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Urteil : Zutritt des Verleiherbetriebsrats zum Entleiherbetrieb : aus der RDV 3/2015, Seite 148 bis 150

(Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. Oktober 2014 – 7 ABR 74/12 –)

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Beschäftigt ein Arbeitgeber (Entleiher) Arbeitnehmer, die ihm von einem anderen Unternehmen (Verleiher) zur Arbeitsleistung überlassen werden, ist er nicht verpflichtet, den Mitgliedern des in dem Betrieb des Verleihers gebildeten Betriebsrats jederzeit und unabhängig von einem konkreten Anlass Zutritt zu seinem Betrieb zu gewähren.

Aus den Gründen:

2. Der für den Betrieb der Beteiligten zu 3. (Verleiherbetrieb) gebildete Betriebsrat hat gegenüber der Beteiligten zu 2. (Entleiherbetrieb) keinen Anspruch darauf, unabhängig von einem konkreten Anlass den Zutritt zum Betrieb der Beteiligten zu 2. zu erhalten, um die dort eingesetzten Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. an ihren Arbeitsplätzen aufzusuchen. Ein solcher Anspruch ergibt sich gegenüber der Beteiligten zu 2. weder aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG noch aus § 78 Satz 1 BetrVG. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts stellt die Verweigerung des Zutritts durch die Beteiligte zu 2. keine nach § 78 Satz 1 BetrVG verbotene Behinderung der Betriebsratstätigkeit dar.

a) Ein Anspruch des Betriebsrats gegenüber der Beteiligten zu 2. auf Zutritt zu den Arbeitsplätzen in deren Betrieb ergibt sich nicht aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG.

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht im Rahmen des allgemeinen Informationsrechts des Betriebsrats gegenüber dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ein Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft (vgl. BAG 13. Juni 1989 – 1 ABR 4/88 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 62, 100). Die Vorschrift gewährt dem Betriebsrat ein umfassendes Informationsrecht gegenüber dem Arbeitgeber, damit er die ihm obliegenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben sachgerecht erfüllen kann. Sie enthält keine abschließende Regelung dahin, dass sich der Betriebsrat nur über den Arbeitgeber die benötigten Informationen beschaffen kann. Vielmehr hat die Rechtsprechung im Rahmen dieses allgemeinen Informationsrechts auch ein Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Belegschaftsangehörigen anerkannt. Der Zweck des Zugangs zum Arbeitsplatz und seinem Umfeld muss allerdings auf die Erfüllung der zugrunde liegenden Aufgaben bezogen sein (vgl. BAG 17. Januar 1989 – 1 AZR 805/87 – zu II 2 b bb der Gründe). Unabhängig von einem konkreten betriebsverfassungsrechtlichen Anlass kann ein Zugangsrecht des Betriebsrats zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft zur Erfüllung der Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht kommen (vgl. BAG 13. Juni 1989 – 1 ABR 4/88 – zu B II 2 a der Gründe, a.a.O.). Danach hat der Betriebsrat darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen, Unfallverhütungsvorschriften, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden.

bb) Der Informationsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 BetrVG zur Erfüllung der allgemeinen Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und das daraus abgeleitete Zugangsrecht zu den Arbeitsplätzen der Belegschaft besteht gegenüber dem Arbeitgeber des Betriebs, für den der Betriebsrat gebildet ist, nicht aber gegenüber Dritten. Daher kann der Antragsteller als für den Betrieb der Beteiligten zu 3. gebildeter Betriebsrat das gegenüber der Beteiligten zu 2. geltend gemachte Zugangsrecht zu den Arbeitsplätzen in deren Betrieb nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG stützen. Der Umstand, dass die Beteiligte zu 2. in ihrem Betrieb Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. beschäftigt, die ihr zur Arbeitsleistung überlassen werden, gebietet keine andere Beurteilung.

(1) Zwar ist der antragstellende Betriebsrat grundsätzlich für die Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben hinsichtlich der der Beteiligten zu 2. überlassenen Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. zuständig. Nach § 14 Abs. 1 AÜG bleiben Leiharbeitnehmer auch während der Dauer ihrer Arbeitsleistung beim Entleiher Angehörige des Verleiherbetriebs. Durch die vorübergehende Eingliederung in die Betriebsorganisation des Entleihers wird die betriebsverfassungsrechtliche Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Entsendebetrieb des Vertragsarbeitgebers nicht aufgehoben. Dies stellt § 14 Abs. 1 AÜG klar (vgl. BAG 19. Juni 2001 – 1 ABR 43/00 – zu B II 1 b der Gründe, BAGE 98, 60). Aus der gesetzlichen Zuordnung des Leiharbeitnehmers zum Betrieb seines Vertragsarbeitgebers folgt allerdings nicht zwingend die Zuständigkeit des dortigen Betriebsrats in allen betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten. Die Zuständigkeit des Betriebsrats des Verleiherbetriebs ist grundsätzlich begrenzt auf den Betrieb, für den er gebildet ist. Sie ist gerichtet auf die Mitwirkung an den Entscheidungen des Vertragsarbeitgebers in den die Leiharbeitnehmer betreffenden sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Dort, wo Beteiligungsrechte des Betriebsrats entweder an die Eingliederung in den Betrieb des Vertragsarbeitgebers anknüpfen oder das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzen, ergeben sich Zuständigkeiten für den im Betrieb des Vertragsarbeitgebers gebildeten Betriebsrat (Hamann, in: Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 356 mwN; Thüsing, in: Thüsing AÜG 3. Aufl. § 14 Rn. 21). Über die Betriebsgrenze hinaus stehen ihm hingegen keine Mitwirkungsbefugnisse zu (BAG 19. Juni 2001 – 1 ABR 43/00 – zu B II 3 der Gründe, a.a.O.). Leiharbeitnehmer sind aber während ihrer Arbeitsleistung in die Betriebsorganisation des Entleihers eingegliedert. Da die das Leiharbeitsverhältnis kennzeichnende Aufspaltung der Arbeitgeberfunktionen zwischen dem Verleiher als dem Vertragsarbeitgeber und dem Entleiher, der die wesentlichen Arbeitgeberbefugnisse in Bezug auf die Arbeitsleistung ausübt, nicht dazu führen darf, dass die Schutzfunktion der Betriebsverfassung außer Kraft gesetzt wird, werden Leiharbeitnehmer vom Betriebsrat des Entleiherbetriebs repräsentiert, soweit es um die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten bei Entscheidungen geht, die vom Inhaber des Entleiherbetriebs getroffen werden (vgl. BAG 19. Juni 2001 – 1 ABR 43/00 – zu B II 3 und 4 der Gründe, a.a.O.). Die Zuständigkeit für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten in Bezug auf Leiharbeitnehmer richtet sich daher nach dem Gegenstand des Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht des jeweiligen Arbeitgebers (BAG 19. Juni 2001 – 1 ABR 43/00 – zu B II 4 der Gründe, a.a.O.). Insoweit sind bei einem drittbezogenen Personaleinsatz und einer aufgespaltenen Arbeitgeberstellung differenzierende Lösungen geboten (vgl. BAG 18. Oktober 2011 – 1 AZR 335/10 – Rn. 19, BAGE 139, 342; 5. Dezember 2012 – 7 ABR 48/11 – Rn. 25, BAGE 144, 74; 13. März 2013 – 7 ABR 69/11 – Rn. 22, BAGE 144, 340; dazu Linsenmaier/Kiel RdA 2014, 135, 139 ff., 149 ff.).

(2) Die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten für die bei der Beteiligten zu 2. beschäftigten Arbeitnehmer der Beteiligten zu 3. erfordert nicht den jederzeitigen anlassunabhängigen Zutritt der Mitglieder des antragstellenden, für den Betrieb der Beteiligten zu 3. gebildeten Betriebsrats zu den Betriebsräumen der Beteiligten zu 2. Zwar kann es die sachgerechte Wahrnehmung der gesetzlichen Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG für den Betriebsrat erforderlich machen, die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen im Betrieb aufzusuchen, um prüfen zu können, ob die Arbeitsplätze und die sonstigen von den Arbeitnehmern genutzten betrieblichen Einrichtungen den gesetzlichen, tariflichen und betrieblichen Schutzvorschriften entsprechen. Die Entscheidung über die Ausgestaltung der Arbeitsplätze und sonstigen Einrichtungen im Betrieb obliegt aber allein dessen Inhaber. Bei aufgespal tener Arbeitgeberstellung im Leiharbeitsverhältnis betrifft die Überwachung der Einhaltung der arbeitsplatzbezogenen Schutzvorschriften hinsichtlich der im Entleiherbetrieb be schäftigten Arbeitnehmer den dort gebildeten Betriebsrat (vgl. insoweit auch Hamann, in: Schüren/ Hamann AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 223, 362; Thüsing in Thüsing AÜG 3. Aufl. § 14 Rn. 104). Der Vertragsarbeitgeber verfügt dagegen über keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitsplätze im Entleiherbetrieb. Der Betriebsrat des Verleiherbetriebs kann deshalb im Entleiherbetrieb keine arbeitsplatzbezogenen Mitbestimmungsrechte ausüben. Ohne eine Entscheidungs befugnis des Vertragsarbeitgebers besteht kein allgemeines arbeitsplatzbezogenes Überwachungsrecht des für seinen Betrieb gebildeten Betriebsrats und somit kein anlassunabhängiger Anspruch dieses Betriebsrats auf Zugang zu den Arbeitsplätzen im Entleiherbetrieb. Der Betriebsrat im Verleiherbetrieb muss sich deshalb unabhängig von einem konkreten Anlass kein eigenes Bild von der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften im Entleiherbetrieb machen (aA Hamann, in: Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 362; Thüsing, in: Thüsing AÜG 3. Aufl. § 14 Rn. 25).

(3) Die Wahrnehmung allgemeiner arbeitsplatzbezogener Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG durch den Betriebsrat des Entleiherbetriebs hinterlässt keine Schutzlücke für Leiharbeitnehmer. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats im Entleiherbetrieb – und damit das daran anknüpfende Zugangsrecht zu den Arbeitsplätzen im Betrieb – korrespondiert mit einer Informationspflicht des Arbeitgebers, die sich auch auf die Beschäftigung von Personen bezieht, die nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen. Dies zeigt die im Zuge des Betriebsverfassungsreformgesetzes im Jahr 2001 erfolgte klarstellende Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BetrVG (vgl. etwa Hamann, in: Schüren/Hamann AÜG 4. Aufl. § 14 Rn. 222). Im Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Beschäftigung von freien Mitarbeitern (vgl. BAG 15. Dezember 1998 – 1 ABR 9/98 – BAGE 90, 288) sollten Streitigkeiten der Betriebsparteien über eine entsprechende Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers und eventuelle Verfahren vermieden werden (BT-Drs. 14/5741 S. 46). Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats im Entleiherbetrieb nach dem Willen des Gesetzgebers auch die dort eingegliederten Leiharbeitnehmer einbezieht (Fitting 27. Aufl. § 80 Rn. 49; Weber GK-BetrVG 10. Aufl. § 80 Rn. 62).

(4) Der Senat hatte nicht darüber zu entscheiden, ob und ggf. wie eine – etwaige – Schutzlücke für überlassene Arbeitnehmer, die im Verleiherbetrieb durch einen Betriebsrat vertreten werden, zu schließen wäre, wenn für den Einsatzbetrieb kein Betriebsrat gebildet wäre, der die arbeitsplatzbezogenen Überwachungsaufgaben nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wahrzunehmen hätte, oder wenn ein solcher aufgrund der Betriebsgröße (§ 1 Abs. 1 BetrVG) überhaupt nicht gebildet werden könnte. Nicht zu entscheiden war auch darüber, ob die Besichtigung von Arbeitsplätzen im Betrieb der Beteiligten zu 2. aus einem konkreten Anlass zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben oder Mitbestimmungsrechte durch den antragstellenden Betriebsrat erforderlich werden könnte, beispielsweise im Rahmen der personellen Mitbestimmung nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern oder zur sachgerechten Behandlung einer Beschwerde nach § 84 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, und ob die Beteiligte zu 2. in einem solchen Fall den Zutritt des antragstellenden Betriebsrats zu ihrem Betrieb dulden muss. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ausschließlich ein anlassunabhängiges, jederzeitiges Zutrittsrecht.

b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich ein anlassunabhängiges Zutrittsrecht auch nicht aus § 78 Satz 1 BetrVG. aa) Nach § 78 Satz 1 BetrVG dürfen die Mitglieder des Betriebsrats in der Ausübung ihrer Tätigkeit nicht gestört oder behindert werden. Das Verbot der Störung und der Behinderung der Betriebsratstätigkeit richtet sich nicht nur gegen den Arbeitgeber und die für ihn handelnden Personen, sondern es besteht gegenüber jedermann; es richtet sich also auch gegen außerbetriebliche Personen und Stellen (Fitting, 27. Aufl. § 78 Rn. 7; Kreutz, GK-BetrVG 10. Aufl. § 78 Rn. 19; Thüsing, in: Richardi BetrVG 14. Aufl. § 78 Rn. 11). Obwohl § 78 Satz 1 BetrVG nur als Verbotsgesetz formuliert ist („dürfen…nicht“), ist die Bestimmung als Anspruchsnorm zu verstehen, auf die im Behinderungsfall durch den unmittelbar behinderten Funktionsträger, aber auch durch seine Institution, Unterlassungsansprüche gestützt werden können (vgl. Kreutz, GK-BetrVG 10. Aufl. § 78 Rn. 38 mwN).

bb) Das Verbot der Behinderung des Betriebsrats gilt zwar gegenüber jedermann. Zutritt zu dem Betrieb der Beteiligten zu 2. könnte der für den Betrieb der Beteiligten zu 3. gebildete Betriebsrat deshalb nach Maßgabe des § 78 Satz 1 BetrVG von der Beteiligten zu 2. verlangen, wenn seine Mitglieder ohne den Zutritt in der Ausübung ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Tätigkeit gestört oder behindert würden. Eine Störung oder Behinderung der Betriebsratstätigkeit setzt aber voraus, dass der Betriebsrat des Verleiherbetriebs betriebsverfassungsrechtliche Aufgaben im Entleiherbetrieb wahrzunehmen hat. Da die allgemeine gesetzliche Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, soweit sie die Ausgestaltung der Arbeitsplätze und der sonstigen von den Beschäftigten genutzten betrieblichen Einrichtungen betrifft, dem Betriebsrat des Entleiherbetriebs obliegt, wird der Betriebsrat des Verleiherbetriebs nicht dadurch in der Ausübung seiner Tätigkeit gestört, dass der Inhaber des Entleiherbetriebs ihm den anlassunabhängigen, jederzeitigen Zugang zu Arbeitsplätzen versagt. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts obliegt es dem Betriebsrat auch nicht zu überwachen, ob die von dem früheren gemeinsamen Betriebsrat geschlossene IuK-Rahmenbetriebsvereinbarung im Betrieb der Beteiligten zu 2. durchgeführt wird. Dafür ist nach der Beendigung des Tarifvertrags über die Bildung eines gemeinsamen Betriebsrats für die Betriebe der Beteiligten zu 2. und 3. allein der im Betrieb der Beteiligten zu 2. existierende Betriebsrat zuständig.