18. GDD-Sommer-Workshop
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Editorial : Beschäftigtendatenschutz – Quo vadis?

„Mehr Fortschritt wagen“ – so der Titel des neuen Koalitionsvertrags. Aber was ist Fortschritt, was Rückschritt, und was nur ein Tippeln zur Seite? Auch im Datenschutzrecht stellt sich immer wieder diese Frage neu. Konkret heißt es da:

Lesezeit 2 Min.

Wir schaffen Regelungen zum Beschäftigtendatenschutz, um Rechtsklarheit für Arbeitgeber sowie Beschäftigte zu erreichen und die Persönlichkeitsrechte effektiv zu schützen“.

Aber was heißt das? Wer ist schon gegen Rechtsklarheit, und wer wollte nicht den effektiven Schutz von Persönlichkeitsrechten? Wer das so abstrakt formuliert, der wird keinen Widerspruch erwarten müssen. Wer konkreter wird, muss sagen, was er tatsächlich will. Und da beginnt die Diskussion. Hilfreich wäre in der Tat größere Rechtssicherheit. Die kann insbesondere durch Betriebsvereinbarungen gewährleistet werden

Eigentlich ist das ein Wiedergänger. Schon der Koalitionsvertrag von CDU/ CSU u. SPD (19. Legislatur, Zeilen 6086-6088) formulierte einen Prüfauftrag, der sich ebenso in den Materialien zum 1. DSAnpUG-EU wiederfindet, dort aber noch konkreter gefasst ist, indem exemplarisch verschiedene Regelungsziele aufgezählt werden: „das Fragerecht bei der Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, den expliziten Ausschluss von heimlichen Kontrollen im Beschäftigungsverhältnis, die Begrenzung der Lokalisierung von Beschäftigten sowie den Ausschluss von umfassenden Bewegungsprofilen, den Ausschluss von Dauerüberwachungen und die Verwendung biometrischer Daten zu Authentifizierungs- und Autorisierungszwecken.“ (BT-Drucks. 18/11325, S. 97). Aber was könnte jetzt gemeint sein?

In der Suche nach einem besseren Beschäftigtendatenschutz sind alle möglichen Handlungsoptionen in den Blick zu nehmen. Gesetzliche Neuformulierungen oder Ergänzungen sind jedoch nur dort möglich, wo es sich um abstrakte Regelungen handelt, die hinreichende Verallgemeinerungsfähigkeit besitzen. Eine Vielzahl von Einzelfragen zu regeln, birgt die Gefahr, dass die Systematik verloren geht und dass die Regelung dann eben – weil zu kategorisch – den Einzelfall
nicht richtig erfasst. Deshalb ist ergänzend nach weiteren Instrumenten der Konkretisierung und der Rechtsklarheit zu suchen. Hierfür kann es hilfreich sein, gesetzgeberische Hinweise zur Gewichtung der Verhältnismäßigkeitskriterien und Abwägungsmaßstäbe bei einzelnen Datenverarbeitungen im Beschäftigungskontext zu geben: Nicht die Lösung im Einzelfall wird vorgegeben, sondern die Kriterien benannt, nach denen die Abwägung im Einzelfall zu erfolgen hat. Dies kann im Gesetz selbst geschehen oder aber in einer Stärkung der Selbstregulierung durch Sozial- und Betriebspartner. Wiederum ergänzend dazu können Stellungnahmen der Aufsichtsbehörden treten, die zahlreicher als bisher die Einzelfälle des Beschäftigtendatenschutzes adressieren. Durch eine ausführliche auch rechtliche Begründung ermöglichen sie der Praxis, sich hiermit auseinanderzusetzen und diese Empfehlungen sinnvoll auch im eigenen Betrieb umzusetzen.

Vieles ist also möglich. Prüfet alles und behaltet das Gute, mahnt der hl. Paulus die Gemeinde von Thessaloniki. Das gilt auch hier und heute. Das Ziel ist klar. Jeder Schritt auf dem Weg ist verdienstvoll.

Prof. Dr. Gregor Thüsing
Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn und
Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit e.V., Bonn.