Bericht : Giant Data für „smart bosses“ – Algorithmen im Arbeitsverhältnis – das Beispiel „Giant Data im Fußballsport“ : aus der RDV 3/2015, Seite 160 bis 161
Auszug aus dem 37. Tätigkeitsbericht (2014) des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Bremen (Ziff. 1.2)
Auch in dem von der „Wirtschaft 4.0“ geprägten Arbeitsverhältnis wird gesammelt und ausgewertet. Um die Attraktivität der „smarten“ Anwendungen für uns erlebbar zu machen, müssen wir uns in das Denken einer Arbeitgeberin versetzen. Und was wäre geeigneter dafür, als über die deutsche Fußballnationalmannschaft zu sprechen, als deren Chefinnen und Chefs wir uns ja vermutlich fast alle fühlen?
Nachdem Deutschland im Sommer 2014 den Fußballweltmeistertitel erhalten hatte, kam die Frage auf, wie viel Anteil daran Big Data gebühre.[1] Hintergrund dieser Frage ist die Partnerschaft zwischen dem Deutschen Fußballbund e. V. und der IT-Firma SAP. Die Firma hatte eine Datenbank mit Daten wie Laufwegen, Raumaufteilungen und Ballbesitz von über 7.000 Spielen der potenziellen Gegner der deutschen Nationalmannschaft gefüllt, die per Algorithmen ausgewertet werden konnten. Wer genau weiß, in welchen Situationen selbst ein Christiano Ronaldo Fehler macht, scheint den Titel schon halb in der Tasche zu haben. Auch in der Bundesliga soll Giant Data eingesetzt werden. So plant die FC Bayern München AG, mithilfe derselben IT-Firma Daten über das Leistungsvermögen, die Stärken und Schwächen, insbesondere die Gesundheit der Spieler zu erfassen und in Echtzeit auszuwerten. Ziel ist es, „einen neuen, optimierten Spieler“ zu schaffen.[2] Dieselbe IT-Firma hat übrigens auch eine Partnerschaft mit der TSG 1899 Hoffenheim Fußball-Spielbetriebs GmbH. Dort tragen Spieler Trikots, in die Sensoren eingebaut sind, deren Daten dem Trainer auf eine Datenbrille gespielt werden.
Die schöne neue Fußballwelt ist vermutlich nur ein Vorbote dessen, was auch sonst in der Arbeitswelt geplant ist. Die Fragen, welche Daten der Beschäftigten Arbeitgeber verarbeiten dürfen und was mit diesen Daten bei Vereinswechsel beziehungsweise Arbeitsplatzwechsel passiert, werden vom Bundesdatenschutzgesetz eindeutig beantwortet: Datenverarbeitung im Beschäftigungsverhältnis, also auch Giant Data für „smart bosses“, muss sich im Rahmen des § 32 Bundesdatenschutzgesetz halten. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, „wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist.“ Von wirtschaftlichem oder sportlichem Erfolg, der durch Datenverarbeitungen gefördert werden soll, steht da nichts. Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses muss der Arbeitgeber die persönlichen Daten der ehemaligen Beschäftigten selbstverständlich löschen, weil der Zweck, für den sie erhoben wurden, weggefallen ist. Da also keine gesetzliche Grundlage für Giant Data für „smart bosses“ zu finden ist, bleibt nur die Einwilligung des Betroffenen als Rechtfertigungsgrund für den Grundrechtseingriff. Das Arbeitsverhältnis enthält ein hierarchisches Gefälle, das die Freiwilligkeit von Einwilligungen grundsätzlich infrage stellt, und auch im Verhältnis zwischen hoch verdienenden Bundesligaprofis und ihren Vereinen muss an die Freiwilligkeit von Einwilligungen ein Fragezeichen gesetzt werden. Auch sehr gut bezahlte Menschen handeln nicht unbedingt freiwillig, wenn sie in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.
Für uns als Chefinnen und Chefs der Nationalmannschaft sind diese Antworten unbefriedigend, weil sie die Rechtmäßigkeit der Datenerhebungen in Zweifel ziehen und den Erfolg im Fußball deshalb vermeintlich erschweren. Ebenso scheinen die geltenden Regeln des Beschäftigtendatenschutzes aus Sicht der Chefinnen und Chefs der „Wirtschaft 4.0“ den wirtschaftlichen Erfolg zu hemmen. An dieser immer weiter um sich greifenden Einschätzung zeigt sich, wie gefährdet der gesellschaftliche Konsens über Beschäftigtendatenschutz ist. Der Dammbruch in Sachen Giant Data im Fußballsport, den wir als Fans gutheißen mögen, kann uns an anderer Stelle also zumindest nasse Füße bereiten.
[1] Christian Scholz, http://blogs.faz.net/personal-blog/2014/08/26/big-data-grosseglaeserne-mitarbeiter-408/6
[2] http://www.handelsblatt.com/technologie/vernetzt/big-data-im-sport-der-glaeserne-lahm/10707508.htm