Urteil : Information des Betriebsrats über die Zuteilung von Aktienoptionen : aus der RDV 3/2017, Seite 144 bis 148
(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 17. Januar 2017 – 19 TaBV 3/16 –)
Bei der Zuteilung von Aktienoptionen und Nachzugsaktien durch eine US-amerikanische Muttergesellschaft an Mitarbeiter eines deutschen Tochterunternehmens hat der Betriebsrat kein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 80 Abs.1 und § 75 Abs. 1 BetrVG hat der Betriebsrat gleichwohl einen Anspruch auf Auskunft gegen die deutsche Konzerntochter, welchen Mitarbeitern in welchem Umfang Aktienoptionen und Nachzugsaktien gewährt werden. Denn der Betriebsrat kann seiner in § 75 Abs. 1 BetrVG übertragenen Aufgabe, die Einhaltung der Grundsätze von Recht und Billigkeit und insbesondere der Gleichbehandlung zu überwachen, nur dann nachkommen, wenn er die entsprechenden Auskünfte erhält. Falls die Arbeitgeberin keine eigene Kenntnis über die Zuteilung der Aktienoptionen und Nachzugsaktien hat, ist sie verpflichtet, sich die Informationen bei der Muttergesellschaft zu beschaffen.
Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Arbeitgeberin verpflichtet ist, dem Betriebsrat Auskünfte im Zusammenhang mit an ihre Mitarbeiter von der US-amerikanischen Konzernobergesellschaftausgegebene Aktienoptionen (Stock Options) und Nachzugsaktien (Deferred Stock) zu erteilen.
Die am 1. Januar 2010 gegründete Arbeitgeberin betreibt im Rahmen eines Betriebsführungsvertrags ua. ein Werk in R., in dem der beteiligte Betriebsrat gebildet ist. Sie gehört zum weltweit tätigen Chemie- und Technologiekonzern D., dessen Obergesellschaft The D. Company (T.) ihren Sitz in den USA hat.
In der D.-Gruppe gibt es für Mitarbeiter ab einer bestimmten Führungsebene als zusätzliche Vergütungskomponente neben der Grundvergütung und einer variablen Vergütung ein von T. aufgelegtes „Long Term Incentives“-Programm. Dieses sieht die Gewährung von Stock Options und Deferred Stock vor. Den Bezugsrahmen und die Verteilungsparameter legt T. jährlich fest; die Arbeitgeberin selbst gewährt keine Aktien. Arbeitsvertragliche Abreden mit der Arbeitgeberin existieren nicht. Die Zuteilung der Stock Options und Deferred Stock erfolgt seit 2009 im Zusammenhang mit der Leistungseinstufung des jeweiligen Mitarbeiters automatisiert in einem elektronischen Gehaltsfindungsprozess („Pay Planing Process – PPP“). Im PPP können die jeweiligen Vorgesetzten innerhalb eines bestimmten Zeitfensters von der im System vorgegebenen Leistungsbeurteilung nach oben oder unten abweichende Eingaben machen. Zudem können sie Mitarbeiter hinzufügen oder herausnehmen. T. muss diesen Änderungen nicht folgen. Wegen der nach Sparten gegliederten Organisation des Konzerns sind die Vorgesetzten, die für bei der Arbeitgeberin angestellte Mitarbeiter auf das System zugreifen, zum Teil selbst nicht bei dieser angestellt. Umgekehrt können bei der Arbeitgeberin beschäftigte Vorgesetzte auch auf den PPP von Mitarbeitern anderer Konzerngesellschaften einwirken.
Der Betriebsrat hat in dem von ihm eingeleiteten Beschlussverfahren Auskunftsansprüche über die Zuteilung der Stock Options und der Deferred Stock und die Einflussnahme der Arbeitgeberin hierauf geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, dass ihm nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG darüber Auskunft zu erteilen sei, für welche Mitarbeiter die Gewährung von Deferred Stock und Stock Options seitens T. vorgeschlagen wurden, in welchen Fällen und mit welcher Begründung die Vorgesetzten abweichende Vorschläge unterbreitet hätten und inwieweit T. den abweichenden Vorschlägen gefolgt sei. Nur durch eine entsprechende Auskunft könne sie beurteilen, ob die Grundsätze der Lohngerechtigkeit gewahrt würden und ob ggf. ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe.
Aus den Gründen:
Der Betriebsrat kann Auskunft verlangen, welchen Mitarbeitern ab dem Jahr 2016 Deferred Stock und/oder Stock Options gewährt werden. Der Auskunftsanspruch folgt aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m § 80 Abs. 1, 75 Abs. 1 BetrVG.
1. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Betriebsrat zur Durchführung seiner gesetzlichen Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Mit dieser Verpflichtung geht ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats einher. Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehören dessen allgemeine Aufgaben gemäß dem Katalog des § 80 Abs. 1 BetrVG, die vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte unabhängig sind. Zu ihnen gehört ferner die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz. Der Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG besteht nicht nur dann, wenn solche allgemeinen Aufgaben oder Beteiligungsrechte bereits feststehen. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat vielmehr auch ermöglichen, anschließend in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben iSd. Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Dafür genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt. Erst dann kann nicht mehr davon gesprochen werden, dass die begehrte Auskunft zur Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats erforderlich sei. Aus diesen Grundsätzen folgt eine zweistufige Prüfung daraufhin, ob überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben und ob im Einzelfall die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist (st. Rspr. vgl. etwa BAG 19. Februar 2008 – 1 ABR 84/06 – Rn. 15 und 16; 10. Oktober 2006 – 1 ABR 68/05 – Rn. 18; 6. Mai 2003 – 1 ABR 13/02 – Rn. 47; 21. Oktober 2003 – 1 ABR 39/02 – Rn. 56 und 58).
Zu den Aufgaben des Betriebsrats iSv. § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehören auch die allgemeinen Aufgaben nach dem Katalog des § 80 Abs. 1 BetrVG. Diese Aufgaben sind vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte unabhängig (BAG 21. Oktober 2003 – 1 ABR 39/02 – Rn. 56). Die Aufgabe des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG besteht jedenfalls nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in der Verpflichtung, darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge angewendet werden. Dabei sind nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG die Grundsätze von Recht und Billigkeit und als deren wichtigste Ausprägung der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten (BAG aaO Rn. 60).
2. Nach diesen rechtlichen Maßstäben besteht kein Auskunftsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG i.V.m. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Beteiligungsrecht offensichtlich nicht gegeben ist (a)). Zudem wären die begehrten Informationen nicht erforderlich zur Ausübung eines etwaigen Mitbestimmungsrechtes nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, weil weder ersichtlich noch dargelegt ist, inwieweit das Beteiligungsrecht bei der Zuteilung von Deferred Stock und Stock Options durch die Konzernobergesellschaft ausgeübt werden könnte (b)).
a) Vorliegend besteht schon – offensichtlich – kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei der Gewährung von Deferred Stock bzw. Stock Options gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die genannte Norm betrifft ausweislich ihres Wortlauts Fragen der betrieblichen Lohngestaltung. Im konkreten Fall fehlt es indes am Bezug zur betrieblichen Lohngestaltung. Schließt der Arbeitnehmer eine Vereinbarung über die Gewährung von Aktienoptionen nicht mit seinem Arbeitgeber, sondern mit einem anderen Konzernunternehmen ab, so können Ansprüche aus dieser Vereinbarung grundsätzlich nur gegenüber dem vertragsschließenden Konzernunternehmen geltend gemacht werden und werden nicht Bestandteil des Arbeitsverhältnisses mit einer Tochtergesellschaft dieses Konzernunternehmens. Der Vertrag über die Gewährung von Aktienoptionen steht rechtlich selbstständig neben dem Vertrag des Arbeitnehmers mit der Tochtergesellschaft (BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 17 mwN). Nach diesen Grundsätzen liegt schon keine Entgeltleistung der Arbeitgeberin vor, sodass es bereits an einer Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG fehlt. In dieser Hinsicht folgt die erkennende Kammer den zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts (ebenso Annuß/ Lembke BB 2003, 2230, 2231 mit der Auffassung, dass in Fällen „ausschließlicher Drittleistung“ das Mitbestimmungsrecht nicht ausgelöst werde). Auch wenn ein etwaiger Zusammenhang zwischen der Gewährung der Aktienoptionen und Nachzugsaktien und dem Arbeitsverhältnis angenommen würde, änderte sich an dieser Wertung nichts. Denn die von einem Dritten im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis erbrachten Leistungen stellen nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes nur dann Arbeitsentgelt dar, wenn der Dritte sie nach der Abrede der Arbeitsvertragsparteien an Stelle oder neben dem zwischen ihnen vereinbarten Arbeitsentgelt erbringen soll (BAG 16. Januar 2008 – 7 AZR 887/06 – Rn. 16). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Auch aus der Tatsache, dass ggf. Vorgesetzte im Zuweisungsverfahren mitwirken, ergibt sich keine andere Bewertung. Soweit die Vorgesetzten in anderen Konzerngesellschaften angestellt sind, fehlt es bereits am betrieblichen Bezug, denn bei einer anderen Gesellschaft wird es sich im Regelfall auch um einen anderen Betrieb handeln. Sollte dies nicht der Fall sein sowie für den Fall, dass die Vorgesetzten bei der Arbeitgeberin angestellt sein sollten, folgt aber auch hieraus nicht, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestünde. Dem Arbeitsgericht ist darin zu folgen, dass es sich auch bei diesen Vorgesetzten lediglich um „Erfüllungsgehilfen“ der T. handelt und es vor diesem Hintergrund um eine mitbestimmungsfreie Mitwirkung hinsichtlich der Leistung eines Dritten geht. Schließlich scheidet das Mitbestimmungsrecht auch bereits deshalb aus, weil dem Betriebsrat überhaupt kein Gestaltungsspielraum verbleibt (hierzu sogleich auch unter b)). Die zwingenden Vorgaben der Konzernmutter bilden die Grenze der Mitbestimmung (so auch Otto/Mückl, DB 2009 1594, 1597). Da letztlich die Muttergesellschaft unstreitig – Gegenteiliges behauptet auch der Betriebsrat nicht – alleine und ohne Bindung an die Mitwirkung der Vorgesetzten über die Zuteilung von Deferred Stock und Stock Options entscheidet, verbleibt bei der Arbeitgeberin und damit auch für den Betriebsrat keine Möglichkeit der Gestaltung über § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Die Arbeitgeberin hat weder rechtlich noch tatsächlich einen Spielraum bei der Ausgestaltung der Einzelheiten des Aktienoptionsplans. Hat der Arbeitgeber aber bereits keinen Gestaltungsspielraum, kann der Betriebsrat schon aus tatsächlichen Gründen nicht mitbestimmen (so auch Lingemann/Diller/Mengel NZA 2000, 1191, 1200).
b) Auskunftsansprüche mit Blick auf ein etwaiges Beteiligungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG schieden mit demselben Argument auch auf der zweiten Prüfungsstufe aus. Die begehrten Auskünfte wären nicht zur Aufgabenwahrnehmung iSd. Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes erforderlich. Dem Betriebsrat verbleibt überhaupt kein Verhandlungsspielraum, weil die Entscheidung über das Ob und Wie der Gewährung von Deferred Stock und Stock Options allein von der Muttergesellschaft getroffen wird. Dem Betriebsrat fehlt es an Möglichkeiten, ein Beteiligungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG anzubringen.
3. Ein Auskunftsanspruch des Betriebsrates ergibt sich aber aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG iVm. § 80 Abs. 1 und § 75 Abs. 1 BetrVG.
a) Nach § 75 Abs. 1 BetrVG haben Arbeitgeber und Betriebsrat darüber zu wachen, dass alle im Betrieb tätigen Personen nach den Grundsätzen von Recht und Billigkeit behandelt werden, insbesondere, dass jede Benachteiligung von Personen aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, ihrer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität unterbleibt. Recht und Billigkeit verlangen insbesondere die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (Richardi BetrVG/Maschmann/ Richardi 15. BetrVG § 75 Rn. 15). Die in der Vorschrift niedergelegten Pflichten sind für Arbeitgeber und Betriebsrat gesetzliche Pflichten iSd. Betriebsverfassungsgesetzes (Richardi aaO Rn. 50). Den Arbeitgeber trifft eine Reaktionspflicht, soweit Beschäftigte wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Sie besteht gegenüber Beschäftigten, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, und gegenüber Dritten, durch die Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit benachteiligt werden (§ 12 Abs. 3 und 4 AGG): Der Arbeitgeber hat die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung zu ergreifen bzw. die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vorzunehmen (Richardi aaO. Rn. 12).
b) Nach diesen rechtlichen Maßstäben besteht im vorliegenden Fall eine Überwachungspflicht des Betriebsrates hinsichtlich der von der Muttergesellschaft gewährten Aktienoptionen und Nachzugsaktien und damit auch ein Aufgabenbezug, welcher gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG zu einem Auskunftsanspruch führt.
aa) Ein Überwachungsrecht nach § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG scheidet nicht schon deshalb aus, weil die amerikanische Muttergesellschaft aufgrund eines rechtlich selbstständigen Verpflichtungsgrundes die Vergütung gewährt. Anknüpfungspunkt für die Überwachungspflicht des Betriebsrats im Rahmen des § 75 BetrVG ist nicht die Vergütung als solche, sondern die Behandlung der im Betrieb tätigen Personen. Dabei ist nicht danach zu unterscheiden, von welcher Seite die im Raume stehende Maßnahme ausgeht. Soweit die Arbeitgeberin im Verhandlungstermin ausgeführt hat, dass es bei § 75 Abs. 1 BetrVG lediglich um arbeitgeberseitige Maßnahmen gehen könne, folgt das Gericht dem nicht. § 75 Abs. 1 BetrVG ist nicht derart eng zu verstehen und auszulegen.
(1) Maßgebend für das Verständnis und die Auslegung einer Norm ist der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den die Regelung hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (st. Rspr. des BAG, vgl. zuletzt 25. Mai 2016 – 5 AZR 135/16 – Rn. 28 mit Verweis auf BVerfG 19. März 2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 – Rn. 66).
(2) Die Auffassung der Arbeitgeberin findet bereits im Wortlaut der Norm keine Stütze. Die Norm formuliert: „behandelt werden“. Wer „behandelt“, wird vom Gesetz offengelassen. Insofern spricht schon der Wortlaut dafür, dass § 75 Abs. 1 BetrVG nicht nur bei Maßnahmen des Arbeitgebers Anwendung findet.
(3) Auch die Systematik sowie Sinn und Zweck von § 75 Abs.1 BetrVG gebieten, ihn auch bei Maßnahmen Dritter zur Geltung zu bringen. Das Ziel der Norm besteht darin, die Einhaltung der Grundsätze von Recht und Billigkeit und insbesondere der Gleichbehandlung sicherzustellen (Fitting 28. Aufl. § 75 Rn. 1). Dies kann nur dadurch geschehen, dass jedwede diskriminierende Handlung, gleich welchen Ursprungs, von der Überwachungspflicht abgedeckt wird. Die verengende Auffassung der Arbeitgeberin würde beispielsweise den praktisch relevanten Bereich, dass Kunden der Arbeitgeberin ihre Arbeitnehmer entgegen den in § 75 Abs. 1 BetrVG genannten Grundsätzen behandeln, vollständig von der Überwachungspflicht des Betriebsrates ausnehmen. Die Drittbezogenheit von Überwachungspflichten ist dem Konzept des Diskriminierungsschutzes vielmehr immanent, so zB in Gestalt des § 12 Abs. 4 AGG. Danach hat der Arbeitgeber die im Einzelfall erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zum Schutz der Beschäftigten zu ergreifen, wenn Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit durch Dritte nach § 7 Abs. 1 AGG benachteiligt werden. Auch § 17 Abs. 3a KSchG kennt (wenngleich in anderem Zusammenhang), Auskunfts-, Beratungs- und Anzeigepflichten, wenn die Entscheidung über Entlassungen von einem Dritten, nämlich einem den Arbeitgeber beherrschenden Unternehmen getroffen wurde.
(4) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte. § 75 Abs. 1 BetrVG wurde durch Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung vom 14. August 2006 an die Terminologie des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes angepasst (BGBl. Jahrgang 2006, Teil I, 1897, 1908). Nach dem Willen des Gesetzgebers richten sich der Begriff der Benachteiligung und die Zulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung in § 75 Abs. 1 BetrVG nach den Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (BT-Drs. 16/1780, S. 56). Insofern ist eine Norm wie § 12 Abs. 4 AGG ohne weiteres zur Auslegung von § 75 Abs. 1 BetrVG heranzuziehen.
bb) Eine Auskunftserteilung (zur Reichweite sogleich unter cc)) ist auch zur Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrates erforderlich, denn nur mit entsprechenden Informationen kann er seiner Überwachungspflicht nachkommen. Dass der Betriebsrat kein Mitspracherecht bei der Zuteilung von Deferred Stock und Stock Options hat, steht dem nicht entgegen, genauso wenig, dass ihm kein Verhandlungsspielraum über das Ob und Wie zusteht. Denn anders als bei § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG geht es bei § 75 Abs. 1 BetrVG nicht um ein Mitbestimmungsrecht. Bezugspunkt ist vielmehr die Aufgabe der Überwachung. Für diese ist es entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht unnütz, dass Auskünfte erteilt werden. Insbesondere spielt es keine Rolle, dass der Betriebsrat aus den ihm zur Verfügung gestellten Informationen keine belastbaren Rechte oder dergleichen herleiten kann. Alleine die Tatsache, dass der Betriebsrat einen etwaigen Verstoß gegen die in § 75 Abs. 1 BetrVG aufgeführten Grundsätze benennen, ansprechen und ggf. auch dadurch auf eine Veränderung hinwirken kann, stellte eine sinnvolle und durch die Rechtsordnung gewünschte Reaktion dar. Genauso wie bei § 12 Abs. 4 AGG kann es bei einem festgestellten Verstoß durch Maßnahmen Dritter um die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen gehen. § 12 Abs. 4 AGG verlangt lediglich, dass der Arbeitgeber alles im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Zumutbare unternimmt, um eine Benachteiligung für die Zukunft auszuschließen. Er genügt regelmäßig seiner Verpflichtung nach § 12 Abs. 4 AGG, wenn er Kunden oder Lieferanten auf den Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot hinweist und zur Abhilfe auffordert (Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. § 12 Rn. 12). Auch § 17 Abs. 1 AGG sieht vor, dass die einzelnen Akteure „im Rahmen ihrer Aufgaben und Handlungsmöglichkeiten“ an der Verwirklichung des in § 1 AGG genannten Ziels mitwirken. Die Argumentation der Arbeitgeberin, dass der Betriebsrat aus den erlangten Informationen keine tatsächlichen Schlussfolgerungen ziehen kann, geht mit diesem veränderten Bezugspunkt – Überwachungspflicht statt Mitbestimmung – ins Leere.
cc) Die mit den Hauptanträgen geltend gemachten Auskünfte sind von ihrem Umfang – unabhängig von der zeitlichen Komponente – allerdings nicht erforderlich, um die Einhaltung der Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG zu überwachen.
(1) Die Erforderlichkeit einer Auskunft ist auch in inhaltlicher Hinsicht an der Aufgabe zu messen. Ein Anspruch auf Auskunft kann nicht über die Informationen hinausgehen, welche der Betriebsrat zur Aufgabenwahrnehmung benötigt. Die gesetzliche Aufgabe, die den Informationsanspruch begründet, begrenzt diesen auch in seiner Reichweite im konkreten Einzelfall (vgl. statt vieler Weber-GK BetrVG 10. Aufl. § 80 Rn. 59). (2) Um die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu überprüfen, reicht es aus, wenn der Betriebsrat darüber Auskunft erhält, welchen Mitarbeitern in welchem Umfang Stock Options und/oder Deferred Stock gewährt werden. Nicht erforderlich ist es hingegen zu erfahren, wie zunächst der Vorschlag von T. lautete, inwieweit und mit welcher Begründung abweichende Vorschläge unterbreitet wurden und inwieweit diesen gefolgt wurde. Anhand der Information, welchen Mitarbeitern in welchem Umfang Deferred Stock bzw. Stock Options zugeteilt wurden, ist es dem Betriebsrat möglich, etwaige Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz zu benennen. So kann der Betriebsrat ersehen, gegenüber welchen Mitarbeitern eine Zuteilung erfolgte und welche Mitarbeiter hiervon ausgenommen wurden. Er kann zudem feststellen, wie viele Deferred Stock bzw. Stock Options einzelne Mitarbeiter erhalten haben und kann die einzelnen Zuteilungen in ein Verhältnis zueinander setzen. Gerade dadurch wird ihm die Überprüfung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ermöglicht.
(3) Greifbare Anhaltspunkte dafür, dass die Arbeitgeberin eine „Regelverletzung“ begeht, bedarf es, um die Erforderlichkeit der Auskunft zu bejahen, nicht (BAG 19. Februar 2008 – 1 ABR 84/06 – Rn. 25).
(4) In inhaltlicher Hinsicht war der Hilfsantrag des Betriebsrats leicht abzuändern. Statt gewährt „wurden“, war gewährt „werden“ in die Tenorierung aufzunehmen. Dies ergibt eine Auslegung des Antrags, der Auskünfte bezüglich der Zuteilung von Deferred Stock und Stock Options „ab dem Jahr 2016“ begehrt.
c) Der Auskunftsanspruch in der Gestalt des Hilfsantrages scheitert auch nicht an tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit gemäß § 275 Abs. 1 BGB bzw. auf Grund eines Leistungsverweigerungsrechts nach § 275 Abs. 2 BGB. Falls die Arbeitgeberin keine eigene Kenntnis hat, ist sie verpflichtet, sich die Informationen darüber zu beschaffen, welche Mitarbeiter in welchem Umfang Deferred Stock und/oder Stock Options gewährt bekommen.
aa) An sich ist die Arbeitgeberin im Rahmen des § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG nur verpflichtet, die Informationen zu geben, über die sie selbst verfügt; sie muss sich grundsätzlich keine weiteren Informationen beschaffen (Richardi BetrVG/Thüsing 15. BetrVG § 80 Rn 56). Dies gilt allerdings nicht, wenn sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG auch für die Arbeitgeberin selbst, wie im vorliegenden Fall, eine Überwachungspflicht ergibt. Zur Frage der Vertrauensarbeit hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass der Arbeitgeber auch dann zur Auskunft verpflichtet sei, wenn er über die entsprechenden Kenntnisse (im konkreten Fall zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit) bislang nicht verfüge (BAG 6. Mai 2003 – 1 ABR 13/02 – Rn. 63). Er habe seinen Betrieb so zu organisieren, dass er die Durchführung der geltenden Gesetze selbst gewährleisten könne (BAG aaO Rn. 65). Die benötigten Auskünfte seien zu deren Durchführung, anders als zusätzlich gewünschte Unterlagen, unverzichtbar, da die Überwachungsaufgabe ohne sie nicht erfüllt werden könne (BAG aaO Rn. 67). Unabhängig davon hat das Bundesarbeitsgericht im Rahmen eines Auskunftsanspruches nach § 5 Abs. 1 EBRG schon dann eine (subjektive) Unmöglichkeit verneint, wenn die Arbeitgeberin zur Auskunftserteilung in der Lage ist, weil sie sich der Mitwirkung Dritter bedienen kann, welche die notwendigen Kenntnisse besitzen (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 32/99 – Rn. 33). Hieran ändere sich auch nichts dadurch, dass sich die Arbeitgeberin vergeblich um die begehrten Informationen bemüht habe. Der Arbeitgeberin stünden rechtliche Wege offen (BAG aaO Rn. 34). Falls sich im Anschluss herausstellen sollte, dass die Arbeitgeberin trotz Beschreitens des Rechtswegs nicht in der Lage sei, ihre Auskunftspflicht zu erfüllen, so wäre dies im Rahmen eines möglichen Vollstreckungsverfahrens zu ihren Gunsten zu berücksichtigen (BAG aaO Rn. 43).
Auch in der Kommentarliteratur wird vertreten, dass sich der Vertragsarbeitgeber ggf. die entsprechenden Daten auch über die Muttergesellschaft beschaffen muss (Weber-GK BetrVG 10. Aufl. § 80 Rn. 57; in diesem Sinne auch Fitting 28. Aufl. § 80 Rn. 56 und 59; DKKW-Buschmann 15. Aufl. § 80 Rn. 101; a.A. Richardi BetrVG/Thüsing 15. Aufl. BetrVG § 80 Rn. 64; ErfK/ Kania 17. Aufl. BetrVG § 80 Rn. 23; vgl. in diesem Zusammenhang auch LAG Nürnberg 22. Januar 2002 – 6 TaBV 19/01 – Rn. 31, das hinsichtlich der Gewährung von Aktienoptionen einer ausländischen Muttergesellschaft entschieden hat, dass Unterlagen dem Arbeitgeber auch dann zur Verfügung stehen, wenn lediglich die Gesellschafter und nicht die Geschäftsführer hierüber verfügen).
bb) Dies zugrunde gelegt, kann der Betriebsrat in der konkreten Fallkonstellation verlangen, dass die Arbeitgeberin die aus dem Tenor ersichtlichen Informationen ggf. beschafft, sollte sie nicht bereits darüber verfügen. Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 6. Mai 2003 (1 ABR 13/02) mit überzeugenden Argumenten dargestellt, dass sich die Arbeitgeberin eines Auskunftsanspruches des Betriebsrats nicht alleine dadurch entledigen kann, dass sie auf die bislang nicht erfolgte Erhebung der begehrten Daten abstellt, soweit es um die Durchführung geltender Gesetze geht. Auch im vorliegenden Fall besteht für die Arbeitgeberin aus § 75 Abs. 1 BetrVG eine gesetzliche Überwachungspflicht (s.o.), die ebenso wie die damit korrespondierende Überwachungspflicht des Betriebsrats vollständig vereitelt würde, wenn ausschließlich auf das Vorhandensein der Daten abgestellt würde. Auch wenn die Arbeitgeberin im Unterschied zu dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall vom 6. Mai 2003 nicht selbst zur Datenerhebung in der Lage und auf die Mitwirkung Dritter angewiesen wäre, änderte sich am gefundenen Ergebnis nichts. Jedenfalls schlösse dies einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats nicht aus, denn die Arbeitgeberin ist zunächst verpflichtet, sich die Daten über die Muttergesellschaft oder andere Konzernunternehmen zu beschaffen. Lediglich wenn mit Gewissheit anzunehmen wäre, dass eine Inanspruchnahme der erwähnten Unternehmen – auch auf dem Rechtsweg – erfolglos bliebe, läge eine Unmöglichkeit im Sinne des § 275 Abs. 1 BGB vor (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 32/99 – Rn. 40). Dass sie den Rechtsweg zur Informationsbeschaffung beschritten hätte, behauptet allerdings nicht einmal die Arbeitgeberin selbst. Soweit sie meint, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Juni 2004 nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar wäre, weil sie lediglich das EBRG betroffen habe, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar bestand in der erwähnten Entscheidung eine andere Anspruchsgrundlage hinsichtlich der begehrten Auskunft. Im konkreten Zusammenhang geht es aber nicht um die Anspruchsgrundlage, sondern um die Frage, ob eine Unmöglichkeit nach § 275 Abs. 1 BGB vorliegt. Diese Frage stellt sich unabhängig von der Anspruchsgrundlage, denn § 275 Abs. 1 BGB gilt für jeden – auch gesetzlichen – Anspruch (BAG 29. Juni 2004 – 1 ABR 32/99 – Rn. 30).
cc) Auch ein Leistungsverweigerungsrecht der Arbeitgeberin nach § 275 Abs. 2 BGB ist nicht zu erkennen. Die Informationsbeschaffung über die Muttergesellschaft ist ihr ohne weiteres zumutbar. In diesem Zusammenhang ist in den Blick zu nehmen, dass der geldwerte Vorteil aus der Ausübung der Stock Options bzw. der Deferred Stock steuerrechtlich Arbeitslohn darstellt (BAG 12. Februar 2003 – 10 AZR 299/02 – Rn. 59). Zwar führt dies nicht dazu, dass es sich um ein Entgelt seitens der Arbeitgeberin handeln würde (LAG München 12. Februar 2009 – 3 Sa 833/08 – Rn. 44). Gleichwohl folgt aus der steuerrechtlichen Behandlung als Arbeitslohn, dass entsprechende Zuteilungen auf Gehaltsmitteilungen aufzuführen sind. Dies stellt selbst die Arbeitgeberin nicht in Abrede; sie trägt vielmehr vor, dass die Gehaltsmitteilung die Anzahl der dem betreffenden Mitarbeiter ggf. von T. zugebilligten Optionen / Deferred Stock enthalte (Schriftsatz vom 31. Oktober 2013, Seite 9 oben). Ob die Arbeitgeberin über die Gehaltsmitteilungen verfügt, spielt hierbei keine Rolle. Dass es ihr unzumutbar wäre, Gehaltsmitteilungen ihrer eigenen Mitarbeiter zu beschaffen, liegt fern.
d) Das Bundesdatenschutzgesetz steht einer Weitergabe von Informationen an den Betriebsrat nicht entgegen. Das Bundesdatenschutzgesetz verdrängt das Betriebsverfassungsgesetz nicht. Gesetzliche Vorschriften wie § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, welche die Information des Betriebsrats und damit uU auch die Weitergabe von Daten vorschreiben, gehen dem Bundesdatenschutzgesetz vor (Weber-GK BetrVG § 80 Rn. 80 mwN).
Die Frage, inwieweit Auskunftsansprüche und damit zusammenhängend Beteiligungs- und Überwachungsrechte des Betriebsrates bei der Gewährung von Aktienoptionen und Nachzugsaktien durch eine ausländische Muttergesellschaft bestehen, hat grundsätzliche Bedeutung. Sie ist vom Bundesarbeitsgericht auch noch nicht entschieden. Vor diesem Hintergrund hat die Kammer die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht zugelassen (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Satz 1 ArbGG).