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Aufsatz : Die Datenschutz-Grundverordnung in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts : aus der RDV 1/2023 Seite 17 bis 22

Lesezeit 18 Min.

Der nachfolgende Beitrag wirft einen Blick auf die Befassung des Bundesgerichtshofs sowie – soweit Berührungspunkte bestehen – des Bundesarbeitsgerichts mit Fragen der Datenschutzgrundverordnung und knüpft an RDV 2021, S. 243 (Heft 5) an.

I. Auskunft (Art. 15 Abs. 1 DS-GVO) und Kopie (Art. 15 Abs. 3 DS-GVO)

Mit dem Inhalt des Auskunftsanspruchs, seiner Erfüllung, möglichen Ausschlussgründen und den Anforderungen an einen hinreichend bestimmten Klageantrag haben sich Bundesgerichtshof und Bundesarbeitsgericht bereits intensiver befasst.[1]

1. Beschränkung des Auskunftsrechts über die Herkunft von Daten gemäß Art. 15 Abs. 1 Halbsatz 2 Buchst. g DS-GVO durch datenschutzrechtlich geschützte Interessen Dritter

Die beklagte Vermieterin teilte dem klagenden Mieter einer Wohnung mit: „Aufgrund von Beschwerden über starke Geruchsbelästigung und Ungeziefer im Treppenhaus möchten wir eine Begehung Ihrer Wohnung durchführen“. Danach erhielt der Kläger ein Schreiben der Beklagten: „Leider haben wir die an Sie vermietete Wohnung in einem verwahrlosten Zustand vorgefunden. Da Sie in einer Hausgemeinschaft wohnen und wir für Ihre Mitbewohner Sorge tragen, erwarten wir, dass Sie umgehend eine Reinigung und Entrümpelung der Wohnung vornehmen.“ Die Beklagte kündigte eine erneute Wohnungsbesichtigung zur Überprüfung der Reinigungsarbeiten an. Der Kläger verlangte unter Verweis auf die Datenschutzgrundverordnung Auskunft darüber, „welcher seiner Mitbewohner sich über ihn beschwert haben soll.“ Darauf antwortete die Beklagte dem Kläger: „Die Beschwerden bezüglich der Wohnung wurden revidiert und es wurde berichtet, dass vor kurzem die Wohnung gereinigt wurde. Der Termin für die Wohnungsbesichtigung durch den Vermieter wäre somit hinfällig. Im Interesse der Hausgemeinschaft schlagen wir vor, die Angelegenheit ruhen zu lassen.“ Der Kläger verlangt, gestützt auf Art. 15 Abs. 1 DS-GVO, Auskunft über die bei der Beklagten verarbeiteten, ihn betreffenden personenbezogenen Daten, einschließlich der Auskunft darüber, welcher seiner Mitbewohner sich über ihn beschwert haben soll.

Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden, dass das Auskunftsrecht des Art.  15 Abs.  1 Hs. 2 Buchst. g) DS-GVO auch durch Rechte und Freiheiten anderer Personen eingeschränkt sein kann.[2] Dabei konnte dahinstehen, ob sich dies unmittelbar aus der Datenschutzgrundverordnung oder über die Öffnungsklausel des Art. 23 Abs. 1 Buchst. i) DS-GVO erst aus § 29 Abs. 1 S. 2 BDSG ergibt. Denn in beiden Fällen kam es im Ergebnis insbesondere darauf an, ob das Interesse des Hinweisgebers an der Geheimhaltung seiner Person das Auskunftsinteresse überwiegt.

2. Hinreichende Bestimmtheit von Urteilsformel und Klageantrag

Ein Tenor mit der Verurteilung zur Erteilung von Auskunft und Zurverfügungstellung mit der Einschränkung „soweit jeweils nicht die in den §§ 27 Abs. 2, 28 Abs. 2, 29 Abs. 1 S. 2 und 34 Abs. 1 BDSG geregelten Ausnahmen vorliegen“ ist nicht hinreichend bestimmt.[3] Ebenfalls nicht hinreichend bestimmt sind Klageanträge auf Auskunft über die „nicht in der Personalakte des Klägers gespeicherten personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten“ und auf Kopie von „personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten“.[4]

3. Anspruch des Patienten gegen den Arzt auf Herausgabe einer Kopie sämtlicher Krankenunterlagen?

Der klagende Patient verlangt von der beklagten Zahnärztin die unentgeltliche Herausgabe einer Kopie sämtlicher bei der Beklagten existierender, ihn betreffender Krankenunterlagen. Er befand sich bei der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Beklagten in zahnärztlicher Behandlung und ist der Ansicht, die Leistungen der Beklagten seien fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte ist der Auffassung, sie müsse eine Kopie der Patientenunterlagen nur gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen.

Dazu hat der Bundesgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen vorgelegt:[5]

1. Ist Art. 15 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO dahingehend auszulegen, dass der Verantwortliche (hier: der behandelnde Arzt) nicht verpflichtet ist, dem Betroffenen (hier: dem Patienten) eine erste Kopie seiner vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Betroffene die Kopie nicht zur Verfolgung der in ErwG 63 S. 1 zur DS-GVO genannten Zwecke begehrt, sich der Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten bewusst zu werden und deren Rechtmäßigkeit überprüfen zu können, sondern einen anderen – datenschutzfremden, aber legitimen – Zweck (hier: die Prüfung des Bestehens arzthaftungsrechtlicher Ansprüche) verfolgt?

2. Falls die Frage 1 verneint wird:

a) Kommt als Beschränkung des sich aus Art. 15 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ergebenden Rechts auf eine unentgeltliche Zurverfügungstellung einer Kopie der vom Verantwortlichen verarbeiteten personenbezogenen Daten nach Art. 23 Abs. 1 Buchst. i) DS-GVO auch eine nationale Vorschrift eines Mitgliedstaats in Betracht, die vor dem Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung erlassen wurde?

b) Falls die Frage 2a bejaht wird: Ist Art. 23 Abs. 1 Buchst. i DS-GVO dahingehend auszulegen, dass die dort genannten Rechte und Freiheiten anderer Personen auch deren Interesse an der Entlastung von mit der Erteilung einer Datenkopie nach Art. 15 Abs. 3 S. 1 DS-GVO verbundenen Kosten und sonstigem durch die Zurverfügungstellung der Kopie verursachten Aufwand umfassen?

c) Falls die Frage 2b bejaht wird: Kommt als Beschränkung der sich aus Art. 15 Abs. 3 S. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 DS-GVO ergebenden Pflichten und Rechte nach Art.  23 Abs.  1 Buchst. i) DS-GVO eine nationale Regelung in Betracht, die im Arzt-Patienten-Verhältnis bei Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten aus der Patientenakte durch den Arzt an den Patienten stets und unabhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls einen Kostenerstattungsanspruch des Arztes gegen den Patienten vorsieht?

3. Falls die Frage 1 verneint und die Fragen 2a, 2b oder 2c verneint werden: Umfasst der Anspruch aus Art.  15 Abs.  3 S.  1 DS-GVO im Arzt-Patienten-Verhältnis einen Anspruch auf Überlassung von Kopien aller die personenbezogenen Daten des Patienten enthaltenden Teile der Patientenakte oder ist er nur auf Herausgabe einer Kopie der personenbezogenen Daten des Patienten als solche gerichtet, wobei es dem Daten verarbeitenden Arzt überlassen bleibt, in welcher Weise er dem betroffenen Patienten die Daten zusammenstellt?

4. Umfang der Kopien?

Die klagende Versicherungsnehmerin hatte bei der beklagten Versicherung eine fondsgebundene Rentenversicherung abgeschlossen, die gekündigt und abgerechnet worden war. Danach machte die Klägerin auf der Grundlage von Art.  15 Abs. 1 DS-GVO Auskunftsrechte geltend. Die Beklagte erteilte diverse Auskünfte und übersandte eine Kopie des Versicherungsantrags. Die Klägerin verlangte daraufhin die Erteilung weiterer Auskünfte sowie die Herausgabe von Abschriften bzw. Kopien der jeweiligen Dokumente, die personenbezogene Daten von ihr enthielten. Dieses Verfahren hat der Bundesgerichtshof unter Hinweis auf die bereits erfolgte Vorlage und eine weitere Vorlage des Österreichischen Bundesverwaltungsgerichts ausgesetzt.[6]

II. Schadensersatz (Art. 82 DS-GVO)

Die klagende Arbeitnehmerin machte mit außergerichtlichem Schreiben gegenüber der beklagten Arbeitgeberin einen „Auskunftsanspruch nach der Datenschutzgrundverordnung im Hinblick auf sämtliche bei Ihnen gespeicherten Daten, insbesondere die Daten der Arbeitszeiterfassung geltend“. Die Beklagte übersandte die Stundenzettel und -nachweise für den fraglichen Zeitraum. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag auf Zahlung immateriellen Schadenersatzes, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt worden ist, in Höhe von 1.000,00 Euro nebst Zinsen stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Zahlung eines höheren Schadenersatzes weiter.

Dazu hat das Bundesarbeitsgericht unterstellt, dass der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung immateriellen Schadenersatzes gem. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen ihre Verpflichtungen aus Art.  15 Abs.  1 DS-GVO zusteht.[7] Da sich die Beklagte gegen ihre Verurteilung nicht mit einem eigenen Rechtsmittel gewandt hat, ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts insoweit rechtskräftig geworden. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob allein eine nicht vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs gem. Art.  15 Abs.  1 DS-GVO einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO begründen kann. Zweifel daran könnten sich ergeben, weil der Erwägungsgrund 146 S. 1 DS-GVO nur von solchen Schäden spricht, „die einer Person aufgrund einer Verarbeitung entstehen, die mit dieser Verordnung nicht im Einklang steht“. Verarbeitung im Sinne der Datenschutzgrundverordnung ist nach ihrem Art. 4 Nr. 2 „jede(r) mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführte(r) Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, de(r) Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung“. Die Nichterfüllung oder nicht vollständige Erfüllung des Auskunftsanspruchs nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO muss danach für sich genommen nicht gleichbedeutend sein mit einer verordnungswidrigen „Verarbeitung“. Ebenso kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass ein Schadenersatzanspruch nach Art.  82 Abs. 1 DS-GVO keinen in bestimmter Weise qualifizierten Verstoß gegen die Datenschutzgrundverordnung, also kein Überschreiten einer gewissen Erheblichkeitsschwelle, voraussetzt. Beide Fragen sind nicht entscheidungserheblich, da sich die Entscheidung, soweit sie von der Klägerin angefochten ist, als rechtsfehlerfrei erweist. Mangels einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften ist §  287 Abs.  1 S.  1 ZPO anwendbar.[8] Das Landesarbeitsgericht hat die Höhe des immateriellen Schadenersatzes mit 1.000,00 Euro nicht ermessensfehlerhaft zu niedrig festgesetzt. In diesem Rahmen konnte das Bundesarbeitsgericht ohne Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union entscheiden.[9]

III. Gesundheitsdaten im Arbeitsverhältnis

1. Mit § 26 Abs. 3 S. 1 und S. 3 BDSG hat der Gesetzgeber von der Öffnungsklausel in Art. 9 Abs. 2 Buchst. b DS-GVO in zulässiger Weise Gebrauch gemacht.[10]

2. Der klagende Patient verlangt von der beklagten Zahnärztin die unentgeltliche Herausgabe einer Kopie sämtlicher bei der Beklagten existierender, ihn betreffender Krankenunterlagen. Er befand sich bei der in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Beklagten in zahnärztlicher Behandlung und ist der Ansicht, die Leistungen der Beklagten seien fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte ist der Auffassung, sie müsse eine Kopie der Patientenunterlagen nur gegen Kostenerstattung zur Verfügung stellen. Dazu hat das Bundesarbeitsgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen vorgelegt:[11]

1. Ist Art. 9 Abs. 2 Buchst. h der Datenschutzgrundverordnung; im Folgenden DS-GVO dahin auszulegen, dass es einem Medizinischen Dienst einer Krankenkasse untersagt ist, Gesundheitsdaten seines Arbeitnehmers, die Voraussetzung für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit dieses Arbeitnehmers sind, zu verarbeiten?

2. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h DS-GVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DS-GVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Sind in einem Fall wie hier über die in Art. 9 Abs. 3 DS-GVO bestimmten Maßgaben hinaus weitere, gegebenenfalls welche Datenschutzvorgaben zu beachten?

3. Für den Fall, dass der Gerichtshof die Frage zu 1. verneinen sollte mit der Folge, dass nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. h) DS-GVO eine Ausnahme von dem in Art. 9 Abs. 1 DS-GVO bestimmten Verbot der Verarbeitung von Gesundheitsdaten in Betracht käme: Hängt in einem Fall wie hier die Zulässigkeit bzw. Rechtmäßigkeit der Verarbeitung von Gesundheitsdaten zudem davon ab, dass mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 DS-GVO genannten Voraussetzungen erfüllt ist?

4. Hat Art. 82 Abs. 1 DS-GVO spezial- bzw. generalpräventiven Charakter und muss dies bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs.  1 DS-GVO zulasten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters berücksichtigt werden?

5. Kommt es bei der Bemessung der Höhe des zu ersetzenden immateriellen Schadens auf der Grundlage von Art. 82 Abs. 1 DS-GVO auf den Grad des Verschuldens des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters an? Insbesondere, darf ein nicht vorliegendes oder geringes Verschulden auf Seiten des Verantwortlichen bzw. Auftragsverarbeiters zu dessen Gunsten berücksichtigt werden?

IV. Öffnungsklausel (Art. 85 DS-GVO)

Der Bundesgerichtshof hat erneut entschieden:[12] Aufgrund der Öffnungsklausel des Art. 85 Abs. 2 DS-GVO sind Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken von den die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung betreffenden Vorschriften in Art.  6 und Art.  7 DS-GVO durch Regelungen der Länder ausgenommen worden.[13] Ein Schadensersatzanspruch gemäß § 82 Abs. 1 DS-GVO kann nicht auf die Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen durch eine journalistische Tätigkeit gestützt werden, wenn die Bestimmungen für die Tätigkeit gar nicht gelten.[14]

Demgegenüber ist die Frage, ob die §§ 22, 23 KUG unter Geltung der Datenschutzgrundverordnung noch auf die Nutzung des Bildnisses einer Person zu künstlerischen Zwecken anwendbar sind, weiter ausdrücklich offengeblieben.[15] Ebenso ist die Frage, ob auf Ansprüche wegen namentlicher Erwähnung eines Arztes und Zitierens seiner Äußerungen in einer Werbeanzeige für ein Produkt im Deutschen Ärzteblatt vorrangig die Datenschutzgrundverordnung anwendbar ist, als nicht entscheidungserheblich offengelassen worden.[16] Selbst wenn man die Werbeanzeige trotz ihres auch fachlichen Gehalts nicht als Verarbeitung personenbezogener Daten zu wissenschaftlichen Zwecken im Sinne des Art.  85 DS-GVO ansehen und deswegen die nationalen Vorschriften als verdrängt ansehen wollte, wäre im Rahmen eines Unterlassungsanspruchs aus §  1004 Abs.  1 S.  2, §  823 Abs.  2 BGB, Art. 6 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. f) DS-GVO kein dem Kläger günstigeres Ergebnis zu erzielen.

V. Bewertungsportale

1. Einer klagenden juristischen Person, die ein Hotel betreibt, steht ein Anspruch auf Unterlassung der Verbreitung von Nutzerbewertungen gegen die beklagte Betreiberin eines Internet-Reiseportals nicht aufgrund der Datenschutzgrundverordnung zu, da diese nach Art. 1 Abs. 1 Vorschriften zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten enthält.[17] Dies ist zwar wenig überraschend, aber es zeigt, wie unterschiedlich der einschlägige Rechtsrahmen innerhalb eines Phänomenbereichs (hier Bewertungsportale) sein kann.[18] Ungeachtet dieser Weichenstellungen sollten die grundlegenden Wertungen über den jeweiligen Rechtsrahmen hinaus im Blick behalten werden.

2. Demgegenüber ist bei Betrieb eines Internet-Ärztebewertungsportals, das für Ärzte unter Verwendung von Daten aus allgemein zugänglichen Quellen ein Profil erstellt, und dessen Nutzer die Ärzte bewerten können, die Datenschutzgrundverordnung anwendbar.[19] Der Anwendbarkeit des Art.  17 DS-GVO steht nicht Art.  38 Abs.  1 BayDSG i.V.m. Art.  85 Abs.  2 DS-GVO (sogenanntes „Medienprivileg“) entgegen. Ob ein Anspruch aus Art. 17 Abs. 1 Buchst. d) besteht, hängt von der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 Buchst. f) ab. Mit der Datenverarbeitung werden sowohl eigene berechtigte Interessen als auch berechtigte Interessen der Nutzer des Portals wahrgenommen. Die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten der Ärzte ist zur Verwirklichung der berechtigten Interessen des Portalbetreibers und der Portalnutzer erforderlich. Ob hinsichtlich der beanstandeten Verhaltensweisen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten des Arztes die mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen überwiegen, hängt von der erforderlichen Abwägung der nach den konkreten Umständen des Einzelfalls einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen ab.

VI. Auslistungsanspruch gegen Internetsuchdienst

1. Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs[20] hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden:[21]

a) Art. 17 Abs. 3 Buchst. a) DS-GVO ist dahin auszulegen, dass im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und den Rechten aus Art. 11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in der Übersicht der Ergebnisse einer Suche der Link zu einem Inhalt, der Behauptungen enthält, die von der die Auslistung begehrenden Person für unrichtig gehalten werden, gelöscht wird, diese Auslistung nicht davon abhängt, dass die Frage der Richtigkeit des aufgelisteten Inhalts im Rahmen eines von dieser Person gegen den Inhalteanbieter eingelegten Rechtsbehelfs einer zumindest vorläufigen Klärung zugeführt worden ist. b) Art. 12 Buchst.

b) und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a) der Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.10.1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und Art. 17 Abs. 3 Buchst. a) DS-GVO sind dahin auszulegen, dass im Rahmen der Abwägung, die zwischen den Rechten aus den Art. 7 und 8 der Charta der Grundrechte und den Rechten aus Art.  11 der Charta der Grundrechte vorzunehmen ist, um einen an den Betreiber einer Suchmaschine gerichteten Auslistungsantrag zu prüfen, der darauf abzielt, dass in den Ergebnissen einer anhand des Namens einer natürlichen Person durchgeführten Bildersuche Fotos, die in Gestalt von Vorschaubildern angezeigt werden und diese Person darstellen, gelöscht werden, dem Informationswert dieser Fotos – unabhängig vom Kontext ihrer Veröffentlichung auf der Internetseite, der sie entnommen sind, aber unter Berücksichtigung jedes Textelements, das mit der Anzeige dieser Fotos in den Suchergebnissen unmittelbar einhergeht und Aufschluss über den Informationswert dieser Fotos geben kann – Rechnung zu tragen ist.

Das vom Bundesgerichtshof ausgesetzte Revisionsverfahren ist noch anhängig.

2. In einem anderen Verfahren hat der Bundesgerichtshof einen Auslistungsanspruch angenommen, wenn allein namensbezogene Abfragen einen ursprünglich rechtmäßig veröffentlichten Presseartikel mit Namensnennung über ein spektakuläres Kapitalverbrechen des Klägers auch noch über 30 Jahre später an vierter Stelle der Ergebnisliste anzeigen, nachdem die langjährige Haftstrafe bereits verbüßt ist.[22]

VII. Wettbewerbsrecht

1. Auf Vorlage des Bundesgerichtshofs[23] hat der Gerichtshof der Europäischen Union entschieden:[24] Art. 80 Abs. 2 DS-GVO ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, nach der ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten ohne entsprechenden Auftrag und unabhängig von der Verletzung konkreter Rechte betroffener Personen Klage mit der Begründung erheben kann, dass gegen das Verbot der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken, ein Verbraucherschutzgesetz oder das Verbot der Verwendung unwirksamer Allgemeiner Geschäftsbedingungen verstoßen worden sei, nicht entgegensteht, sofern die betreffende Datenverarbeitung die Rechte identifizierter oder identifizierbarer natürlicher Personen aus dieser Verordnung beeinträchtigen kann.

Der Bundesgerichtshof hat das Verfahren erneut ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union die Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob eine Rechtsverletzung „infolge einer Verarbeitung“ im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DS-GVO geltend gemacht wird, wenn ein Verband zur Wahrung von Verbraucherinteressen seine Klage darauf stützt, die Rechte einer betroffenen Person seien verletzt, weil die Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 S. 1 DS-GVO i.V.m. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c) und e) DS-GVO über den Zweck der Datenverarbeitung und den Empfänger der personenbezogenen Daten nicht erfüllt worden seien. Denn der Bundesgerichtshof ist in seinem ersten Vorlagebeschluss davon ausgegangen, dass sich eine nach deutschem Recht gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 UKlaG bestehende Klagebefugnis wegen eines allein auf die objektiv-rechtliche Durchsetzung des Datenschutzrechts gerichteten Klagebegehrens nicht den die Rechtsbehelfe, die Haftung und Sanktionen regelnden Bestimmungen des Kapitels VIII der Datenschutzgrundverordnung und insbesondere nicht den Art. 80 Abs. 1 und Abs. 2 DS-GVO oder Art. 84 Abs. 1 DS-GVO entnehmen lässt. Er hat daher dem Gerichtshof der Europäischen Union mit seinem ersten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vorgelegt, ob die Datenschutzgrundverordnung in Bezug auf die Klagebefugnis eine abschließende Regelung trifft, die der Anwendbarkeit der §  8 Abs.  3 Nr. 3 UWG und §  3 Abs.  1 S.  1 Nr. 1 UKlaG entgegensteht. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat – abweichend von der vom Bundesgerichtshof im Vorlagebeschluss vertretenen Ansicht – entschieden, dass sich die Klagebefugnis des Klägers aus Art. 80 Abs. 2 DS-GVO ergeben kann. Die in Art. 80 Abs. 2 DS-GVO den Mitgliedstaaten eröffnete Möglichkeit, ein Verfahren einer Verbandsklage gegen den mutmaßlichen Verletzer des Schutzes personenbezogener Daten vorzusehen, besteht allerdings nur für den Fall, dass der klagende Verband geltend macht, die Rechte einer betroffenen Person gemäß der Datenschutzgrundverordnung seien „infolge einer Verarbeitung“ verletzt worden. Es ist fraglich, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, wenn die sich aus Art. 12 Abs. 1 S. 1, Art. 13 Abs. 1 Buchst.  c) und e DS-GVO ergebenden Informationspflichten verletzt worden sind.

2. Welche Anforderungen die Einwilligung gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG erfüllen muss, ist durch eine unionsrechtskonforme Auslegung zu ermitteln.[25] Gemäß Art.  2 Abs.  2 Buchst.  f) der Richtlinie 2002/58/EG ist unter „Einwilligung“ eines Nutzers oder Teilnehmers die Einwilligung der betroffenen Person im Sinne der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr zu verstehen. Gemäß Art. 94 Abs. 2 DS-GVO gelten Verweise auf die gemäß Art. 94 Abs. 1 DS-GVO aufgehobene Richtlinie 95/46/EG als Verweise auf die Datenschutzgrundverordnung. Nach Art.  4 Nr. 11 DS-GVO bezeichnet der Ausdruck „Einwilligung“ der betroffenen Person jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist. Der Umstand, dass Nutzer, die die unentgeltliche, durch Werbung finanzierte Variante eines E-Mail-Dienstes wählten, sich allgemein damit einverstanden erklärten, Werbeeinblendungen zu erhalten, um kein Entgelt für die Nutzung des E-Mail-Dienstes zahlen zu müssen, erfüllt die Voraussetzungen einer Einwilligung nicht. Es ist vielmehr maßgeblich, ob der betroffene Nutzer, der sich für die unentgeltliche Variante des E-Mail-Dienstes entschied, ordnungsgemäß über die genauen Modalitäten der Verbreitung einer solchen Werbung informiert wurde und tatsächlich darin einwilligte, Werbenachrichten zu erhalten. Insbesondere muss der Nutzer klar und präzise unter anderem darüber informiert worden sein, dass Werbenachrichten in der Liste der empfangenen privaten E-Mails angezeigt werden. Außerdem ist erforderlich, dass der Nutzer seine Einwilligung, solche Werbenachrichten zu erhalten, für den konkreten Fall und in voller Kenntnis der Sachlage bekundete.

VIII. Wirksamer gerichtlicher Rechtsbehelf (Art. 79 Abs. 1 DS-GVO)

Aus Art. 47 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta folgt nur ein Anspruch auf eine gerichtliche Instanz.[26] Gleiches gilt etwa auch für die Parallelbestimmungen in Art.  46 Abs.  1 der Richtlinie 2013/32 und Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/115, in denen jeweils – wie in Art. 47 Abs. 1 der EU-Grundrechtecharta – von einem „wirksamen Rechtsbehelf“ die Rede ist. Nichts Anderes gilt für Art. 79 Abs. 1 DS-GVO. Danach hat jede Person, die meint, dass ihre Rechte aus der Datenschutzgrundverordnung durch eine unrechtmäßige Datenverarbeitung verletzt worden sind, Anspruch auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf. Vorbild für diese Norm ist Art. 47 der EU-Grundrechtecharta. Die hierzu ergangene Rechtsprechung kann daher auch zur Auslegung von Art. 79 DS-GVO herangezogen werden.

Strafverfahren (Beweisverwertung)

Selbst wenn Videoaufnahmen von der Tatbegehung unter Verstoß gegen die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung erlangt worden sind, weil der Inhaber eines Ladengeschäfts mit seiner davor angebrachten Videokamera über 50 Meter ins öffentliche Straßenland hineingefilmt hat, würde dies nicht zur Unverwertbarkeit des so erlangten Beweismittels führen.[27] Denn auch rechtswidrig von Privaten erlangte Beweismittel sind grundsätzlich im Strafverfahren verwertbar. Durch das Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung hat sich daran nichts geändert.

IX. Fazit

Die Warmlaufphase mit ersten Entscheidungen zu Fragen der Datenschutz-Grundverordnung ist bereits vorbei. Nicht nur der Bundesgerichtshof und das Bundesarbeitsgericht, sondern auch die Gerichte anderer Mitgliedstaaten befinden sich über Vorabentscheidungsverfahren mittlerweile in einem intensiven Dialog mit dem Gerichtshof der Eu-ropäischen Union. Daneben wird weiter auszuloten sein, wie sich Regelungen der Datenschutzgrundverordnung mit materiellrechtlichen und prozessrechtlichen Vorschriften des nationalen Rechts verzahnen.

Dr. Peter Allgayer Richter am Bundesgerichtshof und dort unter anderem für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus dem BDSG und der DS-GVO zuständigen VI. Zivilsenat tätig

[1] Vgl. RDV 2021, 243 (245 f.).

[2] BGH, Urt. v. 22.02.2022 – VI ZR 14/21.

[3] BAG, Urt. v. 16.12.2021 – 2 AZR 235/21.

[4] BAG, Urt. v. 16.12.2021 – 2 AZR 235/21.

[5] BGH, (Vorlage-) Beschl. v. 29.03.2022 – VI ZR 1352/20.

[6] BGH, (Aussetzungs-) Beschl. v. 31.05.2022 – VI ZR 223/21.

[7] BAG, Urt. v. 05.05.2022 – 2 AZR 363/21.

[8] Vgl. RDV 2021, 243 (247).

[9] Vgl. RDV 2021, 243 (246 f.).

[10] BAG, Urt. v. 01.06.2022 – 5 AZR 28/22.

[11] BAG, (Vorlage-) Beschl. v. 26.08.2021 – AZR 253/20

[12] Vgl. RDV 2021, 243 (246)

[13] BGH, Urt. v. 22.02.2022 – VI ZR 1175/20; Urt. v. 31.05.2022 – VI ZR 95/21.

[14] BGH, Urt. v. 22.02.2022 – VI ZR 1175/20.

[15] BGH, Urt. v. 24.02.2022 – VI ZR 2/21. Vgl. RDV 2021, 243 (246 Fn. 33).

[16] BGH, Urt. v. 28.07.2022 – VI ZR 171/21.

[17] BGH, Urt. v. 09.08.2022 – VI ZR 1244/20

[18] Vgl. RDV 2021, 243 (248 Fn. 41)

[19] BGH, Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 488/19; Urt. v. 12.10.2021 – VI ZR 489/19; Urt. v. 15.02.2022 – VI ZR 692/20.

[20] Vgl. RDV 2021, 243 (244 f.).

[21] EuGH, Urt. v. 08.12.2022 – C 460/20.

[22] BGH, Urt. v. 03.05.2022 – VI ZR 832/20.

[23] Vgl. RDV 2021, 243.

[24] EuGH, Urt. v. 28.04.2022 – C 319/20.

[25] BGH, Urt. v. 13.01.2022 – VI ZR 25/19.

[26] 27 BGH, Beschl. v. 19.10.2021 – I ZR 25/19.

[27] BGH, Beschl. v. 18.08.2021 – 5 StR 217/21.