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Urteil : Auskunftsrecht des Gefangenen nach dem Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetz Rheinland-Pfalz : aus der RDV 4/2016, Seite 216 bis 217

(Oberlandesgericht Koblenz, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 2 Ws 689/15 Vollz –)

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Das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht nach §§ 36 und 37 Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetz (LJVollzDSG) gilt nicht nur für die Gefangenenpersonalakte, sondern auch für personenbezogene Daten der Gesundheitsakte. Über das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht hinaus gewährt § 37 Abs. 4 Satz 1 LJVollzDSG den Gefangenen einen Anspruch auf Ablichtungen einzelner Dokumente bzw. Ausdruck eines Teilbestands der Daten aus automatisierten Dateien, soweit die Akten der Einsicht unterliegen und ein nachvollziehbarer Grund vorliegt; ein solcher ist nach dem Gesetzeswortlaut inbesondere anzunehmen, wenn die Gefangenen zur Geltendmachung von Rechten gegenüber Gerichten und Behörden auf Ablichtungen oder Ausdrucke angewiesen sind (§ 37 Abs. 4 Satz 2 LJVollzDSG).

Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer befindet in Strafhaft in der Justizvollzugs- und Sicherungsverwahrungsanstalt …. Er verbüßt mehrere Freiheitsstrafen wegen Totschlags, Meineids und Mordes.

Mit Schreiben vom 6. August 2015 beantragte er gegenüber der Anstaltsleitung die „Aushändigung von Kopien der beiden letzten Blutuntersuchungen“. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 30. Oktober 2015 führte der Beschwerdeführer aus, die Ergebnisse der aktuellen Blutuntersuchungen seien vom Anstaltsarzt mit ihm besprochen worden, nicht aber die Ergebnisse früherer Untersuchungen. Die Aushändigung von Kopien der Ergebnisse der beiden früheren Blutuntersuchungen lehnte die Antragsgegnerin durch von der Anstaltsärztin mündlich bekanntgegebenen Bescheid am 14. September 2015 ab.

In ihrer an die Strafvollstreckungskammer gerichteten und durch Bezugnahme in den angefochtenen Beschluss aufgenommenen Stellungnahme vom 14. Oktober 2015 führte die Antragsgegnerin unter anderem folgendes aus:

„Ein Anspruch des Gefangenen auf Ausfertigung von Kopien ist nicht gegeben. Weder ergibt sich ein solcher aus dem Strafvollzugsgesetz noch ist vorliegend ein solcher aus anderen Gründen gegeben. Unter Berücksichtigung des immensen Verwaltungsaufwandes, der die Anfertigung von Kopien für Inhaftierte nach sich zieht, ist in diesem Fall die beantragte Anfertigung von Kopien nicht angemessen.“

Den auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neubescheidung seines Antrages vom 6. August 2015 abzielenden Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 5. November 2015 als unbegründet verworfen. Gegen die ihm am 9. November 2015 zugestellte Entscheidung hat der Beschwerdeführer am 23. November 2015 Rechtsbeschwerde zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Aus den Gründen:

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil es geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (§ 116 Abs. 1 StVollzG). Die Strafvollstreckungskammer hat bei ihrer Entscheidung zwar das Landesgesetz zur Weiterentwicklung von Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz vom 8. Mai 2013 gesehen, rechtsfehlerhaft jedoch den Prüfungsmaßstab der §§ 72 ff. (Gesundheitsfürsorge) des Landesjustizvollzugsgesetzes (LJVollzG) sowie Rechte aus „allgemeinen Informationsansprüchen“ zugrunde gelegt. Die Überprüfung durch den Senat dient der Vermeidung künftiger gleichgelagerter Rechtsfehler (vgl. Senat 2 Ws 780/03 v. 6.1.2004; 2 Ws 606/06 v. 13.2.2009; 2 Ws 387/15 v. 20.10.2015).

2. Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge einen zumindest vorläufigen Erfolg. Die angegriffene Entscheidung kann schon deswegen keinen Bestand haben, weil sie auf unzutreffender rechtlicher Grundlage ergangen und nicht auszuschließen ist, dass unter Heranziehung des zutreffenden Maßstabes ein Anspruch des Rechtsbeschwerdeführers auf Aushändigung von Ablichtungen der Untersuchungsergebnisse besteht.

Über den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung und auch über seinen ursprünglich bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag hätte nach Maßgabe der §§ 36 und 37 des bereits am 1. Juni 2013 in Kraft getretenen Landesjustizvollzugsdatenschutzgesetzes Rheinland-Pfalz (LJVollzDSG) vom 8. Mai 2013 entschieden werden müssen. Gemäß Art. 4 des Landesgesetzes zur Weiterentwicklung von Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz vom 8. Mai 2013 ersetzt dieses Gesetz nach Art. 125a Abs. 1 Satz 2 GG in seinem Geltungsbereich das Strafvollzugsgesetz des Bundes mit Ausnahme der Vorschriften über den Pfändungsschutz (§ 50 Abs. 2 Satz 5, § 51 Abs. 4 und 5 , § 75 Abs. 3), das Handeln auf Anordnung (§ 97), das gerichtliche Verfahren (§§ 109 bis 121), die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und einer Entziehungsanstalt (§§ 136 bis 138), den Vollzug von Ordnungs-, Sicherungs-, Zwangs- und Erzwingungshaft (§§ 171 bis 175) und den unmittelbaren Zwang in Justizvollzugsanstalten für andere Arten des Freiheitsentzugs (§ 178).

Die vorliegend heranzuziehenden §§ 36 und 37 LJVollzDSG sehen ein gestuftes System des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts vor (vgl. Senat, Beschluss 2 Ws 704/14 Vollz vom 19.02.2015, juris Rn. 10 f.), das nicht nur für die Gefangenenpersonalakte, sondern auch für personenbezogene Daten der Gesundheitsakte gilt. Nach § 36 Abs. 2 LJVollzDSG besteht zunächst ein Auskunftsrecht, wobei die Form der Auskunftserteilung im pflichtgemäßen Ermessen der Justizvollzugsbehörde steht (§ 36 Abs. 2 Satz 4 LJVollzDSG). § 36 Abs. 4 bis 6 LJVollzDSG enthält Einschränkungen des Auskunftsrechts nach Abs. 2 der Bestimmung.

Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 LJVollzDSG besteht ein Anspruch der Gefangenen auf Akteneinsicht nur, soweit eine Auskunft nach § 36 LJVollzDSG für die Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen nicht ausreicht und sie hierfür auf die Einsichtnahme angewiesen sind. Das Akteneinsichtsrecht setzt damit einen Auskunftsanspruch nach § 36 LJVollzDSG voraus und ist zusätzlich an die genannte weitere Voraussetzung geknüpft. Über das Akteneinsichtsrecht hinaus gewährt § 37 Abs. 4 Satz 1 LJVollzDSG den Gefangenen einen Anspruch auf Ablichtungen einzelner Dokumente bzw. Ausdruck eines Teilbestands der Daten aus automatisierten Dateien, soweit die Akten der Einsicht unterliegen und ein nachvollziehbarer Grund vorliegt; ein solcher ist nach dem Gesetzeswortlaut insbesondere anzunehmen, wenn die Gefangenen zur Geltendmachung von Rechten gegenüber Gerichten und Behörden auf Ablichtungen oder Ausdrucke angewiesen sind (§ 37 Abs. 4 Satz 2 LJVollzDSG). Gemäß § 37 Abs. 5 LJVollzDSG ist die Fertigung von Ablichtungen und Ausdrucken gebührenpflichtig; die zu erwartenden Kosten sind im Voraus zu entrichten.

Da die Antragsgegnerin in ihrer Stellungnahme vom 14. Oktober 2015 ausführte, ein Anspruch des Beschwerdeführers auf Anfertigung von Kopien sei weder aus dem Strafvollzugsgesetz noch aus anderen Gründen gegeben, hat sie – ebenso wie die Strafvollstreckungskammer in dem angefochtenen Beschluss – die Zurückweisung des Antrages ersichtlich nicht auf der zum Entscheidungszeitpunkt geltenden gesetzlichen Grundlage getroffen. Obwohl der Beschwerdeführer vorträgt, die Ergebnisse der früheren Blutwerte seien weder mit ihm besprochen worden noch habe man ihm antragsgemäß Kopien davon zur Verfügung gestellt, hat die Justizvollzugsanstalt keine Versagungsgründe nach § 36 Abs. 4 bis 6 LJVollzDSG geprüft und bejaht. Aufgrund der Gesetzessystematik war das Auskunftsbegehren als Minus dem gestellten Antrag auf Akteneinsicht in Form der Aushändigung von Kopien immanent und hätte deshalb bei Nichtgewährung von Akteneinsicht beschieden werden müssen (vgl. Senat, 2 Ws 387/15 -Vollz- v. 20.10.2015). Bei der erneuten Entscheidung der Antragsgegnerin sind die von dem Beschwerdeführer gegebenenfalls zur Begründung seines Antrags auf Erörterung der Untersuchungsergebnisse und Aushändigung von Kopien vorgebrachten Argumente nach §§ 36 Abs. 4 bis 6, 37 Abs. 4 LJVollzDSG zu bewerten, und zwar unter Beachtung seines verfassungsrechtlich geschützten Informationsinteresses (BVerfG, 2 BvR 443/02 v. 09.01.2006, NJW 2006, 1116). Eine bereits die Verpflichtung der Antragsgegnerin durch den Senat gebietende Ermessensreduzierung ist nach bisherigem Sachstand nicht eingetreten, da dem Antragsteller zunächst Gelegenheit einzuräumen ist, seinen Antrag auf der Grundlage des geltenden Rechts zu begründen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage hätte die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mangels Spruchreife der Sache nicht zurückweisen dürfen.

3. Gemäß § 119 Abs. 4 Satz 1 ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Nach § 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG kann der Senat an Stelle der Strafvollstreckungskammer die erforderliche Entscheidung ohne Zurückverweisung selbst treffen, da die Sache jedenfalls insoweit spruchreif ist.