Urteil : Vertraglich vereinbartes Unterlassungsgebot und Verpflichtung zur Überprüfung der Auffindbarkeit gelöschter Webseiten bei Google : aus der RDV 3/2015, Seite 152 bis 154
(Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 29. Januar 2015 – 13 U 58/14 –)
- Der Schuldner eines Unterlassungsgebots hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die durch die Unterlassungserklärung betroffenen Inhalte seiner Webseite nicht mehr im Internet aufgerufen werden können. Dazu gehört es, wenigstens bei Google als gängigster Internetsuchmaschine zu überprüfen, ob diese Inhalte noch über die Trefferliste der Suchmaschine aufgerufen werden können. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google den Antrag auf Löschung im Google-Cache bzw. auf Entfernung der von der Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen.
- Eine von dem Vertragsstrafengläubiger vorgenommene Bestimmung der Strafhöhe, die sich auf das Doppelte des im Rahmen der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB als angemessen anzusehenden Strafrahmens beläuft, ist unbillig.
Aus den Gründen:
1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten gem. § 339 Satz 2 BGB i. V. mit der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 13. März 2013 (Anlage K1) einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 2.500,00 €.
Der Beklagte hat die vereinbarte Vertragsstrafe verwirkt, da ausweislich vorgelegten Screenshots vom 4. Oktober 2013 auf dessen Webseite „www.c.-t.de/c./p./p./ d._c._s._ 2012-11-18- 12…“ eine Ferienwohnung der Klägerin ohne Lichtbild mit der Überschrift „W.-H.“ und den weiteren Hinweisen „Stadtteil: S.“ sowie „W.-H., N.straße, C.“ aufgeführt war.
a) Nach dem Inhalt der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 13. März 2013 ist die Vertragsstrafe verwirkt, wenn eine Webseite des Beklagten mit den vorgenannten Angaben zu einer Ferienwohnung der Klägerin im Internet auffindbar ist, auch ohne dass ein Lichtbild der Ferienwohnung eingestellt ist.
aa) In der Unterlassungsverpflichtungserklärung hat sich der Beklagte („Schuldner“) gegenüber der Klägerin („Gläubigerin“) verpflichtet,
„es ab sofort zu unterlassen … auf der Internetpräsenz des C.-T. e. V. (www.c.-t.de) die Ferienwohnung/en der Gläubigerin wie nachstehend dargestellt zu bewerben und dadurch den Eindruck zu vermitteln, die Gläubigerin sei Vereinsmitglied und biete ihre Vermietungsobjekte über die Internetpräsenz des Schuldners zu Vermietungszwecken an:“.
Sodann ist in der Unterlassungsverpflichtungserklärung als konkrete Verletzungshandlung ein Lichtbild eingefügt, das ein mehrstöckiges Appartementgebäude wiedergibt.
Unterlassungsverträge sind nach den auch sonst für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszulegen. Maßgeblich ist danach der wirkliche Wille der Vertragsparteien (§§ 133, 157 BGB), bei dessen Ermittlung neben dem Erklärungswortlaut die beiderseits bekannten Umstände wie insbesondere die Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck, die Wettbewerbsbeziehung zwischen den Vertragsparteien sowie deren Interessenlage heranzuziehen sind (BGH, Urteile vom 11. November 2014 – VI ZR 18/14, juris Rn. 9; vom 10. Juni 2009 – I ZR 37/07 – Unrichtige Aufsichtsbehörde, juris Rn. 19; Senat, Urteil vom 1. Oktober 2009 – 13 U 15/09, juris Rn. 27).
Nach dem Wortlaut der Unterlassungserklärung sollte es der Beklagte unterlassen, auf seiner Internetseite Ferienwohnungen der Klägerin, wie in dem erwähnten Lichtbild wiedergegeben, zu bewerben. In dem vorgelegten Screenshot findet sich zwar unstreitig kein Lichtbild einer Ferienwohnung der Klägerin. Es sind aber die Adressdaten der Klägerin unter ihrem Nachnamen mit dem Hinweis auf den Stadtteil S. aufgeführt. Dies ist ausreichend, um unter das Verbot der Unterlassungsverpflichtungserklärung zu fallen. Denn entscheidend kommt es darauf an, dass auf der Internetseite des Beklagten, bei der es um die Vermittlung von Ferienwohnungen geht, bereits durch die Angaben über die Klägerin der Nutzer der Webseite den Schluss ziehen wird, die Klägerin biete eine Ferienwohnung im Stadtteil S. an und bediene sich bei der Vermittlung des Beklagten.
bb) Zumindest liegt darin eine kerngleiche Verletzungshandlung.
Der Unterlassungsanspruch ist nicht auf ein der Verletzungshandlung in jeder Hinsicht entsprechendes Verhalten beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf kerngleiche Verletzungshandlungen. Dabei ist es unschädlich, dass der Gläubiger die konkrete Verletzungshandlung in sein Unterlassungsbegehren aufnimmt; damit ist im Allgemeinen kein Verzicht auf die Unterlassung kerngleicher Verletzungshandlungen verbunden (BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 – I ZB 79/11, juris Rn. 14; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 12 Rn. 1.102a, 1.123).
Diesem Auslegungsergebnis steht das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Oktober 2010 (III ZR 17/10, juris Rn. 15) nicht entgegen, nach dem eine Unterlassungserklärung, „zukünftig keinerlei Gebrauch, in welcher Form auch immer, mehr von den Daten des Herrn … Gebrauch zu machen, insbesondere es zu unterlassen, diese Daten ohne Autorisierung durch Herrn … an Stellen zu veröffentlichen, die für Dritte zugänglich sind, gleichgültig in welchem Medium und gleichgültig in welcher Darstellungsform“, als eine allein in die Zukunft gerichtete Unterlassungserklärung, von den Daten des Klägers Gebrauch zu machen, zu verstehen ist. Denn im Gegensatz zu der vorgenannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs geht es nicht nur um die Verpflichtung, es zu unterlassen, in Zukunft „erneut“ im Internet mit den Daten der Klägerin zu werben, sondern vor allem darum, die erforderlichen Handlungen vorzunehmen, den bestehenden Störungszustand zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 2014, a.a.O., juris Rn. 16). Die Erklärung in dem Anwaltsschreiben vom 14. März 2013 (Anlage B1), mit dem die Unterlassungserklärung des Beklagten übersandt worden ist, die beanstandete Werbung sei von der Homepage genommen, ändert an diesem Auslegungsergebnis nichts. Denn diese Erklärung war von der Klägerin nicht dahingehend zu verstehen, dass sich das Unterlassungsgebot in der Löschung ihrer Daten erschöpft, obwohl diese weiterhin im Internet abrufbar sind.
b) Der Beklagte hat gegen die Unterlassungsverpflichtungserklärung verstoßen.
Das Landgericht hat mit Tatbestandswirkung gem. § 314 Satz 1 ZPO als zwischen den Parteien unstreitig festgestellt, dass die im Screenshot wiedergegebene Unterseite der Webseite des Beklagten am 4. Oktober 2013 im Internet über die Eingabe des Suchbegriffs „W.-H.“ oder auch der beiden Suchbegriffe „W.-H.“ und „C.-T.“ bei Google aufgerufen werden konnte.
c) Der Verstoß ist dem Beklagten auch zuzurechnen; er hat den Verstoß verschuldet.
aa) Die Verwirkung der Vertragsstrafe setzt Verschulden voraus (Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 224; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.152). Das Verschulden wird vermutet; der Schuldner ist hinsichtlich eines mangelnden Verschuldens darlegungs- und beweispflichtig (BGH, Urteil vom 10. Juni 2009, a.a.O., juris Rn. 26; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, a.a.O.).
bb) Der Schuldner hat daher darzulegen, dass auf seiner Seite alles Erforderliche getan worden ist, um einen Verstoß auszuschließen (Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O., § 12 Rn. 224; Bornkamm, in: Köhler/Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.154). Dem ist der Beklagte nicht ausreichend nachgekommen, auch soweit er behauptet, der Zeuge Jens K. habe die Daten der Klägerin von der Webseite entfernt und gelöscht.
Der Schuldner eines Unterlassungsgebots hat durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass die durch die Unterlassungserklärung betroffenen Inhalte seiner Webseite nicht mehr im Internet aufgerufen werden können, weder über die Webseite direkt noch über eine Internetsuchmaschine (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 12. September 2012 – 6 U 58/11, juris Rn. 22 ff.; KG Berlin, Urteil vom 27. November 2009 – 9 U 27/09, juris Rn. 29 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 5. Mai 2000 – 6 W 61/99, juris Rn. 4; in Bezug auf den Provider: Köhler, in: Köhler/Bornkamm, a.a.O, § 12 Rn. 6.7). Dazu gehört es, nicht nur die betroffenen Inhalte durch Änderung oder Löschung der Webseite zu entfernen, sondern auch die Abrufbarkeit wenigstens über Google als die am häufigsten genutzte Suchmaschine im Internet auszuschließen (so auch KG Berlin, Urteil vom 27. November 2009, a.a.O., juris Rn. 31). Dem Schuldner obliegt es dabei zu überprüfen, ob die auf der Webseite entfernten Inhalte bzw. die gelöschten Webseiten noch über die Trefferliste dieser Suchmaschine aufgerufen werden können. In diesem Fall muss der Schuldner gegenüber Google den Antrag auf Löschung im Google-Cache bzw. auf Entfernung der von der Webseite bereits gelöschten Inhalte stellen.
Soweit teilweise darauf abgestellt wird, dass mangels entgegenstehender Anhaltpunkte der Schuldner nicht (sämtliche oder wenigstens die wichtigsten) Suchmaschinen daraufhin überprüfen (lassen) muss, ob dort noch die alte Seite gespeichert ist, sondern sich darauf verlassen kann, dass diese laufend ihren Datenbestand aktualisieren (OLG Köln, Beschluss vom 25. April 2007 – 6 W 40/07, juris Rn. 9; Brüning, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, a.a.O., Vorb. zu § 12 Rn. 308; Hess, in: jurisPK-UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 231), stellt dies eine Frage der Zumutbarkeit dar. Der Senat kann dabei dahingestellt bleiben lassen, ob neben Google weitere Suchmaschinen auf die Aufrufbarkeit kontrolliert werden müssen, da der Beklagte hier bereits die Abfrage bei Google unterlassen hat.
2. Die somit dem Grunde nach verwirkte Vertragsstrafe entspricht jedoch mit den von der Klägerin hier eingeklagten 5.001,00 € nicht der Billigkeit i. S. von § 315 Abs. 3 BGB. Der Senat hat nach der in der Unterlassungserklärung nach „neuem Hamburger Brauch“ ausdrücklich vorgesehenen gerichtlichen Überprüfungsmöglichkeit eine Billigkeitskontrolle i. S des § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB vorgenommen und die Strafhöhe mit diesem Urteil auf 2.500,00 € bestimmt.
a) Die Unterlassungserklärung sieht vor, dass die Klägerin die Höhe der Vertragsstrafe nach ihrem billigen Ermessen bestimmt. Die von ihr getroffene Bestimmung der Strafhöhe von 5.001,00 € wäre für den Beklagten aber nur dann verbindlich, wenn sie der Billigkeit entspräche. Dies ist nicht der Fall.
Der Senat verkennt dabei nicht, dass im Rahmen des § 315 Abs. 3 BGB nur ein beschränktes Kontrollrecht und kein Nachbesserungsrecht dahingehend besteht, die Ermessensentscheidung des primär Bestimmungsberechtigten durch eine eigene, für besser und billiger gehaltene zu ersetzen (Staudinger/ Rieble, BGB (2009), § 315 Rn. 325; MünchKomm/Würdinger, BGB, 6. Aufl., § 315 Rn. 51).
b) Für die nach billigem Ermessen des Gläubigers vorzunehmende Bestimmung einer durch die Zuwiderhandlung gegen eine vertragliche Unterlassungsverpflichtung verwirkten Vertragsstrafe kommt es, neben der Art und Größe des Unternehmens, dem Umsatz und möglichen Gewinn vor allem auf die Schwere und das Ausmaß der Zuwiderhandlung, auf dessen Gefährlichkeit für den Gläubiger und auf das Verschulden des Verletzers an (BGH, Urteil vom 30. September 1993 – I ZR 54/91 –Vertragsstrafenbemessung, juris Rn. 20; Bornkamm, in: Köhler/ Bornkamm, a.a.O., § 12 Rn. 1.139).
Unter Zugrundelegung dieses Grundsatzes ist lediglich eine Vertragsstrafe bis zu 2.500,00 € als angemessen anzusehen. Maßgeblich war hierbei zu berücksichtigen, dass es sich um einen Verstoß mit geringem Ausmaß gehandelt hat und das Verschulden des Beklagten nicht schwer wiegt. Entgegen der Ansicht der Klägerin handelte der Beklagte hier nicht mit extremer Hartnäckigkeit. Vielmehr ist der Beklagte tätig geworden und hat seinen Internetauftritt geändert. Soweit er es unterlassen hat, zu kontrollieren, ob ein Aufruf der Daten der Klägerin enthaltenden Webseite noch möglich ist, handelt es sich lediglich um leichte Fahrlässigkeit. Dass der Beklagte über 1.000 Ferienobjekte anbietet und über ein Werbebudget von jährlich 25.000,00 € verfügt, ist nicht maßgeblich, da der Beklagte sich insoweit vor allem über die Mitgliedsbeiträge finanziert und keine eigenen Einnahmen aus der Vermietung der Ferienwohnung erzielt. Eine tatsächliche Gefährdung ihrer Interessen oder einen eigenen Schaden hat die für die ihre Leistungsbestimmung tragenden und deren Billigkeit rechtfertigenden Umstände darlegungs- und beweisbelastete Klägerin (Staudinger/ Rieble, a.a.O., § 315 Rn. 394) nicht mit Substanz dargetan.
Eine von dem Vertragsstrafengläubiger vorgenommene Bestimmung der Strafhöhe, die sich auf das Doppelte des im Rahmen der Billigkeitskontrolle des § 315 Abs. 3 BGB als angemessen anzusehenden Strafrahmens beläuft, ist unbillig. Gründe, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO), liegen nicht vor.