Editorial : Kann ein Auskunftsrecht missbraucht werden? : aus der RDV 3/2021, Seite 121 bis 122
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Düsseldorf, für eine verspätete Auskunft für die ersten zwei Monate der Verspätung jeweils 500,– und für die weiteren drei Monate jeweils 1.000,– € immateriellen Schadensersatz auf Grundlage von Art. 82 DS-GVO auszusprechen, hat bereits jetzt Auswirkungen auf arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen. So kann der Auskunftsanspruch, verbunden mit dem Erhalt einer Kopie seiner Daten, die Verhandlungsposition des Arbeitnehmers stärken, z.B. bei der Verhandlung einer Abfindung im Kündigungsrechtsstreit. Der Aufwand, sämtliche Daten des Arbeitnehmers zu ermitteln, zusammenzustellen und auch in Kopie zur Verfügung zu stellen, bindet größere zeitliche Ressourcen und kann damit Verhandlungsmasse sein.
Rechtsanwälte können sogar im Rahmen ihrer Mandatierung gehalten sein, den Arbeitnehmer über dieses sehr einfach geltend zu machende Recht zu beraten. Dabei geht es in aller Regel aber nicht um das datenschutzrechtliche Anliegen, Transparenz der Datenverarbeitung zu schaffen, sondern dieses als Druckmittel auch finanziell zu nutzen. Ohne den Teufel an die Wand malen zu wollen: Auch in Tarifverhandlungen könnten die Ansprüche von Gewerkschaftsseite nutzbar gemacht werden.
Unternehmen werden zudem nach Anmeldung bei einem Newsletter oder nach Anfragen über ein Kontaktformular mit Auskunftsansprüchen konfrontiert. Das Vorgehen zielt hierbei darauf ab, unter Aufbau einer Drohkulisse Verantwortliche zur außergerichtlichen Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes in vierstelliger Höhe an den Betroffenen zu bewegen sowie zur Erstattung der angeblich entstandenen Rechtsanwaltskosten.
Ist diese Vorgehensweise missbräuchlich? Nach der DS-GVO muss der Auskunftsanspruch nicht mit einem datenschutzrechtlichen Anliegen motiviert werden. Eine Entscheidung des LG Heidelberg, wonach ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 DS-GVO auf Backup-Dateien eines E-Mail-Kontos mit Kosten von 4.000,– € einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt, findet in der DS-GVO jedenfalls keine normative Begründung.
Der EuGH wird sich mit der Frage beschäftigen, ob auch Bagatellschäden zum Schadensersatz verpflichten. Hoffentlich wird dabei auch die Grundsatzfrage geklärt, ob für eine Entschädigung auch eine Persönlichkeitsverletzung notwendig ist, die bei Geltendmachung von Betroffenenrechten als finanzielles Druckmittel gerade nicht vorliegt.
Bis zur Entscheidung des EuGH und darüber hinaus sollte dies zum Anlass genommen werden, die betrieblichen Datenschutzprozesse einem praktischen Belastungstest zu unterziehen und die betrieblichen Prozesse zur Erkennung und Bearbeitung von Betroffenenbegehren gem. Art. 15 bis 22 DS-GVO auf ihre faktische Wirksamkeit hin zu überprüfen. Ein effektives Löschkonzept wirkt ebenfalls risikominimierend.
Andreas Jaspers
Andreas Jaspers
Rechtsanwalt Andreas Jaspers ist Geschäftsführer der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V.
(GDD).