Urteil : Verpflichtung des Arbeitgebers zur Auskunfterteilung gegenüber dem Betriebsrat bzgl. der Kriterien für die Leistung von Zulagen und Einmalzahlungen : aus der RDV 3/2016, Seite 162 bis 163
(Landesarbeitsgericht Frankfurt/M., Beschluss vom 4. Mai 2015 – 16 TaBV 175/14 –)
- Für den allgemeinen Unterrichtungsanspruch bedarf es keines konkreten Anlasses und auch keiner greifbaren Anhaltspunkte. Dies ergibt sich aus dem in § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG generell auch für den Informationsanspruch geltenden Grundgedanken, dass der Betriebsrat die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Informationen jederzeit zur Verfügung haben muss.
- Der Beteiligten zu 2) wird aufgegeben, dem Antragsteller in Schriftform Auskunft darüber zu erteilen, an welche Arbeitnehmer mit Ausnahme leitender Angestellter der A in L in welcher Höhe, auf welcher Grundlage und nach welchen Kriterien Zulagen, Einmalzahlungen, Sonderzahlungen und Funktionsprämien ab dem 1. Januar 2013 gezahlt wurden.
Aus den Gründen:
Der allgemeine Unterrichtungsanspruch des § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG wird nicht durch den Anspruch auf Einsicht in die Bruttoentgeltlisten (§ 80 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 BetrVG) verdrängt (Bundesarbeitsgericht 10. Oktober 2006 – 1 ABR 68/05 – Rn. 20; 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 15; GK-BetrVG, 10. Aufl., § 80 Rn. 54). Dies kann allenfalls dann der Fall sein, wenn die schriftliche Information inhaltlich einer Gehaltsliste gleichkommt. Letzteres scheidet hier aus, weil sich die Auskunft nur auf einen kleinen Teil der Vergütungsstruktur bezieht (so in dem ähnlich gelagerten Fall auch: LAG Hamburg 7. Februar 2012 – 2 TaBV 12/11 – Rn. 41 am Ende). Aus diesem Grund greifen auch die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber einem vom Betriebsrat gebildeten Ausschuss Einblick in die Bruttoentgeltlisten gewähren muss, für die Vorlage von Unterlagen nach § 80 Abs. 2 S. 2 Abs. 1 BetrVG nicht (Bundesarbeitsgericht der Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 15).
Entgegen der Meinung des Arbeitsgerichts und des Arbeitgebers bedarf es für den Auskunftsanspruch keines konkreten Anlasses und auch keiner greifbaren Anhaltspunkte. Da die Überwachungsaufgabe nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 grundsätzlich besteht und nicht erst bei Vorliegen von Verdachtsmomenten für Verstöße des Arbeitgebers greift, muss der Betriebsrat auch keinen konkreten Anlass vortragen (GK-BetrVG, 10. Aufl., § 80 Rn. 61; Fitting, BetrVG, 26. Aufl., § 80 Rn. 68). Dies ergibt sich aus dem in § 80 Abs. 2 S. 2 BetrVG generell auch für den Informationsanspruch geltenden Grundgedanken, dass der Betriebsrat die zur Erfüllung seiner Aufgaben notwendigen Informationen jederzeit zur Verfügung haben muss. Hieraus folgt, dass der Betriebsrat die erforderlichen Auskünfte ohne besonderen Anlass verlangen kann (für § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG: Bundesarbeitsgericht 19. Februar 2008 – 1 ABR 84/06 – Rn. 25; in Bezug auf § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG: Bundesarbeitsgericht 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 23).
Der Unterrichtungsanspruch des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG besteht nicht nur dann, wenn allgemeine Aufgaben oder Beteiligungsrechte feststehen. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat auch ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Dabei genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen erst dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige betriebsverfassungsrechtliche Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt. Daraus folgt eine zweistufige Prüfung daraufhin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (Bundesarbeitsgericht 10. Oktober 2006 – 1 ABR 68/05 – Rn. 18; 7. Februar 2012 E1 ABR 46/10E Rn. 7). Als vom Betriebsrat wahrzunehmende Aufgabe kommt hier sowohl die Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG als auch die Überwachung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 80 Abs. 1 i.V.m. § 75 Abs. 1 BetrVG ernsthaft in Betracht (vgl. dazu näher: LAG Hamburg 7. Februar 2012 – TaBV 12/11 – Rn. 35ff; Bundesarbeitsgericht 10. Oktober 2006 – 1 ABR 68/05 – Rn. 27ff). Hierfür sind die vom Betriebsrat begehrten Informationen erforderlich. Der Betriebsrat benötigt die Information auch insoweit, wie sich die Einmalzahlungen seit Januar 2013 entwickelt haben, um die Entwicklung der Sonderzahlungen und die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes beurteilen zu können.
Die Erforderlichkeit entfällt auch nicht deshalb (teilweise), soweit der Betriebsrat durch Einblick in Tarifverträge oder Betriebsvereinbarungen nach Grund und Höhe Zulagen, Einmalzahlungen, Sonderzahlungen und Funktionsprämien erkennen und durch Einsicht in die Bruttoentgeltlisten überprüfen kann, ob diese auch gezahlt wurden. Dies ergibt sich daraus, dass der Betriebsrat grundsätzlich nicht gehalten ist, sich benötigte Informationen selbst zu beschaffen, auch wenn er dazu objektiv in der Lage wäre. Eine Ausnahme gilt nach § 2 BetrVG lediglich dann, wenn der Betriebsrat die begehrte Information aus den ihm bereits übermittelten Daten ohne weiteres auf rechnerisch einfachem Wege ableiten kann, was hier nicht der Fall ist (Bundesarbeitsgericht 10. Oktober 2006 – 1 ABR 68/05 – Rn. 40, 41)
Der Betriebsrat kann auch vom Arbeitgeber verlangen, dass dieser die Unterrichtung nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG schriftlich vornimmt, weil es sich um umfangreiche und komplexe Angaben handelt (vgl.: Bundesarbeitsgericht 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – Rn. 29; 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 14).
Die Ansicht des Arbeitgebers, der Betriebsrat könne allenfalls eine anonyme Liste verlangen, trifft nicht zu. In Bezug auf den Einblick des Betriebsrats in die Bruttoentgeltlisten nach § 80 Abs. 2 S. 2 Halbsatz 2 BetrVG hat das Bundesarbeits gericht entschieden, es sich hierbei um eine nach § 32 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz zulässige Form der Datennutzung handelt. Dies folgt schon daraus, dass die Beteiligungsrechte der Interes senvertretungen der Beschäftigten nach § 32 Abs. 3 Bundesdatenschutzgesetz durch die nach Abs. 1 dieser Bestimmung erlaubte Datennutzung nicht berührt werden. Zu den Interessenvertretungen der Beschäftigten in diesem Sinne zählt auch der Betriebsrat. Hinzu kommt, dass dieser selbst Teil der verantwortlichen Stelle im Sinne des § 3 Abs. 7 Bundesdatenschutzgesetz ist. Die Einsichtgewährung stellt daher keine Weitergabe von Daten an Dritte dar (Bundesarbeitsgericht 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 28). Für den Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG gilt nichts anderes.