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Urteil : Kein Einsichtsrecht einer Krankenkasse in die Patientenakte einer Versicherten : aus der RDV 2/2017, Seite 99

(Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 14. Dezember 2016 – L 5 KR 4875/14 –)

Archiv RDV
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Eine Krankenkasse hat, ohne eine Zustimmungserklärung des Versicherten, kein Einsichtsrecht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen (Patientenakte) bezüglich eines stationären Krankenhausaufenthalts bei ihr Versicherter. Ein Einsichtsrecht steht nur dem MDK zu (Anschluss an LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2014 – L 4 KR 3980/12 –; BSG, Urteile vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R – und vom 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R -).

Sachverhalt:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung für erbrachte stationäre Behandlungsleistungen i.H.v. weiteren 2.716,41 EUR zuzüglich Zinsen. Mit Urteil vom 24.07.2014 verurteilte das SG die Beklagten zur Zahlung des geltend gemachten Betrages an die Kläger, da die Behandlung durch ein geriatrisches Team unter fachärztlicher Behandlungsleitung erfolgt sei. Dies ergebe sich aus der vorgelegten Patientendokumentation, insb. dem Entlassbericht.

Die Beklagte macht bei Einlegung der Berufung u.a. geltend, dass ihr die Einsichtnahme in die Behandlungsdokumentation nicht gewährt worden. Ein Verweis auf das Einsichtsrecht des MDK sei nicht ausreichend.

Aus den Gründen:

Die Berufung führt für die Beklagte nicht zum Erfolg. Das SG hat die Beklagte zu Recht verurteilt, der Klägerin einen weiteren Betrag von 2.716,41 EUR zuzüglich Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.11.2009 zu zahlen. … (wird ausgeführt)

Die Beklagte kann auch nicht mit Erfolg einwenden, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) verletzt worden sei, weil ihr durch das SG und durch den Senat ein eigenes Einsichtsrecht in die Patientenakten der Versicherten versagt worden sei. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Da eine Zustimmungserklärung der Versicherten nicht vorliegt, ist der Beklagten Einsicht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen ihrer Versicherten weder vom SG noch vom Senat zu gewähren. Die Beklagte macht mit dem Begehren auf eigene Akteneinsicht einen Anspruch auf Gewährung von Akteneinsicht in die als Beiakten geführten Patientenakten des Krankenhauses geltend. Hierfür normiert § 120 SGG die maßgeblichen Voraussetzungen. Jedoch steht der beklagten Krankenkasse kein Recht zu, selbst in die ärztlichen Behandlungsunterlagen Einsicht zu nehmen. Für die Prüfung der Abrechnung vor Beginn des gerichtlichen Verfahrens hat dies das BSG bereits entschieden (z.B. BSG, Urteile vom 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R –; vom 22.04.2009 – B 3 KR 24/07 R – und vom 21.03.2013 – B 3 KR 28/12 R –; alle in juris). Ein Einsichtsrecht besteht auch im gerichtlichen Verfahren nicht. Denn das nicht zustehende Recht auf Einsicht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen kann im gerichtlichen Verfahren nicht dadurch ausgehebelt werden, dass nunmehr der Krankenkasse Einsicht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen gewährt wird. Die Krankenkasse erhielte auf diesem Wege Informationen, die sie jedenfalls ohne Zustimmung ihres Versicherten außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nicht erhalten dürfte. Einsicht in die ärztlichen Behandlungsunterlagen kann auch im gerichtlichen Verfahren nur der MDK erhalten, wie dies vorliegend auch erfolgte (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.04.2014 – L 4 KR 3980/12 – in juris).

Soweit sich Beklagte zuletzt eines eigenes Rechts auf Akteneinsicht unter Bezugnahme auf das Urteil des BSG vom 12.01.2010 (- B 2 U 28/08 R – in juris) berühmt, bedingt dies keine abweichende Beurteilung. Zwar hat das BSG in der Entscheidung ausgeführt, dass zur Klärung der Frage, ob das Behandlungsziel (anders als durch eine stationäre Behandlung) erreicht werden könne, die Behandlungsunterlagen vom klagenden Krankenhausträger beizuziehen (§ 106 Abs. 3 Nr. 2 SGG) seien, der Krankenhausträger zur Übersendung der Behandlungsunterlagen auch ohne Einverständniserklärung des Versicherten im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungslast nach § 202 SGG i.V.m. § 142 ZPO verpflichtet sei und so der Unfallversicherungsträger im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit habe, die Notwendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung zu beurteilen. Das BSG hat jedoch hiermit keine Aussage darüber getroffen, ob der Unfallversicherungsträger berechtigt ist, vom Krankenhausträger die Herausgabe von Krankenunterlagen zum Zwecke der Abrechnungsprüfung zu verlangen (vgl. Angermaier, in: jurisPR-SozR 15/2010 Anm. 4). Auch verkennt die Beklagte, dass im Bereich des Unfallversicherungsrechts keine, dem MDK vergleichbare Institution existiert, die medizinische Aspekt für die Unfallversicherungsträger überprüft. Die Entscheidung des BSG vom 12.01.2010 führt mithin nicht dazu, dass der Beklagten ein Recht auf eine eigene Einsicht zuzubilligen ist.