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Urteil : Keine Befreiung eines Angestellten, der als externer DSB eingesetzt wird, von der Pflichtmitgliedschaft in der Rentenversicherung : aus der RDV 1/2016, Seite 46 bis 49

(Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. April 2015 – L 2 R 507/14 –)

Archiv RDV
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Wenn der in einem Angestelltenverhältnis tätige Mitarbeiter die Aufgabe eines externen DSB für Auftraggeber seines Arbeitgebers wahrnimmt und gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen ist, hat er keinen Anspruch auf Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung.

(Nicht amtlicher Leitsatz)

Sachverhalt:

Der Kläger ist Volljurist. Er begehrt die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI bezogen auf seine bei der I. J. GmbH ausgeübte Haupttätigkeit.

Der Kläger schloss mit der K. GmbH (nachfolgend: Arbeitgeberin) am 5. November 2008 einen „Arbeitsvertrag“, wonach er zum 1. Januar 2009 als „Angestellter“ in die Dienste dieser Gesellschaft zu einem Monatsgehalt von 3.150 € (bei 13 Monatsgehältern) treten sollte; als Arbeitszeit waren wöchentlich 40 Stunden vereinbart.

Die geschäftliche Tätigkeit der Arbeitgeberin, die ausweislich ihrer Erklärung vom 29. September 2010 acht Volljuristen beschäftigt, besteht insbesondere darin, ihren Kunden den erforderlichen betrieblichen Datenschutzbeauftragten zur Verfügung zu stellen und diese hinsichtlich einer Verbesserung der IT-Sicherheit zu beraten und zu unterstützen. Dementsprechend besteht die berufliche Tätigkeit des Klägers schwerpunktmäßig darin, dass er für gewerblichen Kunden seines Arbeitgebers die Aufgaben eines (externen) betrieblichen Datenschutzbeauftragten unter Einschluss insbesondere der damit verbundenen Prüfung etwa von Verträgen und Betriebsvereinbarungen unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und der Durchführung datenschutzrechtlicher Schulungen wahrnimmt; diese Leistungen rechnet dann die Arbeitgeberin gegenüber den Kunden ab. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Akquise neuer Auftraggeber für seine Arbeitgeberin einschließlich der damit verbundenen Vertragsverhandlungen. Bei Bedarf berät der Kläger im Rahmen seiner hauptberuflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer auch die Geschäftsführung seines Arbeitgebers in rechtlichen Fragen etwa des Arbeitsrechts.

Mitte 2010 beantragte der Kläger die Zulassung als Rechtsanwalt aufgrund einer nebenberuflich ausgeübten anwaltlichen Nebentätigkeit bei der Rechtsanwaltskammer L.; die Zulassung erfolgte mit Wirkung zum 2. August 2010. Ausweislich der Bestätigung seines Arbeitgebers vom 29. September 2010 übt der Kläger diese (nebenberufliche) freiberufliche Anwaltstätigkeit frei von Weisungen aus; nach Maßgabe der Erklärung seines Arbeitgebers vom 1. Juli 2010 darf er anwaltliche Termine und Besprechung auch während der Dienststunden wahrnehmen.

Dementsprechend wurde mit Wirkung zum 2. August 2010 seine Mitgliedschaft in dem zu 3. beigeladenen Rechtsanwaltsversorgungswerk Niedersachsen (RVN) begründet. Anfang 2015 wechselte der Kläger von der Rechtsanwaltskammer L. zur Hanseatischen Rechtsanwaltskammer M. und gehört seitdem der zu 1. beigeladenen Hanseatischen Rechtsanwaltsversorgung M. an.

Mit Antrag vom 18. August 2010 begehrte der Kläger die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht aufgrund seiner erneuten Mitgliedschaft in einem Rechtsanwaltsversorgungswerk.

Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Januar 2011 lehnte die Beklagte den Befreiungsantrag mit der Begründung ab, dass der Kläger für seinen Arbeitgeber keine anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 6 SGB VI ausübe, da für diese objektiv nicht zwingend die Qualifikation eines Volljuristen erforderlich sei.

Zur Begründung der am 10. Februar 2011 erhobenen Klage hat der Kläger insbesondere hervorgehoben, dass sein Arbeitgeber für die von ihm im Hauptberuf wahrgenommene Position gezielt einen Volljuristen gesucht habe. Für die Tätigkeit seien fundierte juristische Fähigkeiten und Kenntnisse insbesondere des Datenschutzrechts erforderlich. Im Rahmen der Beratungen der Kunden seines Arbeitgebers erteile er rechtliche Verhaltensempfehlungen; in seiner Funktion als externer Datenschutzbeauftragter der Kunden habe er beispielsweise rechtliche Entscheidungen über die Freigabe von Datenverarbeitungsanlagen vorzunehmen. Auch obliege ihm die Kommunikation für die Kunden mit den Datenschutzaufsichtsbehörden.

Mit Gerichtsbescheid vom 16. September 2014, dem Kläger zugestellt am 22. September 2014, hat das Sozialgericht Stade die Klage unter Heranziehung insbesondere der Urteile des BSG vom 3. April 2014 (B 5 RE 3, 9 und 13/14 R) abgewiesen.

Aus den Gründen:

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.

II. In der Sache vermag der Kläger mit seinem Befreiungsbegehren auch im Berufungsverfahren nicht durchzudringen.

Materiell-rechtlich einschlägig ist § 6 Abs. 1 S 1 Nr 1 SGB VI. Danach werden von der Versicherungspflicht befreit Beschäftigte und selbständig Tätige für die Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Versicherungseinrichtung oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe (berufsständische Versorgungseinrichtung) und zugleich kraft gesetzlicher Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Kammer sind, wenn

a) am jeweiligen Ort der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit für ihre Berufsgruppe bereits vor dem 1.1.1995 eine gesetzliche Verpflichtung zur Mitgliedschaft in der berufsständischen Kammer bestanden hat,

b) für sie nach näherer Maßgabe der Satzung einkommensbezogene Beiträge unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sind und

c) aufgrund dieser Beiträge Leistungen für den Fall verminderter Erwerbsfähigkeit und des Alters sowie für Hinterbliebene erbracht und angepasst werden, wobei auch die finanzielle Lage der berufsständischen Versorgungseinrichtung zu berücksichtigen ist.

Der Kläger wird im Rahmen seiner für die K. GmbH ausgeübten Haupttätigkeit abhängig beschäftigt (§ 7Abs. 1 S 1 SGB IV). Der Klägerin verrichtet bei diesem Arbeitgeber als datenschutzrechtlicher Mitarbeiter nichtselbständige Arbeit in einem Arbeitsverhältnis im Sinne der §§ 611 ff BGB. Der Kläger und die K. GmbH haben diese Tätigkeit in dem Arbeitsvertrag selbst ausdrücklich und in rechtlich zutreffender Wertung als eine Arbeitnehmertätigkeit eingestuft.

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Bei untergeordneten und einfacheren Arbeiten ist eher eine Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation anzunehmen (BSG, Urteil vom 28. September 2011 – B 12 R 17/09 R –, SGb 2011, 633).

Ohnehin beinhaltet eine Weisungsgebundenheit im Sinne der vorstehend erläuterten Rechtsprechung keineswegs, dass fortlaufend Einzelweisungen auszusprechen sein müssen. Maßgeblich ist vielmehr, wie dargelegt, die entsprechende Rechtsmacht, also die jedenfalls im beruflichen Alltag tatsächlich akzeptierte Befugnis, im Bedarfsfall (und mag dieser auch nur eher selten auftreten) auch konkrete Anweisungen erteilen zu können.

„Aus der Natur der Tätigkeit“ sich ergebende Freiräume, die in gleicher Weise für eine angestellte Kraft bestehen, vermögen überdies von vornherein kein maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung einer selbstständigen Tätigkeit von einer abhängigen Beschäftigung zu bilden (BSG, Urteil vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R –, SozR 4-2400 § 7 Nr 15). Soweit etwa § 4f Abs. 3 Satz 2 BDSG vorsieht, dass ein Datenschutzbeauftragter in Ausübung seiner Fachkunde auf dem Gebiet des Datenschutzes weisungsfrei tätig wird, gilt dies schon im Ausgangspunkt gleichermaßen auch für abhängig beschäftigte Datenschutzbeauftragte; ein Anhaltspunkt für eine selbständige Tätigkeit lässt sich daraus schon im Ausgangspunkt nicht entnehmen.

Außerhalb dieser spezifischen Ausübung der Fachkunde bei der Wahrnehmung von Tätigkeiten eines Datenschutzbeauftragten ist ohnehin eine Bindung des Klägers im Rahmen seiner Haupttätigkeit an Weisungen des Arbeitgebers mit dem Abschluss des Arbeitsvertrages begründet und auch im Rahmen der nachfolgenden tatsächlichen Umsetzung nicht abbedungen worden.

Die Erwerbstätigkeit des Klägers bei der GmbH kann dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden. Aufgrund dieser abhängigen Beschäftigung als (externer) Datenschutzbeauftragter ist der Kläger nicht Pflichtmitglied einer berufsständigen Versorgungseinrichtung geworden; die entsprechenden landesrechtlichen Vorgaben über eine Pflichtmitgliedschaft in dem jeweiligen Rechtsanwaltsversorgungswerk eröffnen gar nicht die Möglichkeit, aufgrund einer abhängigen Beschäftigung als (externer) Datenschutzbeauftragter der berufsständischen Versorgungseinrichtung beizutreten. Bezeichnenderweise hat auch der Kläger seinerseits davon abgesehen, im zeitlichen Zusammenhang mit der Aufnahme seiner Tätigkeit als abhängig beschäftigter Datenschutzbeauftragter um eine Aufnahme in das berufsständische Versorgungswerk aufgrund dieser Tätigkeit auch nur nachzusuchen. Anlass für die Begründung der Kammermitgliedschaft im August 2010 war auch gar nicht seine Haupttätigkeit für die K. GmbH, sondern die daneben freiberuflich aufgenommene anwaltliche Nebentätigkeit.