Editorial : Arbeit 4.0 – die Digitalisierung der Arbeitswelt ist eine Herausforderung für den Datenschutz : aus der RDV 3/2015, Seite 111 bis 112
„Digitalisierung der Arbeitswelt“ – bei google kommen fast 50.000 Treffer. Es ist ein gefälliges Schlagwort, um zu beschreiben, wie sich der Arbeitsalltag vieler Arbeitnehmer mehr und mehr unter dem Einfluss von Computer und Internet verändert. Allgemein wird dieser Wandel als Faktum angenommen, doch bleibt offen, wie stark sein Ausmaß tatsächlich ist. Ganz verschiedene Aspekte sind damit angesprochen: Die ständige Erreichbarkeit, die zu Stress führen kann, die größere Mobilität, die zu neuen Arbeitsplatzmodellen führen kann. Die Digitalisierung wird als Chance, aber eben auch als Risiko begriffen. Eine sinnvolle Bewertung kann nur im Blick auf das Detail erfolgen. Dabei scheint man sich auch über die Notwendigkeit rechtlichen Reagierens einig zu sein. So heißt es im Monitoring-Report Digitale Wirtschaft 2013, im März 2014 herausgegeben vom BMWi, recht lapidar:
„Die Digitalisierung der Arbeitswelt bietet enorme Chancen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Mit der Flexibilisierung von Arbeit gehen aber nicht nur positive Effekte einher. Das aktuelle Arbeitsrecht berücksichtigt die neuen Gegebenheiten nicht ausreichend. Dabei wird es vor allem darauf ankommen, einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der einerseits den neuen Möglichkeiten und Chancen der digitalen Arbeit Rechnung trägt, andererseits aber auch die Anforderungen und Bedürfnisse der Arbeitnehmer berücksich tigt. Eine behutsame, ausgewogene und kontinuierliche Anpassung des Rechtsrahmens ist nötig, um den Ausgleich zwischen Firmen- und Arbeitnehmerinteressen im Blick zu behalten.“
Zu diesem Rechtsrahmen gehört sicherlich auch der Datenschutz. Gerade in jüngster Zeit findet eine weitere Folge der Digitalisierung intensivste juristische Beachtung: Das Potential engmaschigerer Überwachung. Die Gefahren in Bezug auf datenschutzrechtliche Aspekte wurden in der Literatur schon sehr früh erkannt und umfangreich dargestellt. Bereits 1996 findet sich ein Beitrag von Wedde, in dem es heißt: „Neben dem Verlust oder dem Leerlaufen klassischer arbeitsrechtlicher Regelungen wiegen aber auch die absehbaren Eingriffe in Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer schwer, die sich als Folge des Kontrollpotentials der neuen Techniken ergeben.“ (Wedde, Jahrbuch Arbeit und Technik, 1996, S. 215). Der technische Fortschritt sowie der vereinfachte Zugang zur entsprechenden Technik verleitet zu vermehrtem Einsatz von Videokameras zur Überwachung von Arbeitnehmern. Hier findet sich zahlreiche Rechtsprechung und Aufarbeitung in der Literatur, die sich mit der Zulässigkeit und den Grenzen der Videoüberwachung im Arbeitsverhältnis auseinandersetzt (zuletzt BAG v. 19.2.2015 – 8 AZR 1007/13). Auf der anderen Seite bergen neue Arbeitsformen, etwa die Verwendung einer Computer Cloud, Risiken in Bezug auf die Sicherheit der Arbeitnehmerdaten. In diesem Zusammenhang taucht häufig das von Wolfang Däubler etablierte Schlagwort einer Entwicklung hin zu einem „gläsernen Arbeitnehmer“ auf.
Digitalisierung führt also zu immer umfangreicheren und zugleich kostengünstigen Überwachungsmöglichkeiten des Arbeitgebers. Diese Möglichkeiten können mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Arbeitnehmers kollidieren und bedürfen der Begrenzung. Rechtsprechung und Gesetzgebung – europäisch wie national – sind immer wieder aufgefordert, hier eine gute Balance zu finden. Dazu gehört auch der Mut, das vorhandene Recht den neuen Möglichkeiten anzupassen.
Prof. Gregor Thüsing
Prof. Gregor Thüsing ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherung der Universität Bonn; Mit glied des Vorstandes der GDD e.V., Bonn.