Artikel kostenlos lesen

Editorial : Daten als Rohstoff der Zukunft : aus der RDV 5/2015, Seite 219 bis 220

Archiv RDV
Lesezeit 2 Min.

Für die Bundeskanzlerin sind Daten der Rohstoff der Zukunft. Das vertritt neben ihr EU-Kommissar Oettinger. Beide haben kürzlich dazu gemahnt, Daten nicht als Gefahr zu sehen. Sie seien ein Teil der realen Welt, wie Kohle und Stahl. Deutschland mit seiner guten industriellen Basis befinde sich in einem Wettlauf um die Wertschöpfung aus Daten. Mit Blick auf den Weltmarkt für Daten mahnte die Kanzlerin dazu, das Datenschutzrecht nicht nur aus der Perspektive des Datenschutzes zu sehen. Die Wertschöpfung aus Daten erfolge über die Nutzung von Kundendaten. Sie könne nur gelingen, wenn die Unternehmen die Verbindung zum Kunden richtig aufbauen. Die Politik hat vermutlich Recht. Unternehmen sehen in den Kundendaten ein erhebliches wirtschaftliches Potenzial. Die wirtschaftliche Verwertung von Daten machen nicht nur die weitreichenden Einräumungen von Datenverwertungsrechten durch Onlinedienste für Musik, Freundschaften und Kontakte jeder Art deutlich. Auch Daten aus Autos über Fahrverhalten und gefahrene Strecken sind Gold wert, weil sie für Geschäftsmodelle der eigenen Branche, etwa bei der Wartung von Autos, bedeutsam sind. Sie taugen aber auch zur Weiterverwertung durch Versicherer, Gastronomen, kontrollierende Arbeitgeber, Anbieter für Verkehrs- und Wettervorhersagen und, bar jeder Vorratsdatenspeicherungsbeschwernis, auch für die Polizei und viele mehr.

Daten bestehen aber häufig aus Persönlichkeit und die baut man nicht ab wie Kohle. Wenn Datenschützer von Daten als Rohstoff reden, stellen sich Fragen. Wer ist „Eigentümer“ eines personenbezogenen und wirtschaftlich relevanten Datums? „Gehört“ die Kaufhistorie des Kunden eines Onlineversandhändlers ihm oder dem Händler? „Gehört“ der persönliche Musikgeschmack dem Musikstreamingdienst? Zu welchem Zweck dürfen diese Informationen an wen weiterveräußert werden? Muss der Produzent des verwertbaren Musikgeschmacks nicht am Erlös des Verkaufs der Daten darüber beteiligt werden? Datenschutzrechtlich sind die Fragen nach der Zweckbestimmung für die Datennutzung und das Recht zur Weiterverarbeitung von Daten entscheidend, um dessen Reichweite es in der bevorstehenden EU-Datenschutzgrundverordnung gehen wird.

Jeder muss die Chance haben, seiner Auswertung und Vermarktung zuzustimmen, oder sich ihr zu verweigern. Das erreicht man durch Koppelungsverbote, indem jeder Dienst alternativ kostenlos und gegen Preisgabe speziell benannter Daten oder kostenpflichtig ohne die Erhebung personenbezogener Daten angeboten werden muss. Ist das in der digitalisierten Welt faktisch nicht möglich oder nicht gewollt, geht es um Transparenz, Redlichkeit in der Kommunikation und am Ende um den Preis des Rohstoffes Persönlichkeit. Verwertung von Persönlichkeit durch Lizensierung kennt unser Recht. Jeder Urheber eines Werkes hat das Recht, andere gegen Geld an seiner Persönlichkeit teilhaben zu lassen, die sich in seiner Schöpfung verkörpert. Im Urheberrecht ist jede Nutzung von einer Lizenz abhängig. Der Urheber ist persönlichkeitsrechtlich und eigentumsrechtlich abgesichert. Es gibt Schranken, die in der Regel vergütungspflichtig sind. Sie können – wie das Zitatrecht – auch kostenfreie Nutzung ermöglichen. Wenn die Wirtschaft auf den Rohstoff Persönlichkeit baut, dann braucht sie ein Verwertungsregime. Denn dass die reine Nutzung von Diensten ein fairer und transparenter Gegenwert ist, kann man bezweifeln. Wenn der Rohstoff Daten für den Produzenten nur persönlichen Wert besitzt, für die Wirtschaft aber wirtschaftlich wertvoll ist, ist das unfair.

Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Porträt Prof. Dr. Rolf Schwartmann

Prof. Dr. Rolf Schwartmann Leiter der Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln, Mitherausgeber der Fachzeitschrift RDV sowie Vorstandsvorsitzender der GDD e.V., Bonn