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Urteil : Sofortüberweisung ist kein zumutbares alleiniges Zahlungsmittel : aus der RDV 6/2015, Seite 337 bis 338

(Landgericht Frankfurt, Urteil vom 24. Juni 2015 – 2-06 O 458/14 –)

Archiv RDV
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  1. Bei Online-Buchungen ist das Zahlungsmittel „Sofortüberweisung“ als einziges unentgeltliches Zahlungsmittel kein zumutbares Zahlungsmittel.
  2. Als zusätzliche Zahlungsmöglichkeiten kommen Barzahlung, EC-Karten-Zahlung, Überweisung oder Lastschrift in Betracht.

Sachverhalt:

Der Kläger ist Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 25 weiterer Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland.

Die Beklagte bietet Verbrauchern unter der Adresse www.start.de u.a. Flugbeförderungsdienstleistungen an.

Für die Buchung bot die Beklagte als Zahlungsmethoden die Zahlung “mit Kreditkarte” gegen zusätzliches Entgelt in Höhe von 12,90 € sowie die Bezahlung mittels “Sofortüberweisung” entgeltfrei an (Anlage K 1). Bei Benutzung von “Sofortüberweisung” erfolgt die Zahlung an die Beklagte unter Zwischenschaltung eines Dienstleisters, der Sofort AG. Hierzu gibt der Verbraucher seine Kontozugangsdaten einschließlich PIN und TAN in die Eingabemaske der Sofort AG ein. Diese fragt sodann bei der kontoführenden Bank die Validität der eingegebenen Daten, den aktuellen Kontostand, die Umsätze der letzten 30 Tage sowie den Kreditrahmen für den Dispokredit ab. Außerdem wird das Vorhandsein anderer Konten geprüft und deren Bestände erfasst. Die Abfrage dieser Daten erfolgt automatisiert, wobei der Nutzer über die Datenabfrage vorher nicht informiert wird

In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der meisten kontoführenden Banken in Deutschland ist die Weitergabe von PIN und TAN durch Allgemeine Geschäftsbedingungen untersagt; eine entsprechende Klausel beruht auf gemeinsamen Absprachen der Deutschen Kreditwirtschaft. So ist in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Frankfurter Sparkasse z.B. unter Ziffer 7.1 eine Verpflichtung enthalten, die technische Verbindung zum onlinebanking nur über die von der jeweiligen Bank gesondert mitgeteilten Online-banking-Zugangskanäle herzustellen (Anlage K 5). Außerdem werden unter Ziffer 7.2 ausführlich die Pflichten nominiert, die die Geheimhaltung der Autorisierungsinstrumente und der personalisierten Sicherheitsmerkmalen betreffen. Die Teilnehmer werden dazu verpflichtet, die personalisierten Sicherheitsmerkmale nur Ober die von der Bank gesondert mitgeteilten Online-Banking-Zugangskanäle an diese zu übermitteln.

Hinsichtlich dieser Klauseln führt das Bundeskartellamt ein Verfahren gegen den Verband deutsche Kreditwirtschaft, in dem das Bundeskartellamt in einer vorläufigen Stellungnahme am 28.2.2011 feststellte, dass die AGB der Banken kein generelles Verbot der Nutzung von bankunabhängigen Diensten enthalten dürfen, weil sie ansonsten gegen das Kartell- und Missbrauchsverbot verstießen. Die AGB der Banken durften nicht darauf abzielen, die Nutzung von Wettbewerbsangeboten auf dem Markt zu Bezahlverfahren im Internethandel zu verhindern und deren Anbieter zum Marktaustritt zu zwingen. da sie ansonsten eine bezweckte, unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellten und unwirksam seien.

Das Bundeskartellamt hat nach § 90 Abs. 2 GWB die Beteiligung am Rechtsstreit als amicus curiae erklärt. Es hat mitgeteilt, dass das Kartellverfahren unmittelbar vor dem Abschluss stehe und nach vorläufiger Auffassung des Bundeskartellamtes die Online-Bedingungen der deutschen Kreditwirtschaft gegen Art. 101 Abs. 1 AEUV verstießen, soweit sie Sorgfaltspflichten des Kunden zum Umgang mit personalisierten Sicherheitsmerkmalen enthielten, die eine Eingabe von PIN und TAN außerhalb der mit dem kontoführenden Kreditinstitut gesondert vereinbarten Internetseiten im Rahmen der Benutzung von Bezahlverfahren im Internet verbieten.

Zur Vervollständigung wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2015 Bezug genommen.

Aus den Gründen:

Die zulässige Klage erweist sich als begründet. Die Beklagte verstößt gegen § 312 a Abs. 4 Nr. 1 BGB mit der Folge eines Unterlassungsanspruchs des Klägers nach § 2 Abs. 1 UKlaG, indem sie als unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit lediglich den Dienst “Sofortüberweisung” der Sofort AG anbietet. Dies stellt keine zumutbare Zahlungsmöglichkeit dar.

1.) Nach § 312 a Abs. 4 BGB soll der Verbraucher regelmäßig jedenfalls eine zumutbare Möglichkeit haben, ohne Zusatzkosten zu bezahlen. Zahlungsmittel ist jede Art der Zahlung, die der Schuldner mit dem Gläubiger für die Erfüllung einer Geldschuld vereinbaren kann. Beispiele für gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeiten sind Barzahlung, Zahlung mit EC-Karte, Überweisung auf ein Bankkonto oder Einziehung vom Bankkonto des Verbrauchers. Kreditkarten sind nur dann eine gängige und zumutbare Zahlungsmöglichkeit, wenn in der fraglichen Situation die Zahlung mit Kreditkarte weithin üblich ist und mehrere am Markt verbreitete Kredit- und Zahlungskarten unentgeltlich eingesetzt werden können. Die Möglichkeit zur Barzahlung darf ausgeschlossen werden, wenn es um Verträge geht, bei denen die Buchung über das Internet die gängigste Form des Vertragsschlusses darstellt und eine andere gängige und zumutbare unentgeltliche Zahlungsmöglichkeit (z.B. durch Kreditkarten der großen Anbieter) besteht (BGH NJW 2010, 2719).

2.) An der Gängigkeit des Zahlungsmittels „Sofortüberweisung” bestehen keine Zweifel. Die Beklagte hat vorgetragen, dieses werde bei 54% der 100 umsatzstärksten Online-Shops eingesetzt, zudem liege eine Bankenabdeckung in Höhe 99% vor, was bedeutet, dass man mit einem Konto bei fast jeder Bank in Deutschland das Zahlungssystem nutzen kann. Der Kläger hat dies zwar mit Nichtwissen bestritten. Dies ist jedoch nicht zulässig, da die Voraussetzung für die fehlende Gängigkeit als tatbestandsbegründendes Merkmal von dem Kläger darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist. Man mag der Beklagten hier eine sekundäre Darlegungslast auferlegen, da es sich um Tatsachen handelt, die primär ihrem Wahrnehmungsbereich zuzuordnen sind. Diese Darlegungslast ist die Beklagte indes gerecht geworden, so dass es bei der Darlegungs- und Beweislast des Klägers verbleibt.

3.) Das Zahlungsmittel „Sofortüberweisung“ ist indes unzumutbar. Dabei kann dahinstehen, ob mutmaßlich einer Nutzung des Dienstes durch den Bankkunden entgegenstehende Banken-AGB nach Art. 101 Abs. 1 AEUV bzw. § 1 GWB kartellrechtwidrig sind. Die Nutzung des Dienstes „Sofortüberweisung” ist nämlich unabhängig von seiner Bewertung durch Kreditinstitute für den Verbraucher unzumutbar, daer hierzu nicht nur mit einem Dritten in vertragliche Beziehungen treten muss, sondern diesem Dritten auch noch Kontozugangsdaten mitteilen muss und in den Abruf von Kontodaten einwilligen muss. Hierdurch erhält ein Dritter umfassenden Einblick in die Kunden-Kontoinformationen. Hierbei handelt es sich um besonders sensible Finanzdaten, die auch zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen genutzt werden könnten. Daneben muss der Kunde dem Zahlungsdienstleister seine personalisierten Sicherheitsmerkmale (zum Beispiel PIN und TAN) mitteilen. Dies birgt erhebliche Risiken für die Datensicherheit und eröffnet erhebliche Missbrauchsmöglichkeiten. Dabei kommt es im Ergebnis nicht auf die konkrete Sicherheit des Dienstes „Sofortüberweisung“ an, sondern auf die grundsätzliche Erwägung, dass der Verbraucher nicht gezwungen werden kann, seine Daten diesem erhöhten Risiko auszusetzen.

Mag die durch Äußerungen oder AGB von Kreditinstituten mittelbar getätigte Warnung vor Zahlungsauslösediensten wie “Sofortüberweisung” kartellrechtlich problematisch sein, so betrifft dies lediglich das Verhältnis zwischen dem Zahlungsauslösedienst und den Kreditinstituten, nicht indes das Verhältnis zwischen dem Nutzer des Zahlungsauslösedienstes und dem Kunden. In diesem Verhältnis wäre der Dienst auch unzumutbar, wenn die kartellrechtlich relevanten Handlungen der Kreditinstitute nicht existierten.

4.) Klarzustellen ist, dass entgegen des von der Beklagten erweckten Eindrucks nicht Gegenstand des Rechtsstreites ist, ob die Beklagte oder Dritte das Zahlungssystem „Sofortüberweisung“ verwenden dürfen. Der Beklagten bleibt unbenommen, das System weiterhin anzubieten und zu versuchen, die Kunden von der Qualität zu überzeugen. Der Beklagten ist lediglich untersagt, durch den Druck der einzig nicht kostenauslösenden Zahlungsart den Kunden dazu zu zwingen, zur Begleichung seiner vertraglichen Verpflichtungen mit einem nicht beteiligten Dritten zu kontrahieren und diesem hochsensible Daten übermitteln zu müssen.