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Urteil : Wohlwollende Formulierung eines „negativen“ Zeugnisses : aus der RDV 1/2014, Seite 43 bis 44

(Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. November 2013 – 10 Sa 1440/13 –)

Archiv RDV
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Auch bei einer nicht guten Beurteilung der Leistung und des Verhaltens eines Arbeitnehmers muss das Arbeitszeugnis wohlwollend formuliert sein.

Sachverhalt:

Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nur noch um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger ein „wohlwollendes“ sich auf Führung und Leistung erstreckendes qualifiziertes Zeugnis zu erteilen.

Der Kläger war bei der Beklagten vom 9. März 2012 bis 31. März 2012 als Maschinenbediener und Programmierer in Vollzeit beschäftigt. Er hat neben anderen Ansprüchen von der Beklagten ein qualifiziertes, sich auf Führung und Leistung erstreckendes wohlwollendes Arbeitszeugnis verlangt.

Einwendungen gegen diesen Anspruch hatte die Beklagte erstinstanzlich nicht vorgebracht.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 23. April 2013 insoweit antragsgemäß verurteilt und zur Begründung ausgeführt, dass der Anspruch aufgrund der gesetzlichen Regelung in § 109 GewO begründet sei.

Gegen dieses dem Beklagtenvertreter am 15. Juli 2013 zugestellte Urteil hat dieser am 14. August 2013 für die Beklagte Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Verlängerung der Begründungsfrist am 15. Oktober 2013 begründet.

Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass der Kläger während des 77 Arbeitstage dauernden Arbeitsverhältnisses insgesamt 31 Tage gefehlt habe, davon 22 infolge Arbeitsunfähigkeit, 5 Tage wegen Fortbildung und 4 Tage unentschuldigt. Mit der Leistung sei die berufliche Verwendbarkeit des Klägers zu beurteilen, indem Aussagen zu Arbeitsbefähigung (Können), Arbeitsbereitschaft (Wollen), Arbeitsvermögen (Ausdauer), Arbeitsweise (Einsatz), Arbeitsergebnis (Erfolg) und Arbeitserwartung (Potential) sowie bei Vorgesetzten zur Führungsleistung zu treffen seien. Die Führung an sich sei im Bereich des Sozialverhaltens, also die Kooperations- und Kompromissbereitschaft und gegebenenfalls das Führungsverhalten und der Führungsstil, zu beurteilen.

Soweit der Kläger anwesend gewesen sei, sei sein Verhalten nicht positiv gewesen. Er habe Sicherheitsanweisungen nicht eingehalten, was zu drei Arbeitsunfällen geführt habe. Er habe die Anweisungen für die Benutzung des Gabelstaplers nicht eingehalten und habe dadurch andere Mitarbeiter gefährdet. Schließlich habe er Anweisungen für die Bedienung der Stanze nicht befolgt und dadurch Schäden verursacht. Dieses führe dazu, dass das Zeugnis nicht wohlwollend formuliert werden könne.

Aus den Gründen:

1. Der Kläger hat nach § 109 Abs. 1 Satz 3 GewO einen Anspruch auf ein sich auf seine Leistung und sein Verhalten erstreckendes qualifiziertes Zeugnis. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist ein Arbeitgeber auch bei einer nicht guten Beurteilung der Führung und Leistung eines Arbeitnehmers verpflichtet, ein Arbeitszeugnis wohlwollend zu formulieren. Allein ein wohlwollender Wortlaut eines Arbeitszeugnisses hindert den Arbeitgeber nicht, eine wahrheitsgemäße Beurteilung vorzunehmen.

2. Bereits am 8. Februar 1972 hat das Bundesarbeitsgericht im Verfahren 1 AZR 189/71 entschieden, dass bei der Wertung der Tragweite eines Zeugnisses zunächst gelte, dass dieses wahr sein müsse, auch wenn es von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren solle. Dieser das Zeugnisrecht beherrschende Grundsatz habe zur Folge, dass der Arbeitnehmer, wenn sich das Zeugnis auf sein Verlangen hin auf Leistung und Führung erstrecken solle, mit negativen Aussagen rechnen müsse, die für sein weiteres Fortkommen nachteilig sein könnten. Bekräftigt hat das Bundesarbeitsgericht diese Rechtsprechung am 9. September 1992 im Verfahren 5 AZR 509/91, indem es ausgeführt hatte, dass ein Zeugnis in erster Linie wahr sein müsse. Die Wahrheitspflicht umfasse alle Fragen des Zeugnisrechts. Andererseits solle es das Fortkommen des Arbeitnehmers nicht unnötig erschweren. Zwischen dem Wahrheitsgrundsatz und dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens bestehe ein Spannungsverhältnis. Ein Zeugnis könne nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein.

Zuletzt hatte das Bundesarbeitsgericht mit Urteil vom 11. Dezember 2012 im Verfahren 9 AZR 227/11 entschieden:

Ein Zeugnis soll zwar von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Dieser Grundsatz ist jedoch nicht geeignet, über die in § 109 GewO vom Gesetzgeber festgelegten Ansprüche bezüglich des Inhalts von Zeugnissen hinaus weitere Ansprüche von Arbeitnehmern zu begründen. Ein Zeugnis muss nur im Rahmen der Wahrheit verständig wohlwollend sein. Damit verpflichtet der „Wohlwollensgrundsatz“ den Arbeitgeber nur, bei der Erfüllung der durch § 109 GewO begründeten Pflichten Wohlwollen walten zu lassen. Der Grundsatz beschreibt nur das „Wie“ der Leistungserbringung und setzt insofern das Bestehen eines Anspruchs voraus.

3. Sofern danach die Beklagte meinen sollte, dass ihre Wahrheitspflicht bei der Zeugniserteilung zu negativen Aussagen über Führung und Leistung des Klägers führen würde, steht der Tenor der angefochtenen Entscheidung dem nicht entgegen. Denn auch in diesem Fall lässt sich ohne weiteres die wahre Führung und Leistung des Klägers beschreiben, ohne etwa herabwürdigende oder beleidigende Formulierungen zu wählen.