Urteil : Datenverarbeitung zu journalistischredaktionellen Zwecken : aus der RDV 3/2023 Seite 200
(KG Berlin, Beschluss vom 17. Februar 2023 – 10 U 146/22 –)
- Daten werden bereits dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht.
(Amtlicher Leitsatz)
- Auch dann, wenn eine Partei unter Bezugnahme auf ein Gutachten der zuständigen Aufsichtsbehörde eine Auffassung vertritt, ist der Senat an die rechtliche Beurteilung der Partei nicht gebunden.
(Nicht amtlicher Leitsatz)
Aus den Gründen:
Zur Begründung, warum die Berufung offensichtlich unbegründet ist, nimmt der Senat gemäß § 522 Abs. 2 S. 3 ZPO Bezug auf seine Verfügung vom 4. Januar 2023. Dort heißt es unter anderem:
„Mit dem Landgericht ist davon auszugehen, dass dem Kläger wegen der Blogbeiträge des Beklagten kein Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DS-GVO zusteht. Denn nach dem noch maßgeblichen § 57 Abs. 1 S. 4 RStV ist § 82 Abs. 1 DS-GVO in Bezug auf die Blogbeiträge wohl nicht anwendbar (siehe allgemein auch BGH, Urt. v. 22. Februar 2022 – VI ZR 1175/20, Rn. 18). Der Beklagte hat das Geburtsdatum des Klägers sowie dessen angebliche Adressen (auf die es der Sache nach aber wohl nicht ankommen kann, wenn der Kläger dort nicht wohnt oder gewohnt hat), zu „journalistischen Zwecken“ im Sinne von § 57 Abs. 1 S. 4 RStV in der Fassung bis zum 6. November 2020 i.V.m. § 82 Abs. 1 DS-GVO verarbeitet. Daten werden nämlich bereits dann zu journalistisch-redaktionellen Zwecken verarbeitet, wenn die Zielrichtung in einer Veröffentlichung für einen unbestimmten Personenkreis besteht (BGH, Urt. v. 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08, Rn. 25; BGH, Urt. v. 1. Februar 2011 – VI ZR 345/09, Rn. 26; siehe auch BGH, Urt. v. 12. Oktober 2021 – VI ZR 489/19, Rn. 21 ff.). So aber liegt es im Fall. Zwar ist dem Kläger zuzustimmen, dass eine reine Übermittlung von erhobenen Daten an Nutzer nicht unter den besonderen Schutz der Presse fällt. Erst wenn die meinungsbildende Wirkung für die Allgemeinheit prägender Bestandteil des Angebots und nicht nur schmückendes Beiwerk ist, kann nach der bislang herrschenden Meinung von einer solchen Gestaltung gesprochen werden (BGH, Urt. v. 23. Juni 2009 – VI ZR 196/08, Rn. 21). Der Kläger missversteht dieses Merkmal aber. Denn es dient nur dazu, Presseveröffentlichungen von privat motivierten Veröffentlichungen abzugrenzen (siehe auch Lauber-Rönsberg/Hartlaub NJW 2017, 1057 [1058]) und eine inhaltliche Bearbeitung einzufordern – wobei selbst dies zuletzt zweifelhaft geworden ist (BGH, Urt. v. 12. Oktober 2021 – VI ZR 489/19, Rn. 16 ff.). Beispielsweise die bloße automatische Auflistung von redaktionellen Beiträgen stellt danach noch keine eigene journalistisch-redaktionelle Gestaltung eines Portalbetreibers dar (BGH, Urt. v. 12. Oktober 2021 – VI ZR 489/19, Rn. 15). Für die Beiträge des Beklagten gilt dies nach den Feststellungen des Landgerichts aber offensichtlich nicht. Sie sind auch nach Dafürhalten des Senats nicht nur privat motiviert und keine bloße Auflistung.[…]“
Der Kläger hat zu diesen Hinweisen mit Schriftsatz vom 31. Januar 2023 Stellung genommen. Diese Stellungnahme führt zu keiner anderen Bewertung. Hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten Datenschutzverstöße durch Beiträge auf dem vom Beklagten betriebenen Blog auf dessen Internetseite kann sich der Beklagte auf das Medienprivileg berufen, weil er die Beiträge zu journalistischen Zwecken veröffentlicht hat.
Soweit der Kläger hierzu unter Bezugnahme auf das Gutachten der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit eine andere Auffassung vertritt, ist der Senat an deren rechtliche Beurteilung nicht gebunden. Vielmehr hat er das Vorliegen der Voraussetzungen für den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DS-GVO eigenständig zu prüfen.