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Urteil : Kein Schadensersatz bei Übermittlung von Positivdaten an die SCHUFA : aus der RDV 6/2024, Seite 366 bis 367

(LG Erfurt, Urteil vom 7. August 2024 – 8 O 1244/23 –)

Archiv RDVRechtsprechung
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Die Weitergabe der Information über den Abschluss eines Mobilfunkvertrags ist nicht so schwerwiegend, dass der betroffenen Person hierdurch ein konkreter Schaden entstehen könnte. Der grundsätzlich erforderliche Beleg eines tatsächlich entstandenen immateriellen Schadens lässt sich dadurch nicht ersetzen.

(Nicht amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen:

II. Die Klage ist unbegründet.

1. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf immateriellen Schadensersatz (Schmerzensgeld) aus Art. 82 DS-GVO. Andere Anspruchsgrundlagen, die hier ernsthaft in Betracht kommen könnten, sind nicht ersichtlich.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, einen Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter.

Der Kläger hat das Vorliegen eines ersatzfähigen immateriellen Schadens weder dargelegt noch bewiesen.

Nach der aktuellen Rechtsprechung des EuGH (Urt. v. 04.05.2023, Rs. C-300/21 und Urt. v. 14.12.2023, Az. C-340/21 – jeweils zitiert nach juris) ist Art. 82 Abs. 1 DS-GVO dahin auszulegen, dass der bloße Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen (vgl. auch OLG Hamm, Urt. v. 15.08.2023, Az. 7 U 19/23, Tz. 136 – zitiert nach beck-online). Vielmehr sind „Schaden“ und „Kausalität“ zwei weitere Anspruchsvoraussetzungen i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DS-GVO, die kumulativ vorliegen müssen (EuGH, Urt. v. 14.12.2023, Az. C-340/21, Tz. 77 – zitiert nach juris).

Ein Schaden im Sinne des Art. 82 Abs. 1 DS-GVO setzt andererseits – entgegen möglicherweise bestehenden innerstaatlichem Recht – nach Wortlaut, ErwG 10, 146 DS-GVO und Telos nicht voraus, dass der der betroffenen Person entstandene immaterielle Schaden einen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreicht hat (EuGH, Urt. v. 04.05.2023, Az. C-300/21).

Diese Auslegung bedeutet jedoch nicht, „dass eine Person, die von einem Verstoß gegen die DS-GVO betroffen ist, der für sie nachteilige Folgen gehabt hat, vom Nachweis befreit wäre, dass diese Folgen einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 dieser Verordnung darstellen“ (EuGH, Urt. v. 14.12.2023, Az. C-340/21, Tz. 84 – zitiert nach juris; EuGH, Urt. v. 04.05.2023, Az. C-300/21, Tz. 50 – zitiert nach beck-online).

Entsprechend stellt der EuGH auch darauf ab, dass die „konkret erlittenen Schäden“ vollständig ausgeglichen werden müssen (EuGH, Urt. v. 04.05.2023, Az. C-300/21, Tz. 58 – zitiert nach beck-online).

Die Annahme eines solchen konkreten Schadens setzt in unionsautonomer Auslegung voraus, dass dieser „tatsächlich und sicher“ besteht (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 15.08.2023, Az. 7 U 19/23, Tz. 140 m.w.N. – zitiert nach beck-online).

Der schriftsätzliche Vortrag des Klägers zum Schaden beschränkt sich auf allgemein gehaltene Angaben, ohne dass dargelegt wird, wie sich der behauptete „Kontrollverlust“, die „große Sorge, insbesondere auch auf die eigene Bonität“, die „Angst, einer unberechtigten Übermittlung an eine Auskunftei wie der S. Holding AG ausgesetzt zu sein“ und die „Unruhe“ konkret äußern und zu welchen Symptomen sie konkret führen.

Dies ist auch in der mündlichen Verhandlung am 04.06.2024 nicht erfolgt. Hier gab der Kläger im Rahmen seiner informatorischen Anhörung an: „Auf den Gedanken mit dem Rechtsstreit kam ich, weil es Online-Werbung von der Kanzlei Legalbirds gibt. Da wurde ich darauf gestoßen, dass man diese Umstände mit der Einwilligung prüfen lassen kann. Nach Erhalt dieser Auskunft war für mich klar, dass die Daten ohne meine Einwilligung weitergegeben worden sind. Dies ist für mich ein Rechtsverstoß. Aus diesem Grund wollte ich dagegen vorgehen. (…) Ich habe bisher keinen Schaden erlitten, mir ist zumindest kein Schaden bekannt geworden.“

Nach der Rechtsprechung des EuGH muss ein Kläger, wenn er – wie hier – keine Angaben gemacht hat, mit denen das Vorliegen seines immateriellen Schadens belegt und dessen Umfang bestimmt werden könnte, zumindest nachweisen, dass das gerügte Verhalten so schwerwiegend war, dass ihm dadurch ein derartiger Schaden entstehen konnte (EuGH, Urt. v. 01.02.2017, Az. T-479/14, Tz. 121; Urt. v. 13.12.2018, Az. C-150/17, Tz. 111 – jeweils zitiert nach beck-online).

Auch hieran fehlt es im vorliegenden Fall.

Das hier gerügte Verhalten – die Weitergabe der Information über den Abschluss des Mobilfunkvertrages am 14.08.2018 – ist nicht so schwerwiegend, dass dem Kläger hierdurch ein konkreter Schaden entstehen könnte.

Zunächst handelt es sich hierbei um eine Information, über die eine Vielzahl von Personen und Institutionen bereits verfügt. Der Kläger selbst gab auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung an, er schätze die Anzahl der Personen, die Kenntnis davon haben, dass er einen Mobilfunkvertrag habe, auf 200 bis 300 Personen.

Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass dem Kläger durch die Information über den Abschluss des Mobilfunkvertrages im Jahr 2018 ein konkreter Schaden entstehen könnte, so etwa anderen Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr wie Banken oder Versicherungen Anlass geben könnte, die Bonität des Klägers zu hinterfragen. So heißt es hierzu in der Pressemitteilung der S. Holding AG vom 19.10.2023: „Insbesondere bei Menschen, die bereits langjährige Vertragsbeziehungen (mehr als 5 Jahre) zu einem Telekommunikationsunternehmen haben, wirkt sich die Information zu dem bestehenden Vertrag positiv auf den Bonitätsscore aus. Auch Personen, zu denen wenige oder keine weiteren Daten bei der S. vorlagen, profitierten von Informationen zu Vertragskonten im Telekommunikationsbereich. Sind allerdings zahlreiche Verträge von Unternehmen gemeldet, kann sich dies – statistisch gesehen – auch negativ auf den Bonitätsscore auswirken, denn mit jedem einzelnen Vertrag ist eine Zahlungsverpflichtung verbunden.“ Der am 14.08.2018, mithin vor nahezu 6 Jahren, abgeschlossene Mobilfunkvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten besteht unstreitig noch. Dass sich aus der von dem Kläger angeforderten Auskunft der S. zahlreiche gemeldete weitere Verträge von Unternehmen ergeben hätten und sich infolgedessen die Meldung des Mobilfunkvertrages mit der Beklagten negativ auf den Bonitätsscore ausgewirkt habe, behauptet der Kläger selbst nicht. […]