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Aufsatz : Betrachtungen über die Industrie 4.0 aus Arbeitnehmersicht : aus der RDV 5/2015, Seite 243 bis 247

Lesezeit 15 Min.

Die Werbestrategen haben gelernt. Von CIM (Computer Integrated Manufacturing) redet heute keiner mehr, wenige nur von KI (Künstlicher Intelligenz). Wenn eine neue Revolution ausgerufen wird, dann sollen Vorbehalte von vorneherein vermieden werden, soll etwa dem Verdacht entgegen gewirkt werden, dass Menschen überflüssig werden könnten. Keine Technik der Zukunft soll ohne Arbeitnehmer auskommen, ja, bei Industrie 4.0 stehen sie im Mittelpunkt, wie immer wieder betont wird. Die neue Entwicklung wird große Umwälzungen auch aus Sicht der Arbeitnehmer mit sich bringen. Es gilt neben den Chancen auch über die Risiken nachzudenken.

Die vernetzte Zukunft am Beispiel von Autos

Was unsere Zukunft sein wird, wird uns oft am Beispiel des Autos erklärt. Deutschland ist eine Autofahrernation, deshalb verstehen wir diese Beispiele einfacher, als wenn als Beispiel ein Fahrrad genommen würde. Fahrerassistenzsysteme heißt das Schlagwort. Diese sollen den Fahrer vor dem Einschlafen warnen, Spur halten, das Einparken übernehmen oder auch Notbremsungen einleiten. Die Vision lautet: Fahren, während die Insassen mit anderen Dingen beschäftigt sind. Autos fahren ohne Fahrer. Das Google-Auto ist zwar in Unfälle verwickelt, aber unschuldig. Zuletzt ist ihm bei roter Ampel ein Autofahrer aufgefahren. Man sieht daran zweierlei: ohne Fahrer sind Autos sicherer unterwegs, und Autos brauchen keine Fahrer, um zu fahren.

Die Post prüft ein Konzept, bei dem Pakete in Parkhäusern zugestellt werden, indem sie in den Kofferraum des Empfängers gelegt werden. Man kann dies weiterdenken: Autos holen selbsttätig Pakete ab. In den Städten würden wir die Autos außerhalb parken lassen und erst wenn wir sie brauchen, sie herbeirufen. „Parkplatz on the road“. Autohersteller brauchen keine Fahrer, sie brauchen Käufer. Und so scheinen die Visionen darauf ausgerichtet, dass Menschen – selbstverständlich nur in ihrer Funktion als direkt steuernde und verantwortlich handelnde Akteure – im zukünftigen Autoverkehr überflüssig werden.

In der Industrie 4.0 wird der Arbeitnehmer erzogen

Übertragen wir dies auf die Industrie (der Autoverkehr sollte ja nur als ein Beispiel dienen), so scheint es nach dieser Logik fraglich, wo denn ein Arbeitnehmerdatenschutz-Problem entstehen sollte: Keine Arbeitnehmer – kein Datenschutzproblem.

Doch, um noch einmal die Fahrerassistenzsysteme als Beispiel zu nehmen: Die überschaubare Zukunft zeigt hier, dass die Intensität der personenbezogenen Protokollierung zunimmt. Der Bordcomputer speichert nicht nur beständig Verhaltensdaten, also wie gefahren wurde. In der Logistik Branche ist es üblich geworden, Fahrerverhalten zu beeinflussen um sie zum sparsamen Fahren „zu erziehen“. Online wird ausgewertet, mit welcher Geschwindigkeit der LKW in der Kurve unterwegs ist, ob der Fahrer beim Bergab-Fahren rechtzeitig runter geschaltet hat, ob er zu spät und zu stark bremst, ob er an der falschen Stelle oder zu stark beschleunigt. Sein „Lehrer“, der alle Daten entfernt auf seinem Bildschirm „real time“ sieht, kann ihm „Tipps“ geben.

Im privaten Autoverkehr planen Versicherungen, ihre Prämien-Tarife danach auszurichten, welcher „Fahrertyp“ man ist. Und schon heute kann aus dem Bordcomputer ausgelesen werden, was kurz vor dem Unfall passiert ist. Schließlich erkennen Assistenzsystem Muster im Verhalten von Fahrern, wenn sie „erkennen“, dass der Fahrer übermüdet ist. Man könnte ihn auch ein paar Sätze sagen lassen und diagnostizieren, ob er unter Stress steht. In der nahen Zukunft kann man also eine Zunahme von personenbezogenen Leistungs- und Verhaltens-Kontrollen feststellen. Gilt dies auch für Industrie 4.0?

Bei der Industrie 4.0 geht es um sehr viel Geld

Wenn wir den Begriff gebrauchen, was meinen wir damit, worum geht es bei der Industrie 4.0? Zunächst einmal um sehr viel Geld: Der 19.12.2011 war gewissermaßen der Schicksalstag der „4. industriellen Revolution“: An diesem Tag schrieb das Bundesforschungsministerium gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium das Forschungsprogramm „Industrie 4.0“ aus. 400 Millionen Euro an Fördergeldern stehen zur Verfügung. Bis 2020 soll „Deutschland sich zum Leitanbieter für cyber-physische Systeme entwickeln“[1].

Es stehen somit starke Interessen als Treiber hinter der Entwicklung hin zur Industrie 4.0. Promotoren aus wirtschafts- und forschungsnahen Institutionen haben diese Interessen im Auftrag der Bundesregierung als „Arbeitskreis Industrie 4.0“ gebündelt.

Die „Smart-Factory“ ist effizient Industrie

4.0 bringt die „Intelligente Fabrik“ – die Smart Factory – als Bestandteil des Internet der Dinge und Dienste, neben anderen „smart“-Technologie-Anwendungsbereichen (wie city, building, home, services, mobility, logistics).

Dabei geht es bei der „smart factory“ um eine Fabrik, „in der Bauteile und Maschinen als eben jene cyber-physischen Systeme Teil eines Informationsnetzes sind, das sich selbst steuert und überwacht, das kommuniziert und Entscheidungen trifft. Sie sehen Bauteile, die ihren Weg durch die Produktion finden, die mit Transportmodulen und Werkzeugmaschinen Details ihrer Fertigung abstimmen und ihre Herstellungs- und Produktdaten sammeln, abgleichen und speichern. Das entstehende Bauteil wird ein aktiver Teil der Produktion[2].“

Cyber-physische Systeme verbinden IT-Komponenten mit mechanischen und elektronischen Komponenten über Draht oder Funk zu vernetzten Systemen. Es entstehen Cyber-Physical Systems (CPS), die Teil einer zukünftig global vernetzten Welt sind, in der Produkte, Geräte und Objekte mit eingebetteter Hardware und Software über Anwendungsgrenzen hinweg interagieren[3]. Die Potenziale stecken im Zusammenwachsen bisher getrennter Welten. Da ist das Konzept der Automation, das Übertragen von Arbeit vom Menschen auf „Automaten“ – also auf selbsttätige Maschinen.

Selbststeuernde Maschinen, die mit Sensoren, Aktoren und „intelligenten“, also rechnergestützten Steuerungen versehen sind, kennt die Produktionstechnik seit Langem. Im Zuge der Globalisierung sind neue Organisationskonzepte entstanden. Make-or-Buy-Entscheidungen für ein ökonomisch oder marktstrategisch begründetes Abspalten und Verlagern von Produktionsaufgaben hin zu anderen Standorten und Unternehmen (Outsourcing) haben gemeinsam mit weltweiter Beschaffung (Global Sourcing) längst eine auch global vernetzte Produktion hervorgebracht. Die Entwicklung verlief über die Auflösung monolithischer Großunternehmen mit hoher Fertigungstiefe und ausgeprägter vertikaler Integration über „downsizing“ und „rightsizing“ (durch Fremdvergabe, Abspalten und Verlagern) hin zu Produktionsnetzwerken.

Sie sind umfassend darauf angewiesen, mit rechtzeitiger (just-in-time) Belieferung versorgt zu werden, um wiederum ihre jeweiligen Abnehmer versorgen zu können. Die Bedeutung der Logistik wuchs in dem Maße, wie die Zerlegung oder die „Auflösung der Systemgrenzen“ eines Unternehmens oder einer Fabrik fortschritten. Zu diesem Zweck mussten nicht nur Standards, etwa für Qualität und Kommunikation, geschaffen werden. Auch die Zulieferer und Lieferketten (Supply Chains) mussten daten- und informationsseitig verbunden und vernetzt werden, was derzeit noch mit hohen Aufwänden verbunden ist und in der Regel unternehmensbezogene Eigenheiten aufweist.

Ebenen der Datenzusammenführung bei Fertigungsprozessen

Die neuen Fähigkeiten des Internet, die mit dem nahezu unbegrenzten Adress-Vorrat des IP-Protokolls der Version 6 entstanden, lassen jetzt die Vision allseitig verbundener oder „integrierter“ Cyber-Physischer Systeme als realisierbar erscheinen.

Integration geht auf zweierlei Weise, nämlich als:

  • Zusammenführen von Zulieferern, Herstellern und Kunden entlang von Wertschöpfungsketten und -netzwerken (horizontal).
  • Zusammenführen von hierarchischen Ebenen wie Unternehmens-, Leit- und Prozessebene im Rahmen von Steuerungsebenen (vertikal).

Was ist neu beim Thema Integration? Die Hannover Messe ließ 2013 in einem Video einen Aussteller folgende knappe Zusammenfassung treffen: „Schwerpunkt unseres diesjährigen Auftritts ist die durchgängige Echtzeit-Integration und Flexibilisierung der logistischen Prozesse und der Fertigungssteuerungen, und damit wird das MES (Manufacturing Execution System) zum Nukleus der Smart Factory im Industrie 4.0 Zeitalter[4].“

MES kann etwa mit „Fertigungs-Ausführungs-System“ übersetzt werden und bezeichnet IKT-Systeme, die in der betrieblichen Planungs- und Steuerungshierarchie zwischen dem übergeordneten Enterprise Resource Planning (ERP) und der Prozessleitebene oder Steuerungsebene angesiedelt sind[5].

MES als Integrationsmedium: Es bringt den Produkterarbeitungsprozess mit den Beschäftigten, verteilten und eingebetteten Systemen und smarten Objekten der Fertigung und der Logistik in der vernetzten Industrie 4.0 – räumlich unabhängig von deren jeweiligem Ort – zusammen mit der Unternehmensplanungs- und Steuerungsebene. Gesteuert wird somit im Rahmen von IKT-Architekturen mit gestuften Steuerungshierarchien.

Modelle der Smart Factory zeigen regelmäßig etwa auf der Hannover Messe, dass in einer modular aufgebauten Produktionslinie mit hohen Standardisierungsgraden bei den verschiedenen Schnittstellen (Daten, Luft, Energieversorgung…) bereits praxistaugliche Anwendungen möglich sind. Die Kommunikation zwischen Produkt, Anlage, Maschine und dem menschlichen Benutzer ist die Grundlage für diese neue Form der durch das Internet getriebenen, fortschreitenden Vernetzung aller Bereiche und Systeme von Industrie, Logistik und Produktion. Mit Prozessoren, Speicher und Kommunikationstechnik versehene Objekte, zum Beispiel die zu bearbeitenden Werkstücke, steuern Abläufe und Bearbeitungsgänge und -reihenfolgen, aber auch Planungs-, Instandhaltungs- oder Qualitätsprozesse selbst mit, indem sie Daten übertragen, aufnehmen, speichern, verarbeiten und ausgeben. Das „intelligente“ Produkt (und/oder der „intelligente“ Ladungsträger oder das „automatisch geführte Transportmittel“) übernimmt selbst eine aktive Rolle im Produktionssystem. Es kommuniziert mit Maschinen und Werkern und anderen Systemkomponenten wie der Fertigungsleittechnik, um als „selbsttätiger materialisierter Produktionsauftrag“ seine Bearbeitung sowie seinen Durchlauf durch die Produktion mitzusteuern.

In der Arbeitswelt 4.0 sollen die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Arbeitnehmer durch technische Hilfsmittel erweitert werden, die es ihnen erlauben, bruchlos mit der digitalen Welt zu kommunizieren. Passende Benutzungsschnittstellen sind die Bedingung dafür. Beispielsweise können sie mit Hilfe von Datenbrillen, über Displays oder berührungsempfindliche Mensch-Maschine-Schnittstellen auf unterstützende Techniken wie Computer-Simulation im 3-D-Format oder auf Methodenbanken zugreifen. Voraussetzung für Integration ist die digitale Fabrik, besser: die digi talisierte Produktion. Das bedeutet, dass alle zugehörigen Komponenten und Prozesse beschrieben sind und als Informationen in Form von digitalen Daten vorliegen, beziehungsweise erzeugt und umgewandelt werden können. Und es braucht Konventionen und Standards, damit die Datenformate auch allgemein und sicher verarbeitet werden können.

Achillesferse – Datenschutz und -sicherheit – „Der Mensch“ in der smart Factory

Maschinen kommunizieren mit Dingen, und als ein Ergebnis wird ein Produkt erstellt. Mein warmes Unterhemd für den Winter hat Ann-Marie Lund gewebt. So sagt es das aufgnähte Etikett. Danke Ann-Marie. In Zukunft wird es ein RFID-Tag sein, der diese Information bereithält. Werde ich ihn lesen können? Und wird er mir sagen, wann Ann-Marie mein Hemd erstellt hat, an welchem Tag, zu welcher Zeit? Ein Hemd ist ein einfaches Beispiel. Schon daran lassen sich viele Fragen ableiten.

Welcher Rechtsrahmen gilt für Daten in RFID-Chips?

Es ist ja nicht allein der Hersteller, der die Daten zu diesem Hemd, das letztendlich mich erreicht hat, in seinen Systemen gespeichert hat. Es speichert auch der Transporteur, der die Hemden zum Händler bringt. Es speichert der Händler, der die Hemden auf seine Filialen verteilt. Und es speichert das Kassensystem, die Bank und vielleicht auch ein Finanzdienstleister. All diese Daten werden über das Internet ausgetauscht. Sie werden transferiert in die verschiedenen Systeme in die verschiedensten Länder. Und wie lange werden sie in den verschiedenen IT-Systemen gespeichert sein – wann werden sie gelöscht?

Welche Verpflichtung hat ein schwedisches Unternehmen, wenn es personenbezogene Daten in die EU und ins außereuropäische Ausland liefert? Mein Hemd ist ein einfaches Beispiel. Autos sind komplexer. Wie viele Informationen mögen in einem Auto anfallen bzw. sind dort bereit zu halten? Wer soll wie Zugriff darauf haben? Wo soll gespeichert werden? Wie steht es mit der Datensicherheit? usf. Wenn der Mensch in der Industrie 4.0 tatsächlich im Mittelpunkt steht, werden an unzähligen Stellen Daten von ihm gesammelt, gespeichert und transferiert, verkauft, gekauft, bereit gestellt, ausgewertet und genutzt.

Schon heute wird in den zentralen und dezentralen Produktions-Steuerungs-Systemen gespeichert, ob z.B. ein Beschäftigter Beginn, Ende oder eine Unterbrechung eines Fertigungsauftrages gemeldet hat. Schon heute wird gespeichert, wann die Unterbrechung gemeldet, wann sie beendet wurde und welcher Instandhalter tätig war. Man wird davon ausgehen können, dass in Zukunft noch wesentlich Daten detaillierter erfasst werden, die z.B. im Zuge der Fertigung von Sensoren aller Art erfasst und erzeugt wurden.

Datenschutzprobleme bei der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine

In der Smart Factory soll z.B. ein Roboter mit einem Menschen Hand-in-Hand interaktiv zusammenarbeiten. Heute sieht die Zusammenarbeit so aus, dass der Roboter in einem „Gefängnis“ untergebracht ist, dass ein Mensch erst betreten darf, wenn der Strom unterbrochen, der Roboter nicht mehr agieren kann. Hält der Mensch sich nicht daran und glaubt, die Situation zu beherrschen, kann dies tödlich enden[6]. In Zukunft soll der Roboter, mit Sensoren ausgestattet, erkennen, wenn ein Mensch ihm in die Quere kommt. In der Zusammenarbeit soll er erkennen, wie er dem Menschen zur Hand gehen kann, wie und wann er ihm ein Werkstück reicht. Soll ein Roboter sich dem Menschen anpassen und nicht umgekehrt, wird dies erfordern, dass der Roboter Bilder „interpretieren“ kann und z.B. Muster erkennt. Auch komplexere Muster, etwa wie ein Mensch sich verhält. Beim mit Assistenzsystemen ausgestatteten Auto haben wir bereits gesehen, dass dies bereits teilweise „alltäglich“ ist. Mustererkennung gibt es auch in anderen Bereichen, etwa bei Sprache. So werden Call Center Agenten geprüft, ob sie höflich klingen, freundlich mit den Kunden reden. Bewerber können mit einer Smartphone App üben, ob sie in Vorstellungsgesprächen vertrauensvoll klingen. Die kostenlose Version informiert uns, ob wir unter Stress stehen.

Wenn heute mittels Maschinendatenerfassung festgehalten wird, was die Maschine wann im Einzelnen gemacht hat, wird der zukünftige Roboter festhalten, welche Muster er erkannt hat? Und werden diese Daten in den zentralen und dezentralen Systemen, gar in den RFID-Tags oder in „embedded systems“ gespeichert werden? Wenn die Autohersteller schon heute speichern, ob der Autofahrer kurz vor dem Auffahrunfall ermüdet schien und auf die entsprechenden Warnhinweise des Autocomputers nicht reagiert hat, dann können wir davon ausgehen, dass in Zukunft diese Informationen auch in der Smart Factory gespeichert werden.

Auch in der Smart Factory werden nicht nur „Engel“ arbeiten. Nicht alle Beschäftigten verhalten sich loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber. Mitunter entwenden sie Produkte oder auch Werkzeuge und verkaufen sie zu eigenem Gewinn.

Das Produkt oder Werkzeug, versehen mit einem RFID-Chip, informiert, wem es zuletzt gehört hat. Kaufen etwa der Arbeitgeber es z.B. bei Ebay, so kann er es eindeutig als sein Eigentum identifizieren und belegen, dass es ihm geklaut wurde. Nicht wenige Arbeitgeber werden den Impuls haben, herauszufinden, wer es zuletzt in der Hand hatte und wer als möglicher Dieb in Frage kommt. Das wäre eine Kontrolle im Nachhinein. Man könnte auf die Idee kommen, den Diebstahl zu verhindern. Man bräuchte ja „nur“ bei den Werk storen RFID-Scanner aufzustellen, die ein unberechtigtes Entfernen erkennen. Oder man würde prüfen, ob ein Werkzeug bei Schichtende auch da ist, wo es sein soll. Wie auch immer, man hätte zugleich festgehalten, wer das Werkzeug wann und wo benutzt hatte. Vergleichbares trifft für die Produkte zu. Nicht nur wird festgehalten, wann Ann-Marie ein Hemd gewebt hat, es wird auch gespeichert, wer es wann noch in der Hand hatte.

Wie gewährleistet man IT-Sicherheit in der Cloud?

Datenschutz ist eingebettet in IT Sicherheit. Gegen akzidentielle Störereignisse oder kriminelle Angriffe sind neue Sicherheitsmechanismen zu entwickeln. Das betrifft alle Bereiche des Rechnereinsatzes. Die alte Regel besagt, es gibt immer nur relativen Datenschutz beziehungsweise relative Datensicherheit. Durch umfassenden Einsatz unmittelbarer Sicherheitstechnik kann versucht werden, Gefährdungen zu minimieren.

Wegen der unüberschaubaren Gefährdungspotenziale im Bereich der internet-basierten IKT, Steuerungstechnik, der Prozess- und Fertigungsautomation liegt hier für die Industrie 4.0 ein hoher Forschungsbedarf. Ein Schlagwort für internet-gestützte Technologien ist das Cloud Computing. Das meint „… Anbieten, Nutzen und Abrechnen von IT-Dienstleistungen“, und „… umfasst das komplette Spektrum der Informationstechnik und beinhaltet unter anderem Infrastruktur (beispielsweise Rechenleistung, Speicherplatz), Plattformen und Software[7].“

Daten, die qua Internet-Nutzung auf Rechnern und Festplatten irgendwo im weltweiten Netz (in der „cloud“) gespeichert sind, sind oft ohne Transparenz über die Verhältnisse bei der speichernden Stelle. Im deutschen findet die Ambivalenz gegenüber diesen wolkigen Umständen unter Datenschützern und Interessenvertretern ihren Ausdruck in dem „Running Gag“: „Die Cloud die klaut“.

Nach den großen Datenschutz-Skandalen der letzten Jahre in der deutschen Wirtschaft sind die Erwartungen an Datenschutz- und -sicherheit dabei noch stark gestiegen. Das gilt nun auch im Hinblick auf ein angemessenes Datenschutzniveau in der allseits und umfassend vernetzten Industrie 4.0, besonders, wenn unsichere Drittländer und Staaten den Schutz vor unberechtigten Zugriffen nicht gewährleisten.
Die Vorstellung eines außer Kontrolle geratenen Roboters (wie z.B. der Fall des tödlichen Unfalls im Juli 2015 in Baunatal), einer Fehlsteuerung explosionsgefährdeter Prozesse, des Datendiebstahls durch nicht autorisiertes Auslesen beziehungsweise Diebstahl von Produktionsdaten oder von Produkten, die Datenträger mit sich führen, soll hier genügen, um die Angreifbarkeit der Smarten Fabrik oder des Internets der Dienste zu verdeutlichen. Aus diesen Gründen waren die Themen „Safety und Security in Automation“ mit dem vertrauensbildenden Motto „Das Digitale Fort Knox“ schon früh, z.B. im Forum Industrial IT, auf der Hannover Messe 2013 vertreten.

Bislang „lief“ IT-Sicherheit und Datenschutz der Entwicklung immer hinterher. Es spricht nichts dafür, dass dies in Zukunft anders sein wird.

Fazit

Industrie 4.0 wird eine noch stärkere Durchdringung unserer Unternehmen mit IT-Systemen bringen. Auch wenn dabei Beschäftigte durch selbst steuernde Systeme ersetzt werden, erhalten wir die Industrieunternehmen in Deutschland. Man mag dies als Chance begreifen.

Zugleich werden immer mehr, auch personenbezogene, Daten erfasst. Diese werden via Cloud und Internet global zirkulieren und – technisch – gesehen, jederzeit, an jedem Ort, auf jedem IT-Gerät verfügbar sein. Man kann dies als Risiko ansehen, da geeignete Schutzmechanismen fehlen, überhaupt Standards noch nicht definiert sind.

Dass bei der Öffnung der IT-Systeme und dem globalisierten Austausch von Daten deutscher Datenschutz bestimmend sein wird, wird man bezweifeln dürfen. Als Optimist würde man auch hier eine Chance sehen.

Jochen Konrad-Klein Berater für Betriebsräte und Personalräte bei der Technologieberatungsstelle beim DGB NRW e.V., Arbeitsschwerpunkte: Mitbestimmung bei IT-Anwendungen, Datenschutz, IT-Sicherheit. SAP Systeme, SAP Prüfung, Success Factors, Videoüberwachung, VoIP, ERP und Planungssysteme.

Viktor Steinberger Berater für Betriebsräte und Personalräte, als Fach- und Projektleiter bei der Technologieberatungsstelle beim DGB NRW e.V., Arbeitsschwerpunkte: Organisation, Beteiligung von Interessenvertretung und Beschäftigten an der Gestaltung von guter „Arbeit 4.0“ in Produktions- und Managementsystemen (z.B. Toyota Produktions-System, BSC, Qualitätsmanagement, TPM, BVW und KVP), Organisations- und Personalentwicklung sowie Mitbestimmung bei IT-Anwendungen (z.B. ERP, MES, PPS, MDE, BDE).

[1] pzh 2012 (Magazin des Produktionstechnischen Zentrums der Leibniz Universität Hannover), Jahresbericht 2011, www.pzhhannover.de/fileadmin/PZH/_downloads/pzh2012_magazin.pdf, S. 26.

[2] pzh 2012, a.a.O. S. 26.

[3] Cyber-Physical Systems, Innovationsmotor für Mobilität, Gesundheit, Energie und Produktion, acatech Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (Hrsg.), S. 5.

[4] Ahlers, „Keine Zukunftsmusik mehr“ http://www.it-zoom.de/itmittelstand/e/keine-zukunftsmusik-mehr-6284/.

[5] Steinberger, Manufacturing ExecutionSystems – (neue?) Aufgaben für die Belegschaftsvertretung, in: CuA 8/2011, 14 ff.

[6] Computerwoche 03.07.2015: Roboter tötet Mensch; http://www.computerwoche.de/a/volkswagen-roboter-toetet-mensch,3211777.

[7] Zitiert nach Konrad-Klein/Michalke, Virtualisierung + Cloud Computing, in: Heft 73, Reihe Arbeit, Gesundheit, Umwelt, Technik,TBS beim DGB NRW e.V. (Hrsg.), 2012. S. 23.