Urteil : Durch allgemeinen Verweis auf Unwohlsein nach Scraping wird kein hinreichender Schaden nachgewiesen : aus der RDV 1/2023 Seite 64
(LG Gießen, Urteil vom 3. November 2022 – 5 O 195/22 –)
- Ein Unwohlsein wegen eines möglichen Missbrauchs gescrapter Daten allein reicht insb. deswegen nicht aus, um einen immateriellen Schaden nach Daten-Scraping zu begründen, da die Daten ohnehin öffentlich einsehbar waren. Es ist diesen Daten gerade immanent, dass sie jedem und jederzeit zugänglich zu sind.
- Gegen das Bestehen eines immateriellen Schadens kann es sprechen, wenn eine standardisierte Klageschrift verwendet wird, die für eine Vielzahl von betroffenen Nutzern eingereicht wurde und auf den behandelten Sachverhalt nicht in jedem Punkt passt. Dasselbe gilt für das Fernbleiben des Klägers entgegen der Anordnung persönlichen Erscheinens.
(Nicht amtliche Leitsätze)
Aus den Gründen:
Das Vorliegen eines konkreten, immateriellen Schadens, wozu auch Ängste, Sorgen, Stress sowie Komfort- und Zeiteinbußen zählen, hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Er hat zwar im Rahmen der Klageschrift ausführen lassen, dass er einen erheblichen Kontrollverlust über seine Daten erlitten habe und deshalb unter großem Unwohlsein und Sorgen leide sowie einen Missbrauch befürchte; der Anordnung zum persönlichen Erscheinen (zur Sachverhaltsaufklärung) ist er gleichwohl nicht nachgekommen, was das Gericht frei zu würdigen hatte. Letztlich kann die Kammer nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass der Kläger unter den in der Klageschrift beschriebenen Ängsten und Sorgen tatsächlich leidet. Dagegen spricht bereits der Umstand, dass es sich bei den „gescrapten“ Daten des Klägers – mit Ausnahme der Mobilfunknummer – um Daten handelt, die immer (!) öffentlich sind. Es ist diesen Daten gerade immanent, dass sie jedem und jederzeit zugänglich sind. Auf diesen Umstand weist die Beklagte ihre Nutzer auch ausdrücklich hin, sodass es für die Kammer nicht nachvollziehbar ist, weshalb eine „weitere Veröffentlichung“ dieser Daten, bei dem Kläger zu einem unguten Gefühl geführt haben sollte. Dagegen spricht weiterhin der Umstand, dass es sich offensichtlich um eine standardisierte Klageschrift handelt, die für eine Vielzahl von betroffenen Nutzern eingereicht wird. So ist beispielsweise vorgetragen, dass sich der hiesige Kläger aufgrund des Vorfalles mit betrügerischen E-Mails auseinandersetzen müsse, obwohl die E-Mail-Adresse – nach dem Vortrag der Klägerseite (Schriftsatz vom 05.10.2022 Bl. 11) – gar nicht „gescrapt“ worden ist; sprich seine E-Mail-Adresse durch den Vorfall überhaupt nicht öffentlich verbreitet worden ist. Ebenso kann die Kammer keinen konkreten immateriellen Schaden aus der Veröffentlichung der Mobilfunknummer ersehen. Erhebliche Zweifel an dem in der Klageschrift vorgetragenem Gemütszustand des Klägers ergeben sich für das Gericht diesbezüglich bereits aus dem Umstand, dass die Eingabe der Mobilfunknummer freiwillig erfolgte, mithin für die Registrierung nicht erforderlich ist. Dass der Kläger diese gleichwohl trotzdem angab, spricht eher dafür, dass er kein besonderes Interesse daran hatte, die Möglichkeit einer Verbreitung seiner Mobilfunknummer zu kontrollieren; zumal auch diesbezüglich die Beklagte in ihren Einstellungen entsprechende Einschränkungsmöglichkeiten bereithält. Ein anderes Bild hätte sich lediglich im Rahmen seiner persönlichen Anhörung ergeben können.
Aufgrund der vorgenannten Ausführungen kam es auf die Frage, ob und inwieweit die Beklagte gegen die DS-GVO verstoßen hat, nicht an.