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Urteil : Auskunftssperre im Melderegister wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe : aus der RDV 2/2017, Seite 89

(Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 14. Februar 2017 – 6 B 49.16 –)

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Die Zugehörigkeit einer Person zu einer Berufsgruppe kann die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister nur dann rechtfertigen, wenn aufgrund von in Einzelfällen verwirklichten Gefährdungen im Sinne von § 51 Abs. 1 BMG der Schluss gezogen werden kann, dass alle Angehörigen der Berufsgruppe sich in einer vergleichbaren Gefährdungslage befinden.

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Bewährungshelferin, begehrt die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister. Die Klage hatte vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, für die Klägerin eine Auskunftssperre im Melderegister einzutragen. Es hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass das Vorliegen einer Gefahr i.S.d. § 51 Abs. 1 BMG von den individuellen Verhältnissen der jeweiligen Person abhänge, zu denen auch deren berufliche Tätigkeit gehöre. Ob aus der beruflichen Tätigkeit eine Gefahr erwachsen könne, werde sich nur ausnahmsweise abstrakt für eine Berufsgruppe feststellen lassen; vielmehr werde es regelmäßig auf die konkret ausgeübte Tätigkeit ankommen.

Hier folge die Gefahr i.S.d. § 51 Abs. 1 BMG für die Klägerin schon aus ihrer Tätigkeit als Bewährungshelferin, die sich ausschließlich auf den persönlichen Umgang mit oftmals als defizitär zu bezeichnenden Delinquenten beschränke. Dazu hat das Berufungsgericht auf eine Stellungnahme des Präsidenten des Landgerichts zur Tätigkeit der Bewährungshelfer und der daraus resultierenden Gefahren Bezug genommen und daraus den Schluss gezogen, dass mit Blick auf den gesetzlichen Aufgabenkreis dieser Berufsgruppe sich ausnahmsweise bereits aus deren Tätigkeit ein für eine Auskunftssperre hinreichendes Gefährdungspotential ergebe. Ein Tätigkeitszuschnitt ohne unmittelbaren Außenkontakt, wie etwa bei einem Gruppenleiter mit vorwiegend administrativen Aufgaben, liege bei der Klägerin nicht vor. Sie sei in unmittelbarem Kontakt mit Probanden tätig, und die von ihr geschilderten Bedrohungen belegten die sich immer wieder konkretisierenden Gefährdungen von Bewährungshelfern bei ihrer Berufsausübung. Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Beklagten ohne Erfolg.

Aus den Gründen:

Ob die typische, gesetzlich in §§ 56d ff., §§ 68a ff. StGB umrissene Tätigkeit von Bewährungshelfern die Annahme rechtfertigt, dass diesem Personenkreis durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für die in § 51 Abs. 1 BMG genannten Schutzgüter von Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnlich schutzwürdige Interessen erwachsen kann, ist in erster Linie von den Tatsacheninstanzen aufgrund tatrichterlicher Feststellung und Würdigung des Ausmaßes der berufsbedingten Risiken zu beantworten.…

§ 51 Abs. 1 BMG fordert für die Eintragung einer Auskunftssperre im Melderegister, dass Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der betroffenen oder einer anderen Person durch eine Melderegisterauskunft eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Interessen erwachsen kann. Nach dem Gesetzeswortlaut hängt das Vorliegen einer Gefahr i.S.d. § 51 Abs. 1 BMG für eine Person von deren individuellen Verhältnissen ab; die Überschreitung der maßgeblichen Gefahrenschwelle lässt sich nur in Bezug auf eine konkrete Person durch Darlegung ihrer Verhältnisse belegen. Zu den individuellen Verhältnissen gehört auch die berufliche Tätigkeit der betroffenen Person (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. März 2016 – 6 B 11.16 [ECLI:DE:BVerwG:2016 :070316B6B11.16.0] – […] Rn. 6). Allein die berufliche Tätigkeit und damit die Zugehörigkeit zu einer Berufsgruppe kann hiernach eine Gefahr im Sinne des § 51 Abs. 1 BMG allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen begründen. Dazu muss die Gefahrenschwelle, die das Vorliegen eines schwerwiegenden Grundes verlangt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Juni 2006 – 6 C 5.05 – BVerwGE 126, 140 Rn. 17), allein durch die berufstypischen Risiken überschritten werden, denen sich die betroffene Berufsgruppe ausgesetzt sieht. Das setzt hinreichend dichte Tatsachenfeststellungen voraus, aus denen sich abstrakt das Vorliegen einer Gefahr für alle Angehörigen dieser Berufsgruppe ergibt. Denn die Gefahrenschwelle liegt bei einer abstrakten Gefahr nicht niedriger als im Falle der individuellen Prognose einer konkreten Gefahr. Das ergibt sich aus den Zwecken des Melderegisters, der Melderegisterauskunft sowie dem Ausnahmecharakter der Auskunftssperre gemäß § 51 BMG.