DA+

Kurzbeitrag : Erlauben die beschränkten Bußgeldrahmen in den §§ 51 Abs. 5 KDG, 45 Abs. 5 DSG-EKD die wirksame, verhältnis mäßige und abschreckende Sanktion von Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen? : aus der RDV 2/2021, Seite 98 bis 103

Lesezeit 16 Min.

Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) sieht bei Verstößen nach Art. 83 Absätze 4, 5 und 6 DS-GVO sehr hohe Bußgelder vor. Erlauben die abgesenkten Bußgeldrahmen in den § § 51 Abs. 5 KDG, 45 Abs. 5 DSG-EKD die wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktion von Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen?

I. Einleitung

Die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO)[1] sieht zum Schutz natürlicher Personen bei der widerrechtlichen Verarbeitung personenbezogener Daten erhebliche Bußgelder vor.

Bei formellen Verstößen[2] sind Bußgelder bis zu 10.000.000,00 Euro möglich. Liegt der weltweite Vorjahres umsatz des verantwortlichen oder auftragsverarbeitenden Unternehmens bei über 500 Millionen Euro, können bis zu zwei Prozent des weltweiten Vorjahresumsatzes festgesetzt werden.

Noch härter ist die Sanktion materieller Verstöße.[3] Die Bußgeldobergrenzen sind verdoppelt.

In jedem Einzelfall stellen die Aufsichtsbehörden sicher, dass die verhängte Geldbuße wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist.[4]

Die kirchlichen Datenschutzbestimmungen begrenzen die Bußgeldhöhe auf 500.000,00 Euro.[5] Erlaubt das geringere mögliche Bußgeld eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionierung von Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen?

Im nächsten Abschnitt grenzt der Beitrag Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen von mittelgroßen Unternehmen und großen Unternehmen ab. Welche Bedeutung haben Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen?

Abschnitt III stellt das Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung in Verfahren gegen Unternehmen vor. Welche Entscheidungen lassen sich für die kirchlichen Verfahren übernehmen? Was sollte bei Konzentration auf Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen verändert werden?

In Abschnitt IV wird ein kirchliches Verfahren, ausgerichtet auf Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen, vorgestellt. Welche Konsequenz hat die Abweichung vom Verfahren der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden? Abschnitt V fasst das Ergebnis zusammen.

II. Die Abgrenzung von Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen von mittelgroßen und großen Unternehmen

Bei der Abgrenzung der Unternehmensgrößen legen die unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder die Vorjahresumsatzhöhe für die Abgrenzung zugrunde.[6]

„Die unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder sind der Auffassung, dass in einem modernen Unternehmenssanktionsrecht mit erheblichen maximalen Bußgeldbeträgen, das sich zugleich an eine Vielfalt unterschiedlich großer Unternehmen richtet, der Umsatz eines Unternehmens eine geeignete, sachgerechte und faire Anknüpfung zur Sicherstellung der Wirksamkeit, Verhältnismäßigkeit und Abschreckung darstellt.“[7]

Danach haben Kleinstunternehmen einen Jahresumsatz bis 2 Millionen Euro. Kleine Unternehmen haben einen Umsatz über 2 Millionen Euro bis 10 Millionen Euro. Der Umsatz Mittlerer Unternehmen liegt über 10 Millionen Euro bis 50 Millionen Euro. Große Unternehmen haben einen Umsatz von über 50 Millionen Euro.

Die tatsächliche Bedeutung der Kleinstunternehmen und Kleinen Unternehmen lässt sich aus der Umsatzsteuerstatistik nachvollziehen.[8]

Danach waren 2018 in Deutschland 3.279.136 umsatzsteuerpflichtige Unternehmen. Davon hatten 570 Unternehmen einen Umsatz von mindestens 1 Mrd. Euro. Weitere 708 Unternehmen hatten einen Umsatz von 500 Millionen bis unter 1 Mrd. Euro. Für 1.278 Unternehmen (0,039 %) sind die Zwei- und Vierprozentgrenzen des Umsatzes als mögliches Bußgeld unmittelbar relevant. Einen Umsatz von 250 Millionen Euro bis unter 500 Millionen Euro haben 1.489 Steuerpflichtige. Bei 4.105 Steuerpflichtigen lag der Umsatz zwischen 100 Millionen Euro und unter 250 Millionen Euro.

Einen Umsatz von 50 Millionen Euro bis unter 100 Millionen Euro hatten 6.402 Steuerpflichtige. Danach lag die Anzahl der Großunternehmen bei 13.274 und der Anteil bei 0,4 %.

Mittlere Unternehmen waren 2018 in Deutschland 31.644 mit einem Umsatz von 10 Millionen Euro bis unter 25 Millionen Euro sowie 11.603 Unternehmen mit einem Umsatz von 25 Millionen Euro bis unter 50 Millionen Euro. Das sind 43.247 Steuerpflichtige. Der Anteil liegt bei 1,32 %.

Große und mittlere Unternehmen haben einen Anteil von 1,72 % der Umsatzsteuerpflichtigen. Kleine Unternehmen und Kleinstunternehmen machen demnach 98,28 % der Umsatzsteuerpflichtigen aus.

Maßgeblich ist nach Erwägungsgrund 150 der Datenschutzgrundverordnung der funktionale Unternehmensbegriff. Konzernverbundene Unternehmen können auch bei geringerem Einzelumsatz groß oder mittelgroß sein.

Zahlenmäßig dominieren Einzelunternehmen. Im Jahr 2018 erwirtschafteten 2.155.909 umsatzsteuerpflichtige Einzelunternehmen (65,75 % der umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen) Lieferungen und Leistungen von 610,757 Mrd. Euro. Durchschnittlich liegt der Umsatz der Einzelunternehmen bei 283.294,42 Euro. Diese Unternehmen kommen für eine Korrektur nach Erwägungsgrund 150 DS-GVO nicht in Betracht.

III. Das Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung im Verfahren gegen Unternehmen

Die Datenschutzkonferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder (DSK) hat ein Bußgeldzumessungskonzept im Verfahren gegen Unternehmen entwickelt.[9] Es kann fortgelten, bis der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) abschließende Leitlinien zur Methodik der Festsetzung von Geldbußen erlassen hat.[10] Das Bußgeldzumessungskonzept bindet Gerichte nicht, betrifft keine Geldbußen gegen Vereine oder natürliche Personen außerhalb ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit. Weder für grenzüberschreitende Fälle noch für andere Datenschutzbehörden der EU ist es bindend.

Die Bußgeldzumessung wird in fünf Schritten erreicht. Im ersten Schritt wird das Unternehmen einer Größenklasse zugeordnet. Vorjahresumsatzabhängig sind die Unternehmen zunächst den großen (D), mittelgroßen (C), kleinen (B) und Kleinstunternehmen (A) zugeteilt. Die Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen sind jeweils in drei Untergruppen unterteilt (I-III). Für die großen und die mittelgroßen Unternehmen gibt es jeweils sieben Untergruppen (I-VII).

Für die Bußgeldzumessung ist bis zur Untergruppe D VI der jeweilige mittlere Jahresumsatz der Untergruppe maßgeblich.[11] Die Untergruppe der kleinsten Kleinstunternehmen (A.I) betrifft Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz bis 700.000,00 Euro.

Der zumessungsmaßgebliche mittlere Jahresumsatz liegt für die Untergruppe A.I bei 350.000,00 Euro.[12] Der wirtschaftliche Grundwert entspricht einem Tagessatz. Der maßgebliche Umsatz, bis einschließlich D VI pauschaliert, wird durch 360 geteilt. Ein Tagessatz kostet Unternehmen bis 700.000,00 Euro Jahresumsatz 972,00 Euro.[13][14]

Die Taten werden als leicht, mittelschwer, schwer oder sehr schwer bewertet. Die Bewertung richtet sich nach den konkreten tatbezogenen Umständen des Einzelfalls (vgl. Art. 83 DSGVO).[15] Den Kriterienkatalog für die Tatschwere gibt Art. 83 Abs. 2 DS-GVO[16] vor. Dieser lässt sich näher systematisieren. Manche Kriterien wie Art-, Schwere und Dauer des Verstoßes oder das Verschulden betreffen den Verstoß selbst.[17] Weitere Kriterien wie getroffene technische und organisatorische Maßnahmen sowie vorherige Vergehen und aufsichtsbehördliche Maßnahmen betreffen das Vortatverhalten.[18] Der Gesichtspunkt Einhaltung genehmigter Verhaltensregeln und Zertifizierungsverfahren nach Art. 83 Abs. 2 Satz 2 DS-GVO hat in den kirchlichen Regelwerken keine Entsprechung.[19]

Auch das Nachtatverhalten hat Bedeutung. Die DS-GVO hebt hervor die Schadensminderung (Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe c),[20] die Art und Weise der Kenntniserlangung des Verstoßes (Art. 83 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe h),[21] sowie den Umfang der Zusammenarbeit mit der Aufsichtsbehörde (Art. 83 Abs. 2 Buchstabe f).[22],[23]

Die bußgeldverhängende Aufsichtsbehörde darf mach Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Buchstabe k) auch jeglichen anderen erschwerenden oder mildernden Umstand berücksichtigen. Ein solcher Umstand ist etwa der aus dem Verstoß erlangte wirtschaftliche Vorteil.[24]

Das Bußgeldkonzept differenziert zwischen den formellen Verstößen nach Art. 83 Abs. 4 DS-GVO und materiellen Verstößen nach Art. 83 Absätze 5 und 6 DS-GVO.[25] Für leichte formelle Verstöße sieht das Bußgeldkonzept die Verhängung von ein oder zwei Tagessätzen vor. Bei leichten materiellen Verstößen liegt der Bußgeldrahmen zwischen einem und vier Tagessätzen. Ist ein formeller Verstoß mittelschwer, so setzt die bußgeldverhängende Aufsichtsbehörde ein Bußgeld von zwei bis vier Tagessätzen. Betrifft ein mittelschwerer Verstoß materielle Pflichten, so sind vier bis acht Tagessätze für das Bußgeld vorgesehen. Schwere formelle Verstöße ahndet die Bußgeldstelle mit vier bis sechs Tagessätzen, schwere materielle Verstöße mit acht bis zwölf Tagessätzen Bußgeld.

Sehr schwere formelle Verstöße werden mit mehr als sechs Tagessätzen, sehr schwere materielle Verstöße mit mehr als zwölf Tagessätzen Bußgeld geahndet.

In der letzten Stufe werden insbesondere täterbezogene Umstände oder sonstige Umstände wie eine möglicherweise lange Verfahrensdauer oder drohende Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens sowie noch nicht im vierten Schritt berücksichtigte Umstände berücksichtigt und der Betrag entsprechend angepasst.

Bei der Wahl des Multiplikatorfaktors für die Tagessatzanzahl ist zu beachten, der einzelfallbezogene Bußgeldrahmen darf nicht überschritten werden.

IV. Ein kirchliches Bußgeldzumessungsverfahren für die Ahndung von Kleinstunternehmen und kleinen Unternehmen

Mit einem Bußgeldrahmen von bis zu 500.000,00 Euro bemühen sich die Kirchen um eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Ahndung von bußgeldbewehrten Datenschutzrechtsverstößen.

In jedem Einzelfall stellen die Kirchen, wie auch die DSGVO, sicher, dass das Bußgeld wirksam, verhältnismäßig und abschreckend ist.

Liegt der weltweite Umsatz des unternehmenstragenden Bußgeldschuldners bei über 500 Mio. Euro, so sind bis zu zwei Prozent oder bis zu vier Prozent des weltweiten Vorjahresumsatzes als Bußgeld festsetzbar.[26] Auch in diesen Fällen, wie in jedem Einzelfall, ist das Bußgeld wirksam, verhältnismäßig und abschreckend.

Auf Grundlage deutscher Strafrechtsdogmatik ist ein abstraktes Gewährleisten verhältnismäßiger und abschreckender Sanktion undurchführbar. Alle fünf Strafsenate des Bundesgerichtshofs beschränken Abschreckung als Strafzweck auf den Einzelfall.[27] Die Tatsacheninstanz muss feststellen, dass Straftaten wie die abgeurteilte Straftat oder ähnliche Straftaten gemeinwohlgefährlich zugenommen haben. Abschreckende Sanktion ist danach nur im Ausnahmefall verhältnismäßig. Abschreckung in jedem Einzelfall ist unverhältnismäßig.

Besser als „Abschreckung“ lässt sich der Gedanke der Rechtsbewährung vermitteln. Eine Strafzumessungsentscheidung ist rechtsfehlerhaft, wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein.[28]

Dagegen sensibilisiert die Rechtsprechung bei der Aussetzungsentscheidung, ob sie die Rechtstreue einer über die Besonderheiten des Einzelfalls aufgeklärten Bevölkerung beeinträchtigen und die Strafaussetzung von der Allgemeinheit als ungerechtfertigtes Zurückweichen vor der Kriminalität angesehen werden kann.[29]

Solange eine wirksame und verhältnismäßige Sanktionsentscheidung zur Rechtstreue über die Besonderheiten des Einzelfalls Aufgeklärter beiträgt, muss sie sich nicht auf „Abschreckung“ stützen. Tut sie es, schadet die Falschbezeichnung „Abschreckung“ statt „Rechtsbewährung“ nicht.

Wenigstens wenn der weltweite Umsatz des unternehmenstragenden Bußgeldschuldners bei über 500 Millionen Euro liegt, gewährleistet ein Abschöpfen von bis zu zwei oder vier Prozent des Umsatzes eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion.

Hieran kann sich ein wesentlich auf Kleinstunternehmen und kleine Unternehmen konzentriertes kirchliches Bußgeldverfahren orientieren. Es knüpft wie die Bußgeldordnung der unabhängigen Aufsichtsbehörden oder die DS-GVO bei den sehr großen Unternehmen an den Vorjahresumsatz an.

Nach Erwägungsgrund 13 Satz 4 sind Organe und Einrichtungen der Union sowie die Mitgliedstaaten und deren Aufsichtsbehörden dazu angehalten, bei der Anwendung dieser Verordnung die besonderen Bedürfnisse von Kleinstunternehmen sowie von kleinen und mittleren Unternehmen (=KMU) zu berücksichtigen. Die Rücksicht auf besondere Bedürfnisse schließt ein Diskriminierungsverbot bei der Rechtsanwendung ein. Dieses bindet auch den Europäischen Datenschutzausschuss. Ein Bußgeld auf Grundlage von mehr Tagessätzen oder einer ungünstigeren Tagessatzbildung diskriminiert KMU. Es widerspricht Erwägungsgrund 13 Satz 4. Was den größten Großunternehmen recht ist, ist den KMU billig.

Die Bestimmung der Untergruppen und die Veranlagung der Tagessätze auf Grundlage des mittleren Jahresumsatzes der Untergruppe sollte vermieden werden. Laut Umsatzsteuerstatistik 2018 gehört ein Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von 250.000,00 Euro bereits zum Drittel der größten Umsatzsteuerschuldner.[30] Dennoch wird es auf Basis der Untergruppe der kleinsten Kleinstunternehmen mit 140 % seines tatsächlichen Umsatzes veranschlagt.[31] Der Maßstab für die Sanktionierung ist typisiert. Eine Typisierung muss sich realitätsgerecht am typischen Fall orientieren.[32] Eine alle Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz bis 700.000,00 Euro auf Grundlage von 350.000,00 Euro typisierende Regelung typisiert nicht realitätsgerecht am typischen Fall. Mehr als zwei Drittel aller Umsatzsteuerpflichtigen setzen weniger als 250.000,00 Euro im Jahr um.

Die Heranziehung von mehr als dem tatsächlichen Vorjahresumsatz für die Beurteilung verschärft eine bereits abschreckende Regelung. Ihre Verhältnismäßigkeit steht in Frage, wenn die mildere Sanktion auf Grundlage des tatsächlichen Vorjahresumsatzes bereits abschreckt. Auch die Rechtstreue mit den Umständen des Falles Vertrauter kann so nicht gefördert werden. Sie leidet.

Bei Unternehmen mit mehr als 500 Mio. Euro Vorjahresumsatz entsprechen die Faktoren 7,2 und 14,4 zugleich den in Art. 83 Abs. 4 und Abs. 5 festgelegten Höchstgrenzen von 2 % und 4 % des Vorjahresumsatzes.[33]

Bei einem Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von 250.000,00 Euro wird bei Festsetzung der Höchstsanktion für schwere Verfehlungen (sechs oder zwölf Tagessätze) bereits ein größerer Teil des tatsächlichen Vorjahresumsatzes abgeschöpft. Die Faktoren liegen bei 8,4 und 16,8.[34] Die Typisierung begründet ein unaufhebbares Spannungsverhältnis von Abschreckung und Verhältnismäßigkeit. Auch die den kleineren 2/3 zugehörenden Unternehmen müssen ohne Diskriminierung mit dem Mindestbußgeld für sehr schwere Verstöße sanktioniert werden können.

Bei einem Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von 500.000,00 Euro wird dieser nur zu 70 % angesetzt.[35] Es muss mit der Mindestsanktion für sehr schwere Verstöße geahndet werden können, um die wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionierung in jedem Einzelfall zu gewährleisten. Die Mindestsanktionen liegen bei über sechs oder über zwölf Tagessätze. Auf Grundlage des fiktiven Vorjahresumsatzes müssten die Sanktionen liegen bei über acht oder über 17 Tagessätzen.[36] Das wäre diskriminierend.

Sehr große Unternehmen erfahren eine geringere Abschöpfung von höchstens 2 % oder 4 % des Vorjahresumsatzes. Bei Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von über 500.000,00 Euro bis 700.000,00 Euro sind mehr Tagessätze auf den 350.000,00 Euro Pauschalumsatz nötig, um bei sehr schwerem Verstoß effektiv die Mindestsanktion durchzusetzen.

Auf Basis des tatsächlichen Vorjahresumsatzes sind bis zu 7,2 und 14,4 Tagessätze wirksam, verhältnismäßig und abschreckend. Sie sind bei Berücksichtigung der geringen Höchsttagessatzanzahl einerseits und der möglichen Verwarnung anstelle eines Bußgeldes bei geringfügigen Verstößen auch von Unternehmen[37] andererseits nicht unverhältnismäßig.

Die kirchlichen Bußgeldrahmen von bis zu 500.000,00 Euro lassen eine Sanktionierung von Kleinstunternehmen, kleinen Unternehmen sowie von mittelgroßen Unternehmen mit einem Umsatz bis zu 12.500.000,00 Euro uneingeschränkt zu. 12.500.000,00 Euro Vorjahresumsatz X 0,04 = 500.000,00 €.

Mittelgroße Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von über 12.500.000,00 Euro bis 25.000.000,00 Euro können eingeschränkt sanktioniert werden. Die Sanktion auch schwerer formeller Verstöße und mittelschwerer materieller Verstöße ist möglich. Schwere formelle Verstöße sind mit einem Bußgeld von höchstens sechs Tagessätzen bedroht. Bei mittelschweren materiellen Verstößen drohen bis zu acht Tagessätze Geldbuße. Bis zu zwei Prozent des Vorjahresumsatzes von 25.000.000,00 Euro können mit einem Bußgeld von 500.000,00 Euro abgeschöpft werden. Das entspricht 7,2 Tagessätzen.

Nach dem Bußgeldzumessungskonzept der unabhängigen Aufsichtsbehörden wird ein Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von 25.000.000,00 Euro nur aufgrund des mittleren Jahresumsatzes der Untergruppe veranschlagt. Dieser mittlere Jahresumsatz der Untergruppe C.IV liegt bei 22.500.000,00 Euro. Acht Tagessätze auf Basis des mittleren Jahresumsatzes entsprechen 7,2 Tagessätzen auf Basis des tatsächlichen Umsatzes. Der fiktive Umsatz im Bußgeldzumessungskonzept ist gegenüber dem tatsächlichen Umsatz um 10 % vermindert. Dies wird durch die Abschöpfung des 7,2-fachen Tagessatzes anstelle des achtfachen vom Fiktivumsatz bei der Bußgeldhöhe genau ausgeglichen. Eine wirksame, abschreckende und verhältnismäßige Sanktion auch mittelschwerer materieller Verstöße ist möglich. In beiden Fällen liegt das Bußgeld bei 500.000,00 Euro.

Größere Unternehmen mit über 25.000.000,00 Euro Jahresumsatz sollten aufgrund des öffentlichen Interesses an ihnen (Rechtsbewährung) nach staatlichen Bußgeldregeln sanktioniert werden. Gleiches gilt für mittelgroße Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von über 12.500.000,00 Euro, wenn ihnen ein sehr schwerer Verstoß oder wenigstens ein schwerer materieller Verstoß vorzuwerfen ist.

V. Ergebnis

Auf Basis der von der DS-GVO für Unternehmen mit einem Weltumsatz von über 500 Mio. Euro als wirksam, verhältnismäßig und abschreckend bestimmten Sanktionierung können Kleinstunternehmen, Kleine Unternehmen und mittelgroße Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz bis 12.500.000,00 Euro auf Basis der kirchlichen Bußgeldrahmen uneingeschränkt sanktioniert werden.

Mittelgroße Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von über 12.500.000,00 Euro bis 25.000.000,00 Euro können auch noch für schwere formelle Verstöße oder mittelschwere materielle Verstöße wirksam, abschreckend und verhältnismäßig sanktioniert werden.

Nur größere Unternehmen und die mittelgroßen mit einem Vorjahresumsatz von über 12.500.000,00 Euro bei sehr schweren oder wenigstens schweren materiellen Verstößen sollten aufgrund des öffentlichen Interesses an ihnen (Rechtsbewährung) nach staatlichem Recht sanktioniert werden.

Allein aufgrund von Größe scheiden aus dem kirchlichen Bußgeldrahmen 24.877 umsatzsteuerpflichtige Unternehmen aus. Das sind bei 3.279.136 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen 0,76 %. Von 31.677 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz von über 10 Millionen Euro bis unter 25 Millionen Euro können Unternehmen bis zu einem Vorjahresumsatz von 12.500.000,00 Euro uneingeschränkt sanktioniert werden. Bei größerem Umsatz bis 25 Millionen Euro ist eine eingeschränkte Sanktionierung möglich und zweckmäßig.

Der Umsatz ist für die größten Unternehmen durch die DS-GVO sowie von den selbständigen Aufsichtsbehörden als taugliche Grundlage bestätigt worden. Dem können sich die kirchlichen Bußgeldzumessungen anschließen.

Allein im Rahmen der pauschalierten Behandlung der Untergruppe der kleinsten Kleinstunternehmen (A.I) wird die Mehrzahl der Umsatzsteuerpflichtigen deutlich zu hoch bewertet. Die Pauschalierung löst sich gerade hier von der realitätsgerechten Orientierung am Regelfall. Dies kann die Rechtstreue mit den Umständen des Einzelfalles Vertrauter beeinträchtigen.

Die Unternehmen sollten jeweils mit ihrem tatsächlichen Umsatz beurteilt werden. Dies vermeidet eine Verschärfung einer bereits abschreckenden Sanktionierung. Es droht die Verwerfung der Regelungen als unverhältnismäßig. Die weitere Verschärfung einer abschreckenden Sanktion kann nicht mehr verhältnismäßig sein. Sie ist nicht erforderlich und unangemessen.

* Assessor Matthias Vöcking unterstützt als freier Mitarbeiter die Rechtsanwaltskanzlei Warther | Rechtsanwälte in Greven. Daneben entwickelt er Programme zur Stärkung ökonomischer, sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit.

[1] Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ABl. L 119, 04.05.2016, ber. ABL. L 127, 23.05.2018.

[2] Art. 83 Abs. 4 DS-GVO

[3] Art. 83 Abs. 5 und 6 DS-GVO.

[4] Gleichlautend Art. 83 DS-GVO, §§ 51 Abs. 2 KDG, 45 Abs. 2 DSG-EKD.

[5] §§ 51 Abs. 5 KDG, 45 Abs. 5 DSG-EKD.

[6] DSK Konferenz der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder „Konzept der unabhängigen Datenschutzaufsichtsbehörden des Bundes und der Länder zur Bußgeldzumessung in Verfahren gegen Unternehmen“ vom 14.10.2019 www.datenschutzkonferenz-online.de>20191016_bußgeldkonzept.pdf.

[7] Ebenda II. Bußgeldkonzept Abs. 1.

[8] Destatis Statistisches Bundesamt, Fachserie 14 Reihe 8.1 Finanzen und Steuern; Umsatzsteuerstatistik (Voranmeldungen) 2018; erschienen am 24.03.2020; Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020; 2 Allgemeiner Überblick; 2.2 Steuerpflichtige und deren Lieferungen und Leistungen 2018 nach Wirtschaftsabschnitten, Größenklassen der Lieferungen und Leistungen, Rechtsform und Ländern.

[9] S. Fn. 6.

[10] Fn. 6 I Einleitung a.E. S. 2.

[11] Fn. 6 S. 6 II 2.

[12] Fn. 6 S. 6 II 2.: 0 Euro + 700.000,00 Euro: 2.

[13] Fn. 6 S. 7 II 3.

[14] Tabellen 1 – 3 Bußgeldkonzept S. 3-7.

[15] Fn. 6 S. 7-8 II 4; vgl. § 51 KDG, 45 DSG-EKD.

[16] Vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 KDG, § 45 Abs. 3 Satz 2 DSG EKD.

[17] Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Buchstaben a) und b) DS-GVO; § 51 Abs. 3 Satz 2 Buchstaben a) und b) KDG, § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 2 DSG-EKD. Zu den Kriterien, die den Verstoß betreffen, s. HK DS-GVO/BDSG, Schwartmann/Jaquemain, Art. 83/§ 41 BDSG Rn. 48-53.

[18] Art. 83 Abs. 2 Satz 2 Buchstaben d), e) und i) DS-GVO; § 51 Abs. 3 Satz 2 Buchstaben d), e) und i) KDG, § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4, 5 und 9 DSGEKD; ausführlich hierzu dieselben ebenda Rn. 54-60.

[19] Denkbar wären staatlich vermittelte Verhaltensregeln und Zertifizierungsverfahren zum vorbeugenden Rechtsschutz, deren Einhaltung ein niedrigeres Bußgeld rechtfertigen könnte. Zur staatlichen Regelung s. HK DS-GVO/BDSG Schwartmann/Jaquemain, Art. 83 Rn. 59.

[20] Vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe c) KDG, § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 DSG-EKD.

[21] Vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe h) KDG, § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 8 DSG-EKD.

[22] Vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe f) KDG, 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 6 DSG-EKD

[23] HK DS-GVO/BDSG, Schwartmann/Jaquemain, Art. 83 Rn. 61-65.

[24] Dieselben ebenda Rn. 66; vgl. § 51 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe j) KDG, § 45 Abs. 3 Satz 2 Nr. 10 DSG-EKD.

[25] Tabelle 4 zum Bußgeldkonzept, S. 8.

[26] Art. 83 Abs. 4-6 DS-GVO.

[27] BGH, Beschl. des Ersten Strafsenates v. 07.03.2018 – Az. 1 StR 663/17 7, NStZ-RR 2018, 170; Beschl. des Zweiten Strafsenates v. 10.08.2005 – 2 StR 219/05 5, StraFO, 2005, 515; Beschl. des Dritten Strafsenates v. 23.11.2010 – 3 StR 393/10, NStZ-RR 2013, 102; Beschl. des Vierten Strafsenates vom 08.05.2007 – 4 StR 173/07, NStZ-RR 2007, 702; Beschl. des Fünften Strafsenates v. 11.04.2013 – 5 StR 113/13, NStZ-RR 2013, 240.

[28] BGH, Urt. v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16, Urteilsrn. 15

[29] BGH, Urt. v. 06.07.2017 – 4 StR 415/16, Urteilsrn. 31.

[30] Fn. 8: Von 3.279.136 Steuerpflichtigen entfielen 840.448 (25,63 %) auf einen Umsatz über 17.500,00 Euro bis unter 50.000,00 Euro. Es entfielen 633.316 Steuerpflichtige (19,31 %) auf einen Umsatz über 50.000,00 Euro bis unter 100.000,00 Euro. Auf einen Umsatz von 100.000,00 Euro bis unter 250.000,00 Euro entfielen 731.576 Steuerpflichtige (22,31 %). Mehr als zwei Drittel der Umsatzsteuerpflichtigen (67,25 %) hatten einen Umsatz von unter 250.000,00 Euro.

[31] Zumessungsmaßgeblicher mittlerer Jahresumsatz 350.000,00 Euro: tatsächlicher Umsatz 250.000,00 Euro = 140 % des tatsächlichen Umsatzes

[32] BVerfG, Urt. v. 10.04.2018 – 1 BvL 11/14, Juris, Rn. 136; f. Für Bußgeldbemessungen werden insoweit keine milderen Maßstäbe als für die Steuer gelten.

[33] HK DS-GVO/BDSG, Schwartmann/Jaquemain, Art. 83 Rn. 97.

[34] Nominale Tagessatzzahl X 1,4 aufgrund Heranziehung des Unternehmens mit 140 % seines Vorjahresumsatzes = effektive Tagessatzzahl. Die Sanktionsempfindlichkeit ist Zumessungskriterium, vgl. BGH, Beschl. v. 04.07.2007 – 2 StR 270/07, NStZ-RR 2007, 300.

[35] Laut Umsatzsteuerstatistik hatten 2018 395.995 Steuerpflichtige einen Umsatz von 250.000 bis 500.000 Euro. Bei insgesamt 3.279.136 Umsatzsteuerpflichtigen liegt der Anteil bei 12,08 %. Von den 273.465 Steuerpflichtigen mit einem Umsatz von 500.000,00 Euro bis unter 1.000.000,00 Euro (8,34 %) werden die Steuerpflichtigen mit einem Umsatz bis 700.000,00 Euro noch stärker entlastet. Die Steuerpflichtigen mit einem Umsatz über 700.000,00 Euro bis unter 1.000.000,00 Euro werden dagegen in der zweiten Untergruppe mit einem pauschalierten Umsatz von 1.050.000,00 Euro überschätzt

[36] Nominale Tagessatzzahl: 0,7 aufgrund Heranziehung des Unternehmens mit 70 % des tatsächlichen Vorjahresumsatzes.

[37] Nominale Tagessatzzahl: 0,7 aufgrund Heranziehung des Unternehmens mit 70 % des tatsächlichen Vorjahresumsatzes.