Urteil : Honorar für die Überwachung von Mitarbeitern durch einen Detektiv : aus der RDV 3/2021, Seite 163 bis 165
(Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 7. Mai 2020 – 10 U 178/19 –)
- Zu der Wirksamkeit eines Detektivvertrages wegen Datenschutzverstoßes.
- Ein offensichtlichen Missverhältnisses zwischen der erbrachten Leistung und der dafür angefallenen Vergütung liegt bei einer Honorarforderung eines Detektivs für eine sechswöchige Observation in Höhe von netto 275.762,43 EUR noch nicht vor.
Sachverhalt:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung ausstehenden Honorars für detektivische Überwachungsmaßnahmen.
Aufgrund unter anderem des Verdachtes des unerlaubten Handels mit städtischem Holz beauftragte die Beklagte durch ihren Oberbürgermeister die Klägerin mit der Observation der von ihr verdächtigten Mitarbeiter. Die Entscheidung über die Einschaltung der Beklagten traf der Oberbürgermeister ohne Beteiligung städtischer Gremien. In der beiderseitig am 01.10.2015 unterzeichneten Vertragsurkunde sind die vertragsgegenständlichen Leistungen bezeichnet als “Dienstleistungen (wie Beratung, Einsatz von Spezialisten und Sachbearbeitern)”. Eine zeitliche Befristung der Observation sieht der Vertrag nicht vor. Der Beklagten ist jedoch ein jederzeitiges Kündigungsrecht eingeräumt. …
Die Klägerin übernahm anschließend ihre Überwachungstätigkeit auf. Die Beklagte verweigerte jedoch die Zahlung von Vergütungsansprüchen.
Sie ist u.a. der Auffassung, der Vertrag sei wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot von Anfang an unwirksam, da die Parteien eine zeitlich nicht befristete Observation vereinbart hätten. Dies gelte um so mehr, als den Detektiven weiterreichende Befugnisse eingeräumt worden seien, als sie kraft Gesetzes staatlichen Ermittlungsorganen zustünden. Jedenfalls verstoße die Vereinbarung gegen die guten Sitten mit der Folge der Nichtigkeit des Vertrages nach § 138 BGB.
Ihr stehe zudem ein Gegenanspruch gegen die Klägerin unter dem Aspekt des Schadensersatzes wegen Schlechtleistung zu, da die Detektive der Klägerin mehrfach enttarnt worden seien. Dies führe zur Befreiung von der Zahlungspflicht. Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich zudem aus der Verletzung von Beratungspflichten durch die Klägerin. Diese habe sie nämlich nicht über die Unverwertbarkeit der durch eine zeitlich unbefristete Überwachung gewonnenen Beweise aufgeklärt. Auch habe die Klägerin sie nicht darüber aufgeklärt, dass sich keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der observierten Mitarbeiter ergeben hätten. Überdies habe sie insoweit gegen ihre Berichterstattungspflichten verstoßen, als sie keine Mitteilung über die Enttarnung ihrer Detektive gemacht habe.
Aus den Gründen:
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 611 Abs. 1 BGB auf Zahlung des Zeithonorars in Höhe von insgesamt 141.128,00 € zu.
a) Zutreffend hat das Landgericht die Wirksamkeit des Vertrages angenommen.
aa) Der Vertrag ist nicht schon wegen des offensichtlichen Missverhältnisses zwischen der erbrachten Leistung und der dafür angefallenen Vergütung unwirksam. So stellt die Klägerin für eine sechswöchige Observation netto 275.762,43 EUR in Rechnung, einen Betrag, für den sich bereits ein Einfamilienhaus errichten lässt, obgleich dafür Fachkräfte wie etwa Architekten benötigt werden, denen im Gegensatz zum Detektiv eine qualifizierte Ausbildung abverlangt wird. Für den Senat ist schlechthin unverständlich, wie sich der Oberbürgermeister einer Stadt auf derartige Vertragsbedingungen hat einlassen können. So ergeben sich auf den ersten Blick völlig überzogene An- und Abreisekosten, die bereits für sich genommen für jeden wirtschaftlich denkenden Menschen ein deutliches Warnsignal hätten sein müssen: So lassen sich die Kosten nur für die einmalige An- und Abreise für einen einzelnen Detektiv bei Zugrundelegung sämtlicher dafür vertraglich vereinbarter Positionen (Honorar plus Zuschlag, Kraftfahrzeugvergütung, Kilometerpauschale, besondere Verwaltungskosten) auf netto ca. 2.700,- € (brutto ca. 3.200,- €) hochrechnen. Auch die Pauschale in Höhe von netto 150,- € je Einsatztag für jedes Gerät ist ersichtlich überzogen, da dies dazu führt, dass der Klägerin schon nach wenigen Einsatztagen etwa für einen Fotoapparat eine Kostenpauschale zu zahlen ist, die weit über die Anschaffungskosten hinausgeht. Jedoch gilt die Vertragsfreiheit auch für Abreden, welche einem besonnenen Betrachter wirtschaftlich gänzlich unvernünftig erscheinen. Aufgabe des Rechts ist es daher nicht, einen der Vertragspartner vor jedweder für ihn ungünstigen Vereinbarung zu bewahren. Eine Grenze ist erst erreicht, wenn das Rechtsgeschäft gegen die guten Sitten verstößt, wie es bei wucherischen Rechtsgeschäften der Fall ist. Abzustellen ist dabei darauf, ob das Missverhältnis im konkreten Einzelfall bereits so groß ist, dass die Grenze dessen, was sich nach den gesamten Umständen noch rechtfertigen lässt, überschritten ist. Das ist in der Regel der Fall, wenn der objektive Wert von Leistung und Gegenleistung um etwa 100% oder mehr voneinander abweichen. Dazu ist, da sich die beklagte Stadt in dieser Hinsicht nicht auf Sittenwidrigkeit beruft, nichts vorgetragen.
Jedenfalls aber fehlt es an den subjektiven Voraussetzungen des Wuchertatbestandes. So muss in subjektiver Hinsicht der Bewucherte einen der vier in § 138 Abs. 2 BGB abschließend aufgezählten Schwächezustände aufweisen, also entweder unerfahren sein, sich in einer Zwangslage befinden, einen Mangel an Urteilsvermögen zeigen oder eine erhebliche Willensschwäche aufweisen. Auf Seiten des Wucherers muss subjektiv hinzukommen, dass er gerade eine solche Schwäche des anderen Teils bewusst ausbeutet. Einen solchen Vorwurf wird man gegen die Klägerin nicht erheben können, da diese angesichts der Stellung ihres Verhandlungspartners als Oberbürgermeister aus der maßgeblichen damaligen Sicht davon ausgehen durfte, dass dieser über eine gewisse wirtschaftliche Gewandtheit und Kompetenz zur Prüfung der Vertragsbedingungen verfügt.
bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Vertrag ist auch nicht wegen Fehlens einer Ermächtigungsgrundlage unwirksam. Insoweit macht die Beklagte offenbar eine “Anleihe” im öffentlichen Recht, in dem etwa ein Verwaltungsakt ohne Ermächtigungsgrundlage rechtswidrig ist. Vorliegend geht es aber ebensowenig um einen Verwaltungsakt wie um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, sondern um einen privatrechtlichen Vertrag, dessen Wirksamkeit sich nach den allgemeinen Vorschriften des Zivilrechts bemisst. Demnach kann sich die etwaige Nichtigkeit auch nicht aus dem Fehlen einer Ermächtigungsgrundlage als solchem herleiten, sondern etwa aus § 134 BGB (dazu nachfolgend unter II.B.1.a.cc) oder aus § 138 BGB (dazu nachfolgend unter II.B.1.a.ee).
Dessen ungeachtet war der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der observierten Mitarbeiter durch § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gedeckt. Zum Vorliegen der Voraussetzungen dieser Norm hat das Landgericht das Erforderliche gesagt; auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil wird verwiesen. Diese Vorschrift ist auch nicht durch das saarländische Landesdatenschutzgesetz verdrängt. Es trifft zwar zu, dass § 1 Abs. 2 Nr. 2 BDSG a.F. einen Vorrang der Datenschutzgesetze der Länder statuiert hat und ein entsprechendes Gesetz des Saarlandes in Kraft gewesen ist. Allerdings trifft, wie die Beklagte selbst hervorhebt, § 31 SDSG keine ausdrückliche Regelung zur Datenerhebung bei Verdacht einer Straftat. Dies bedeutet aber nicht, dass in einem solchen Fall keine Datenerhebung erfolgen dürfte. Ein solches Verständnis des § 31 SDSG wäre nicht mit dem Gedanken dieser Norm vereinbar. Diese gestattet das Erheben von Daten von Beschäftigten, wenn dies zur Eingehung, Durchführung, Beendigung oder Abwicklung des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses oder zur Durchführung organisatorischer, personeller und sozialer Maßnahmen, insbesondere auch zu Zwecken der Personalplanung und des Personaleinsatzes, erforderlich ist. Wenn bereits unter diesen Voraussetzungen die Datenerhebung statthaft ist, muss dies erst recht für den Fall gelten, dass ein Mitarbeiter einer strafbaren Handlung verdächtig ist, wenn also das Aufklärungsinteresse besonders hoch ist. Dass der Verdächtige einer Straftat in weitergehendem Umfang vor einer Datenerhebung geschützt sein sollte als der unbescholtene Mitarbeiter, lässt sich dem SDSG nicht entnehmen. Damit wird man entweder den Spezialfall der Datenerhebung zum Zwecke der Aufklärung einer Straftat unter den Begriff der Maßnahme zur Durchführung oder Beendigung des Dienstverhältnisses nach § 31 SDSG fassen und zur Konkretisierung des Erlaubnistatbestandes auf die Norm des § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. zurückgreifen müssen. Oder man sieht, was zum selben Ergebnis führt, die Datenerhebung bei Straftatverdacht als durch das SDSG nicht geregelt – und auch nicht gesperrt – an, was den Weg unmittelbar zu § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. eröffnet.
cc) Der Vertrag ist auch nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nach § 134 BGB nichtig. Insbesondere begründet der Umstand, dass die vertraglich vereinbarte Überwachungsmaßnahme zeitlich nicht befristet war, keinen anfänglichen Verstoß gegen § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. Die Voraussetzungen, unter denen die Beklagte eine Überwachung ihrer einer Straftat verdächtigen Mitarbeiter vornehmen konnte, waren gegeben. Insbesondere führt die fehlende zeitliche Befristung nicht zur anfänglichen Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme. Dem kann die Beklagte auch nicht entgegenhalten, dass die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme so allein der Sphäre der Vertragsparteien unterliege. Denn die aufgrund der vertraglichen Vereinbarung durchgeführte Maßnahme kann durchaus unverhältnismäßig werden, wenn sie über einen entsprechenden Zeitraum fortgeführt wird. Die Beklagte verkennt insoweit die Schutzrichtung der Norm. Diese dient dazu, das allgemeine Persönlichkeitsrecht zu wahren, welches aber (noch) nicht verletzt ist, wenn der einer Straftat Verdächtige einer kurzzeitigen Überwachungsmaßnahme ausgesetzt ist. In einem solchen Fall tritt das Interesse des Betroffenen an der Wahrung seines Persönlichkeitsrechtes hinter das Aufklärungsinteresse des Verantwortlichen zurück – unabhängig davon, wie der Vertrag mit der Detektei im Einzelnen ausgestaltet ist. Überschreitet die Maßnahme dagegen die Grenzen der Verhältnismäßigkeit, so liegt eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ebenfalls unabhängig davon vor, ob der Vertrag zwischen dem Verantwortlichen und der Detektei wirksam ist. Die Parteien haben es also entgegen der Darstellung der Beklagten keineswegs in der Hand, das Verhältnismäßigkeitsgebot dadurch zu unterlaufen, dass sie wirksam eine unbefristete Überwachungsmaßnahme vereinbaren, denn die Verhältnismäßigkeit der durchgeführten Maßnahme beurteilt sich unabhängig von der Parteivereinbarung allein nach der Maßnahme selbst.
Darüber hinaus stellt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG kein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB dar (vgl. OLG Celle, Urt. v. 10.09.2003, Az. 3 U 137/03). Vielmehr lässt die Vorschrift gerade umgekehrt erkennen, dass eine solche Datenerhebung – anders etwa als Schwarzarbeit – nicht per se eine verbotene Handlung darstellt, sondern unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist. Demnach stellt § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. einen Erlaubnistatbestand dar, und gerade kein Verbotsgesetz. Der Schluss, dass immer dann, wenn die Voraussetzungen einer Erlaubnisnorm überschritten werden, ein Verbotsgesetz verletzt sei, welches die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB auslöse, verfängt jedoch nicht. Vielmehr muss jeweils geprüft werden, ob der Zweck des übertretenen Gesetzes dieses als Verbotsgesetz erscheinen lässt (BGH, Urt. v. 27.02.2007, XI ZR 195/05). Dies ist aber nicht der Fall. Der allein bezweckte Schutz des Betroffenen gebietet es nicht, eine Unwirksamkeit des Dienstvertrages zwischen dem Verantwortlichen nach § 46 Nr. 7 BDSG und der ausführenden Detektei anzunehmen, denn § 32 BDSG a.F. dient nicht dazu, ersteren vor Honoraransprüchen zu bewahren. Dem Schutz des Betroffenen ist vielmehr – ausreichend – dadurch gedient, dass der Verstoß gegen die datenschutzrechtlichen Bestimmungen durch zivilrechtliche Schadensersatzansprüche sanktioniert ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.02.2007, XI ZR 195/05): Bereits § 7 BDSG a.F. sah einen auf materielle Schäden begrenzten Ersatzanspruch vor, wobei das Bundesarbeitsgericht darüber hinaus einen Anspruch auf eine Entschädigung in Geld aufgrund der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bereits vor Einführung des § 83 Abs. 2 BDSG anerkannt hat (BAG, Urt. v. 19.02.2015, Az. 8 AZR 1007/13). Würde man der Rechtsauffassung der Beklagten folgen, so wäre der durch § 32 BDSG a.F. bezweckte Schutz sogar insoweit geschwächt, als das Vergütungsrisiko für die über das Erlaubte hinausgehende Überwachungsmaßnahme nicht mehr den Verantwortlichen träfe: So könnte es dieser gleichsam “darauf ankommen lassen” und eine grenzwertige Observation beauftragen. Stellt diese dann einen Verstoß gegen die Rechte der betroffenen Person dar, so wäre der Verantwortliche wenigstens von der Vergütungspflicht frei.
dd) Die Nichtigkeit ergibt sich auch nicht aus § 163f StPO. Selbst wenn man aus dieser Norm die Schlussfolgerung ziehen will, dass eine Observierung, für die keine zeitliche Schranke vereinbart ist, bereits von vornherein unverhältnismäßig und daher nicht durch § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F. gedeckt ist, betrifft dies nur das Verhältnis zwischen dem Verantwortlichen und der betroffenen Person. Dies führt aber nicht dazu, dass § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG a.F als Verbotsnorm zu qualifizieren ist mit der Folge der Unwirksamkeit des Dienstvertrages über die detektivischen Leistungen.
ee) Der Vertrag ist auch nicht nach § 138 BGB nichtig. Ein Verstoß gegen die guten Sitten liegt nämlich nicht vor. Vielmehr hat der Vertrag ein erlaubtes Verhalten zum Inhalt. Ein Verstoß gegen § 138 BGB scheidet daher aus. Soweit die Maßnahme zeitlich so ausgedehnt wird, dass sie nicht (mehr) von § 32 Abs. 1 Satz 2 BDSG gedeckt ist, führt dies zwar zu ihrer Rechtswidrigkeit mit der Folge, dass der betroffenen Person die oben genannten Ansprüche zustehen, aber nicht dazu, dass Detektivvertrag unwirksam wird. Denn auch insoweit ist die Schutzrichtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen zu beachten, die zwar das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen wahren sollen, nicht aber den Verantwortlichen von Honoraransprüchen – ihrem Schutzzweck zuwiderlaufend – freistellen sollen.