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Bericht : Gesetz zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes: Erhöhung der Sicherheit in öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen und im öffentlichen Personenverkehr durch optisch-elektronische Einrichtungen (Videoüberwachungsverbesserungsgesetz) : aus der RDV 3/2017, Seite 156 bis 158

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Erhöhung der Sicherheit in öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen und im öffentlichen Personenverkehr durch optisch-elektronische Einrichtungen (Videoüberwachungsverbesserungsgesetz)

Der Bundestag hat am 09.03.2017 mit dem Videoüberwachungsverbesserungsgesetz die nachstehende Ergänzung des § 6b BDSG beschlossen. Der Bundesrat hat am 31.03.2017 zugestimmt.

Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes

§ 6b des Bundesdatenschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. IS. 66), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Februar 2015 (BGBl. I S. 162) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

  1. Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Bei der Videoüberwachung von

  1. öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder
  2. Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs

gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse.“

  1. Nach Absatz 3 Satz 1 wird folgender Satz eingefügt: „Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.“

Aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs – 18/10941)

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Ziel des Gesetzesentwurfes ist es, die Sicherheit bei öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen (z.B. Einkaufszentren) sowie bei Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs, der in Privatrechtsform betrieben wird, zu erhöhen und Anschläge wie in Ansbach und München im Sommer 2016 zu verhindern. Die Zulässigkeit der Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) richtet sich nach § 6b BDSG. Die Einrichtung solcher Anlagen durch die Betreiber wird durch die Datenschutzaufsichtsbehörden der Länder überprüft, die einer Videoüberwachung in solchen Anlagen eher ablehnend gegenüber stehen. Angesichts der jüngsten Vorfälle sollten Sicherheitsbelange stärker von den Betreibern von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen sowie Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs in die durchzuführende Abwägungsentscheidung einbezogen und von den Datenschutzaufsichtsbehörden bei ihrer Überprüfungsentscheidung entsprechend berücksichtigt werden. Der Einsatz optisch-elektronischer Sicherheitstechnologie in öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen und im öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehr kann präventiv dazu beitragen, die Sicherheit der Bevölkerung zu erhöhen, indem potentielle Täter etwa bei der Erkundung von Örtlichkeiten im Vorfeld oder unmittelbar vor einer Tatbegehung erkannt und diese vereitelt werden kann. Darüber hinaus erleichtert eine verstärkte Videoüberwachung die Ermittlungstätigkeit von Polizei und Staatsanwaltschaft erheblich, wenn Videoaufzeichnungen auf der Grundlage polizeirechtlicher Befugnisnormen oder allgemeiner Übermittlungstatbestände zur Verfolgung von Straftaten weitergegeben werden.

II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Der Gesetzentwurf enthält eine normative Gewichtungsvorgabe für die weiterhin zu treffende Abwägungsentscheidung bei der Entscheidung über den Einsatz von optisch-elektronischen Einrichtungen nach § 6b Absatz 1 Bundesdatenschutzgesetz bei öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen sowie Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Schienen-, Schiffsund Busverkehrs, die von nicht-öffentlichen Stellen betrieben werden.

III. Alternativen

Keine.

IV. Gesetzgebungskompetenz

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich aus Artikel 73 Absatz 1 Nummer 6a, Artikel 74 Absatz 1 Nummer 21 und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 23 des Grundgesetzes (GG), sowie Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 und Artikel 74 Absatz 1 Nummer 22 GG. Nach Artikel 72 Absatz 2 GG steht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz in den beiden zuletzt genannten Fällen unter anderem dann zu, wenn und soweit eine bundesgesetzliche Regelung zur Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist. Eine solche bundesgesetzliche Regelung ist hier notwendig, um einer Rechtszersplitterung entgegenzuwirken.

V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar.

VI. Gesetzesfolgen

Erfüllungsaufwand Bürgerinnen und Bürger

Für Bürgerinnen und Bürger entsteht kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.

Wirtschaft

Aufgrund einer voraussichtlich steigenden Anzahl von zulässigen Videokameras erhöhen sich die Bürokratiekosten aus der Informationspflicht zur Kenntlichmachung und Kennzeichnung einer Videoüberwachung nach § 6b Absatz 2 Bundesdatenschutzgesetz (ID-IP 2006100413180112). In WebSKM ist eine jährliche Fallzahl von 32.800 Fällen ausgewiesen. Es ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich hiervon ein Großteil (rund 17.200 Fälle) auf Einrichtungen bezieht, die durch das vorliegende Gesetz nicht tangiert sind, weil diese Einrichtungen u.a. zu klein sind oder bereits eine Videoüberwachung installiert haben. Bei den übrigen 15.600 Fällen wird durch die gesetzliche Änderung eine Steigerung der zulässigen Videokameras um 20 Prozent angenommen, womit sich eine Fallzahl von rund 3.100 ergibt. Der zusätzliche Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft beträgt rund 141.900 Euro pro Jahr, der sich aus Personalkosten in Höhe von rund 48.900 Euro (3.100 Fallzahl x 20 Minuten x 47,30/60 Lohnsatz) und aus Anschaffungskosten in Höhe von 93.000 Euro (3.100 Fallzahl x 30 Euro) zusammensetzt.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes)

Zu Nummer 1 (§ 6b Absatz 1 Satz 2)

Zum Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von Personen in Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs und öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen soll der Einsatz von optisch-elektronischer Sicherheitstechnologie in höherem Maße als bisher möglich sein und dadurch die Sicherheit der Bevölkerung insgesamt erhöht werden.

Öffentlich zugängliche großflächige Anlagen sind bauliche Anlagen, die nach dem erkennbaren Willen des Betreibers von jedermann betreten oder genutzt werden können und von ihrer Größe her geeignet sind, eine größere Anzahl von Menschen aufzunehmen. Insbesondere kommen hierbei Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren und Parkräume in Betracht, die einen entsprechenden Publikumsverkehr aufweisen. Hierzu gehören auch Flächen, die eine gleichzeitige Anwesenheit vieler Menschen bei Veranstaltungen ermöglichen, und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen bestehen und daher auch besonderen baurechtlichen Bestimmungen der Länder und der Baunutzungsverordnung unterliegen.

Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Videoüberwachung unterliegt bei Einrichtungen und Fahrzeugen des Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs nur dann dem § 6b BDSG, wenn der Verkehrsbetrieb nicht öffentlich-rechtlich betrieben wird. Zu den öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs gehören beispielsweise Busfernbahnhöfe.

Die Regelung in Absatz 1 Satz 2 legt normativ fest, dass der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit als besonders wichtiges Interesse in solch hochfrequentierten Räumen gilt. Damit können der Schutz und die Erhöhung der Sicherheit von Personen, die sich in solchen Einrichtungen aufhalten, ein berechtigtes Interesse der Betreiber darstellen. Zugleich werden mit der Formulierung des „besonders wichtigen Interesses“ in Absatz 1 Satz 2 diese Belange besonders hervorgehoben. Sie können von den Betreibern von solchen hochfrequentierten Anlagen dementsprechend in die Abwägungsentscheidung nach § 6b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 BDSG über den Einsatz einer Videoüberwachung einbezogen und neben ihren zivilrechtlichen Verpflichtungen (z.B. Verkehrssicherungspflicht) verstärkt beachtet werden. Dabei gibt es keine Verpflichtung des Betreibers eine Videoüberwachung einzusetzen. Soweit der Betreiber eine Videoüberwachung einsetzen möchte und die Schutzgüter Leben, Gesundheit oder Freiheit in solchen Anlagen betroffen sein können, wird durch die Formulierung „gilt als…ein besonders wichtiges Interesse“ die Abwägungsentscheidung zugunsten der Zulässigkeit des Einsatzes einer Videoüberwachungsmaßnahme geprägt.

Insofern können die Betreiber solcher Anlagen, Einrichtungen und Fahrzeuge in ihrem eigenen Interesse einen Beitrag zur Sicherheit der aufhältigen Personen leisten, der auch im öffentlichen Interesse liegt.

Damit stehen der Polizei und Staatsanwaltschaft verstärkt effektive Übersichts-, Aufklärungs- und Ermittlungsmöglichkeiten zur Verfügung, gerade wenn es darum geht, unmittelbar reagieren zu können. Die bestehenden polizeirechtlichen Rechtsgrundlagen, die einen Zugriff auf die von nicht-öffentlichen Stellen erhobenen Videoaufzeichnungen ermöglichen (z.B. § 21 Absatz 3 Satz 2 und § 47 Bundespolizeigesetz bzw. die entsprechenden Vorschriften der Strafprozessordnung), bleiben durch die (Neu-)Regelung unberührt. Entsprechendes gilt, soweit die Videoüberwachung in anderen Gesetzen spezieller geregelt ist (z.B. § 27 Bundespolizeigesetz).

Die aus dem grundgesetzlich abgesicherten Recht auf informationelle Selbstbestimmung herrührende Interessenabwägung nach § 6b Absatz 1 Satz 1 BDSG bleibt weiterhin notwendig. Die Abwägung hinsichtlich der Zulässigkeit von Videoüberwachungsanlagen ist nicht pauschal, sondern für jede Teilanlage in diesen öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen oder Einrichtungen und Fahrzeugen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs, gesondert vorzunehmen.

Zu Nummer 2 (§ 6b Absatz 3)

Es handelt sich um eine Klarstellung. Bei der Verarbeitung und Nutzung der nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 erhobenen personenbezogenen Daten sollen dieselben Gewichtungsmaßstäbe des Absatzes 1 Satz 2 für die Abwägungsentscheidung gelten. Aus dem Beitrag, den private Betreiber für sicherheitsrelevante Belange leisten, folgt, dass die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Grundsatz mit vom Erhebungszweck umfasst sein können. Diese Ausgangslage ist bei der Frage der Zulässigkeit der Übermittlung der Daten an Strafverfolgungsbehörden nach den einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorschriften zu berücksichtigen.

Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)

Das Inkrafttreten wird auf den frühestmöglichen Zeitpunkt gelegt.