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Literaturhinweis : Buchbesprechungen : aus der RDV 3/2023 Seite 206 bis 208

Gordian Konstantin Ebner, Weniger ist Mehr? Die Informationspflichten der DS-GVO – Eine kritische Analyse, Nomos, Baden-Baden 2022, 366 S., ISBN 978-3-7560-0297-9, 104,00 €.

Lesezeit 3 Min.

Der Verfasser der bei Moritz Hennemann betreuten Arbeit hat sich zur Aufgabe gesetzt, „einen vollständigen Überblick über das Regelungssystem der Artt. 13 und 14 DS-GVO, ihren verhaltensökonomischen und rechtlichen Hintergründen sowie Perspektiven künftiger Informationserteilung [zu] vermitteln“.

Ebner wendet sich hierfür zunächst der verhaltensökonomischen Analyse von Datenpreisgabeentscheidungen zu. Nach dem Konzept des „privacy calclulus“ wögen Menschen ganz rational Vor- und Nachteile, Kosten und Nutzen gegeneinander ab, bevor sie ihre Daten preisgeben. Gleichwohl stellten viele ihre Daten bereits für die Erlangung geringfügiger Vorteile zur Verfügung und verzichteten weitgehend auf eigene Datenschutzmaßnahmen. Dieses „privacy paradox“, also die Diskrepanz zwischen geäußerter innerer Einstellung und tatsächlichem Verhalten, lasse sich möglicherweise durch Informationsdefizite und kognitive Verzerrungen auf Seiten der Betroffenen erklären.

Ebner geht davon aus, dass sich das privacy paradox durch sachgerechte Kommunikation von entscheidungserheblichen Informationen beheben lasse. Von daher komme dem Grundsatz der Transparenz in Art. 5 Abs. 1 lit. a) DS-GVO und den konkretisierenden Vorgaben in Artt. 13 und 14 DS-GVO besondere Bedeutung zu.

Es folgt eine Auseinandersetzung mit den Artt. 13 und 14 DS-GVO im Stile einer umfassenden Kommentierung, die passend zu den vorhandenen zahlreichen Streitfragen eindeutig Stellung bezieht. So wird bspw. der Medienbruch klar für zulässig erachtet; eine Direkterhebung liege nur vor, wenn sie unter aktiver Mitwirkung oder zumindest mit Kenntnis der betroffenen Person erfolgt; die Informationsgehalte der jeweiligen Abs. 2 seien nur mitzuteilen, wenn sie notwendig sind, um eine faire und transparente Verarbeitung zu gewährleisten; Gründe und Zwecke einer Datenweitergabe seien nicht zwingend mitzuteilen; das Wahlrecht zwischen konkreten Empfängern und Empfängerkategorien stehe dem Verantwortlichen zu; über spätere inhaltliche Änderungen bereits mitgeteilter Transparenzinformationen sei analog zu Art. 13 Abs. 3 bzw. Art. 14 Abs. 4 DS-GVO zu informieren, etc. pp. Die einschlägigen Ausnahmetatbestände im BDSG werden ebenfalls dargestellt und sofern nötig auf ihre Unionsrechtskonformität geprüft.

Anhand von Studien sei unterdessen belegbar, dass das geltende Transparenzregime gerade keine effektive Informationsvermittlung bewirke. Die Ursachen sieht Ebner zum Teil in der schieren Masse an Information („overload“, „overkill“, „overflow“…), zum Teil in deren Komplexität. Wenn die Informationen überhaupt noch zur Kenntnis genommen würden („click fatigue“), dann jedenfalls nicht inhaltlich korrekt und vollumfänglich. Somit bestätigt sich für Ebner das titelgebende „Weniger ist Mehr“. Die Mitteilung weniger Details könne die Aufnahmekapazität bei den betroffenen Personen erhöhen. Visuelle Kommunikation besitze einen deutlichen Mehrwert.

An dieser Stelle wäre den Anforderungen an eine rechtswissenschaftliche Dissertation eigentlich genüge getan, dennoch geht Ebner zwei Schritte weiter. In einer knappen rechtsvergleichenden Umschau (Brasilien, China, Kalifornien, Kenia, Schweiz) werden parallele Transparenzregime betrachtet, was schließlich in eigenständige Novellierungsvorschläge hinsichtlich der europäischen Regelungen in Artt. 12 bis 15 DS-GVO mündet.

Die Vorschläge gehen mit einer deutlichen Straffung und Kürzung der Informationsgehalte einher, zudem werden die Pflichtgehalte einer verbindlichen (und damit aus Betroffenensicht vorhersehbaren) Reihenfolge unterworfen. Die Kommunikation über Bildsymbole in Art. 12 Abs. 7 DS-GVO wird ebenfalls stärker betont. Ebner beabsichtigt eine „kritische Abwägung zwischen (gerade) noch zu berücksichtigendem Informationsinteresse und Informationsüberladung“.

Die Information über die Rechtsgrundlage wird hingegen vollständig in den Auskunftsanspruch verschoben. Dies verwundert, da es aus hiesiger Sicht gerade die Rechtsgrundlage ist, die der betroffenen Person die initiale Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung ermöglicht und damit die Weichen für die Geltendmachung weitergehender Betroffenenrechte stellt. Doch möglicherweise existiert ein solcher Idealtypus des Betroffenen gar nicht.

Die dargebrachten Reformvorschläge müssen die Leserschaft nicht vollends überzeugen. Eine gestaffelte Informationsbereitstellung nach Relevanz und Darstellungstiefe („layered approach“, vgl. Art.-29-Datenschutzgruppe, WP 260 rev01 v. 11.04.2018, S. 19 ff.) wird bereits heute vom EDSA befürwortet. Verantwortliche ohne Interesse an transparenter Kommunikation vermögen indes auch unter dem vorgeschlagenen Regime, Informationen zu verschleiern. Der als Auffangtatbestand vorgeschlagene Auskunftsanspruch greift derweil (abgesehen von der Negativauskunft) nur für bereits betroffene Personen, also erst nach der Datenpreisgabeentscheidung. Die Auseinandersetzung mit alternativen Regelungskonzepten auf interdisziplinärer Grundlage ist dennoch überaus reizvoll. Für den Rezensenten stellt sich das Werk insgesamt als eines der datenschutzrechtlichen Bücher des Jahres dar.

Prof. Dr. Lorenz Franck