflicht § 174 Abs. 6 S. 1 TKG gilt dem Wortlaut nach nur für geschäftsmäßige Telekommunikationsdienste und entsprach damit bis zur TKG-Novelle 2021 dem Adressatenkreis des § 174 Abs. 1. Es erscheint als redaktioneller Fehler, dass die Formulierung des Abs. 6 S. 1 nicht an die des Abs. 1 angepasst wurde.
[43] Vgl. zu den Vorgängerregelungen im TKG-alt: Spindler/Schuster/Eckahrdt, 4. Aufl. 2019, §§ 88, 91, 93-99, 102, 109, 109a TKG; Geppert/Schütz/Eckhardt, 4. Aufl. 2013, TKG §§ 108-13, 114, 115 TKG.
[44] Ebenso: HK-TTDSG/Assion, 1. Aufl. 2022, TTDSG, § 3, Rn. 8; HK-TTDSG/ Schramm/Shvets, 1. Aufl. 2022, TTDSG, § 9, Rn. 71.