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Urteil : Zur Anwendung der Datenschutzgesetzen der Kirchen bei von ihnen als GmbH betriebenen Kliniken : aus der RDV 6/2022, Seite 327 bis 328

(Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 23. September 2022 – I-26 w 6/22 –)

Archiv RDV
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  1. Die Trägerin diakonischer Krankenhäuser fällt aufgrund ihres Bezuges zur Evangelischen Kirche auch dann unter das Merkmal „Kirche“ i.S.v. Art. 91 DSGVO, wenn es sich bei ihr um eine selbstständige, privatrechtlich (als GmbH) organisierte Einrichtung der Kirche handelt.
  2. Aus dem weit gezogenen Anwendungsbereich des Art. 91 DS-GVO folgt, dass die Tätigkeit einer diakonischen Klinik datenschutzrechtlich dem Kernbereich der Kirche zuzuordnen ist, weswegen der karitative Betrieb eines kirchlichen Krankenhauses nicht dem Anwendungsbereich der DS-GVO unterfällt.
  3. Dies richtet sich danach, ob nach kirchlichem Selbstverständnis durch den Betrieb des Krankenhauses eine dem religiösen Auftrag der Kirche entsprechende und dem Zweck kirchlicher Fürsorge gegenüber dem Menschen dienende Aufgabe erfüllt werden soll.
  4. Der datenschutzrechtliche Kernbereich einer Kirche ist nicht nur dann betroffen, wenn es um Seelsorge geht. Entscheidend ist, ob die Kirche mit der Einrichtung ihrer Aufgaben gerecht werden will, wozu nach dem Selbstbild der Kirche auch karitative und fürsorgliche Aufgaben gehören. Diese umfassen nicht nur ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Betreuungsaufgaben, sondern auch der notwendige wirtschaftliche Betrieb von Betreuungsangeboten für hilfsbedürftige Menschen, wie z.B. Kindergärten, Alten- und Pflegeheime und Krankenhäuser.

(Leitsätze des Einsenders)

Sachverhalt:

Die Klägerin begehrt die Bewilligung von weiterer Prozesskostenhilfe für einen behaupteten Auskunfts- und Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte aus der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung.

Die Parteien streiten über ärztliche Behandlungsfehler im Rahmen einer Wirbelsäulenoperation und deren Vor- und Nachsorge im Hause der Beklagten, dem Krankenhaus in x, in den Jahren 2017 und 2018. Über diesen Sachverhalt ist bereits ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht geführt worden, in dessen Zuge die Beklagte die Behandlungsunterlagen der Klägerin zur Akte gereicht hat.

Des Weiteren begehrt die Klägerin eine vollständige Datenauskunft nach Art. 15 DS-GVO, welche sie erstmals am 18.01.2019 von der Beklagten eingefordert hat, sowie wegen bislang nicht erteilter Auskunft ein Schmerzensgeld auf Basis von Art. 83 Abs. 5b) DS-GVO.

Die Klägerin ist der Ansicht, die DS-GVO greife vorliegend ein, da es sich bei dem Betrieb des Krankenhauses um eine rein wirtschaftliche Betätigung der Beklagten handele, die sich nicht vom Betrieb anderer, nicht konfessioneller Krankenhäuser unterscheide.

Die Beklagte ist der Ansicht, in datenschutzrechtlicher Hinsicht sei nicht die DS-GVO, sondern das Kirchengesetz über den Datenschutz der Evangelischen Kirche in Deutschland (,,DSG-EKD“) anwendbar, da sie gem. Art. 91 DS-GVO als kirchliche Einrichtung deren Anwendbarkeit nicht unterliege.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 26.11.2021 der Klägerin Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 1 a) betreffend die behaupteten Behandlungsfehler bewilligt und den weitergehenden Antrag bezüglich der geltend gemachten Ansprüche aus der DS-GVO zurückgewiesen. Gegen diese Teilversagung wendet sich die Klägerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 29.11.2021. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 30.11.2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Aus den Gründen:

Zu Recht hat das Landgericht die Anträge zu Ziffer 1 b) und c) auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Die beabsichtigte Klage hat auch nach Auffassung des Senats insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

In der Sache selbst hat das Landgericht mit zutreffender und ausführlicher Begründung – welcher sich der Senat anschließt – dargelegt, dass der Klägerin gegen die Beklagte keine Anspruche gem. Art. 82 DS-GVO zugestehen, da die DS-GVO vorliegend nicht anwendbar ist. Auf die entsprechenden Ausführungen wird insoweit vorab Bezug genommen.

Gem. Art. 91 DS-GVO dürfen, wenn eine Kirche oder eine religiöse Vereinigung oder Gemeinschaft in einem Mitgliedstaat zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung umfassende Regeln zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung anwendet, diese Regeln weiter angewandt werden, sofern sie mit dieser Verordnung in Einklang gebracht werden.

Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, folgt hieraus, dass die kirchenrechtlichen Datenschutzregeln vorrangig anwendbar sind, wenn sie mit der DS-GVO in Einklang gebracht werden können und bereits vor Inkrafttreten der DS-GVO bestanden. Dies ist bei dem DSG-EKD der Fall (vgl. BeckoK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 01.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 18a; Gola DS-GVO/Gola, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 91 Rn. 11). Die Beklagte als Trägerin von diakonischen Krankenhäusern fällt aufgrund ihres Bezugs zur Evangelischen Kirche unter das Merkmal „Kirche“, auch wenn es sich bei ihr um eine selbstständige, privatrechtlich (nämlich als GmbH) organisierte Einrichtung der Kirche handelt.

Der Senat schließt sich hierbei der Ansicht des Landgerichts an, dass von den zahlreichen vertretenen Auffassungen (vgl. nur: Preuß ZD 2015, 217, 222) vorliegend mit der differenzierenden Ansicht darauf abzustellen ist, ob es sich bei der Tätigkeit der Beklagten, um eine solche aus dem Kernbereich der Kirche handelt, was vorliegend zu bejahen ist. Hierfür spricht, dass sich zunächst aus Art. 91 DS-GVO selbst keine Einschränkung ableiten lässt. Der Anwendungsbereich ist entsprechend weit auszulegen (BeckOK DatenschutzR/Mundil, 41. Ed. 01.11.2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 15). Dementsprechend wird vertreten, dass auch Tätigkeiten von Religionsgemeinschaften von Art. 17 Abs. 1 AEUV umfasst sind, wenn auch nur in sehr restriktivem Maße. Eine typische Tätigkeit von Religionsgemeinschaften ist bspw. der Betrieb von karitativen Krankenhäusern. Träger dieser kirchlichen Krankenhäuser ist jedoch zumeist eine GmbH. Folglich handelt es sich um privatrechtliche Einrichtungen einer Religionsgemeinschaft. Es lässt sich demnach vertreten, dass auch privatrechtliche Einrichtungen von Religionsgemeinschaften in den Schutzbereich des Art. 17 AEUV fallen und damit auch nach Art. 91 vom Anwendungsbereich der DS-GVO ausgenommen und dem kirchlichen Datenschutz unterstellt sind (vgl. Paal/Pauly/Pauly, 3. Aufl. 2021, DS-GVO Art. 91 Rn. 10).

Der vorliegende karitative Betrieb des Krankenhauses der Beklagten unterliegt nicht dem Anwendungsbereich der DSGVO. Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist hierbei zu berücksichtigen, ob nach kirchlichem Selbstverständnis durch den Betrieb des Krankenhauses eine dem religiösen Auftrag der Kirche entsprechende und dem Zweck kirchlicher Fürsorge gegenüber den Menschen dienende Aufgabe erfüllt werden soll. Dabei ist nicht nur dann der Kernbereich kirchlicher Aufgaben betroffen, wenn es um direkte Seelsorge geht. Entscheidend ist, ob die Kirche mit der Einrichtung ihren Aufgaben gerecht werden will. Hierzu gehören nach dem Selbstbild der Kirche insbesondere auch karitative und fürsorgliche Aufgaben, wozu nicht nur ehrenamtliche bzw. unentgeltliche Betreuungsaufgaben zählen, sondern auch der notwendigerweise wirtschaftliche Betrieb von Betreuungsangeboten für hilfsbedürftige Menschen, wie z.B. von Kindergärten, Alten- und Pflegeheimen und Krankenhäusern. Dies ist vorliegend der Fall. Zutreffend hat das Landgericht insoweit auch darauf verwiesen, dass sich der karitative Aspekt der kirchlichen Trägerschaft auch aus den eigenen Ausführungen der Beklagten auf ihrer Krankenhaus-Homepage ergibt. Dort wird unter der Rubrik ,,über uns“ die persönliche Zuwendung als eine ihrer besonderen Stärken bezeichnet, wobei sich aus dem grundlegenden christlichen Selbstverständnis – dem Dienst am Menschen – die hohe Qualität von Pflege und Medizin ableite. Als evangelische Einrichtung sei das Unternehmen fest in einem christlichen Weltbild verankert. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss von 14.01.2021 1 BvR 2853/19, NJW 2021, 1005) der Ansicht ist, die vorliegende Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung für das vollvereinheitliche europäische Datenschutzrecht und bedürfe damit letztlich einer Klärung durch den Europäischen Gerichtshof, hält der Senat eine Vorabentscheidung nach Ad. 267 Abs. 3 AEUV nicht für geboten. Im dortigen Fall ging es um die Auslegung des Schadensbegriffs aus Art. 82 I DS-GVO. Vorliegend ist die DS-GVO jedoch bereits aufgrund tatsächlicher Umstände nicht anwendbar.

Entsprechend war der Klägerin mangels Erfolgsaussicht die begehrte weitere Prozesskostenhilfe zu verweigern.

(Eingesandt von RA Riemer, Brühl)