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Urteil : Arbeitgeber müssen über Google-Recherche vor Bewerbungsverfahren informieren : aus der RDV 5/2024, Sei­te 299 bis 302

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(LAG Düsseldorf, Urteil vom 10. April 2024 – 12 Sa 1007/23 –)

  1. Führt ein Arbeitgeber in einem Bewerbungsverfahren eine Google-Recherche durch, ist der Bewerber hierüber nach Art. 14 DS‑GVO zu informieren.
  2. Kommt der Arbeitgeber dieser Informationspflicht nicht nach, hat der Bewerber einen Entschädigungsanspruch nach Art. 82 DS‑GVO.
  3. Der Einwand des Rechtsmissbrauchs kann einem Scheinbewerber im Kontext des Art. 82 DS‑GVO nicht entgegengehalten werden.

Aus den Gründen:
(1) Richtig ist, dass die Internetrecherche der Beklagten eine Datenverarbeitung i.S.v. Art. 4 Nr. 2 DS‑GVO ist, was bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Beklagte als Behörde ist für die Internetrecherche über den Kläger i.S.v. Art. 4 Nr. 7 DS‑GVO verantwortlich.
(2) Die erkennende Kammer erachtet die Datenerhebung als solche im konkreten Fall ebenso wie das Arbeitsgericht trotz der fehlenden Einwilligung des Klägers (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. a) DS‑GVO) für rechtmäßig. Grundlage für die Datenerhebung ist Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DS‑GVO.
(2.1) Es kann zunächst offenbleiben, ob Art. 26 Abs. 1 BDSG unangewendet bleiben muss, weil er den Vorgaben von Art. 88 Abs. 2 DS‑GVO nicht entspricht und auch nicht den Anforderungen von Art. 6 Abs. 3 DS‑GVO genügt (vgl. dazu EuGH, 30.03.2023 – C-34/21, juris). Wäre dem so, dann würde die Verarbeitung personenbezogener Daten im Beschäftigungskontext im privaten Bereich unmittelbar durch die Bestimmungen der DS‑GVO geregelt (EuGH, 30.03.2023 – C-34/21, juris Rn. 84; s.a. BAG, 09.05.2023 – 1 ABR 14/22, juris Rn. 62 ff.). Dies ist der Fall, weil die Datenerhebung im konkreten Fall gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DS‑GVO im hier zu beurteilenden Fall erlaubt ist.
(2.2) Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DS‑GVO erlaubt die Verarbeitung von Daten, die zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich sind, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist für Behörden anders als derjenige gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) gem. Art. 6 Abs. 1 S. 2 DS‑GVO, nicht eingeschränkt.

(2.3) Es liegt zunächst eine vorvertragliche Maßnahme i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DS‑GVO vor. Gemeint ist damit das Stadium der Vorbereitung und Anbahnung eines Vertrags (Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, 47. Edition, Stand: 01.02.2024, Art. 6 Rn. 47). Genau dieser Sachverhalt ist hier mit dem streitigen Auswahlverfahren betroffen, denn es ging um die Frage, ob mit dem Kläger ein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte.
(2.4) Die vorvertragliche Maßnahme erfolgte auch auf Anfrage der betroffenen Person, nämlich des Klägers. Richtig ist, dass die über ihn seitens der Beklagten durchgeführte Internetrecherche nicht auf seine Anfrage erfolgte. Dies ist zur Überzeugung der Kammer mit dem Tatbestandsmerkmal auch nicht gemeint. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass nicht anlasslos ohne jede Initiative des Betroffenen eine Datenerhebung erfolgt. Grundvoraussetzung ist, dass die vorvertragliche Maßnahme auf Anfrage des Betroffenen erfolgt. Dies ist hier die Bewerbung seitens des Klägers. Das Merkmal der „Anfrage der betroffenen Person“ erstreckt sich auf jegliche der vom Betroffenen gewünschten Einstellungsentscheidung dienende Datenverarbeitung (so Gola, NZA 2019, 654, 655; a.A. Peter Schantz, in: Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Aufl. 2019, Art. 6 Abs. 1 Rn. 42). Mit der eigenen Bewerbung setzt der Betroffene den Auswahlprozess in Gang und hat damit die i.S.v. Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DS‑GVO erforderliche Eigeninitiative an den Tag gelegt. Dies bedeutet freilich nicht, dass damit jede Datenerhebung im Bewerbungsprozess erlaubt ist. Notwendiges und in der Erlaubnisnorm selbst ausdrücklich enthaltenes Korrektiv ist das Merkmal der Erforderlichkeit (dezidiert z.B. Solmecke, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht, 60. EL Stand Oktober 2023, Teil 21.1 Social Media Rn. 64 oder aber Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht, 47. Edition, Stand: 01.02.2024, Art. 6 Rn. 44: „maßgebliches normatives Scharnier“). Lässt sich die vorvertragliche Maßnahme – wie hier – auf die Initiative und den Willen des Betroffenen zurückführen, erlaubt Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DS‑GVO die Datenerhebung und Datenverarbeitung im für den konkreten Auswahlprozess erforderlichen Umfang.
(2.5) Das Merkmal der Erforderlichkeit ist gewahrt. Die Anforderung der Erforderlichkeit ist nicht erfüllt, wenn das im allgemeinen Interesse liegende verfolgte Ziel in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte der betroffenen Personen, insbesondere die in den Art. 7 und 8 der Charta verbürgten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen, wobei sich die Ausnahmen und Einschränkungen hinsichtlich des Grundsatzes des Schutzes solcher Daten auf das absolut Notwendige beschränken müssen (EuGH, 22.06.2021 – C-439/19, juris Rn. 110).
Daran gemessen war der Beklagten im konkreten Fall die Google-Recherche nach dem Namen des Klägers im Internet gestattet. Sie war erforderlich. Dies wertet die erkennende Kammer ebenso wie das Arbeitsgericht. Die Zweckbindung des Einstellungsverfahrens in den öffentlichen Dienst ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG. Es ist mithin notwendige Aufgabe des öffentlichen Arbeitgebers, die Eignung des Bewerbers festzustellen und zu überprüfen. Die Zweckbindung der Datenerhebung ist damit klar. Ob dies dazu berechtigt, anlasslos einen Bewerber zu „googeln“, bedarf keiner Entscheidung. Hier lag es so, dass einem Mitglied der Auswahlkommission der Name des Klägers bekannt vorkam und dadurch aufgefallen war, dass er nicht nur im Einzelfall Entschädigungsverlangen nach dem AGG geltend gemacht hatte. Wenn dann eine Stelle im Justiziariat bzw. Personaldezernent zu besetzen war, zu deren Aufgabe auch die Mitwirkung in der AGG-Beschwerdestelle gehörte, dann war es bei diesen Anhaltspunkten zur Überzeugung der Kammer im Rahmen der Eignungsfeststellung erforderlich, dem nachzugehen. Die Recherche erfolgte aus einem konkreten Anlass zweckbezogen auf das Auswahlverfahren. Entgegen der Ansicht des Klägers war die Beklagte nicht dazu verpflichtet, diesen Sachverhalt durch Fragen bei dem Kläger aufzuklären. Insoweit liegt der Sachverhalt anders, als wenn ohne eine vorherige solche Sachverhaltsermittlung eine Detektei beauftragt wird (vgl. dazu LAG Düsseldorf 26.04.2023 – 12 Sa 18/23, juris Rn. 170). Es geht hier zudem um öffentlich zugängliche Informationen. Richtig ist, dass der Kläger nicht etwa eine eigene Webseite betreibt. Es handelt sich um einen Wikipedia-Eintrag mit seinem Namen, den die Beklagte gefunden hat und der umfängliche Informationen über den Kläger enthält. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger diesen selbst erstellt hat. Anderseits ist zu berücksichtigen, dass er selbst mit dem Anliegen, die Altersdiskriminierung bei Einstellungsverfahren in Deutschland zu bekämpfen an die Öffentlichkeit tritt. So hat er nach seinem eigenen Vortrag u.a. der Legal Tribune Online entsprechende Interviews gegeben. Gibt es Unstimmigkeiten in der Bewerbung, welche dem einstellenden Arbeitgeber auffallen, wie hier der bekannte Name des Klägers, darf er dazu googeln. Schutzwürdige Interessen stehen dem auf Seiten des Klägers nicht entgegen (vgl. so auch Riesenhuber, in: BeckOK Datenschutzrecht, 47. Edition, Stand: 01.02.2024, § 26 BDSG Rn. 100; s.a. LAG Baden-Württemberg 21.02.2019 – 3 Sa 65/17, juris Rn. 64). Dies bedeutet freilich nicht, dass die Recherche im Geheimen ablaufen darf. Weiterer Schutzmechanismus sind die Informationspflichten aus Art. 14 DS‑GVO (darauf hinweisend auch Solmecke, in: Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch Multimediarecht, 60. EL Stand Oktober 2023, Teil 21.1 Social Media Rn. 64).
(3) Die Beklagte ist der Informationspflicht aus Art. 14 DS‑GVO nicht nachgekommen. Dies würdigt die erkennende Kammer auf der Grundlage des vom Arbeitsgericht zutreffend festgestellten Sachverhalts anders als dieses. Die Beklagte hat dem Kläger nicht die Kategorien der personenbezogenen Daten i.S.v. Art. 14 Abs. 1 lit. d) DS‑GVO, die sie verarbeitet hat, mitgeteilt.
(3.1) Die Information über die Datenkategorien muss so präzise und spezifisch gefasst sein, dass die betroffene Person die Risiken abschätzen kann, die mit der Verarbeitung der erhobenen Daten verbunden sein können (Bäcker, in: Kühling/Buchner, DS‑GVO BDSG, 4. Aufl. 2024, Art. 14 DS‑GVO Rn. 17).
(3.2) Nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts nach Vernehmung der Zeuginnen Z. und C. hat Herr X. den Kläger im Einstellungsgespräch auf den Wikipedia-Eintrag angesprochen und diesen darauf hingewiesen, dass er prominent sei und über einen Wikipedia-Eintrag verfüge. Darüber wurde dann ein wenig gesprochen. Als dies das zweite Mal thematisiert wurde, ging es darum, ob der Kläger sich vorstellen könne, auch Arbeitgeber zu vertreten. Es ist jedoch nicht konkret über das Strafverfahren gesprochen worden und es ist dem Kläger nicht mitgeteilt worden, dass das nicht rechtskräftige Strafurteil des Landgerichts München I als weiterer Umstand gewertet werden würde, der dazu führt, dass er für die betreffende Stelle ungeeignet ist. Dieser Gesprächsablauf wird von den Parteien im Berufungsverfahren letztlich nicht mehr in Abrede gestellt. Die Kammer hat den Parteien in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sie davon ausgeht und eine Information wie geschehen für nicht genügend erachtet. Bei einer nicht rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilung handelt es sich um eine eigene Kategorie von Daten, die alleine aufgrund des strafrechtlichen Unwerturteils deutlich aus den übrigen Angaben zu den vom Kläger geführten Prozessen in dem Wikipedia-Eintrag heraussticht. Wenn die Beklagte eine solche Kategorie von Daten zur Grundlage der Auswahlentscheidung macht – und sei es nur hilfsweise – dann muss sie den Kläger gem. Art. 14 Abs. 1 lit. d) DS‑GVO über diese Datenkategorie konkret informieren. Daran fehlt es. Sie darf die strafrechtliche Verurteilung nicht ohne diese Information in dem Auswahlvermerk niederlegen.
[…]
Der Klageantrag zu II. ist in Höhe von 1.000,00 Euro begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger eine Entschädigung in dieser Höhe gem. Art. 82 Abs. 1 DS‑GVO zu zahlen, weil sie diesen entgegen Art. 14 Abs. 1 lit. d) DS‑GVO nicht über die Kategorie der von ihr im Rahmen des Auswahlverfahrens verarbeiteten Daten, nämlich der strafrechtlichen Verurteilung durch das Landgericht München I, informiert hat.
[…]
Der Klageantrag zu II. ist in Höhe von 1.000,00 Euro begründet.
a) Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass die Beklagte gegen Art. 14 Abs. 1 lit. d) DS‑GVO, mithin eine Vorschrift der DS‑GVO, verstoßen hat. Sie hat den Kläger bezogen auf die Verarbeitung der strafrechtlichen Verurteilung durch das Landgericht München I im Auswahlverfahren nicht informiert und diese Verurteilung ohne die rechtlich gebotene Information über die Datenkategorie jedenfalls hilfsweise ihrer Auswahlentscheidung dokumentiert zu Grunde gelegt. Es geht hier auch nicht um eine alleinstehende Informationspflicht (einschränkend LAG Nürnberg, 25.01.2023 – 4 Sa 201/22 – Rn. 21). Vielmehr hat die Auskunftspflicht aus Art. 14 DS‑GVO unmittelbaren Bezug zum Verarbeitungsvorgang. Sie stellt sicher, dass die Grundsätze einer fairen und transparenten Verarbeitung gewahrt sind, denn diese Grundsätze bedeuten, dass die betroffene Person über die Existenz des Verarbeitungsvorgangs und seine Zwecke unterrichtet wird (vgl. ErwG 60 S. 1).
b) Der Kläger hat verursacht durch die nicht erfolgte Information gem. Art. 14 Abs. 1 lit. d) DS‑GVO einen Schaden erlitten.
aa) Ein Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens des Klägers scheidet nicht deshalb aus, weil es hier um einen bloßen Verstoß gegen die Bestimmungen der DS‑GVO geht, der allein nicht zur Begründung des Schadensersatzes ausreicht. Richtig ist allerdings, dass der Europäische Gerichtshof in seinem Urt. v. 04.05.2023 (C-300/21, juris Rn. 28 ff., 42) ausgeführt hat, dass Art. 82 Abs. 1 DS‑GVO dahin auszulegen ist, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen immateriellen Schadenersatzanspruch zu begründen. Andererseits hat der Europäische Gerichtshof in der genannten Entscheidung erkannt, dass der Begriff des immateriellen Schadens autonom und unionsrechtlich einheitlich zu definieren ist. Dabei ist die betroffene Person nicht von dem Nachweis befreit, dass der Verstoß gegen die DS‑GVO für sie negative Folgen gehabt habe, welche einen immateriellen Schaden darstellen. Andererseits sei keine Voraussetzung, dass der der betroffenen Person entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, 04.05.2023 – C-300/21, juris Rn. 43 ff., 50, 51).
Der Nachteil muss weder „spürbar“ noch die Beeinträchtigung „objektiv“ sein. Diese Auslegung ergibt sich aus dem dritten Satz des 146. ErwG der DS‑GVO, in dem es heißt, dass „[d]er Begriff des Schadens … im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs weit auf eine Art und Weise ausgelegt werden [sollte], die den Zielen dieser Verordnung in vollem Umfang entspricht“. Dies steht mit den Zielen der DS‑GVO im Einklang, namentlich demjenigen, innerhalb der Union ein gleichmäßiges und hohes Niveau des Schutzes natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (vgl. EuGH 14.12.2023 – C-456/22, juris Rn. 20).
Schließlich hat der Europäische Gerichtshof klargestellt, dass der Unionsgesetzgeber unter den Schadensbegriff insbesondere auch den bloßen „Verlust der Kontrolle“ über die eigenen Daten infolge eines Verstoßes gegen die DS‑GVO fassen wollte, selbst wenn konkret keine missbräuchliche Verwendung der betreffenden Daten zum Nachteil dieser Personen erfolgt sein sollte. Zur Begründung hat er auf den ersten Satz des 85. ErwG der DS‑GVO verwiesen. Denn dort wird in einer beispielhaften Aufzählung von möglichen materiellen oder immateriellen Schäden explizit der Verlust der Kontrolle über die eigenen personenbezogenen Daten genannt (vgl. EuGH, 14.12.2023 – C-340/21, juris Rn. 74 – 86).
Schließlich hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, dass Art. 82 Abs. 1 DS‑GVO dahin auszulegen ist, dass der in dieser Bestimmung vorgesehene Schadenersatzanspruch eine Ausgleichsfunktion hat, da eine auf diese Bestimmung gestützte Entschädigung in Geld ermöglichen soll, den konkret aufgrund des Verstoßes gegen diese Verordnung erlittenen Schaden vollständig auszugleichen, und keine abschreckende oder Straffunktion erfüllt (EuGH, 21.12.2023 – C-667/21, juris Rn. 87). Soweit die Kammer in der Entscheidung vom 26.04.2023 – 12 Sa 18/23, juris Rn. 181) von dem Erfordernis einer abschreckenden Wirkung ausgegangen ist, hält sie daran in Ansehung der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht fest.
bb) Der Kläger hat hier einen immateriellen Schaden dargelegt, der durch die fehlende Information verursacht worden ist. Die Beklagte hat ohne Mitteilung an den Kläger dessen nicht rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung zur – und sei es nur hilfsweisen – Grundlage ihrer Datenverarbeitung im Auswahlprozess gemacht. Sie hat dies dokumentiert im Auswahlvermerk niedergelegt, ohne den Kläger über diese Datenkategorie zu informieren. Damit ist der Kläger zum bloßen Objekt der Datenverarbeitung geworden und hat einen erheblichen Kontrollverlust mit negativen Auswirkungen auf die Auswahlentscheidung erlitten. Diese mag objektiv im Ergebnis richtig sein, weil der Kläger ungeeignet war. Dies ändert aber nichts daran, dass er im Auswahlprozess bloßes Objekt der Datenverarbeitung war. Dies beeinträchtigt den Kläger auch in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Es handelt sich außerdem um eine erheblich negative Tatsache, nämlich eine strafrechtliche Verurteilung. Es liegt ein erheblicher Kontrollverlust auf Seiten des Klägers vor.
2. Bei Würdigung aller Umstände erachtet die erkennende Kammer im konkreten Fall eine Entschädigung von insgesamt 1.000,00 Euro für angemessen.
a) Art. 82 DS‑GVO ist dahingehend auszulegen, dass die nationalen Gerichte bei der Festsetzung der Höhe des Schadensersatzes, der aufgrund des in diesem Art. verankerten Schadenersatzanspruchs geschuldet wird, die innerstaatlichen Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten über den Umfang der finanziellen Entschädigung anzuwenden haben, sofern die unionsrechtlichen Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität beachtet werden (EuGH, 04.05.2023 – C-300/21, Rn. 59). Der Grad des Verschuldens des Verantwortlichen ist dabei für die Bemessung der Höhe des nach Art. 82 Abs. 1 der Verordnung 2016/679 zu ersetzenden immateriellen Schadens nicht von Bedeutung (EuGH, 21.12.2023 – C-667/21, juris Rn. 103).
Mangels einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften ist die Höhe des Schadens gem. § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO zu bestimmen, wonach alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind. Art. 82 DS‑GVO regelt selbst keine Verfahrensmodalitäten zur Durchsetzung des Schadenersatzanspruchs. Art. 79 Abs. 1 DS‑GVO sieht lediglich vor, dass jede betroffene Person das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf hat, wenn sie der Ansicht ist, dass die ihr aufgrund der DS‑GVO zustehenden Rechte infolge einer nicht mit ihr im Einklang stehenden Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verletzt wurden. Dem Äquivalenz- oder Effektivitätsgrundsatz ist durch die Anwendung von § 287 Abs. 1 S. 1 ZPO Rechnung getragen. Die Bestimmung findet im nationalen Recht ebenso bei der Durchsetzung anderer Ansprüche auf immateriellen Schadensersatz Anwendung (BAG 05.05.2022 – 2 AZR 363/21, juris Rn. 14). Für die Bemessung der Höhe des immateriellen Schadens ist dabei als einem wichtigen Faktor auf die Intensität der Persönlichkeitsrechtsverletzung abzustellen.
b) In Würdigung aller Umstände dieses Falles erachtet die Kammer eine Entschädigung von 1.000,00 Euro für angemessen. Dies ergibt sich insbesondere aus Folgendem: Die Kammer hat zunächst berücksichtigt, dass die Datenverarbeitung hier eine deutlich negative Tatsache über den Kläger betraf, nämlich dessen strafrechtliche Verurteilung, die zudem unrichtig wiedergegeben wurde (gewerbsmäßiger Betrug). Es ist weiter zu berücksichtigen, dass diese Verurteilung nicht rechtskräftig war. Die Information war noch deutlich wichtiger als bei einer rechtskräftigen Verurteilung, um dem Kläger die Möglichkeit zur Stellungnahme im Bewerbungsprozess zu gewähren. Schließlich hat die Beklagte den Kläger während des Bewerbungsverfahrens ohne Mitteilung an diesen aufgrund der damaligen Verurteilung für ungeeignet erachtet. Dies machte ihn in erheblicher Weise zum bloßen Objekt der Datenverarbeitung und setzte seinen Achtungsanspruch als Person herab. Dies ist zugleich ein erheblicher Kontrollverlust. Insgesamt sind bei Würdigung aller Umstände 1.000,00 Euro zur Überzeugung der Kammer angemessen, um den erlittenen immateriellen Schaden auszugleichen.
3. Dem Anspruch steht im konkreten Fall der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen. Selbst wenn der Kläger sich rechtsmissbräuchlich beworben haben sollte, ändert dies nichts daran, dass es der Beklagten verwehrt war, über ihn unter Verstoß gegen die DS‑GVO Daten zu erheben. Unabhängig davon sieht die Kammer – wie den Parteien im Termin mitgeteilt – den Rechtsmissbrauch nicht. Der Kläger hat sich hier auf eine zu ihm im Grundsatz passende Stelle beworben und am Auswahlverfahren teilgenommen und sich der Fachaufgabe und dem Bewerbungsgespräch gestellt. Die von der Beklagten aufgezeigten Umstände begründen für diesen Fall nicht die Annahme einer Scheinbewerbung.