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Urteil : DS-GVO und Bildberichterstattung – Das Kunsturhebergesetz (KUG) findet auch unter Geltung der DS-GVO Anwendung : aus der RDV 5/2018, Seite 285 bis 286

(Oberlandesgericht Köln, Beschluss vom 18. Juni 2018 – 15 W 27/18 –)

Archiv RDV
Lesezeit 4 Min.
  1. Das Kunsturhebergesetz (KUG) findet auch nach Wirksamwerden der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zumindest bei journalistischer Bildveröffentlichung gemäß Art. 85 DS-GVO weiterhin Anwendung.
  2. Artikel 85 DS-GVO erlaubt nationale Gesetze mit Abweichungen von der DS-GVO zugunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken. Davon sind nicht nur neue Gesetze erfasst, sondern auch bestehende Regelungen.
  3. Art 85 Abs. 2 DS-GVO (Verarbeitung und Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit) macht im Kern keine materiell-rechtlichen Vorgaben, sondern stellt nur auf die Erforderlichkeit zur Herbeiführung der praktischen Konkordanz zwischen Datenschutz einerseits und Äußerungs- und Kommunikationsfreiheit andererseits ab. Da Datenschutzregelungen als Vorfeldschutz letztlich immer die journalistische Arbeit beeinträchtigen, sind hier keine strengen Maßstäbe anzulegen.
  4. Die umfangreichen Abwägungsmöglichkeiten im Rahmen des KUG erlauben dann auch eine – künftig gebotene – Berücksichtigung auch der unionsrechtlichen Grundrechtspositionen. Erwägungsgrund 153 der DSGVO bedingt eine – national im Zuge des § 823 Abs. 1 BGB als Rahmenrecht bzw. bei §§ 22, 23 KUG ohnehin erfolgende – umfassende Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen. Entsprechend Erwägungsgrund 4 Satz 3 hat Art. 85 DS-GVO gerade den Normzweck, einen Verstoß der DS-GVO gegen die Meinung- und Medienfreiheit zu vermeiden und entsprechende Komplikationen auszuschließen.

(Nicht amtliche Leitsätze)

Aus den Gründen:

Der Senat geht allerdings nach eigener Überprüfung aufgrund der – lückenhaften – Aktenlage derzeit davon aus, dass das Landgericht die Vorschriften des KUG zutreffend angewandt hat und dass dem Antragsteller gegen den Antragsgegner kein Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 22 KUG zusteht, da Bildnisse der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs.1 Nr. 1 KUG in Rede stehen. Das Landgericht hat hierzu unter zutreffender Anwendung der maßgeblichen höchstrichterlichen Grundsätze richtig ausgeführt. Hierauf wird zwecks Vermeidung unnötiger Wiederholung mit folgender Ergänzung verwiesen: Soweit mit dem Antrag des Antragstellers formuliert ist, es zu unterlassen, das Bildnis des Antragstellers „weiterhin kenntlich zur Schau zu stellen“, so umfasst dies – als Minus – auch eine etwaige Verpixelung, auf die gegebenenfalls in Hinblick auf § 938 Abs. 1 ZPO erkannt werden könnte. Ob allerdings eine solche Verpixelung bei Würdigung der Gesamtumstände zur Wahrung der Interessen des Antragstellers im Sinne des § 23 Abs. 2 KUG erforderlich ist, ist von Antragstellerseite ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Denn hierfür wäre – da auch in diesem Zusammenhang auf den Gesamtkontext abzuheben ist – eine Darstellung des gesamten Beitrages nötig gewesen.

Soweit der Antragsteller sich mit der Beschwerdebegründung auf die Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) beruft, geht dies fehl.

Artikel 85 DS-GVO erlaubt wie die Vorgängerregelung in Art 9 der Richtlinie RL 95/46/EG nationale Gesetze mit Abweichungen von der DS-GVO zugunsten der Verarbeitung zu journalistischen Zwecken. Er enthält damit eine Öffnungsklausel, die nicht nur neue Gesetze erlaubt, sondern auch bestehende Regelungen – soweit sie sich einfügen – erfassen kann. Dies zeigt sich auch daran, dass für den Bereich des Art. 85 DS-GVO nur die Frage der nachträglichen Notifizierungspflicht strittig ist (Gierschmann u.a/Schulz/Heilmann, DS-GVO, Art. 85 Rn. 66).

Insgesamt verkennt der Antragsteller, dass die Tätigkeit des Antragsgegners durch den gerade mit Blick auf Art. 85 DS-GVO durch das 16. RundfunkänderungsG vom 8.5.2018 (GV. NRW. S. 214) neu gefassten § 48 WDR-Gesetz (vgl. auch § 46 LMG und § 12 LPresseG) geregelt worden ist, wonach sich die Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken durch den Antragsgegner nach Maßgabe der §§ 9c und 57 des Rundfunkstaatsvertrages in der jeweils geltenden Fassung bestimmt. Diese normieren – ebenfalls mit Blick auf Art 85 DSGVO gerade neu gefasst – in §§ 9c, 57 RStV dann das früher in § 41 BDSG a.F. enthaltene sog. „Medienprivileg“. Nach den Regelungen gelten außer den Kapiteln I, VIII, X und XI der DSGVO nur Artikel 5 Abs. 1 Buchst. f in Verbindung mit Abs. 2, Artikel 24 und Artikel 32 DS-GVO und damit nicht die Regelungen, auf die der Antragsteller sich hier beruft.

Aus Sicht des Senates bestehen hiergegen keine europarechtlichen Bedenken. Art 85 Abs. 2 DS-GVO macht im Kern keine materiell-rechtlichen Vorgaben (Auernhammer/von Lewinski, DS-GVO, 5. Aufl. 2017, Art. 85 Rn. 13; Gierschmann u.a/ Schulz/Heilmann, DS-GVO, Art. 85 Rn. 3, 34, 67, 72 ff.), sondern stellt nur auf die Erforderlichkeit zur Herbeiführung der praktischen Konkordanz zwischen Datenschutz einerseits und Äußerungs- und Kommunikationsfreiheit andererseits ab. Da Datenschutzregelungen als Vorfeldschutz letztlich immer die journalistische Arbeit beeinträchtigen, sind daher hier keine strengen Maßstäbe anzulegen (Auernhammer/von Lewinski, DS-GVO, 5. Aufl. 2017, Art. 85 Rn. 13; Gierschmann u.a/Schulz/ Heilmann, DS-GVO, Art. 85 Rn. 61). Dies ist auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass Art 85 DS-GVO gerade den Normzweck hat, einen sonst zu befürchtenden Verstoß der DS-GVO gegen die Meinungs- und Medienfreiheit zu vermeiden (vgl. etwa Gierschmann u.a/Schulz/Heilmann, DS-GVO, Art. 85 Rn. 1). Der Erwägungsgrund 4 S. 3 der DS-GVO will solche Komplikationen gerade ausschließen.

Mit Blick darauf sind dann Ausführungen des Landgerichts im Nichtabhilfebeschluss zum „Fortgelten“ des KUG im journalistischen Bereich und das Berufen auf den zitierten Aufsatz Lauber-Rönsberg/Hartlaub, NJW 2017, 1057 ff. überzeugend. Für das Äußerungsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB i.V.m. APR) ist auch bereits thematisiert worden, dass dieses die Abwägungs- und Ausgleichsfunktion zur Herbeiführung praktischer Konkordanz der widerstreitenden Grundrechtspositionen im hiesigen Bereich übernehmen kann (Gierschmann u.a/Schulz/Heilmann, DS-GVO, Art. 85 Rn. 8); für das KUG kann im Bereich der Bildberichterstattung nichts anderes gelten. Die umfangreichen Abwägungsmöglichkeiten im Rahmen des KUG erlauben dann auch – was künftig geboten sein dürfte – eine Berücksichtigung auch der unionsrechtlichen Grundrechtspositionen. Dass sich daraus hier etwas anderes ergeben sollte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere ist dem Senat keine Abweichung zu den – ohnehin in der Abwägung bewusst offen gehaltenen (Überblick bei Ehmann/Selmayr/Schiedermair, DS-GVO 2017, Art 85 Rn. 8 – 15 m.w.N.) – Rspr. des EuGH bzw. des EGMR ersichtlich; auch Erwägungsgrund 153 der DS-GVO wünscht in diesem Bereich nur eine – national im Zuge des § 823 Abs. 1 BGB als Rahmenrecht bzw. bei §§ 22, 23 KUG ohnehin erfolgende – umfassende Abwägung der widerstreitenden Grundrechtspositionen.