Bericht : Sozialdatenschutzrecht : aus der RDV 2/2020, Seite 105
Utz Kramer (Hrsg.), Sozialdatenschutzrecht, Nomos Verlag, BadenBaden, 4. neu bearbeitete Aufl., 2020, 488 S., € 78,00
Das Sozialgesetzbuch ist in der Bundesgesetzgebung eine eigenständige, umfangreiche Materie, die dem Umstand Rechnung trägt, dass das Sozialstaatsprinzip in unserem Grundgesetz nach ausgewogenen Regelungen verlangt, die zwischen dem Funktionieren der staatlichen Fürsorge und den Persönlichkeitsrechten der betroffenen Menschen unter Beachtung des überwiegenden Allgemeininteresses einen sachgerechten und angemessenen Ausgleich herstellen. Insbesondere der Datenschutz ist im Sozialbereich als bereichsspezifisches Normengeflecht gewachsen, der das komplette öffentliche Datenschutzrecht über die allgemeinen Bestimmungen hinaus nochmals eigenständig abbildet und für die besondere Situation im sozialen Kontext modifiziert.
Diesem Komplex widmet sich der vorliegende Handkommentar. Nach Inkrafttreten und Wirksamwerden der europäischen Datenschutzgrundverordnung ergab sich die Notwendigkeit, das eingeführte und bereits in der Vorauflage (3. Aufl. 2011) vielbeachtete Werk vollkommen neu zu bearbeiten, da die bereichsspezifischen Regelungen im Lichte des europäischen Datenschutzrechts verändert gelten und zuletzt durch das 2. Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679, vom 20.11.2019, BGBl. I, S. 1626, Artt. 119 ff., angepasst wurden. Dem Herausgeber ist es gelungen, für diese Aufgabe ein hochqualifiziertes Verfassergremium zu gewinnen, das aus Wissenschaftlern, renommierten Datenschützern und Praktikern im Sozialrecht besteht und damit die Voraussetzungen erfüllt, um das Thema von allen einschlägigen Seiten zu beleuchten.
Gerade die Kommunale Praxis hat sehnsüchtig auf diesen handlichen Band gewartet, der sichtlich einen guten Eindruck hinterlässt. Neben einer – nützlichen – Übersicht über die aktuelle Literatur ist dem Band eine Einführung vorangestellt, Literaturhinweise 106 RDV 202 die besonders dem neu mit Sozialdatenschutzrecht befassten Leser hilfreiche Dienste leistet. Der Standort des Sozialdatenschutzrechts im Kontext der Datenschutzgrundverordnung, seine Struktur und Regelungssystematik sowie ein Überblick über die Inhalte vertiefen das Verständnis des Lesers, ohne ihn mit der Komplexität der Einzelnormen zu überfordern. Denn die Paragraphen haben aufgrund ihrer gedrängten nachträglichen Einfügung den Rahmen einer normalen Nummerierung des SGB X gesprengt und konnten – gleich mehrfach – nur unter Hinzufügung von Buchstaben und Buchstabenreihen zur laufenden Nummer die korrekte Reihenfolge behalten. Umso wichtiger war es, dass sich das vorliegende Werk vorgenommen hat, Struktur und Systematik für den Nutzer begreifbar zu ordnen, wozu diese Einführung zweifellos wesentlich beigetragen hat.
Die eigentliche Kommentierung zunächst des grundlegenden § 35 SGB I und danach der §§ 67 bis 85a SGB X enthält durchgehend vor jeder Norm eine ausführliche Kommentierungsgliederung mit dem Hinweis auf die die Auffindung der Bemerkungen erleichternden Randnummern. Der Abdruck der Gesetzesmaterialien zu den einzelnen Normen ist dem Nutzer sofort verfügbar und erleichtert ihm in Zweifelsfällen die (historische und systematische) Auslegung. Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal des Werkes sind die zahlreichen Schaubilder, die schon die Vorauflage auszeichnete und gute Vorbilder für Schulungsfolien boten. Sie vereinfachen wie lehrbuchartige Übersichten, die unter didaktischen Aspekten erarbeitet sind, die korrekte Anwendung für den Praktiker im einzelnen Fall. Hervorzuheben ist zudem, dass der Bezug zur europäischen Datenschutzgrundverordnung immer wieder deutlich gemacht und – als Beispiel im Anhang nach § 79 SGB X durch einen Exkurs zur Datenschutz-Folgeabschätzung nach Art. 35 DS-GVO – bisweilen ausführlich erläutert wird, wo und inwiefern auf die Beziehung des Sozialdatenschutzes zum übergeordneten europäischen Recht besonders zu achten ist.
Ein ausführliches Stichwortverzeichnis – das in einer guten Kommentierung bekanntlich nicht fehlen darf – rundet dieses handliche Werk ab.
Das Buch ist insgesamt gesehen eine höchst nützliche Fundgrube für die korrekte Anwendung der sozialdatenschutzrechtlichen Bestimmungen in der Praxis. Alle öffentlichen Leistungserbringer, ob in Kommunen oder anderswo, die Träger der freien Wohlfahrtspflege, die Justiz, Rechtsanwälte und rechtsberatende Stellen sowie jeder, der auf der Seite Betroffener mit dem Thema befasst ist, sie alle finden in dieser Kommentierung die notwendige Unterstützung für ihre Arbeit. Auch Lernenden ist das Buch unentbehrlich; es sollte in keiner Bibliothek fehlen.
(Dr. Martin Zilkens)