Rechtsprechung : Kein Anspruch auf Aufhebung des Entzugs der DSB-Funktion wegen eventueller Inkompatibilität im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
(Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. Juli 2021 – 4 S 1225/21 –)
1. Wird eine behördliche Datenschutzbeauftragte unter Widerruf ihrer Aufgaben als DSB umgesetzt, weil eine Inkompatibiliät mit der gleichzeitig wahrgenommenen Aufgabe als Leiterin des Rechnungsprüfungsamts vorliegen soll, spricht viele dafür, dass die Entziehung der Aufgabe als DSB aller Voraussicht nach rechtswidrig ist, weil kein genereller Interessenkonflikt im Sinne des Art. 38 Abs. 6 Satz 1 DS-GVO ersichtlich ist.
2. Der Klägerin steht jedoch im vorläufigen Rechtsschutzverfahrens kein Anspruch auf Aufhebung der Maßnahme zu, weil es jedenfalls an der für die Annahme eines Anordnungsgrundes geforderten Offensichtlichkeit der Rechtswidrigkeit fehlt. Denn dass der Entzug der Aufgaben als Datenschutzbeauftragte rechtsgrundlos erfolgte, sich insbesondere nicht auf Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DS GVO stützen lässt, lässt sich bei summarischer Prüfung gerade nicht mit dem mit Blick auf das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit feststellen.
(Nicht amtliche Leitsätze)
Sachverhalt:
I. Die Antragstellerin steht als Leiterin des Rechnungsprüfungsamts in den Diensten der Antragsgegnerin. Mit Schreiben des Oberbürgermeisters der Antragsgegnerin vom 11.12.2017 wurde ihr ab 01.01.2018 die Funktion der Datenschutzbeauftragten nach Art. 37 VO (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz Grundverordnung – DS GVO -) übertragen.
Nachdem Zweifel an der Rechtmäßigkeit ihrer Bestellung aufgekommen waren, setzte der Oberbürgermeister die Antragstellerin mit Schreiben vom 19.01.2021 darüber in Kenntnis, dass sie mangels Gemeinderatsbeschlusses nicht wirksam zur Datenschutzbeauftragten bestellt worden sei; hilfsweise widerrief er ihre Bestellung unter Berufung darauf, dass ein Interessenkonflikt zwischen ihrer Tätigkeit als Leiterin des Rechnungsprüfungsamts und ihrer Aufgabe als Datenschutzbeauftragte bestehe.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, sachdienlich gerichtet darauf, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, ihr bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Funktion der behördlichen Datenschutzbeauftragten der Antragsgegnerin zu übertragen, abgelehnt. Zwar habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn sie sei nach summarischer Prüfung auch ohne Gemeinderatsbeschluss ordnungsgemäß zur behördlichen Datenschutzbeauftragten berufen worden. Die Entziehung dieser Aufgabe erweise sich aller Voraussicht nach auch als rechtswidrig, weil kein genereller Interessenkonflikt im Sinne des Art. 38 Abs. 6 Satz 1 DS-GVO zwischen ihrer Tätigkeit als Leiterin des Rechnungsprüfungsamts und ihrer Aufgabe als Datenschutzbeauftragter ersichtlich und auch das im gerichtlichen Verfahren erstmals angeführte zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen ihr und dem Oberbürgermeister bei summarischer Prüfung nicht zu erkennen sei. Es fehle allerdings an einem Anordnungsgrund. Denn eine – wie hier – bloße Umsetzung führe grundsätzlich nicht zu Nachteilen, die ein Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache unzumutbar erscheinen ließen, und drohende, schlechthin unzumutbare Nachteile, die eine Vorwegnahme der Hauptsache verlangten, seien weder hinreichend dargetan noch ersichtlich.
Die Antragstellerin beruft sich in ihrer Beschwerdebegründung darauf, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds gegeben seien, weil die Entscheidung über ihre Abberufung als Datenschutzbeauftragte offensichtlich rechtswidrig und willkürlich sei und sie grundlos degradiere.
Aus den Gründen:
II. Mit diesem Vortrag hat die Antragstellerin keinen Erfolg. Auch der Senat hält einen Anordnungsgrund für nicht glaubhaft gemacht.
1. Zutreffend hat das Verwaltungsgericht die durch den Widerruf der Bestellung der Antragstellerin zur Datenschutzbeauftragten erfolgte Entziehung von Teilaufgaben als eine der beamtenrechtlichen Umsetzung gleichstehende Maßnahme eingestuft, weil sich damit ein Teilbereich ihres Dienstpostens, d.h. der ihr konkret übertragenen Aufgaben, ändert (vgl. dazu Bay. VGH, Beschluss vom 25.11.2010 – 3 CE 10.1806 -, Juris Rn. 31.
2. Soll die Umsetzung eines Beamten auf einen anderen Dienstposten oder eine dieser gleichstehende Maßnahme wie etwa eine teilweise Aufgabenentziehung durch eine einstweilige Anordnung im Sinne von § 123 VwGO vorläufig rückgängig gemacht werden, so ist ein Anordnungsgrund für eine solche Regelung nur im besonderen Einzelfall gegeben. Grundsätzlich kann ein Betroffener insoweit auf den Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren verwiesen werden, weil eine Umsetzung im Grundsatz jederzeit rückgängig gemacht werden kann, er mithin in der Zwischenzeit keinen endgültigen Rechtsverlust erleidet. Ein Anordnungsgrund besteht deswegen in Fällen solcher Art nur, wenn dem betroffenen Beamten in sonstiger Weise ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere, unzumutbare Nachteile drohen, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichen lassen (Senatsbeschluss vom 09.10.2018 – 4 S 1773/18 -, Juris Rn. 6; Sächs. OVG, Beschluss vom 14.10.2020 – 2 B 271/20 -, Juris Rn. 23; OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2019 – 6 B 1459/18 -, Juris Rn. 18).
a. Allein der Umstand, dass ohne die beantragte einstweilige Anordnung nach Auffassung des von einer Umsetzung Betroffenen ein rechtswidriger und seinem Ansehen abträglicher Zustand bis zur Entscheidung über die Hauptsache aufrechterhalten würde, begründet noch keinen solchen schweren, unzumutbaren Nachteil, sondern ist regelmäßige Folge des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache (ebenso Sächs. OVG, Beschluss vom 14.10.2020 – 2 B 271/20 -, Juris Rn. 25; OVG NRW, Beschluss vom 15.12.2014 – 6 B 1220/14 -, Juris Rn. 10; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 8. Aufl., 2013, § 4 Rn. 71). Ein unzumutbarer Nachteil kann allerdings, worauf die Antragstellerin im Grundsatz zurecht hinweist, anzunehmen sein, wenn sich die Umsetzung als materiell offensichtlich rechtswidrig erweist; in diesem Fall hätte der Verweis des Beamten auf den Ausgang eines unter Umständen mehrere Jahre andauernden Hauptsacheverfahrens zur Folge, dass er einen durch die Umsetzung bewirkten materiell offensichtlich rechtswidrigen Eingriff in seine Rechtssphäre während eines gegebenenfalls beträchtlichen Zeitraums hinnehmen müsste. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gebietet es, dem Beamten die Hinnahme einer solchen offensichtlich rechtswidrigen, insbesondere willkürlichen Maßnahme auch nicht für die Dauer des Rechtsschutzverfahrens zuzumuten (vgl. Senatsbeschluss vom 07.03.1996 – 4 S 2546/95 -, Juris Rn. 4 f.; OVG S.-A., Beschluss vom 14.09.2020 – 1 B 92/20 -, Juris Rn. 16; OVG NRW, Beschluss vom 21.03.2019 – 6 B 1459/18 -, Juris Rn. 22 ff.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin ihren unter dem 19.01.2021 erfolgten Widerruf der Bestellung der Antragstellerin zur Datenschutzbeauftragten damit begründet, dass, wie das eingeholte Rechtsgutachten aufzeige, zwischen der Tätigkeit der behördlichen Datenschutzbeauftragten auf der einen und ihrer Funktion als Leiterin des Fachbereichs Revision auf der anderen Seite wegen der in Revisionsabteilungen erfolgenden Auswertung großer Datenmengen Interessenskonflikte bestünden.
Ob diese Auffassung im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung standhält, ob also die Wahrnehmung der mit der Leitung des Rechnungsprüfungsamts der Antragsgegnerin verbundenen Aufgaben und Pflichten tatsächlich zu einem Interessenkonflikt im Sinne von Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DS-GVO mit den Aufgaben und Pflichten eines Datenschutzbeauftragten führt oder ob, wie das Verwaltungsgericht unter Berufung auf die Einschätzung des Landesbeauftragten für den Datenschutz in dessen Schreiben vom 29.01.2021 meint, vorliegend nicht von einer Inkompatibilität der beiden Tätigkeiten auszugehen ist, kann im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens dahinstehen, weil es jedenfalls an der für die Annahme eines Anordnungsgrundes geforderten Offensichtlichkeit fehlt.
Die Frage eines Interessenkonflikts gemäß Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DS-GVO wird insbesondere im Zusammenhang mit der – mit der Leitung des Rechnungsprüfungsamts inhaltlich vergleichbaren – Tätigkeit der betrieblichen internen Revision ausgesprochen kontrovers diskutiert. Überwiegend wird die Bestellung jedenfalls des Leiters der Revisionsabteilung zum Datenschutzbeauftragten bereits im Grundsatz abgelehnt, weil die Revisionsabteilung typischerweise selbst in größerem Umfang personenbezogene Daten verarbeite und es überdies zu einer Kollision zwischen der Berichtspflicht des Revisors und der Schweigepflicht des Datenschutzbeauftragten kommen könne (Forgó/Helfri/Schneider, Betrieblicher Datenschutz, 3. Aufl., 2019, Teil II Kapitel 3 Rn. 63; ausführl. [zu § 4f BDSG a.F.] Ernst, NJOZ 2010, 2443, 2444 ff. m.w.N. auch zur Gegenauffassung; ähnlich [sollte vermieden werden] auch Plath, DS GVO/BDSG, 3. Aufl., 2018, Art. 38 Rn. 35). Nach anderer Auffassung ist der Innenrevisor zwar von seinem Aufgabengebiet und seinen damit verbundenen Kenntnissen her zunächst gut geeignet, um die Aufgaben als Datenschutzbeauftragter zu erfüllen (darauf hinweisend etwa Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/ BDSG, Stand 04/21, Art. 37 Rn. 51 f.); ungeachtet dieser Eignung wird aber eine Einzelfallbetrachtung dahingehend für erforderlich gehalten, ob und in welchem Maße Interessenkonflikte daraus resultieren können, dass der Datenschutzbeauftragte im Rahmen seiner Tätigkeit in der Revision selbst Datenauswertungen durchführt oder verantwortet (Kühling/Buchner, DS-GVO /BDSG, 3. Aufl., 2020, Art. 38 Rn. 42; BeckOK Wolff/Brück, Datenschutzrecht, Stand 01.11.2019, Art. 38 DS-GVO Rn. 36; Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Stand 04/21, Art. 37 Rn. 52).
Vor diesem Hintergrund lässt sich im Rahmen der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung nicht feststellen, dass sich die Rechtswidrigkeit des mit Schreiben vom 19.01.2021 erfolgten Widerrufs der Bestellung der Antragstellerin als Datenschutzbeauftragter geradezu aufdrängt, der Widerruf damit offensichtlich rechtswidrig ist, wie es für die ausnahmsweise Annahme eines Anordnungsgrundes im Sinne von § 123 Abs. 1 VwGO erforderlich wäre.
b. Auch soweit die Antragstellerin einwendet, die Abberufung als Datenschutzbeauftragte führe zu ihrer „grundlosen Degradierung“, kann sie hier damit keinen Erfolg haben.
Eine Degradierung im Sinne einer nicht (mehr) amtsangemessenen Aufgabenzuweisung infolge ihrer Abberufung liegt nicht vor; dass die Funktion der Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes der Antragsgegnerin auch ohne die zusätzlichen Aufgaben als Datenschutzbeauftragte dem statusrechtlichen Amt einer Stadtoberverwaltungsrätin entspricht, wird zurecht nicht infrage gestellt. Auf die Beibehaltung bestimmter Aufgaben oder Funktionen aber hat ein Beamter auch dann keinen Anspruch, wenn diese etwa mit einem besonderen Ansehen in Gemeindeverwaltung oder Kommune oder einer weitergehenden Personalverantwortung verbunden sind; umso weniger begründet deren Entzug einen Anordnungsgrund im Rahmen des § 123 Abs. 1 VwGO.
Ob im Einzelfall etwas anderes gilt, wenn, wie es die Antragstellerin formuliert, der Aufgabenentzug „ohne sachlich einleuchtende rechtlich zulässige Gründe“ erfolgt und zudem Gegenstand öffentlicher Berichterstattung war, weil auch in diesem Fall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere, unzumutbare Nachteile drohen könnten, die sich auch bei einem späteren Erfolg im Hauptsacheverfahren nicht mehr ausgleichen lassen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn dass der Entzug der Aufgaben als Datenschutzbeauftragte rechtsgrundlos erfolgte, sich insbesondere nicht auf Art. 38 Abs. 6 Satz 2 DS-GVO stützen lässt, lässt sich, wie gesehen, bei summarischer Prüfung gerade nicht mit dem mit Blick auf das grundsätzliche Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsacheentscheidung erforderlichen hohen Grad an Wahrscheinlichkeit feststellen.