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Datenschutzrechtliche Zulässigkeit von Lehrer- Meldeportalen

Mehrere Landtagsfraktionen der Partei Alternative für Deutschland (AfD) betreiben Meldeportale im Internet*, auf denen sie Schüler und Eltern auffordern, Meldungen über Lehrer abzugeben, die gegen das Neutralitätsprinzip der Schule verstoßen sollen. Dieser Beitrag hat das Ziel, die rechtliche Zulässigkeit dieser Meldeportale nach dem neuen Datenschutzrecht zu untersuchen.

Hannes BergerArchiv RDV
Lesezeit 20 Min.

I. Einleitung

Äußerst medienwirksam und von kontroversen Debatten begleitet, haben mehrere Landtagsfraktionen der Partei AfD Meldeportale eingerichtet, über die an die Fraktionen Mitteilungen und Meldungen eingereicht werden sollen, die Situationen über Verstöße der Neutralität an Schulen schildern. Diese Meldeportale werden beispielsweise von den AfD-Fraktionen der Länder Berlin, Hamburg und Sachsen betrieben. Auf den Portalen werden Schüler sowie deren Eltern direkt angesprochen und aufgefordert, entsprechende Mitteilungen an die Fraktionen zu übermitteln. Die Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus bietet demzufolge an: „Berichte über mutmaßliche Verstöße gegen das Neutralitätsgebot können uns vertraulich über unser Kontaktformular gesendet werden.“ Die Fraktion in Hamburg fordert ganz ähnlich auf: „Mutmaßliche Verstöße gegen das Neutralitätsgebot können uns vertraulich über das folgende Kontaktformular oder über eine Nachricht an die unten angegebene E-Mail-Adresse berichtet werden.“ Die AfD-Fraktion des Sächsischen Landtags geht hierbei noch einen Schritt weiter und spricht die Schüler mit einer Aufforderung direkt an: „Füll das Formular aus und beschreibe so gut wie möglich die Situation. Es kann auch ein Bild angehängt werden, denn manchmal sagt das mehr als 1.000 Worte.“ Insbesondere die Aufforderung zum Hochladen von Bildern weckt dabei juristische Aufmerksamkeit, heißt dies schließlich nichts anderes, als dass von entsprechenden Situationen im Schulbereich auch Bilder, naheliegend über Smartphones der Schüler, überhaupt erst angefertigt werden müssen.

 

II. Zulässigkeit nach der Datenschutz-Grundverordnung?

In erster Linie drängen sich nun Fragen der Rechtmäßigkeit solcher Meldeportale nach dem aktuellen Datenschutzrecht auf.

1. Anforderungen an die Datenverarbeitungen

Aus der Sicht des Datenschutzes werfen Internetportale, über die personenbezogene Daten eingestellt, gespeichert und weiterverarbeitet werden, immer Rechtsfragen auf. Seit Mai 2018 ist der einschlägige Rechtsrahmen für den Datenschutz in Europa durch die unmittelbar geltende Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) ausgefüllt. Im Folgenden ist zu untersuchen, ob die Meldeportale der AfD-Fraktionen überhaupt personenbezogene Datenverarbeitungen sind, welche Pflichten sich daraus für den Datenverarbeiter ergeben und ob die Meldeportale mit den rechtlichen Anforderungen der DS-GVO übereinstimmen.

a) Anwendungsbereich der DS-GVO eröffnet? Meldeportale als Datenverarbeitung

Zunächst ist zu fragen, ob die DS-GVO für die in Frage stehenden Meldeportale überhaupt anwendbar ist. Der Anwendungsbereich der DS-GVO nach Art. 2 Abs. 1 „gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.“

aa) Personenbezug

Die Meldeportale müssten also eine personenbezogene Verarbeitung darstellen. Dafür müssten die über die Kontaktformulare mitgeteilten Informationen zunächst einen Personenbezug aufweisen. Insofern lässt sich die Definition personenbezogener Daten nach Art. 4 Nr. 1 DS-GVO („alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen“) für die Meldungen und Übertragungen über die Meldeportale heranziehen. Personenbezogen sind die Mitteilungen der Schüler oder Eltern demzufolge deshalb, weil sie direkt an das mutmaßliche Verhalten einzelner Lehrkräfte anknüpfen und gezielt Daten wie Name, Tätigkeit oder situationsbezogenes Verhalten dieser Lehrer enthalten sollen. Damit beziehen sich die Meldungen auch nach ihrer Zweckbestimmung auf natürliche Personen, nämlich Lehrer und Lehrerinnen.

bb) Verarbeitung

Weiterhin müsste der Umgang mit den hochgeladenen Informationen über die Lehrerinnen und Lehrer eine Verarbeitung darstellen. Eine Verarbeitung dieser personenbezogenen Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO liegt vor, da Aspekte der Erhebung, Erfassung, Speicherung, Verwendung und Verbreitung zweifelsfrei im Meldevorgang und der Auswertung der Meldungen durch die Fraktionen sowie im Weiterreichen an Schulen und Schulbehörden zu erkennen sind. Daran ändern auch Erklärungen der Fraktionen (wie etwa: „Es werden keine Namen oder andere schutzbedürftige Angaben veröffentlicht“) nichts, denn für die Einschätzung als Verarbeitung kommt es nicht darauf an, ob diese Daten später veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung ist nur eine Art der Verarbeitung. Bereits die Übermittlung an die AfD-Fraktionen sowie deren Speichern und Auswerten der Daten stellen mehrere Verarbeitungsschritte dar.

cc) Dateisystem

Schließlich müssten diese personenbezogenen Datenverarbeitungen in einem Dateisystem (Art. 4 Nr. 6 DS-GVO) stattfinden. Diese werden in Art. 4 Nr. 6 DS-GVO definiert als „jede strukturierte Sammlung personenbezogener Daten“. Über die Meldeportale rufen die AfD-Fraktionen dazu auf, Informationen über die Schule, die entsprechende Stadt, das Datum, die eigentliche Meldung sowie gar Bilder zu der Meldung hochzuladen. Die Meldeportale sind deshalb eine Form der strukturierten Sammlung, weil sie in systematischer Weise zur Informationsanhäufung mit spezifischen Angaben über Zeit, Ort, Situation, handelnde Personen und Institutionen aus dem öffentlichen Schulbereich dienen. Insofern liegt auch eine Speicherung in einem Dateisystem vor. Indem die Meldeportale personenbezogene Datenverarbeitungen in einem Dateisystem darstellen, ist der Anwendungsbereich des europäischen Datenschutzrechts nach Art. 2 Abs. 1 DS-GVO eröffnet, mit der Folge, dass alle Pflichten der Verarbeiter, die die DS-GVO vorsieht, auch die AfD-Fraktionen betreffen und dass insbesondere strenge Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit solche Datenverarbeitungen überhaupt zulässig sind.

b) Informationspflichten des Verarbeiters

Ist die Anwendung der DS-GVO eröffnet, weil die Meldeportale der AfD-Fraktionen personenbezogene Datenverarbeitungen in Dateisystemen darstellen, dann knüpfen sich daran spezifische Informationspflichten des Datenverarbeiters. Ein Datenverarbeiter ist die verantwortliche natürliche oder juristische Person, die über die Zwecke und Mittel der Datenverarbeitung entscheidet (Art. 4 Nr. 7 DS-GVO), im vorliegenden Fall also die jeweilige Landtagsfraktion der AfD, die ein solches Meldeportal betreibt. Im speziellen Fall der Meldeportale erfolgt die Datenerhebung nicht direkt bei den Betroffenen. Denn die AfD-Fraktionen sammeln nicht unmittelbar personenbezogene Daten bei den Lehrern, etwa durch Anfragen, Verträge oder Mitteilungen durch die Lehrkräfte. Vielmehr ist das, was über die Meldeportale stattfindet, eine Erhebung von Daten über die Betroffenen bei Dritten. Denn es sind ausdrücklich Schüler und deren Eltern, die auf den Portalen aufgerufen werden, Meldungen über ihre Lehrer und über Geschehnisse an der Schule zu erstatten. Werden von den AfD-Fraktionen die personenbezogenen Daten also gar nicht direkt beim Betroffenen erhoben, dann knüpft die DS-GVO, aufgrund der besonderen Schutzwürdigkeit des Betroffenen in dieser Situation, strenge Informationspflichten an den Verantwortlichen. Nach Art. 14 Abs. 1 und 2 DS-GVO ist es die Pflicht des Verantwortlichen, den von der Datenverarbeitung Betroffenen ausführlich über die Erhebung und Verarbeitung aktiv zu informieren. Informiert werden muss etwa über die Kontaktdaten des Verantwortlichen, die Zwecke der Datenverarbeitung, die Rechtsgrundlage sowie die mögliche Weitergabe der Daten. Außerdem verlangt Art. 14 Abs. 2 DS-GVO, dass der Betroffene insbesondere über seine Widerspruchs- und Beschwerderechte informiert werden muss.

Auf den konkreten Fall angewendet, bedeutet dies, dass die AfD-Fraktionen verpflichtet sind, die betroffenen Lehrerinnen und Lehrer, über die personenbezogene Daten über die Portale gemeldet werden, aktiv und auf eigene Initiative hin zu informieren und dabei die Angaben nach Art. 14 Abs. 1 und 2 DS-GVO zu machen. Die AfD-Fraktionen können sich nicht damit begnügen zu warten, bis der einzelne Lehrer nachfragt, ob ihn betreffende Daten über das Portal eingegangen sind. Zweck dieser Regelung ist, den Betroffenen einen größeren Schutz zu gewähren, da sie sich in einer besonders persönlichkeitsgefährdenden Situation befinden. Eine Datenerhebung ohne das Wissen der Betroffenen „ist einer der sensibelsten Bereiche der Datenerhebung, da er außerhalb des Einfluss- und Kenntnisbereiches des Betroffenen stattfindet“. Die Informationspflicht des Art. 14 DS-GVO verlangt daher ein aktives und eigeninitiatives Informieren der betroffenen Lehrer innerhalb eines Monats.

c) Allgemeine Voraussetzungen der Zulässigkeit: Einhaltung des Zweckbindungsgrundsatzes

Unabhängig von den Informationspflichten nach Art. 14 DS-GVO, die in jedem Fall bestehen, könnten die Meldeportale gegen das Datenschutzrecht verstoßen und damit rechtswidrig sein. Die Rechtmäßigkeit einer Datenverarbeitung bestimmt sich nach den Artikeln 5 und 6 DS-GVO. Um im konkreten Fall die Rechtmäßigkeit zu erörtern, muss auf die Datenschutzerklärungen für die einzelnen Meldeportale geschaut werden. Betrachtet werden hier die Meldeportale der AfD-Fraktionen Berlins, Hamburgs und Sachsens.

aa) Zweckbindung des Meldeportals Hamburg

Zunächst weist die Datenschutzerklärung der AfD-Fraktion Hamburg erhebliche Lücken auf. Für die Meldungen, die über mutmaßliche Vorfälle an Hamburger Schulen und Fehlverhalten von Lehrern erstattet werden sollen, findet sich in der entsprechenden Datenschutzerklärung keinerlei genauere Beschreibung der Zwecke und der Art der Datenverarbeitung in Bezug auf schulpolitische Fragen. Die Zweckbindung nach Art. 5 Abs. 1 lit. b DS-GVO ist einer der zentralen Grundsätze des Datenschutzrechts; erst die Zweckbindung legitimiert eine Datenverarbeitung. Für die Wirksamkeit der Zweckbindung muss der Zweck der Datenverarbeitung im Vorfeld festgelegt und eindeutig beschrieben werden. Indem die Datenschutzerklärung der AfD-Fraktion Hamburg die Datenverarbeitungen in Bezug auf die schulpolitischen Meldungen gar nicht erwähnt, erfüllt das Portal der AfD-Fraktion Hamburg bereits nicht die allgemeine Anforderung der Zweckbindung gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. b DS-GVO und ist damit unzulässig. Diese Unzulässigkeit ergibt sich für das Meldeportal der AfD-Fraktion Hamburgs weiterhin aus der Widersprüchlichkeit des datenschutzbezogenen Verhaltens. Während auf der Seite des Meldeportals dazu aufgefordert wird, Mitteilungen über Lehrerverhaltensweisen hochzuladen, die ihrer Natur nach zumeist personenbezogen sein dürften, behauptet die zu diesem Portal festgelegte Datenschutzerklärung unter Punkt 2.4: „Wir fordern keine personenbezogenen Daten von Kindern und Jugendlichen an, sammeln diese nicht und geben sie nicht an Dritte weiter.“ Dieses widersprüchliche Verhalten dürfte bereits im Allgemeinen unzulässig sein und verstößt in jedem Fall gegen den Zweckbindungsgrundsatz der DS-GVO.

bb) Zweckbindung des Meldeportals Berlin

Die Datenschutzerklärung für das Meldeportal der AfD-Fraktion Berlins verkennt die datenschutzrechtlichen Anforderungen noch evidenter, da hier weder festgelegte und eindeutige Zwecke für die schulpolitischen Datenmeldungen bestimmt werden noch überhaupt der zutreffende Rechtsrahmen erkannt wurde. Der Datenschutzerklärung der Berliner Fraktion mangelt es gänzlich an der Erwähnung und Verweisung auf die europäische Datenschutz-Grundverordnung, auf ihre Informationspflichten, Betroffenenrechte und Zulässigkeitskriterien. Damit ist der Verstoß des Berliner Meldeportals gegen die Grundvoraussetzungen der Art. 5 und 6 DS-GVO ebenso klar gegeben.

cc) Zweckbindung des Meldeportals Sachsen

Zwar enthält das Meldeportal der AfD-Fraktion Sachsen eine wesentlich detailliertere Datenschutzerklärung. Auf die genauen Zwecke des Meldeportals „lehrersos.de“ wird darin jedoch auch nicht eingegangen. Lediglich die Zwecke der verwendeten Cookies (bessere Benutzbarkeit der Seite), des Kontaktformulars (Bearbeitung und Kontaktaufnahme), Werbung und Profiling (Direktwerbung), Google-Analytics (Analyse der Besucherströme), Google AdWords (Einblendung auf Internetseiten von Drittanbietern), Twitter und Instagram (Weiterverbreitung der Inhalte) werden genannt. Die systematische Sammlung von Informationen schulpolitischer Art findet sich in dieser Festlegung der Verarbeitungszwecke ebenfalls nicht. Immerhin findet sich aber an anderer Stelle des Meldeportals der sächsischen AfD-Fraktion folgende Erklärung: „Sollte ein begründeter Anfangsverdacht auf einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot oder eine andere diesbezügliche Rechtsvorschrift vorliegen, bieten wir an, den Vorgang unter Wahrung der Persönlichkeitsrechte an die Schulbehörde zur Überprüfung weiterzuleiten. Um den Hinweis auf einen begründeten Anfangsverdacht überprüfen zu können, teilen Sie uns bitte ihre E-Mail-Adresse oder ihre Telefonnummer mit, damit wir uns mit Ihnen in Verbindung setzen können. Die Schulbehörde ist bei tatsächlich vorliegenden Neutralitätsverstößen verpflichtet, dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahmen durchzuführen.“ Unter gewissem Auslegungsaufwand ließen sich aus dieser Formulierung folgende Zwecke ableiten: Zweck der Sammlung und Speicherung von Informationen über schulische Vorfälle; Zweck der eigenen Auswertung, ob bei diesen Vorfällen Neutralitätsverstöße vorliegen; Zweck des Hervorrufens disziplinarrechtlicher und arbeitsrechtlicher Konsequenzen durch die Weitergabe an die Schulbehörden. Die Meldeportale der AfD-Landtagsfraktionen Hamburgs und Berlins erfüllen diesen Ausführungen zufolge die allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung der Zweckbindung nach Art. 5 Abs. 1 DS-GVO nicht, wodurch bereits ihre Unzulässigkeit festgestellt werden muss. Das sächsische Meldeportal „lehrersos.de“ kann, zumindest unter erheblicher Auslegung, eine vorab formulierte Festlegung der Erhebungszwecke aufweisen. Damit erfüllt allein das sächsische Portal die allgemeine Voraussetzung der Zulässigkeit.

d) Spezielle Voraussetzung der Zulässigkeit: Rechtsgrundlage nach Art. 6 DS-GVO für das sächsische „lehrersos.de“

Neben der Einhaltung der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzung der Zweckbindung müsste sich das sächsische Meldeportal weiterhin auf eine gültige Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO stützen können, um zulässig und rechtmäßig zu sein. Die Datenschutzerklärung des Meldeportals „lehrersos.de“ führt mehrere Rechtsgrundlagen an, die im Folgenden geprüft werden.

aa) Wirksame Einwilligung

Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen auf dem Meldeportal „lehrersos.de“, betrieben von der AfD-Fraktion Sachsen, sei gemäß Datenschutzerklärung zunächst die Einwilligung nach Art. 6 Abs. 1 lit. a DS-GVO. In der vorliegenden Verarbeitungssituation dürfte die Einwilligung in den allermeisten Fällen keine zutreffende Rechtsgrundlage sein, da hier nicht die Lehrer personenbezogene Daten über sich selbst aufgrund einer Einwilligung hochladen, sondern Dritte, nämlich, wie durch das Portal bezweckt, die Schüler oder deren Eltern. Für eine wirksame datenschutzrechtliche Einwilligung besteht aber nach Art. 7 DS-GVO die Voraussetzung, dass der Betroffene sie selbst abgegeben hat. Die Lehrer als Betroffene haben ihre Einwilligung bei einer Meldung durch Schüler jedoch nicht abgegeben. Insofern kann eine wirksame Einwilligung, an die die DS-GVO hohe Anforderungen stellt, von vornherein nicht als Rechtsgrundlage für Datenverarbeitungen von personenbezogenen Daten, die sich auf Lehrer beziehen, herhalten.

bb) Vertragliche Grundlage

Sodann verweist die AfD-Fraktion Sachsen als weitere Rechtsgrundlage auf Art. 6 Abs. 1 lit. b DS-GVO. Dieser erfordert zur Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitungen einen wirksamen Vertrag zwischen Datenverarbeiter und Betroffenem. Dass ein betroffener Lehrer aufgrund seiner Privatautonomie einen Vertrag mit der AfD-Landtagsfraktion abschließt, damit über deren Portal personenbezogene Meldungen über diesen Lehrer verarbeitet werden, ist ebenfalls auszuschließen. Auch diese angeführte Rechtsgrundlage kommt nicht in Betracht für die Verarbeitung von auf Lehrer bezogenen Daten.

cc) Rechtliche Verpflichtung

Gleiches gilt weiterhin für die von der AfD-Fraktion Sachsen angeführte rechtliche Verpflichtung nach Art. 6 Abs. 1 lit. c DS-GVO. Diese Norm erlaubt Datenverarbeitungen dann, wenn sie aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung des Verantwortlichen erforderlich ist. Die AfD-Fraktion Sachsen müsste also aufgrund einer Rechtsnorm zur Sammlung von Daten über sächsische Lehrer und Lehrerinnen verpflichtet sein. Die rechtlichen Aufgaben der Fraktionen im Sächsischen Landtag sind in § 1 Abs. 4 des Sächsischen Fraktionsrechtsstellungsgesetzes (FrakG) aufgeführt. Dort heißt es: „Die Fraktionen dienen der politischen Willensbildung im Sächsischen Landtag nach den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie. Sie koordinieren die Kontrolle der Staatsregierung, unterstützen die politisch-parlamentarische Tätigkeit ihrer Mitglieder nach innen und außen einschließlich darauf bezogener spezifischer Schulungsmaßnahmen im Einzelfall und ermöglichen ein aufeinander abgestimmtes Verfolgen gemeinsamer politischer Ziele. Sie können insbesondere mit anderen Fraktionen zusammenarbeiten, regionale und überregionale sowie internationale Kontakte pflegen. Die Fraktionen dürfen die Öffentlichkeit über ihre Ziele und Tätigkeit informieren; sie dürfen sich dabei auch mit gesellschaftspolitischen Fragen befassen, die mit ihrer Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang stehen.“ Politische Willensbildung, Regierungskontrolle, Schulungsmaßnahmen, gesellschaftspolitische Fragen; diese Aufgabenbeschreibungen sind bewusst sehr allgemein gehalten, um den Fraktionen eine weitreichende politische Betätigung zu ermöglichen, denn gerade dies ist ihr gesellschaftlicher wie auch gesetzlicher Auftrag. Eine rechtliche Verpflichtung zur systematischen Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten über Lehrer ist hierin aber nicht zu sehen, da es bereits völlig an der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Berechtigung zur Datenverarbeitung, zur Definierung der Verarbeitungszwecke und der Grenzen der Verarbeitung fehlt. Die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an die Normenklarheit und Bestimmtheit von Vorschriften über personenbezogene Datenverarbeitungen ist eindeutig; wird sie übertragen auf § 1 Abs. 4 FrakG, dann ist es unzweifelhaft, dass diese allgemeine Aufgabennorm für Landtagsfraktionen nicht als rechtliche Verpflichtung zur Datensammlung herhalten kann. Damit scheidet auch die dritte von der AfD-Fraktion Sachsen angeführte Rechtsgrundlage für ihr Lehrermeldeportal aus.

dd) Lebenswichtige Interessen

Als vierte Rechtsgrundlage wird von der AfD-Fraktion Sachsen Art. 6 Abs. 1 lit. d DS-GVO angeführt. Hiernach sind Datenverarbeitungen rechtmäßig, um lebenswichtige Interessen der Betroffenen oder anderen Personen zu schützen. Da hierbei der europäische Gesetzgeber an den Vorrang des Schutzes lebenswichtiger Interessen gegenüber dem Datenschutz in besonderen Notsituationen wie Epidemien, humanitären Notfällen und anderen Naturkatastrophen gedacht hat, ist die Anführung als Datenschutzrechtsgrundlage für ein Meldeportal über Lehrer schlichtweg abwegig. Auch diese Rechtsgrundlage trifft damit nicht zu.

ee) Berechtigte Interessen des Verantwortlichen

Schließlich wird von der AfD-Fraktion Sachsen die Rechtsgrundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO angeführt. Dieser Buchstabe f erklärt Datenverarbeitungen dann für rechtmäßig, wenn sie „zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich [sind], sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen“. Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO ist eine zentrale Abwägungsklausel zwischen dem berechtigten Interesse des Verarbeiters und den Grundrechten des Betroffenen. Zunächst muss bestimmt werden, ob überhaupt ein berechtigtes Interesse des Verarbeiters vorliegt. Ein solches kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Natur sein. Wie oben gezeigt, kommt für eine sächsische Landtagsfraktion (§ 1 Abs. 4 FrakG) nur das Interesse an der politischen Meinungsbildung oder an der Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Sachverhalten in Frage. Im besten Falle also ließe sich hier das berechtigte Interesse an Datenverarbeitungen über das Lehrerportal begründen, um Daten über die politische Meinungsauseinandersetzung an Schulen in Sachsen zu erhalten und daraufhin eine schulpolitische Meinungsbildung in der Fraktion zu betreiben. Im nächsten Schritt muss geprüft werden, ob dieses Interesse des Verarbeiters gegen die Rechtsordnung der Europäischen Union verstößt. In Frage kommt hier etwa Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO, wonach eine Datenverarbeitung nicht gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen darf. Der Grundsatz von Treu und Glauben betrifft die Art und Weise der Rechtsausübung im Verhältnis zwischen dem Datenverarbeiter, also die AfD-Fraktion Sachsen, und den Betroffenen, also den Lehrerinnen und Lehrern, über die personenbezogene Daten gemeldet werden. Dabei geht es um eine faire Verarbeitung von Daten, die eine unzulässige Rechtsausübung durch den Verarbeiter zum Nachteil der betroffenen Personen verbietet. „Treu und Glauben widerspricht es deshalb, wenn die Verarbeitung ohne oder durch unzureichende Kenntnis des Betroffenen erfolgt oder ihrer Art oder ihrem Umfang nach mit dessen durch den Verantwortlichen geweckten Erwartungen nicht im Einklang steht.“ Ein Lehrer an einer öffentlichen Schule kann üblicherweise erwarten, dass er im Rahmen seines schulrechtlichen Auftrages zur pluralistischen Meinungsbildung nicht damit rechnen muss, dass Schüler oder deren Eltern ohne sein Wissen personenbezogene Daten über sein mutmaßliches Fehlverhalten auf eine Meldeplattform einer Landtagsfraktion hochladen. Insofern sind bereits die Erwartungen eines Lehrers als Betroffenem nicht vereinbar mit der Art der Datenerhebung über ein Meldeportal. Da die Lehrer außerdem gar keine Kenntnis über die Meldung sie betreffender personenbezogener Daten über das Portal haben, verstößt die Verarbeitung von auf Lehrer bezogene Daten über das Meldeportale „lehrersos.de“ gegen den Grundsatz von Treu und Glauben nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO. Durch diesen Rechtsverstoß kann es auch keine zulässige Rechtsgrundlage nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO geben. Die AfD-Landtagsfraktion Sachsen mag zwar ein Interesse an diesen Datenverarbeitungen haben, die Art der Datenverarbeitung verstößt jedoch bereits gegen Europäisches Recht.

Selbst wenn dieser Verstoß gegen Treu und Glauben nicht vorläge, würde die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO im Weiteren scheitern. In diesem Fall müsste das berechtigte Interesse der AfD-Fraktion an der Datenverarbeitung abgewogen werden gegen die Schutzinteressen der betroffenen Lehrer. Zunächst verlangt Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO, dass die Datenverarbeitung für die berechtigten Interessen des Verarbeiters erforderlich ist (Wortlaut, 1. Hs.). Die Abwägung dürfte im Hinblick auf die Erforderlichkeit zugunsten der Schutzinteressen der Betroffenen ausfallen, weil bereits die Frage nach einem weniger eingriffsintensiven Datenverarbeitungsprozess (etwa anonymisierte Meldungen, keine Bilder) ergäbe, dass die schulpolitische Meinungsbildung der Fraktion (§ 1 Abs. 4 FrakG) auch auf mildere Art und Weise als durch Meldeportale mit der Aufforderung zum Hochladen von Bildern der Lehrer erreicht werden könnte. Andererseits sind die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Lehrer deshalb weit überwiegend, da die betriebenen Meldeportale die Grundrechte der Lehrer auf Persönlichkeitsschutz (Informationelle Selbstbestimmung und Recht am eigenen Bild aus Art. 2 Abs. 1 GG) empfindlich beeinträchtigen. Das Überwiegen der Interessen und der Grundrechte der betroffenen Lehrer ergibt sich zunächst daraus, dass sie vernünftigerweise nicht mit einer Datenverarbeitung rechnen müssen. Sie haben also eine erhöhte Schutzwürdigkeit. Weiterhin kommt eine unangemessene Beeinträchtigung der Persönlichkeitsrechte der Lehrer deshalb in Betracht, weil den Meldeportalen eine Stigmatisierungswirkung und eine Prangerwirkung innewohnt, die schwerwiegende Auswirkungen auf das Ansehen und die Sozialsphäre der betroffenen Lehrer haben kann. Denn gerade in der Zielrichtung des von der AfD-Fraktion betriebenen Meldeportals liegt der Unterschied zur Rechtsprechung des BGH zu Lehrerbewertungsportalen wie „spick-mich.de“.

Der BGH hatte für das Portal „spick-mich.de“ in der Angabe der Namen der Lehrer, der Schule, des Unterrichtsfachs und der Abgabe einfacher Bewertungen über Lehrer anhand der schulischen Notenskala von 1-6 keine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Lehrer angenommen. Denn es gebe bei „spick-mich.de“ keine Anhaltspunkte für eine generelle Prangerwirkung dieser Form der Präsentation und Bewertung der Lehrer durch Noten und allgemeine Angaben. Die Bewertung der betroffenen Lehrer diene nur dem allgemeinen Informationsinteresse der Nutzer des Portals und habe keine persönlichkeitsschädigenden Auswirkungen, die ein Überwiegen der Interessen der Lehrer begründen könnten.

Diese Rechtsprechung kann nicht auf das Meldeportal der AfD-Fraktion Sachsen übertragen werden, weil die Art der Informationen und auch die Art der Weiterverwendung anders gelagert ist als in der Spick-mich-Rechtsprechung. Dies ergibt sich erstens aus der Art der Informationen, die gemeldet werden sollen. Das sächsische Meldeportal ruft nicht nur auf, Name und Lehrfach oder eine einfache Notenbewertung abzugeben, sondern es stellt explizit auf mögliches negatives Fehlverhalten der Lehrkräfte ab und ruft zudem explizit auf, Bilder darüber hochzuladen. Damit haben die entsprechend gemeldeten Informationen nicht nur eine „geringe Aussagekraft“, wie sie der BGH in der Spick-mich-Entscheidung erkannte, sondern sie beinhalten eine tiefe und sehr verhaltensspezifische Aussagekraft über einzelne Lehrpersonen mit potentiell negativem Charakter. Zweitens ergeben die spezifische Funktion des Meldeportals „lehrersos.de“ und der mit der Verarbeitung der Meldungen verfolgte Zweck ohne Zweifel eine Prangerwirkung für die betroffenen Lehrer. Denn, so explizit die Aussage auf „lehrersos.de“, die Meldungen sollen von der AfD-Fraktion geprüft und an die zuständige Schulbehörde weitergegeben werden, um „dienst- oder arbeitsrechtliche Maßnahmen“ zu provozieren. Mit dieser Form des Aufrufs zur Meldung von mutmaßlichen Verstößen von Lehrern zum Zwecke des Hervorrufens von negativen Sanktionen und Konsequenzen für die Betroffenen ist eine denunziatorische Zielrichtung verbunden, die die Betroffenen gegenüber öffentlichen Behörden an den Pranger stellt. Damit wird das sogenannte shaming der betroffenen Lehrer verfolgt. Von einer solchen spezifischen Gestaltung und Zweckrichtung des Meldeportals geht eine Prangerwirkung aus.

Übt das Meldeportal der AfD-Fraktion Sachsen eine Prangerwirkung aus, dann muss dieser Umstand bei der Abwägung der Interessen des Plattformbetreibers mit den Schutzinteressen und den Grundrechten der betroffenen Lehrer berücksichtigt werden (Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO). Da es einerseits nicht erforderlich ist, Bilder über die Portale hochzuladen, um die schulpolitischen Zwecke der AfD-Fraktion zu verfolgen, und da andererseits von der verfolgten Absicht, durch die Meldungen negative Sanktionen für die betroffenen Lehrer über die öffentlichen Behörden hervorzurufen, eine Prangerwirkung (shaming) ausgeht, werden die Interessen und Grundrechte der betroffenen Lehrer unangemessen beeinträchtigt. Im Ergebnis überwiegen hier die Schutzinteressen der betroffenen Lehrer.

Da die Datenverarbeitung ohne Kenntnis der Lehrer bereits gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO) verstößt und da die Interessen und Grundrechte der betroffenen Lehrer nach dieser Abwägung überwiegen, kommt Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO ebenfalls nicht als eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Personendaten über Lehrer auf „lehrersos.de“ in Betracht. Nach alledem ist festzuhalten, dass jede der in der Datenschutzerklärung des Meldeportals „lehrersos.de“ angeführten Rechtsgrundlagen nicht einschlägig ist für die Verarbeitungen von personenbezogenen Meldungen über mutmaßliche Neutralitätsverstöße von Lehrern.

2. Ergebnis: Keine Zulässigkeit nach Datenschutzrecht

Im Ergebnis ist zu konstatieren, dass die personenbezogenen Datenverarbeitungen über die von AfD-Landtagsfraktionen betriebenen Meldeportale nicht die nach Art. 5 und 6 DS-GVO vorausgesetzten allgemeinen und speziellen Zulässigkeitskriterien erfüllen. Den Portalen aus Hamburg und Berlin fehlt es bereits an der eindeutigen und vor der Verarbeitung festgelegten Formulierung der Verarbeitungszwecke, weshalb eine allgemeine Zulässigkeit bereits nach Art. 5 Abs. 1 DS-GVO nicht gegeben ist. Das Meldeportal der sächsischen AfD-Fraktion, „lehrersos.de“, kann nicht auf eine einschlägige Rechtsgrundlage verweisen, die die Verarbeitung legitimiert; außerdem dürfte die Verarbeitung ohne das Wissen der Betroffenen grundsätzlich nicht mit dem Gebot von Treu und Glauben nach Art. 5 Abs. 1 lit. a DS-GVO vereinbar sein. Letztlich kann das Meldeportal der AfD-Fraktion Sachsen eine potentielle Prangerwirkung für die betroffenen Lehrer hervorrufen, weshalb die Interessen und Grundrechte der Betroffenen in ihrer Schutzwürdigkeit überwiegen. Die hier untersuchten Meldeportale verstoßen damit in vielerlei Hinsicht gegen das europäische Datenschutzrecht.

III. Fazit

Die hier untersuchten Meldeportale über Lehrer, die von einigen Landtagsfraktionen der AfD betrieben werden, rufen in mehrfacher Hinsicht datenschutzrechtliche Bedenken hervor. Neben der datenschutzrechtlichen Unzulässigkeit dieser Portale, die vor allem deren Betreiber und Verantwortliche, die entsprechenden Landtagsfraktionen, zur Herstellung eines rechtmäßigen Zustandes veranlassen muss, sollten weiterhin die Schüler, die Meldungen über die Portale abgeben, ihr Handeln überprüfen. Wer unbewusst oder gar wissentlich unwahre und ehrenrührige Tatsachenbehauptungen über andere abgibt, kann sich im Zweifel der üblen Nachrede oder der Verleumdung nach §§ 186, 187 StGB strafbar machen.

Hannes Berger
Der Autor ist seit dem Jahr 2016 Promotionsstipendiat des Freistaates Thüringen und Doktorand am Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verwaltungswissenschaften an der Universität Erfurt. Weiterhin ist er Lehrbeauftragter an der Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erfurt und Mitherausgeber der Zeitschrift für Landesverfassungsrecht und Landesverwaltungsrecht.